Suizidprävention bei Brücken

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK
Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la
communication DETEC
Dipartimento federale dell'ambiente, dei trasporti, dell'energia e delle
communicazioni DATEC
Bundesamt für Strassen
Office fédéral des routes
Ufficio federale delle Strade
Suizidprävention bei Brücken:
Grundlagen
Prévention des suicides sur les ponts: bases
Suicide prevention at bridges: basic evaluation
Universitäre Psychiatrische Dienste Bern,
Universitätsklinik für Psychiatrie
Th. Reisch, Dr. med.
U. Schuster, med. pract.
C. Jenny, cand. phil.
K. Michel, Prof. Dr. med.
Forschungsauftrag AGB2003/013 auf Antrag der
Arbeitsgruppe Brückenforschung (AGB)
Juli 2006
Vorwort
1
Vorwort
Brücken dienen der Verbindung über Abgründe und Tiefen, und werden zu diesem Zweck für
die Menschen konstruiert und gebaut. Ein unbeabsichtigter Aspekt der Brücken liegt jedoch
in der Tatsache, dass Menschen mit Suizidabsichten hohe Brücken wählen, um durch den
Sprung in die Tiefe zu Tode zu kommen. Solche so genannten „Suizidbrücken“ sind weltweit
zu trauriger Berühmtheit geworden.
Dem folgenden Bericht liegen Forschungsergebnisse zugrunde, die sich mit den Brückensuiziden in der Schweiz beschäftigen, besonders im Hinblick auf bereits bestehende präventive
Massnahmen und deren objektivierbare Wirksamkeit.
Der Zweck dieser Arbeit ist es, gesamtschweizerisch Suizidbrücken zu identifizieren, sowie
Möglichkeiten präventiver Massnahmen zur Verhinderung von Brückensuiziden zu formulieren, sowohl allgemein für Brücken, die sich in Planung befinden, als auch für bereits bestehende Brücken, die wir als Suizidbrücken identifiziert haben.
Die Arbeiten wurden von der Arbeitsgruppe Brückenforschung des Bundesamtes für Strassen
(ASTRA) in Auftrag gegeben. Die Autoren danken der Begleitkommission C, bestehend aus
den Herren P. Matt (Vorsitz), M. Donzel, H. Figi, Prof. Dr. A. Muttoni, W. Schuler und Dr.
D. Somaini für die Unterstützung.
Bern, Juli 2006
Die Verfasser
2
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Inhaltsverzeichnis
3
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
5
Résumé
8
Summary
11
1
Einleitung
15
1.1
Suizide und Suizidversuche in der Schweiz
15
1.2
Psychologische Hintergründe suizidaler Handlungen
16
1.2.1
1.2.2
Allgemeine Hintergründe
Das Phasenmodell der suizidalen Handlung
16
17
1.3
Suizid durch Sturz aus grosser Höhe (Brücken, Wohnhäuser, hohe öffentliche
Gebäude wie Krankenhäuser, Sehenswürdigkeiten usw.)
18
1.4
Suizidprävention
18
1.5
Bedeutung der Medien
21
1.6
Suizidprävention durch Reduktion der Verfügbarkeit von Suizidmethoden
22
1.7
Sicherung von Orten grosser Höhe
23
1.7.1
1.7.2
Zum Beispiel: Sicherheitsnetze an der Berner Münsterplattform
Weitere wichtige Arbeiten
23
24
2
Methode
27
2.1
Forschungsplan im Überblick
27
2.2
Datenerfassung
27
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
Brücken
Medienberichte
Angaben zu Suizidpräventionsmassnahmen an Brücken weltweit
Statistische Berechnungen
28
30
31
31
3
Ergebnisse
35
3.1
Suizide durch Sprung von Brücken bzw. Sturz in die Tiefe
35
3.2
Methodenverlagerung: Kantone mit bzw. ohne Brückensuizide
37
3.3
Hotspots
38
3.3.1
3.4
3.4.1
3.4.2
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.5.4
Technische Daten der Hotspots
Mediendaten
Hotspots
Mythos-Effekt
Berichte über Brückensuizide in der Schweiz
Pont Bessière
Alte und neue Lorzentobelbrücke
Pont Butin
Kirchenfeldbrücke
40
41
41
44
45
45
46
46
46
4
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
3.5.5
3.5.6
3.5.7
3.5.8
3.5.9
3.5.10
3.5.11
Haggenbrücke
Fürstenlandbrücke
Pont de Zähringen
SBB Brücke über Sitter
Pont Chauderon
Pont du Gottéron
Hohe Brücke
47
47
47
47
47
48
48
3.6
Präventive Massnahmen bei Brücken in der Schweiz
48
3.7
Präventive Massnahmen bei Brücken im Ausland
51
3.7.1
3.7.2
3.7.3
Prävention durch bauliche Massnahmen
Prävention durch nicht-bauliche Massnahmen
Weitere Erfahrungen mit präventiven Massnahmen im Ausland
51
53
54
4
Diskussion und Empfehlungen
59
4.1
Allgemeines
59
4.2
Hotspots
59
4.3
Brückensuizide und andere Methoden (Methodenverlagerung)
60
4.4
Medienberichterstattung
61
4.5
Mythos-Effekt
62
4.6
Zugänglichkeit und Höhen bei Hotspot Brücken
62
4.7
Suizidpräventionsmassnahmen
63
4.7.1
4.7.2
4.7.3
4.7.4
Schilder und Telefone
Unvollständige bauliche Massnahmen
Geländererhöhungen
Netze
63
64
64
65
4.8
Empfehlungen
65
5
Literaturverzeichnis
69
Anhang Nr. 1: Beschreibung der einzelnen Brücken, geordnet nach Häufigkeit der Suizide.71
Anhang Nr. 2: Übersicht alle Brücken
107
Anhang Nr. 3: Richtlinien für die Medienberichterstattung zum Thema Suizid
111
Anhang Nr. 4: Beispiele für ungünstige Medienberichterstattung
115
Zusammenfassung Résumé Summary
5
Zusammenfassung
Allgemeiner Hintergrund:
Pro Jahr sterben in der Schweiz ca. 1400 Menschen durch Suizid und ca. 500 Menschen durch
Verkehrsunfälle. Suizid durch Sturz in die Tiefe stellt die vierthäufigste Suizidmethode in der
Schweiz dar. Ein grosser Teil dieser Suizide erfolgt durch Sturz von Brücken. Im internationalen Vergleich ist die Rate der Suizide durch Sprung in die Tiefe in der Schweiz hoch.
Ziel der Studie:
Ziel der vorliegenden Studie war eine schweizweite Erfassung der Brückensuizide. Der Anteil
von Brückensprüngen an allen Suiziden durch Sprung in die Tiefe wurde erhoben. Ein weiteres Ziel der Studie lag darin, so genannte Hotspots, d.h. Brücken mit einer speziell hohen
Suizidrate zu identifizieren. Im Weiteren sollten bestehende Sicherheitsmassnahmen an diesen Brücken erfasst und deren suizidpräventive Wirkung beschrieben werden. Die Daten von
Suizidsprüngen von Brücken sollten ferner in Bezug zu Medienberichterstattung gesetzt werden, um die Bedeutung der Medien bezüglich der Gefahr von Nachfolgesuiziden (WertherEffekt) zu analysieren. Als letztes sollte untersucht werden, wie gross die Wahrscheinlichkeit
ist, dass nach Anbringen von Sicherungen an Brücken eine Verschiebung der Sprünge zu
anderen Objekten stattfindet. Aus den Daten und unter Einbezug der internationalen Literatur
sollten erstmals für die Schweiz datenbasierte Empfehlungen für suizidpräventive Massnahmen bei Brücken abgeleitet werden.
Methode:
Die Gesamtzahl der Suizide wurde mittels offizieller Daten der Jahre 1990-2001 des Bundesamtes für Statistik (BFS) erhoben. Diese Daten beschreiben, wie viele Suizide mit welcher
Methode durchgeführt werden, wobei eine weitere Differenzierung der Kategorie „Suizid
durch Sprung in die Tiefe“ vom BFS nicht vorgenommen wird. Diese Differenzierung erfolgte in der vorliegenden Studie durch direkte Befragung der für diesen Sachverhalt jeweils verantwortlichen offiziellen Stellen. Im Fall von Brückensuiziden sind dies: Institute für Rechtsmedizin, Polizei, Kantons- und Bezirksärzte. Bauliche Veränderungen von Brücken, welche
einen Einfluss auf Suizide haben könnten, wurden von den jeweiligen offiziellen Stellen
6
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
(Tiefbauämter, etc.) erfasst. Der Kanton Tessin konnte wegen kantonaler Datenschutzbestimmungen nicht erfasst werden. Die Erfassung der Mediendaten erfolgt mittels Swissdox.
Ergebnisse:
Insgesamt konnten 475 Brückensuizide zwischen 1990 und 2004 erfasst werden. Es muss
jedoch angenommen werden, dass die Anzahl geringfügig unterschätzt wurde, da in einigen
Kantonen die Erfassung der Brückensuizide z.B. durch Kantonsärzte möglicherweise nicht
vollständig war. Der Anteil der Suizide durch Sprung in die Tiefe an allen Suiziden beträgt
10.9%. In Kantonen mit systematisierter Erfassung betrug der relative Anteil der Brückensuizide innerhalb der Kategorie Suizid durch Sprung 22.3%. Diese Brückensuizide verteilten
sich auf 141 Brücken. Insgesamt wurden 23 Brücken gefunden, welche eine Suizidrate > 0.4
Suiziden pro Jahr hatten, und damit als Brücken-Hotspots der Schweiz bezeichnet werden
können. Drei Brücken wiesen im Durchschnitt mehr als 2 Suizide pro Jahr auf (Pont Bessière
in Lausanne, VD; Lorzentobelbrücken in Baar, ZG; Kirchenfeldbrücke in Bern, BE). 82%
aller Hotspots fanden sich innerhalb eines 5-Kilometerradius eines Stadtkerns. Es fielen zwei
verschiedene Kategorien von Brücken auf: Zum einen hohe Brücken (mehr als 25 Meter)
innerhalb einer Stadt und zweitens sehr hohe Brücken (mehr als 50 Meter) in nichtstädtischen Gebieten. In Kantonen mit vielen Brückensuiziden war die Gesamtzahl der Suizide durch Sprung signifikant höher als in Regionen ohne solche Brücken. Diese Daten deuten
indirekt darauf hin, dass nach erfolgreicher Verhinderung von Brückensuiziden ein grosser
Teil der Menschen nicht von anderen Orten wie z.B. Gebäuden springen wird.
Sicherheitsmassnahmen sind bislang nur an wenigen Brücken installiert worden. An mehreren
Brücken wurden Geländererhöhungen angebracht. An zwei Brücken mit partiellen Sicherungsmassnahmen (Geländererhöhungen in begrenzten Bereichen, um zum Beispiel darunter
liegende Gewerbeareale zu schützen) zeigten sich keine Veränderungen bzw. sogar eine Erhöhung der Suizide nach Anbringung der Barrieren. Bei Geländererhöhungen über die gesamte Brückenlänge zeigten sich nach Installation dagegen deutliche Reduktionen der Suizidzahlen, wobei die relative Reduktion abhängig von der absoluten Geländerhöhe war. Eine Geländererhöhung auf 133cm (Pont Gottéron, FR) zeigte keinen Einfluss auf die Anzahl der Sprünge, wohingegen bei der Pont Bessière mit einer Geländererhöhung auf 155cm eine Reduktion
auf ca. 50% der Suizide nach Installation gefunden wurde. Diese Ergebnisse zeigen, dass
hohe Geländer nötig sind, um Suizide an Brücken vollständig bzw. nahezu vollständig zu
verhindern. Keinen direkten Einfluss (weder positiv noch negativ) auf die Suizidzahl konnten
Zusammenfassung Résumé Summary
7
durch andere bauliche Massnahmen wie Telefone oder Hinweisschilder „Die Dargebotene
Hand“ (10 Brücken) gefunden werden. Die Nutzung der Telefone z.B. bei der Ganterbrücke
deutet aber indirekt auf einen suizidpräventiven Effekt dieser Massnahme hin.
An 11 Brücken wurde eine relevante Anzahl von Medienberichten gefunden. Die Anzahl der
Suizide korreliert hoch mit der direkten Anzahl der Medienberichte sowie mit der Zunahme
der Anzahl der Medienberichte. Unklar bleibt jedoch, wieweit hier eine Kausalbeziehung
vorliegt (Medienberichte wegen der Zunahme oder Zunahme durch die Medienberichte).
Eine zeitliche Häufung von Suiziden im Sinne eines unmittelbaren Werther-Effektes konnte
bei 5 Brücken nachgewiesen werden. Es ist insgesamt anzunehmen, dass die Medienberichterstattung einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung eines Suizid Hotspots hat.
Empfehlungen:
Präventive Massnahmen bei Brücken mit hoher Suizidhäufigkeit sind angezeigt. Neben Sicherheitsnetzen sind Geländererhöhungen sinnvolle Massnahmen, sie sollten mindestens
180 cm hoch und sprossenfrei sein. Neue Brücken, die sich zum Sprung in die Tiefe eignen,
sollten à priori mit erhöhtem Geländer gebaut werden. Ausserhalb von Städten erscheint ein
höheres Geländer bei den für Fussgänger zugänglichen Brücken ab einer Brückenhöhe von
50 Meter sinnvoll, ab 90 Meter zwingend. Bei bestehenden Brücken sollten diese baulichen
Massnahmen erfolgen wenn eine Brücke zu einem Hotspot geworden ist. Der Bau unvollständiger Massnahmen, die gefährliche Sprungbereiche offen lassen, sollte vermieden werden. Bestehende unvollständige Geländererhöhungen, die gefährliche Sprungbereiche nicht
absichern, sollten vervollständigt werden. Im Weiteren braucht es eine Instanz, welche die
Einhaltung der Richtlinien für die Medienberichterstattung von Suiziden gewährleistet.
8
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Résumé
Contexte:
En Suisse, chaque année, 1400 personnes meurent par suicide et environ 500 personnes par
accidents de la route. Se précipiter dans le vide est la méthode de suicide qui vient en quatrième place de par sa fréquence. En grande partie, il s’agit de chutes de ponts. Par rapport
aux données internationales, le taux de suicide par chute dans le vide est élevé en Suisse.
Objectif de l’étude:
L’objectif la présente étude était un inventaire et une analyse des suicides par chute de pont en
Suisse. Il s’agissait de déterminer la part que représente cette manière de mettre la fin à ses
jours par rapport à l’ensemble des suicides par saut dans le vide et d’identifier les „hot spots“,
c’est-à-dire les ponts avec un taux de suicide particulièrement élevé. En outre les mesures de
sécurité existantes devaient être décrites et évaluées du point de vue de leur efficacité. Les
suicides par chute de pont devaient aussi être mis en relation avec les articles de presse, pour
analyser l’effet d’incitation de l’information des médias sur les suicides (effet Werther). Finalement, il s’agissait d’examiner si la mise en place de dispositifs de sécurité sur un pont avait
un effet préventif réel ou s’il y avait une augmentation du nombre de suicides sur d’autres
ponts. Sur la base de toutes les informations réunies, la littérature étrangère comprise, des
recommandations de mesures pour prévenir les suicides par chute de pont devaient être formulées. Ceci constitue une première en Suisse.
Méthode:
Le nombre de suicides a été établi sur la base des données officielles de l’Office Fédéral de la
Statistique pour la période allant de 1990 à 2001. Ces données fournissent comme information le nombre de suicides et la méthode utilisée, sans toutefois donner des informations différenciées pour la catégorie «saut dans le vide». Cette différenciation a été réalisée dans le cadre
de la présente étude en contactant, cas par cas, les instances compétentes. Pour les suicides
par chute de pont, ce sont les instituts médico-légaux, la police, les médecins cantonaux et les
médecins de district. Les informations relatives aux modifications constructives qui auraient
pu avoir un effet sur les suicides par chute de pont ont été fournies par les services compétents
(Ponts et chaussées). Les données du canton du Tessin n’ont pas pu être prises en considéra-
Zusammenfassung Résumé Summary
9
tion en raison de la réglementation cantonale sur la protection des données. La recherche des
articles de presse a été réalisée au moyen de Swissdox.
Résultats:
Dans l’ensemble, 475 suicides par chute de pont ont été enregistrés pour la période allant de
1990 à 2004. II est cependant probable que ce nombre est légèrement sous-estimé, car dans
quelques cantons l’enregistrement des suicides, par exemple par les médecins cantonaux,
pourrait être lacunaire. Les chutes dans le vide représentent 10.9% des suicides. Dans les
cantons disposant d’un enregistrement systématique, 22.3% des suicides chute dans le vide
étaient des chutes de ponts. Ces suicides se sont produits sur 141 ponts. Sur 23 d’entre eux,
plus de 0.4 suicides ont eu lieu chaque année, en moyenne. Ces ponts peuvent être qualifiés
de «hot spots». Trois ponts sont annuellement le théâtre de plus de deux suicides, en moyenne
(pont Bessières à Lausanne, VD; Lorzentobelbrücke à Baar, ZG; Kirchenfeldbrücke à Berne,
BE). 82 % des «hot spots» se trouvent à moins de 5 km d’un centre de ville. On peut distinguer deux catégories de «hot spots»: les ponts hauts (plus de 25m) situés à l’intérieur d’une
ville et les ponts très hauts (plus de 50m) dans les régions non urbaines. Il y a une corrélation
entre la présence de tels ponts et le nombre total de suicides par saut dans le vide dans une
région. Cette constatation permet de déduire que la plupart des personnes que l’on aura pu
empêcher de sauter d’un pont par des mesures appropriées ne chercheront pas un autre endroit, comme par exemple un bâtiment, pour se suicider.
Peu de ponts ont été munis de dispositifs particuliers pour prévenir les suicides jusqu’ici.
Quelques ponts ont été équipés de garde-corps surélevés. Deux ponts n’ont été dotés de
garde-corps surélevés que localement pour protéger une zone industrielle située en contrebas;
le nombre de suicides n’a pas diminué après la mise en œuvre de cette mesure partielle, il a
même augmenté Par contre, lorsque la hauteur du garde-corps a été surélevée sur toute la
longueur du pont, on a pu constater une réduction notable du nombre de suicides, dépendant
cependant de la hauteur de la barrière. La mise en place d’un garde-corps de 133 cm de haut
sur le pont de Gottéron (FR) n’a pas eu d’influence sur le nombre de suicides alors que sur le
pont Bessières à Lausanne, une barrière de 155 cm en a réduit le nombre de moitié. Ces résultats indiquent qu’il faut des garde-fous de grande hauteur pour empêcher efficacement les
suicides. Aucune influence sur le nombre de suicides, ni positive, ni négative, n’a été observée après la mise en place d’autres mesures comme des téléphones ou des panneaux indicateurs de «la Main tendue» sur 10 ponts. Le fait que les téléphones ont été utilisés, par exemple
10
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
sur le pont du Ganter, montre cependant qu’ils ont eu un effet préventif, même s’il n’a pas été
mesurable.
Onze ponts ont fait l’objet d’information dans les médias. Il y a une forte corrélation entre le
nombre d’articles de presse et le nombre de suicides. Toutefois, la relation causale reste peu
claire (rapports des média à cause de l’augmentation des suicides ou accroissement des suicides à cause des rapports des média). Une prolifération momentanée dans le sens d’un «effet
Werther» a été observée dans le cas de 5 ponts. On peut admettre que les médias ont une
influence déterminante sur la création «hot spots».
Recommandations:
Des mesures de prévention sont indiquées dans le cas de ponts avec une haute fréquence de
suicides. Des filets de sécurité et des garde-fous surélevés sont tout particulièrement appropriés. Les barrières doivent avoir une hauteur minimale de 180 cm et ne pas comporter de
traverses qui pourraient servir d’échelons. Les nouveaux ponts qui pourraient être utilisés
pour commettre des suicides devraient être d’emblée équipés de garde-fous surélevés. Hors
des villes, pour les ponts accessibles aux piétons, un garde-fou surélevé parait indiqué à partir
d’une hauteur de 50m. Il est impérativement nécessaire à partir de 90m. Les ponts existants
devraient être transformés pour répondre à ces exigences dès qu’ils sont devenus des «hot
spots». Il faut éviter les mesures partielles qui laissent des espaces libres pour des chutes. Les
lacunes des mesures partielles existantes devraient être comblées, là où il existe un danger.
Enfin, il est nécessaire de créer une instance qui contrôle l’observation des règles relatives à
l’information des média sur les suicides.
Zusammenfassung Résumé Summary
11
Summary
Background:
Switzerland has about 1400 suicides each year and about 500 deaths by road accidents. Falling from height is the forth most frequent suicide method. Of those persons who commit
suicide by jumping, a significant part leaps from bridges. In an international perspective,
Switzerland has a high rate of suicides by jumping from heights.
Objective of the study:
The central goal of the study was the nation-wide evaluation of suicides by jumping from
bridges in Switzerland. The proportion of bridge suicides within the category of suicide by
jumping was determined. Bridges with significant accumulations of suicides (hotspots) were
identified. Furthermore, safety means (barriers, help signs etc.) on such hotspots were registered and the impact on the number of suicides was analysed. Suicide data was related to
media publication to analyse the copy cat (Werther) effect. The phenomenon of suicide
method substitution (jumping from other structures instead of jumping from a bridge) was
investigated. Recommendations regarding suicide prevention measures on bridges were derived from the given study data.
Method:
The total number of suicides was provided by the Swiss National Office for Statistics (BFS)
for the years 1990 to 2001. The data include the description of the method according to international classifications, but do not differentiate between submethods of suicide by jumping.
These data therefore refer to the number of persons who committed suicide by jumping but do
not allow to determine the number of persons who jump from bridges. To gather the necessary information local authorities, cantonal medical officers (Kantonsärzte), regional medical
officers (Bezirksärzte), institutes for medical legal institutes (Institute für Rechtsmedizin) and
local police authorities were contacted. The nature of structural changes with potential suicide
preventive effects was collected from the respective official services (Infrastructure authorities). Data related to the canton Tessin could not be included due to cantonal data protection
regulations. Media data were gathered using the Swissdox system.
12
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Results:
A total of 475 bridge suicides were found for the time period 1990 to 2004. However, this
number may be minimally underestimated due to incomplete data collection in some cantons.
Suicide by jumping accounted for 10.9% of all suicides. In cantons with systematic recording
systems the proportion of persons who jumped from a bridge in relation to all suicide victims
who jumped from heights was 22.3%. Twenty three bridges were found with a rate of 0.4
suicides or above per year and were classified as suicide hotspots. Two or more suicides per
year were found on three bridges: Pont Bessière in Lausanne, VD; Lorzentobelbrücken in
Baar, ZG; Kirchenfeldbrücke in Bern, BE. Eighty two percent of all hotspots are located
within a 5 kilometre diameter of a city. Two different categories of hotspots attracted persons
to jump: First, high bridges (more than 25 metres) within or close to city centres and, second,
very high bridges (more than 50 meters) in rural regions. Cantons with a high number of persons who jumped from bridges were found to have a higher number of persons who jumped
from (all) heights in contrast to those cantons with few jumps from bridges. The results indicate that people will not necessarily substitute bridge jumps by jumping from other structures
e.g. buildings. Suicide prevention measures on bridges are therefore most likely to reduce the
overall number of suicides by jumping.
Suicide prevention measures were found only on few bridges. Incomplete barriers securing
only parts of the whole length (e.g. to protect people living or working below) were installed
on two. On these bridges either an increase of the number of suicides or no effect on suicide
numbers were observed. Elevations of railings of the whole length showed suicide prevention
effects related to the total height of the railing. Railing elevation of 133cm (Pont Gottéron,
FR) did not influence the number of jumps, whereas the reduction of the numbers of suicides
was 50% on a bridge with a height of 155cm (Pont Bessière, VD). These results demonstrate
that railing elevations have to be constructed with a significant height to prevent suicides. No
direct influence on the suicide numbers were found for help signs and phones located at or
close to the bridge. However, phones with help lines on the “Ganterbrücke” (VS) were regularly used by suicidal persons indicating indirectly a possible suicide prevention effect.
Relevant media attention was found on 11 hotspot bridges. The number of media reports was
significantly correlated with the number of suicides and with the increase of jumps per year.
However, a clear causal relation (more suicides due to media reporting or more media reporting due to increased number of suicides) could not be identified. An accumulation of suicides
in certain time periods in the sense of a Werther effect was found for five bridges. Altogether,
Zusammenfassung Résumé Summary
13
it can be assumed that media publications have a relevant influence on the emergence of suicide hotspots.
Recommendations:
The implementation of suicide prevention methods can be recommended. Besides safety nets
railing elevations can effectively reduce the number of suicides on bridges and probably will
reduce the total number of suicides by jumping. The height should not be less than 180 cm.
Bars or other structural elements that allow easy climbing over should be avoided. New
bridges with a height above ground of 25 meters in urban regions should be constructed from
the beginning with effective barriers (e.g. elevated railing). In rural areas bridges should be
built with barriers if they can be used by pedestrians and if the height exceeds 50 meters. On
existing bridges the same structural changes should be introduced as a secondary measure if a
bridge has become a hotspot. Incomplete barriers leaving potentially dangerous parts open to
jump have to be avoided. Existing incomplete barriers should be supplemented with high
priority. The adherence of media professionals to media guidelines for suicide reporting
should be secured by an independent body.
14
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
1
Einleitung
1
Einleitung
1.1
Suizide und Suizidversuche in der Schweiz
15
In der Schweiz sterben jährlich zwischen 1’350 und 1’500 Menschen an Suizid, im Vergleich
dazu sterben jährlich ca. 500 Menschen an einem Verkehrsunfall (Angaben des Bundesamtes
für Statistik BFS). Insgesamt weist die Schweiz mit 17.5 Suiziden/100'000 (2002, BFS) im
internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Suizidrate auf. Männer begehen im
Verhältnis 3:1 häufiger Suizid als Frauen. Männer zwischen 15 und 44 Jahren sind die am
stärksten suizidgefährdete Gruppe der Gesamtbevölkerung, Suizid ist in dieser Gruppe die
häufigste Todesursache. Aufgrund ausländischer Untersuchungen muss man davon ausgehen,
dass mehr als zehn Prozent aller Schweizer im Laufe ihres Lebens einen oder mehrere Suizidversuche begehen, und rund jede zweite Person berichtet, bereits einmal in ihrem Leben Suizidgedanken gehabt zu haben.
Im Anschluss an Suizidversuche werden in der Schweiz jährlich gegen 10’000 Menschen
(Michel et al. 1991) medizinisch behandelt. Man geht jedoch davon aus, dass die Dunkelziffer
weit höher liegt, und bis zu 25’000 Menschen jährlich einen Suizidversuch begehen, bei denen der Grossteil unbehandelt bleibt. Im Gegensatz zu den Suiziden sind Suizidversuche bei
Frauen häufiger als bei den Männern. Diese Geschlechtsdifferenz ist vor allem bei den Jugendlichen stark ausgeprägt. Am häufigsten werden Suizidversuche von Frauen zwischen 15
und 19 Jahren begangen.
Bei den Suizidmethoden finden sich deutliche Geschlechtsunterschiede. Es wurde spekuliert,
dass Frauen mehr Suizidversuche jedoch weniger Suizide verüben, da sie weniger gewaltsame, weniger entstellende und weniger letale Methoden wählen.
Entsprechend Daten des Bundesamtes für Statistik werden bei den Männern Suizidmethoden
wie Erhängen und Erschiessen mit Anteilen von je 25% mit Abstand zu anderen Suizidmethoden am häufigsten angewandt, Suizid durch Sturz aus grosser Höhe kommt bei Männern an fünfter Stelle. Bei den Frauen stellen Vergiften, gefolgt von Erhängen, Ertränken und
Herunterstürzen, die häufigsten Suizidmethoden dar. Beide Geschlechter zusammengenommen ist Suizid durch Sturz in die Tiefe die am vierthäufigsten benutzte Suizidmethode in der
Schweiz. Entsprechend der von unserer Arbeitsgruppe anderenorts erhobenen Daten spielen
bei den Suizidversuchen - anders als bei den Suiziden - Medikamente (besonders Benzodia-
16
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
zepine) und Drogen eine grössere Rolle. Sie kommen bei gut zwei Dritteln aller Methoden zur
Anwendung.
In der Frage nach den präventiven Möglichkeiten durch die Beeinflussung der Verfügbarkeit
einer Suizidmethode gilt es folgendes zu berücksichtigen: Wird Suizid reduziert oder verhütet, wenn eine Restriktion im Vorhandensein einer bestimmten Suizidmethode stattfindet?
Oder wird so eine Restriktion nur dazu führen, dass stattdessen eine andere, besser verfügbare
Methode für den Suizid verwendet wird?
1.2
Psychologische Hintergründe suizidaler Handlungen
1.2.1
Allgemeine Hintergründe
Suizide und Suizidversuche sind Handlungen und stellen für sich alleine betrachtet keine
Krankheit dar. Sie werden jedoch durch psychische Erkrankungen begünstigt: Praktisch alle
psychiatrischen Diagnosen sind mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden. Eine Suizidhandlung erwächst zumeist auf dem Boden eines krisenhaften Geschehens. Die Krise bleibt häufig
im Verborgenen, der Suizidversuch oder vollendete Suizid tritt als Konsequenz der vermeintlichen Ausweglosigkeit in Erscheinung.
Prototypisch geht der suizidalen Handlung meist eine Entwicklung voraus: zuerst wird ein
Suizid als Möglichkeit in den Gedanken in Erwägung gezogen, später ist es ein Spielen mit
dem Gedanken (wenn es mir einmal schlecht geht, könnte Suizid eine Lösung sein), ein Konkretisieren (wie würde ich es machen), ein Entwickeln von Plänen (wie, wo), ein Speichern
von Plänen (man weiss ja nie). Das Umsetzen des Handlungsplanes erfordert einen Energieschub (Krise), gefolgt von konkreten Vorbereitungen (Fahrplan, aufsuchen eines geeigneten
Ortes). Zum Schluss braucht es einen mitunter kleinen Auslöser, um den Handlungsplan in
Gang zu bringen.
Suizidalität hat in der Regel mit einem als negativ erlebten Selbst und mit seelischem
Schmerz zu tun. Es handelt sich dabei um einen als subjektiv unerträglich erlebten seelischen
Zustand, oft kombiniert mit ebenso unerträglichen Gedanken. Dieser Zustand seelischen
Schmerzes wird mittlerweile in der Fachliteratur häufig mit „Mental Pain“ (seelischer
Schmerz) bezeichnet. In diesem Ausnahmezustand versagen zunehmend die üblichen Bewäl-
1
Einleitung
17
tigungsmöglichkeiten, und Suizid scheint dem Betroffenen oft noch der einzige Fluchtweg zu
sein. Baumeister spricht von „escape from self“ (Baumeister 1990).
1.2.2
Das Phasenmodell der suizidalen Handlung
90% aller Patienten welche einen Suizidversuch unternehmen, leiden an einer psychiatrischen
Störung, insbesondere einer Depression. Patienten mit Depressionen haben eingeschränkte
Bewältigungsmöglichkeiten und eine allgemeine krankheitsbedingte negative Sichtweise.
Jedoch sind nicht alle depressiven Patienten auch suizidal. Depressionen (und andere psychische Störungen) sind somit wichtige Vorbedingungen, erklären den Suizid aber nicht hinreichend. Früher wurde die Lebensbilanz als Ursache des Suizides in den Vordergrund gestellt.
Heute gehen wir davon aus, dass diese Lebensbilanz zwar gemacht wird, aber zumeist unter
dem Einfluss von Depressionen durchgeführt wird und daher eine Abwägung in einem Ausnahmezustand darstellt, welcher nicht mit einer „gesunden“ oder realistischen Abwägung
übereinstimmt. Die Lebensbilanz ist somit krankheitsbedingt verfälscht und nicht zeitüberdauernd.
Die eigentliche Suizidhandlung läuft vereinfacht betrachtet in zwei Phasen ab. In der ersten
Phase (Trauma oder Mental Pain Phase) erlebt der Betroffene ein Ereignis, welches seine
Bewältigungsstrategien überfordert. Rein numerisch wissen wir von Studien auf unserer Kriseninterventionsstation, dass Partner- und Familienkonflikte die häufigsten Auslöser sind. Es
kommt zu einer zunehmenden Einschränkung der Bewältigungsmöglichkeiten sowie zu einer
Einengung des persönlichen Horizontes. Der/die Betroffene sieht weder in die Zukunft (z.B.
andere Lebenspläne) noch in die Vergangenheit (z.B. bisherige Erfolge im Leben), noch erkennt er sinngebende Aspekte der Gegenwart (z.B. Verantwortung gegenüber eigenen Kindern). Diese Einengung kann innerhalb kurzer Zeit entstehen. Schliesslich erscheint der Suizid als die einzige Möglichkeit, das unerträgliche Leiden zu beenden, und damit werden alle
anderen Lebensinhalte als bedeutungslos.
Hier beginnt prototypisch die Phase 2, die Suizidhandlungsphase, in der zuvor durchdachte
und abgespeicherte Handlungspläne aktiviert werden. Diese Suizidhandlung verläuft in einem
Ausnahmezustand, in einer Art Trance, der suizidale Mensch handelt quasi entsprechend
einem inneren „Autopilot“. Da jetzt ein Ende des Leidens abzusehen ist und die Lösung gefunden scheint, ist der seelische Schmerz nur noch gering. Menschen in dieser Phase werden
von der Aussenwelt häufig als entspannt erlebt und erscheinen nicht selten ruhig und ausge-
18
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
glichen. Die einzelnen Handlungsschritte laufen entsprechend dem zur früheren Zeit durchdachten ab. Mit dem Satz “Ich wusste genau, was ich tun musste“ wird dieser Zustand häufig
im Nachhinein von Überlebenden beschrieben. Es kommt zur suizidalen Handlung wie zum
Beispiel dem Gang zur Brücke und das Übersteigen des Geländers. Mit Hilfe des „Autopiloten“ können ansonsten essentiell wichtige Mechanismen wie insbesondere der Selbsterhaltungstrieb ausgeschaltet werden.
Aus den Erzählungen von Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben wissen wir, dass
diese Phase des Autopiloten oft abrupt endet. Viele bereuen bereits unmittelbar nach der eigentlichen Suizidhandlung, also zum Beispiel während des Sprunges von der Brücke, die Tat.
Suizidalität ist somit in der Regel ein transitorisches, das heisst zeitlich limitiertes Phänomen.
Suizide und Suizidversuche stellen somit nur selten von langer Hand vorbereitete und zeitlich
geplante Handlungen dar. Überlebt der Mensch die Krise, tritt die Suizidalität nach der Krise
zumeist in den Hintergrund.
1.3
Suizid durch Sturz aus grosser Höhe (Brücken, Wohnhäuser,
hohe öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Sehenswürdigkeiten usw.)
Ca. 10% aller Suizide fallen gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) in der Schweiz in die
Kategorie „Sprung in die Tiefe“, was über dem internationalen Durchschnitt liegt. Diese Suizide verteilen sich auf Brückensprünge und auf Sprünge von hohen Gebäuden. Die Ermittlung
der genauen Zahl ist Teil dieser Arbeit. Im Zeitraum 1969 bis zum Jahre 2001 suizidierten
sich in der Schweiz 4664 Menschen durch Sprung aus grosser Höhe. Der Sturz aus grosser
Höhe liegt damit an der vierten Stelle der Suizidmethoden in der Schweiz. Die Anzahl der
Männer und Frauen ist laut Statistik annähernd gleich, ist jedoch auf die jeweilige Geschlechtergruppe umgerechnet (es suizidieren sich insgesamt weniger Frauen als Männer) bei Frauen
sogar höher als bei Männern.
1.4
Suizidprävention
Das Thema Suizid wird in unserer Gesellschaft stark tabuisiert, obwohl die meisten Menschen
mindestens einmal in ihrem Leben damit konfrontiert werden, dass eine ihnen bekannte Person einen Suizidversuch macht oder durch Suizid stirbt. Suizide und Suizidversuche sind kein
individuelles Problem, sondern ein Thema der öffentlichen Gesundheit und deren Prävention
1
Einleitung
19
somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Suizidpräventive Massnahmen werden von der
WHO (World Health Organisation) gefordert und können auf regionaler wie auch auf nationaler Ebene durchgeführt werden.
Es gibt keinen verlässlichen Prädiktor (Vorhersagevariable), der Voraussagen erlaubt, wie
sehr ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt suizidgefährdet ist. In der ärztlichen Krisenintervention versucht man meist, die Suizidalität eines Menschen über dessen sprachliche
Äusserungen einzuschätzen. Die Einschätzung der Gefährdung ist damit jedoch nicht zuverlässig.
Das Angebot an suizidpräventiven Massnahmen in der Schweiz ist gering. Im Fokus der Suizidprävention stehen derzeit vor allen Dingen Jugendliche und junge Erwachsene, Suizidpräventionsangebote für Menschen im höheren und hohen Alter fehlen. Dies ist besonders bemerkenswert, da das Suizidrisiko mit zunehmendem Alter zunimmt.
In der Suizidprävention werden zwischen Public Health Massnahmen und Health Care Massnahmen unterschieden. Unter Public Health Massnahmen fallen suizidpräventive Massnahmen, die primär auf der Ebene der Allgemeinbevölkerung ansetzen und erst sekundär Auswirkungen auf einzelne, gefährdete Menschen haben. Eine wichtige Massnahme, die unter
diese Kategorie fällt, ist die Restriktion des Zugangs zu häufigen Suizidmethoden wie zum
Beispiel die Absperrung von „Suizidbrücken“. Die Tatsache, dass erschwerter Zugang zu
einer Methode deren Häufigkeit für Suizid verringert, ist an sich unbestritten. Ob und wieweit
es mittel– oder langfristig zu einem Wechsel zu einer anderen Methode kommt, ist dagegen
schwer zu bewerten. Die meisten Autoren vermuten, dass die Reduzierung der Verfügbarkeit
einer rasch tödlichen Methode – wie ein Sprung aus der Höhe – nicht automatisch zu einer
Verlagerung auf eine andere Suizidmethode führt, und daher ein allgemein suizidpräventiver
Effekt wahrscheinlich ist. Die Untersuchung, in wieweit eine Verlagerung von Brücken auf
andere Sprungorte zu erwarten ist, ist ein Nebenaspekt, welcher untersucht werden wird.
Als weitere wichtige Public Health Massnahme sind die Medienberichterstattung über Suizid,
die Optimierung der Primärversorgung durch Hausärzte, die Schaffung von vermehrtem Problembewusstsein, die Aufklärung der Bevölkerung zu Themen wie Sucht und psychische Erkrankung und deren Enttabuisierung zu nennen.
20
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Health Care Massnahmen fokussieren auf Hochrisikogruppen. Bei Hochrisikostrategien geht
man davon aus, dass nach der Identifikation besonderer Risikogruppen ein spezifisch auf
diese Patienten zugeschnittenes Vorgehen eine präventive Wirkung zeigen müsste. Wie oben
beschrieben, leiden 90% aller Menschen, die Suizid begehen, an einer psychiatrischen Erkrankung. Ein besonders hohes Suizidrisiko haben Menschen mit rezidivierenden (wiederkehrenden) Depressionen, bipolar affektiven Störungen (Manisch-Depressives Kranksein) und
Suchterkrankungen sowie Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Besonders
gefährdet sind in dieser Gruppe wiederum Patienten in der Zeit nach stationärer psychiatrischer Behandlung. Goldacre et al. (1993) errechneten für die ersten 4 Wochen nach Entlassung aus der Klinik ein bis zu 200-mal höheres Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung.
Eine weitere besondere Risikogruppe bilden die Menschen, die einen Suizidversuch unternommen haben. Das Suizidrisiko ist bei ihnen 40-mal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt
und es bleibt über viele Jahre hoch. Man geht davon aus, dass Menschen noch 20 Jahre nach
dem Suizidversuch ein wesentlich erhöhtes Suizidrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung
haben. Zehn bis fünfzehn Prozent der Menschen mit einem oder mehreren Suizidversuchen in
der Vorgeschichte sterben durch Suizid. Im Sinne der Suizidprävention muss den Menschen,
die bereits einen Suizidversuch gemacht haben, daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet
werden. Obwohl es sich hier um die Menschen mit dem höchsten Suizidrisiko handelt, heisst
dies, dass selbst bei dieser Risikogruppe sich circa 90% nicht suizidieren werden, weswegen
es methodisch schwierig ist, statistisch signifikante Effekte einer Therapie auf die Suizidzahl
nachzuweisen.
Als Präventivmassnahme für diese Hochrisikogruppe gilt die adäquate, psychologische, psychosoziale und pharmakologische Behandlung dieser Menschen, wobei nur wenige Studien
zeigen konnten (z.B. Brown et al. 2005), dass eine spezifische Therapie für Suizidversucher
das langfristige Suizidrisiko tatsächlich signifikant reduzieren kann. Bei Brown et al. (2005)
konnte das Risiko etwa halbiert werden.
Der Sprung von einer Brücke mit gewisser Höhe ist eine hoch letale Suizidmethode, und man
muss annehmen, dass bei der Wahl einer Brücke als Suizidmethode die hohe Letalität einer
der ausschlaggebenden Faktoren ist. Die hohe Letalität einer Suizidbrücke ist bei der Bevölkerung meist gut bekannt. Anders als zum Beispiel bei Suizid durch Erhängen besteht bei
Brücken die Möglichkeit, den Zugang zu erschweren, was der Frage nach präventiven Mass-
1
Einleitung
21
nahmen und ihren Auswirkungen auf die Suizidhäufigkeit eine besondere Bedeutung zukommen lässt.
Brücken, die in der Öffentlichkeit als Suizidbrücken bekannt sind, werden in der Literatur als
„Suicide Hot Spots“ bezeichnet. Eine Brücke wird vor allem dann zu einem „Hot Spot“, wenn
die Medienberichterstattung auf prominente Weise darüber berichtet.
1.5
Bedeutung der Medien
Als Goethe Ende des 18. Jahrhunderts seinen Roman „Die Leiden des jungen Werther“ veröffentlichte, löste der darin beschriebene Selbstmord der Hauptperson eine ganze Reihe von
Suiziden in Europa aus. Quellenmässig belegt ist eine zweistellige Zahl von Suiziden, in verschiedenen europäischen Ländern, die in direkter Verbindung mit Goethes Buchpublikation
stehen. Die Suizidenten waren beim Suizid genau wie die tragische Romanfigur mit blauer
Jacke und gelber Weste gekleidet oder führten das Buch beim Suizid direkt bei sich.
Die Nachahmung von fiktiven und realen Suiziden blieb kein zeitspezifisches Einzelphänomen, sondern ereignete sich in verschiedenen Variationen bis heute. Der amerikanische Soziologe David Phillips verwendete erstmals den Begriff „Werther-Effekt“ als wissenschaftlichen Arbeitsbegriff zur Kennzeichnung von Nachahmungen medial vermittelter Suizide. Er
stellte 1974 fest, dass nach Zeitungsberichten über Suizide prominenter Persönlichkeiten auch
die Suizide in der Allgemeinbevölkerung statistisch messbar ansteigen. Suizide, über welche
extensiv berichtet wurde, wie z.B. Marilyn Monroe’s Tod, hatten die höchsten Anstiege der
Selbstmordraten in der Bevölkerung zur Folge.
Der Werther-Effekt als Wirkzusammenhang zwischen Modell-Suizid und Nachahmungstat
wird folgendermassen erklärt: Vom Modell her, als auch vom Suizidvorbild her betrachtet,
handelt es sich beim Werther-Effekt um ein ungewolltes Suggerieren und Beeindrucken. Aus
der Perspektive des Suizid Nachahmers handelt es sich um ein Imitieren bzw. ein sich Anstecken. Als Erklärung des Imitationsvorganges wird in den meisten Studien auf die klassische
Theorie des Modelllernens nach Bandura (Bandura & Ross, 1963) verwiesen. Wird z.B. ein
Suizid heroisiert, wird dieses Verhalten als heroisch memorisiert und als akzeptables Verhalten erlernt. Eine zweite wichtige Erkenntnis aus Banduras Lernexperimenten war die Beobachtung, dass die Lernenden umso eher einen Lerneffekt durch Nachahmung erzielen, je
ähnlicher sie dem Modell sind. Die Möglichkeit zur Identifikation mit dem Modell, durch
22
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
genaue Beschreibung der biographischen Daten, Problemen und Motivationen hat sich als
besonders gefährlich für Nachahmungstaten erwiesen.
Bezüglich der Brückensuizide ist für uns die Imitation des Suizidortes und der Suizidmethode
von grösstem Interesse. Eine seit langem erforschte Tatsache ist, dass bekannte Orte häufiger
genutzt werden. Beispiele hierfür sind der Mount Mahira, Japan, oder die Golden Gate Bridge
in San Francisco, USA (Daigle 2005). Ganz direkt wurde dieser Sachverhalt in einer Studie
von Suiziden an der Golden Gate deutlich (Seiden & Spence, 1983): Es zeigte sich, dass die
Hälfte der untersuchten Suizidenten ihren Wohnsitz ausserhalb von San Francisco hatte und
auf ihrem Weg zur Golden Gate zuvor die ebenso hohe Oakland Bay Bridge überquerten.
Dass die Änderung der Medienberichterstattung über Suizid einen präventiven Effekt hat,
zeigte unter anderem die Studie von Sonneck et al. (1994): Wenige Jahre nach dem Bau der
U–Bahn in Wien kam es in den Jahren 1984 – 1987 zu einem dramatischen Anstieg der Suizide und Suizidversuche auf den Gleisen der Untergrundbahn, über die in den Medien intensiv und plakativ berichtet wurde. Als der österreichische Verein für Suizidverhütung mit den
Journalisten und Zeitungsredaktionen Kontakt aufnahm und Empfehlungen für eine zurückhaltendere und suizidpräventive Berichterstattung gab (Aufklärung der Medien über den Werther-Effekt) und den Kontakt zu den Journalisten weiter aufrecht erhielt, konnte im Jahr 1987
die Suizidrate bzgl. dieser Methode um 60% gesenkt und auch in den fünf Folgejahren auf
niedrigerem Niveau stabilisiert werden.
In der Schweiz konnten Michel et al. (2000) zeigen, dass sich nach einer breit gestreuten
Kampagne zur Suizidberichterstattung, mit Pressekonferenz und Publikation von Richtlinien
für Medienschaffende, die Qualität der Berichterstattung besserte, d.h. Berichte über Suizide
weniger sensationell aufgemacht waren (z.B. weniger explizite Bilder mit der Suizidmethode
bzw. dem Suizidort, weniger reisserische Überschriften). Ein allfälliger Einfluss auf die Suizidrate konnte allerdings mit dieser Untersuchung aus methodischen Gründen nicht gezeigt
werden.
1.6
Suizidprävention durch Reduktion der Verfügbarkeit von
Suizidmethoden
In England und Wales wurde 1963 das kohlenmonoxid-haltige Haushaltsgas detoxifiziert.
Dies hat anhaltend zu einer Reduktion der Suizide mit Haushaltsgas geführt. Als Methode der
1
Einleitung
23
Evaluation dieser Massnahme wurde ein Vergleich der Anzahl der Suizide mit und ohne COVergiftung vor und nach der CO-Entgiftung des Haushaltsgases herangezogen. Die Zahl der
Suizide sank um 20% ohne Kompensation durch andere Suizidmethoden.
Die Verfügbarkeit von potentiell gefährlichen Medikamenten spielt ebenfalls eine Rolle. So
wurde in verschiedenen Untersuchungen gezeigt, dass der Rückgang der Rezepte für die in
der Überdosis toxischen Barbiturate die Häufigkeit der tödlich endenden Überdosen reduzierte. In England hatte auch die Abpackung des Schmerzmittels Paracetamol, das in der Überdosierung tödliche Leberschäden zur Folge haben kann, in Aluminiumblister einen deutlichen
Abfall der Lebertransplantate zur Folge.
Im Weiteren gibt es mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass eine Verschärfung der Waffengesetzgebung eine Reduktion der Anzahl Suizide mit Schusswaffen zur Folge hat. In Washington D.C. wurde dabei nicht nur ein Rückgang der Schusswaffensuizide um 23%, sondern eine Reduktion der gesamten Suizidrate um 9% gefunden.
1.7
Sicherung von Orten grosser Höhe
1.7.1
Zum Beispiel: Sicherheitsnetze an der Berner Münsterplattform
Die Münsterplattform in Bern ist ein ca. 35 m hoch gelegener Park oberhalb des Mattequartiers. Wiederholt und häufiger als an der Kirchenfeldbrücke haben sich hier Menschen durch
Sprung das Leben genommen. Wegen der Bedrohung der Menschen unterhalb der Plattform
kam es zu einem massiven Medieninteresse. 1998 wurden zum Schutz der Menschen, welche
im Mattequartier wohnten Sicherheitsnetze ca. 7 Meter unterhalb der weniger als 1 Meter
hohen Mauer gespannt. Der mögliche suizidpräventive Effekt wurde vor dem Bau in Frage
gestellt. Die Netze sind unvollständig, sie verhindern im Wesentlichen den Sprung auf den
Asphalt, lassen aber theoretisch den wahrscheinlich weniger letalen Sprung auf die Gärten
(Höhe ca. 25-35 Meter) rechts und links zu. Unsere Arbeitsgruppe untersuchte die Auswirkungen des Netzes auf Sprünge von der Plattform und die Anzahl der Suizidsprünge in der
Agglomeration Bern. Es zeigte sich, dass keine Suizide im Zeitraum 1998 bis 2002 an der
Plattform erfolgt waren. Ferner konnte gezeigt werden, dass es zu insgesamt weniger Suizidsprüngen im gleichen Zeitraum in der Agglomeration Bern gekommen war. An der nahen
Kirchenfeldbrücke und Kornhausbrücke (Entfernung zu beiden Brücken ca. 400 Meter) hatte
sich die Anzahl der Sprünge entgegen der Erwartung vorübergehend fast halbiert. Insgesamt
24
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
zeigen diese Ergebnisse, dass die Suizidverhinderung an einem Hotspot die Suizidrate an
nahe gelegenen anderen Hotspots nicht automatisch erhöht. Bemerkenswert ist auch ein weiteres Ergebnis der Studie: Es fand sich eine Korrelation zwischen der Anzahl von Medienreporten und der Anzahl der Menschen, die ausserhalb der Agglomeration wohnten. Oder mit
anderen Worten je mehr Medienberichte in einem Jahr gefunden wurden, desto häufiger reisten die Menschen von entfernteren Regionen an, um sich zu suizidieren. Dieses Ergebnis ist
somit ein Hinweis darauf, dass Medien für den Werther-Effekt mitverantwortlich sind (Reisch
& Michel, 2005).
1.7.2
Weitere wichtige Arbeiten
Eine umfassende Arbeit zum Thema Suizidprävention von Brücken ist die Studie von Richard
H. Seiden zur Golden Gate Bridge (Seiden 1978). Um eine wirksame Suizidprävention an der
Golden Gate Bridge durchzuführen, wurde immer wieder dringlich in Erwägung gezogen, das
3 ½ Fuss hohe Brückengeländer auf 8 Fuss zu erhöhen. Das Projekt wurde jedoch stets mit
der Begründung abgelehnt, dass solch eine Barriere keinen Sinn machen würde, da „der gesunde Menschenverstand uns sagt, dass ein Mensch, der an einem Ort vom Suizid z.B. durch
eine Barriere zurückgehalten worden ist, einfach woanders hingehen wird, um Suizid zu begehen“. Seiden widmete seine Studie dem Ziel, dieses Argument zu überprüfen.
Erfasst wurde die Überlebensdauer von 515 Personen, die zwischen 1934 und 1971 an der
Golden Gate Bridge von Patrouillen vor dem Sprung in die Tiefe zurückgehalten wurden.
Seiden untersuchte, wie viele dieser 515 Personen sich im späteren Leben suizidiert haben:
4,9 Prozent der 515 Personen sind innerhalb der nächsten 26 Jahre (Mittelwert) an Suizid
gestorben, alle anderen Personen sind an einer anderen Todesursache verstorben oder waren
noch am Leben.
In der Diskussion dieser Resultate müssen wir zwischen dem aktiven Zurückhalten einer
Person von einem Suizidversuch und dem Aufstellen einer Barriere unterscheiden. Das aktive
Zurückhalten eines Menschen von einem Suizidversuch ist eine besonders wirkungsvolle
Intervention, die häufig zur Folge hat, dass diese Person einer medizinischen Behandlung
zugeführt wird. Die ledigliche Konfrontation mit einer Barriere kann zu unterschiedlichen
Überlegungen führen. Im Idealfall wird in weiterer Folge ein Suizidversuch unterlassen, die
Person „wacht auf“, in einer Situation, die ohnehin durch grosse Ambivalenz charakterisiert
ist. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass der suizidale Mensch sich später eine andere
1
Einleitung
25
Brücke oder eine andere Methode sucht, um Suizid zu begehen. Im Falle dieser so genannten
Methodensubstitution besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Person sich eine weniger
letale Methode sucht, dass es zum Beispiel anstatt zu einem Sprung aus grosser Höhe zum
Suizidversuch mit Medikamenten kommt.
Insgesamt bieten sich bei Brücken folgende Möglichkeiten der Suizidprävention an:
• Regelmässige Polizeipräsenz („Polizeistreifen“), bzw. Präsenz von Freiwilligen
• Bauliche Massnahmen: Barrieren, Absperrungen, Netze
• Hinweistafeln auf Tel. 143, Die Dargebotene Hand
26
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
2
Methode
2
Methode
2.1
Forschungsplan im Überblick
27
Mit Hilfe der vorliegenden Studie wurden folgende Sachverhalte erfasst:
• Erfassung der Brücken in Bezug auf Suizidzahl, technische Daten und präventive Massnahmen.
• Erfassung der Medienberichterstattung über Suizide durch Sturz von Brücken.
Mit Hilfe dieser Daten wurden folgende Hypothesen überprüft:
• Suizidpräventionsmassnahmen bei Brücken haben einen Einfluss auf die Anzahl der
Suizide.
• Medienberichterstattung über Suizide durch Sturz von Brücken hat einen Einfluss auf
die Anzahl der Suizide.
Am Ende der Arbeit wurde auf Basis der durchgeführten Analysen Empfehlungen für mögliche Präventionsmassnahmen beim Neubau sowie der Sicherung bestehender Brücken formuliert.
2.2
Datenerfassung
Folgende Daten wurden erfasst:
-
Anzahl der Suizide von Schweizer Brücken von 1990 – 2004
-
Anzahl der jeweiligen Suizide an spezifischen Brücken
-
Datum der Suizide
-
Medienberichterstattung zu den Suiziden von Brücken mit Datum und quantitativen sowie qualitativen Angaben
-
Technische Daten der Brücken
-
Erfassen vorhandener Präventionsmassnahmen
-
Auswertung der Präventionsmassnahmen
28
2.2.1
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Brücken
2.2.1.1 Allgemeine Erfassung
Als Erstes ging es darum, in allen Kantonen der Schweiz herauszufinden, von welchen Brücken Menschen sich durch Sprung in die Tiefe suizidieren, um anschliessend die Hotspots
identifizieren zu können.
Über das Bundesamt für Statistik erhielten wir Daten zu Suizid durch Sturz aus grosser Höhe
(bis einschliesslich 2001; Die Datenerhebung des BFS zu späteren Jahren war noch nicht
abgeschlossen). Aus den BFS-Daten gingen der Ort des Suizids, der Wohnort des Suizidenten, der Sterbeort und das Geschlecht hervor. In den Berechnungen wurden ferner BFS-Daten
zu Einwohnerzahlen der Kantone einbezogen, um den relativen Anteil von Sturz durch Suizid
und Brückensturz an allen Suiziden durch Sprung in die Tiefe auf einer kantonalen Ebene
berechnen zu können. Ferner dienten diese Daten dazu, Vergleiche zwischen den Kantonen
mit einer hohen Anzahl von Brückensuiziden und solche mit einer nur geringen Anzahl von
Brückensuiziden durchzuführen.
2.2.1.2 Erfassung einzelner Brücken
Durch Kontaktaufnahme mit den rechtsmedizinischen Instituten der Schweiz, mit der jeweiligen Kantonspolizei und mit den zuständigen Bezirksärzten konnten wir diese Daten konkretisieren. Unter Einhaltung der Schweigepflicht nahmen wir Akteneinsicht in die Berichte der
rechtsmedizinischen Institute und gelangten so an die Akten zu den einzelnen Brückensuiziden. In anonymisierter Form erfassten wir in den Instituten die soziodemographischen und die
medizinisch anamnestischen Daten der Suizidenten, um neben dem Auffinden der Hotspots
weitere Rückschlüsse auf das Thema Brückensuizid ziehen zu können. Eine Akteneinsicht bei
der Polizei und bei den Bezirksärzten war meist nicht möglich, in diesem Fall wurden uns die
Eckdaten über die stattgefundenen Brückensuizide in anonymisierter Form von den betreffenden Stellen zur Verfügung gestellt.
Die technischen Daten zu den Brücken konnten wir über die jeweils zuständigen Tiefbauämter in Erfahrung bringen, ebenso die baulichen Veränderungen an den Brücken, die im Sinne
der Suizidprävention oder aus anderen Gründen vorgenommen worden sind. Das Datum des
Anbringens der Schilder von Die Dargebotene Hand (143) erfuhren wir über die Tiefbauämter
oder direkt über die Leiter von Die Dargebotene Hand der verschiedenen Kantone.
2
Methode
29
Tabelle 1: Übersicht Datenquellen
Datenquelle
Anzahl Tote
durch Sprung
BFS1
IRM2
Kantonsärzte
Polizei
Bezirksärzte
ja
ja
Ja
ja
ja
Anzahl der
Suizide pro
Brücke
nein
ja
ja
ja
ja
Soziodemographische
Daten
nein
ja
teilweise
teilweise
teilweise
Medizinische
Daten
nein
ja
teilweise
nein
teilweise
Bedingt durch den Sachverhalt, dass Daten aus unterschiedlichen Quellen gewonnen werden
mussten, welche ausserdem einer kantonal unterschiedlichen Reglementierung der Datenfreigabe unterlagen, ergab sich eine unterschiedliche Vollständigkeit der gewonnenen Daten.
Tabelle 2: Geschätzte Vollständigkeit der Daten (Hotspots)
Vollständigkeit
Bern
Zug
Waadt
Wallis
Genf
Appenzell AR
Graubünden
Fribourg
St. Gallen
Obwalden
Luzern
Basel Stadt
Basel Land
Solothurn
Aargau
Jura
Thurgau
Nidwalden
Appenzell IR
Uri
Schwyz
Zürich
Schaffhausen
Neuenburg
Glarus
Tessin1
1
Anzahl
Brückensuizid
pro Brücke
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
keine Brückensuizide
unvollständig
keine Brückensuizide
keine Brückensuizide
keine Brückensuizide
keine Brückensuizide
keine Brückensuizide
vollständig
keine Brückensuizide
keine Brückensuizide
nicht erfasst
Technische
Daten
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
nicht vorhanden
nicht vorhanden
nicht vorhanden
nicht vorhanden
Soziodemographische
Daten
vollständig
unvollständig
unvollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
Medizinische
Daten
vollständig
nicht vorhanden
vollständig
unvollständig
vollständig
unvollständig
unvollständig
unvollständig
unvollständig
nicht vorhanden
nicht vorhanden
vollständig
unvollständig
unvollständig
unvollständig
nicht vorhanden
unvollständig
unvollständig
nicht vorhanden
unvollständig
unvollständig
Aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken wurden die Daten nicht freigegeben. Das hierfür
nötige Prüfungsverfahren hätte die Dauer der Studie zeitlich überschritten.
1
Bundesamt für Statistik
2
Institut für Rechtsmedizin
30
2.2.2
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Medienberichte
Die Medienberichte recherchierten wir im Internet unter Swissdox (www.swissdox.ch), indem
wir für einen unbestimmten Zeitraum zu jedem Hotspot Suchbegriffe in Form von Einzelbegriffen oder Begriffskombinationen zum Thema Brückensuizid machten, die relevanten
Berichte herausfilterten und standardisiert auswerteten. Die qualitative Erfassung beinhaltete
den Suizidort (die Brücke), das Datum des Suizids, die berichterstattende Zeitung, Art und
Ausführlichkeit der Berichterstattung, allfälliges Bildmaterial, den Inhalt (bestimmter Suizid,
Suizidversuch, Suizid und Tötungsdelikt, Suizid allgemein und Suizidprävention), die Angaben zur Person, Erwähnung von mitbetroffenen Personen.
Tabelle 3: Medienberichterstattung: Suchbegriffe und Suchkombinationen(deutsch)
Suchkombinationen
Suizid
Freitod
Selbsttötung
Selbstmord
Sprung
Sturz
Suizidprävention
Präventionsmassnahmen
sich töten
sich umbringen
sich ermorden
Stürzen
Springen
Todessturz
Todessprung
Einzelsuchbegriffe
Brückensuizid
Suizidbrücke
Brückensturz
Brückensprung
Todesbrücke
Brückendrama
Brücke Sprung Sturz Höhe Selbstmord
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
Freitod
Selbsttötung
Suizid
erfasst
erfasst
Erfasst
Erfasst
erfasst
erfasst
Tabelle 4: Medienberichterstattung: Suchbegriffe (französisch)
Suchkombinationen
Suicide
automise à mort
se tuer
Chute
Saut
S'assassiner
se suicider
Pont
mesures prévention
pont
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
erfasst
chute saut hauteur sauter tomber
erfasst erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst
erfasst
erfasst
erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst erfasst
erfasst erfasst
2
Methode
2.2.3
31
Angaben zu Suizidpräventionsmassnahmen an Brücken weltweit
Internet: Google, Eingabe einer Auswahl oben genannter Suchbegriffe auf Deutsch, Englisch
und
Französisch.
Die
Literatursuche
wurde
mit
Hilfe
von
Pubmed
(http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi ) durchgeführt. Ferner wurden Suizidexperten
in Deutschland und Österreich kontaktiert.
2.2.4
Statistische Berechnungen
Über die Erfassung von direkten Daten hinaus wurden folgende statistische Berechnungen
durchgeführt:
2.2.4.1 Korrelation zwischen Suiziden und der Medienberichterstattung
Bei dieser Berechnung werden Medienberichte und deren zeitlicher Zusammenhang zu Suiziden untersucht. Korrelationen im Allgemeinen zeigen Zusammenhänge auf, ohne aber die
Richtung der Kausalbeziehung aufzeigen zu können. Wird ein Zusammenhang gefunden
bleibt somit unklar, ob Medienberichte als Folge der Suizide zu sehen sind, oder ob Medienberichte Suizide nach sich gezogen haben. Es kann vermutet werden, dass beides der Fall ist,
die interessante, aber mit dieser Methode nicht zu klärende Frage ist, welcher Anteil an der
Korrelation der zweiten Möglichkeit (Einfluss der Medienberichte auf Folgesuizide) zukommt.
2.2.4.2 Quantifizierung des Werther-Effektes
Ein Werther-Effekt (Copy-cat/Nachahmungseffekt) ergibt sich, wenn Menschen eine Suizidhandlung, über die berichtet wurde, nachahmen. In Bezug auf Brücken sind die Medien, aber
auch direkte Mundpropaganda denkbare Wege. Folgende Zusammenhänge können erwartet
werden:
1. Bei Brücken, über die in den Medien berichtet wird, kommt es zu einer Zunahme der Suizide.
2. Es ist zu erwarten, dass durch Medienberichte über einen speziellen Suizidfall die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Suizids erhöht ist, z.B. in einem Zeitraum von 1 – 2 Monaten
nach dem Suizid.
32
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
So wurde zum Beispiel nach der Sendung „Tod eines Schülers“ (ZDF, 1981 und 1982) eine
erhöhte Anzahl von Suiziden nach Ausstrahlung des Fernsehfilmes beobachtet. Übertragen
auf das Problem Brückensuizide heisst dies, dass es nach einem erfolgten Suizid häufiger zu
einem Folgesuizid in kurzem zeitlichem Abstand kommt. Zwei Suizide, welche in kurzem
Abstand aufeinander erfolgen, könnten jedoch auch nur zufällig kurz hintereinander erfolgen,
ohne dass der zweite Suizid etwas mit dem ersten zu tun hat. Es muss also zunächst erst einmal berechnet werden, wie sich die Suizide verteilen, wenn sie zufällig, d.h. voneinander
unabhängig erfolgen würden. Um dies zu untersuchen wurde folgendes Vorgehen gewählt:
Für jede Hotspot-Brücke, bei der genau datierte Suizide vorliegen, wurde die gleiche Anzahl
von Suiziden zufällig in den Untersuchungszeitpunkt verteilt, ein Vorgehen, das in der Statistik mit dem Fachbegriff „Surrogatstichprobe“ umschrieben wird. Für jeden Hotspot individuell wurden 50 Surrogatstichproben gebildet. Im zweiten Schritt wurde nun untersucht, ob eine
zeitlich schnellere Folge von Suiziden bei einem jeweiligen Hotspot im Vergleich zum Mittel
der zugehörigen Surrogatstichproben gefunden werden kann. Oder mit anderen Worten: Liegen die Suizide zeitlich im Mittel näher zusammen, als dies erwartet werden könnte? In den
unten genannten Analysen haben wir die Zeitspanne von 2 Monaten zwischen Original- und
Surrogatstichprobe nach dem Suizid verglichen. Die Ergebnisse beantworten somit die Frage,
ob sich innerhalb von 2 Monaten nach einem Suizidversuch häufiger als erwartet ein weiterer
Suizidversuch ergeben hat.
In einem weiteren Schritt haben wir untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Medienberichten und dem quantifizierten Werther-Effekt besteht.
2.2.4.3 Mythos-Effekt
Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Beispiel bei der Aussendung des Filmes ist bei Brücken zu erwarten, dass sich ein Mythos entwickelt. Damit ist ein zeitlich überdauerndes Wissen gemeint, dass man sich von der oder jener Brücke suizidieren kann. Diese kann durch
Mundpropaganda erfolgen, sich in Redensarten niederschlagen (z.B. „wenn ich nicht mehr
weiterweiss, spring ich von der XY-Brücke“), oder ein überdauerndes Wissen durch Medienberichte sein. Ein Mythoseffekt könnte durch Bevölkerungsbefragungen quantifiziert werden.
Dies überstiege aber die Möglichkeiten der vorliegenden Arbeit. Dagegen scheint es möglich
abzuschätzen, welche der gefundenen Hotspots im direkten Vergleich einen stärkeren Mythos-Effekt haben. Drei Aspekte wurden bei der Abschätzung berücksichtigt:
2
1.
Methode
33
die Anzahl der Suizide, welche ganz allgemein die Bekanntheit der Brücke als Suizidbrücke widerspiegelt,
2.
die Steigerung der Suizide pro Jahr, welche indirekt die Dynamik der Bekanntheit zeigt
(positive Steigung entspricht einer zunehmenden Bekanntheit) sowie
3.
die Anzahl der Medienberichte, welche die Bekanntmachung widerspiegelt.
Es wurde eine Rangliste der Hotspots für jede der drei Kriterien erzeugt und ein Gesamtrang
durch Rangaddition berechnet.
2.2.4.4 Effekte von Präventionsmassnahmen
Hier müssen allgemeine Massnahmen (z.B. Schilder von Die Dargebotene Hand) von unvollständigen Massnahmen (z.B. kurzstreckige Absperrungen zur Sicherheit darunter wohnender
Menschen) und von vollständigen Massnahmen (insbesondere Geländererhöhungen) unterschieden werden.
Die allgemeinen Massnahmen werden zusammengefasst dargestellt. Unvollständige und vollständige Massnahmen werden sowohl zusammengefasst als auch einzeln evaluiert.
34
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
3
Ergebnisse
35
3
Ergebnisse
3.1
Suizide durch Sprung von Brücken bzw. Sturz in die Tiefe
Für den Gesamtzeitraum von 1990 bis 2004 konnten insgesamt 475 Brückensuizide ermittelt
werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Zahl konservativ ist, d.h. die wirkliche Zahl wahrscheinlich geringfügig höher liegt. In einigen Kantonen konnten aufgrund der
systematischen Erfassung durch einzelne Behörden sichere Daten gewonnen werden (im
Folgenden als „Kantone mit sicherer Erfassung“ genannt), bei anderen Kantonen wurden
Einzelbeobachtungen zusammengestellt. Die 475 Brückensuizide verteilen sich auf 141 Brücken.
Der Anteil der Suizide durch Brückensprung an der Gesamtzahl aller Suizide durch Sprung in
die Tiefe (Daten durch das BFS erhoben) kann wegen der zeitlich verzögerten Datenerfassung
des BFS nur bis 2001 berechnet werden, er liegt im Zeitraum 1990 bis 2001 bei 20.1% (alle
erfassten Kantone) respektive bei 22.3% in Kantonen mit sicherer Erfassung von Brückensuiziden. Brückenstürze sind zunehmend häufiger geworden, so hat sowohl die Gesamtzahl der
Brückensprünge (F-Test; F=10.24; p= .007), als auch der Anteil der Brückenstürze an allen
Suizidstürzen im Beobachtungszeitraum 1990 bis 2001 in der Schweiz signifikant zugenommen (F-Test; F=5.83; p= .036).
Abbildung 1: Brückensuizide in Kantonen mit sicherer Erfassung
35
30
20
Brückensuizide
15
Linear
(Brückensuizide)
10
5
04
03
20
02
20
01
20
00
20
99
20
98
19
97
19
96
19
95
19
94
19
93
19
92
19
91
19
19
90
0
19
Suizide pro Jahr
25
36
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Abbildung 2: Relativer Anteil der Brückensuizide an der Suizidmethode „Sturz in die Tiefe“
(nur Kantone mit sicherer Erfassung)
40
35
30
Anteil der
Brückensprünge
in %
25
20
Linear (Anteil der
Brückensprünge
in %)
15
10
5
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Tabelle 5 zeigt die absolute Anzahl der Brückensuizide sowie die Anzahl der Brückensuizide
pro 10’000 Einwohner pro Kanton.
Tabelle 5: Suizide durch Brückensturz in der Schweiz
Kanton
Einwohnerzahl
AI
NW
JU
GL
SZ
UR
NE
ZH
BL
TG
AG
SO
BS
GE
SH
LU
BE
VS
SG
GR
VD
FR
OW
ZG
AR
14'995
38'897
69'196
38'380
133'358
35'246
166'949
1'242'488
263'194
229'882
556'229
246'504
186'871
419'254
73'916
352'311
950'209
281'020
455'193
186'105
631'999
242'679
32'999
102'247
53'189
Brückensuizide
total
0
0
0
0
0
0
0
3
2
2
7
4
7
23
2
9
72
47
49
28
107
41
7
41
24
Brückensuizid pro
10000 Einwohner
pro Jahr
0.00
0.00
0.00
0.00
0.00
0.00
0.00
0.03
0.08
0.09
0.13
0.16
0.37
0.55
0.27
0.26
0.76
1.67
1.08
1.50
1.69
1.69
1.82
4.01
4.51
Anteil der Brückensuizide
an allen Suiziden durch
Sturz in %
0
0
0
0
0
0
0
1.4
4.4
7.7
9
9.1
9.9
11.6
14.3
16.1
30.4
47.5
57
57.1
59.4
61.2
66.7
95.3
100
Erfassungsperiode der
Brückensuizide
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1996 - 2003
1994 - 2004
1995 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
1990 - 2004
3
Ergebnisse
3.2
37
Methodenverlagerung: Kantone mit bzw. ohne Brückensuizide
Ein Brückensuizid setzt voraus, dass es eine Brücke gibt. Im Umkehrschluss gilt, dass Kantone mit weniger Brücken auch weniger Brückensuizide haben. Wir untersuchten die Frage, ob
es in Kantonen mit weniger Brückensuiziden mehr Suizide durch andere Stürze (z.B. Sprung
vom Hochhaus) gibt. Damit die Anzahl der Brückensuizide vergleichbar wird, wurde eine
relative Anzahl der Brückensuizide pro 10’000 Einwohner pro Jahr für jeden Kanton berechnet. Die Daten wurden dann in 2 Gruppen aufgeteilt (dichotomisiert): in Kantone mit überdurchschnittlichem Anteil von Brückensuiziden (BE, VS, SG, GR, VD, FR, OW, ZG, AR)
und solche mit unterdurchschnittlichem Anteil an Suiziden durch Brückensprung (AI, NW,
JU, GL, SZ, UR, NE, ZH, BL, TG, AG, SO, BS, GE, SH, LU), siehe Tabelle 6. Rein statistisch gab es hierbei keine Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf Einwohnerzahl
pro Kanton.
Tabelle 6: Methodenverlagerung
Alle Suizide durch Sturz
pro 10’000 Einwohner pro
Jahr
Brückensuizide pro
10’000 Einwohner pro
Jahr
Suizid durch Sturz ohne
Brückensuizide pro
10’000 Einwohner pro
Jahr
Kantone mit unterdurchschnittlichem Anteil
von Brückensuiziden
1.75
0.12
1.63
Kantone mit überdurchschnittlichem Anteil
von Brückensuiziden
3.06
2.08
0.98
Kantone mit einem geringen Anteil an Brückensuiziden zeigen 1.75 Suizide durch Sturz pro
10’000 Einwohner pro Jahr, wohingegen Kantone mit einem hohen Anteil an Brückensuiziden mit 3.06 einen um 75% höheren Wert zeigen. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant (t-Test, parametrisch, t=2.748, p= .011; bzw. Wilcoxon-Test, non-parametrisch, W=
160.5, p= .005). Aus den obigen Zahlen kann die Verschiebung von Brückenstürzen auf andere Stürze (Methodenverlagerung) abgeschätzt werden: Falls sich die Menschen in Kantonen
mit vielen Brückensuiziden nicht mehr von der Brücke stürzen könnten, würden sie entweder
sich von einem anderen Ort stürzen oder eine andere Suizidmethode benützen oder sich nicht
das Leben nehmen. Aufgrund der Zahlen kann lediglich geschätzt werden, wie viele sich von
einem anderen Ort stürzen würden. Dies berechnet sich an Hand folgender Formel:
38
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Methodenverlagerung von Brücke
zu einem Sturz von
andere Stürze Ktw – andere Stürze Ktv
= 100 * --------------------------------------------------- = 33.2%
einem anderen Ort (in %)
Brückensuizide Ktv – Brückensuizide Ktw
Ktw= Kantone mit wenigen Brückensuiziden
Ktv= Kantone mit vielen Brückensuiziden
Unter der Annahme, dass keine anderen Einflussfaktoren für die unterschiedlichen Zahlen
zwischen Kantonen mit und ohne Brückensuiziden verantwortlich sind, würden im Mittel nur
33.2% von einem anderen Ort in die Tiefe springen. Umgekehrt bedeutet dies, dass sich der
grössere Teil der Menschen (66.8%) nicht von anderen Bauwerken stürzen würde, wenn es
keine Brücke gäbe.
3.3
Hotspots
Von 23 Brücken suizidierten sich im Beobachtungszeitraum mehr als 6 Menschen. Diese
Brücken mit gehäuften Suiziden werden im Weiteren als Hotspots bezeichnet. Es sind dies
folgende Brücken:
Tabelle 7: Hotspots
Kanton
Anzahl
Suizide
Beobachtungszeitraum
Suizide pro
Jahr (Mittelwert)
1 Pont Bessière
VD
47
1990 - 2004
3.13
2 Alte und neue Lorzentobelbrücke
ZG
41
1990 - 2004
2.73
3 Kirchenfeldbrücke
BE
30
1994 - 2004
2.73
4 Kornhausbrücke
BE
13
1994 - 2004
1.18
5 Rothenbachbrücke
LU
9
1996 - 2003
1.13
6 Fürstenlandbrücke
SG
17
1990 - 2004
1.13
7 Pont de Fénil
VD
15
1990 - 2004
1.00
8 Pont Butin
GE
15
1990 - 2004
1.00
9 Ganterbrücke
VS
11
1994 - 2004
1.00
10 Pont de Gueuroz
VS
14
1990 - 2004
0.93
11 Haggenbrücke
AR
13
1990 - 2004
0.87
12 Pont de Zähringen
FR
9
1990 - 2004
0.60
13 SBB Brücke über Sitter
SG
9
1990 - 2004
0.60
14 Lorrainebrücke
BE
6
1994 - 2004
0.55
15 Gorges de la Lienne
VS
6
1994 - 2004
0.55
Hotspot
3
Ergebnisse
39
16 Fussgängersteg des Sitterviaduktes der N1
SG
8
1990 - 2004
0.53
17 Pont de Gilamont
VD
8
1990 - 2004
0.53
18 Pont Chauderon
VD
7
1990 - 2004
0.47
19 Pont du Gottéron
FR
7
1990 - 2004
0.47
20 Pont de la Glâne
FR
7
1990 - 2004
0.47
21 Salginatobelbrücke
GR
7
1990 - 2004
0.47
22 Hohe Brücke
OW
7
1990 - 2004
0.47
23 Hundwilertobelbrücke
AR
6
1990 - 2004
0.40
Die vollständige Tabelle der untersuchten Brücken befindet sich im Anhang Nr. 2.
Abbildung 3: Karte der Hotspots in der Schweiz
>2 Suizide pro Jahr
1-2 Suizide pro Jahr
0.5-1 Suizid pro Jahr
Wie auch bei der Gesamtheit der Brücken zeigt sich in der Erfassungsperiode eine absolute
Zunahme von Suiziden bei Hotspots (F-Test; F=7.55; p=.017). Anmerkung: Der „Peak“ im
Jahre 1996 ist hauptsächlich durch eine Serie von Suiziden bei der Pont de Fénil im Jahre
1996 bedingt.
40
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Abbildung 4: Suizide (Hotspots mit einer Erfassung ab 1990)
28
26
24
Suizide pro Jahr
22
Suizide
pro Jahr
20
Linear
(Suizide
pro Jahr)
18
16
14
12
10
1994 1995
3.3.1
1996 1997
1998 1999 2000
2001 2002
2003 2004
Technische Daten der Hotspots
10 der 23 als Hotspots bewerteten Brücken befinden sich in einem Stadtkern und 82% aller
als Hotspots bewerteten Brücken befinden sich in einer Entfernung von 5 oder weniger Kilometern von einem Stadtkern. Mit Ausnahme der Pont Bessière und der Pont Chauderon sind
alle Brücken höher als 30 Meter. Hotspots ausserhalb eines Stadtkerns sind signifikant häufiger hohe Brücken. Im Stadtkern wird häufiger auch von niedrigeren Brücken gesprungen
(t-Test; t=3.34, p= .003 bzw. Wilcoxon-Test; W=29, p> .001). Unter den Hotspots finden sich
zwei Autobahnbrücken, wobei bei beiden Brücken ein vorhandener zusätzlicher Fussgängerweg zum Suizid benutzt wird, nicht die Autobahn selbst. Wie oben schon erwähnt, wurde der
Kanton Tessin nicht erfasst. Hier befindet sich eine Autobahnbrücke, von der sich voraussichtlich eine grössere, aber leider nicht genau bestimmte Anzahl von Menschen gestürzt hat.
Ausserhalb der Hotspots fanden sich bei den nicht Hotspot Brücken insgesamt 13 Suizide von
Autobahnbrücken. Andere technische Daten der Hotspot Brücken zeigten keine statistisch
signifikanten Ergebnisse.
3
Ergebnisse
41
Tabelle 8: Technische Daten der Hotspots
Pont Bessière
Lorzentobelbrücken
Kirchenfeldbrücke
Kornhausbrücke
Rothbachbrücke
Pont Butin
Pont de Fénil
Fürstenlandbrücke
Haggenbrücke
Pont de Gueuroz
Ganterbrücke
Pont Zähringen
Fussgängersteg des
Sitterviaduktes der N1
Lorrainebrücke
Pont Chauderon
Pont de Gilamont
Pont de la Glâne
Pont du Gottéron
SBB-Brücke über Sitter
Gorges de la Lienne
Hohe Brücke
Hundwilertobelbrücke
Salginatobelbrücke
Höhe
Länge
Breite
Geländerhöhe
Entfernung
zum Stadtzentrum
Entfernung zur
psychiatrischen
Klinik
Entfernung
zum Akutspital
23
56
39
38
31
58
95
60
99
54
150
43
160
480
229
382
128
485
230
489
356
178
678
273
15.6
12
13
13
16.3
23
6.5
15
2.3
12
12
7.5
1.55
1.05
1.13
1.13
0.95
1.2
1.45
1.2
1.1
1.1
1.18
1.1
0
5
0
0
0
3.4
2
0.8
6
3.9
4.4
3
3.3
7
5.4
5
4.6
9
7.85
2
11.4
19
22
27.6
1.3
5.5
2.1
1.6
7.9
5.2
2
3.6
4.6
2.9
4.4
3.6
55
675
3.9
1.29
1.2
2.1
3.7
38
18
47
80
189
63
96
100
76.5
90
178
190
394
168
168
209
72
30
269
132
18
19.2
12.1
11
5.4
13
5.8
7.5
8.4
3.5
1.15
1.11
0.95
2
1.1
1.29
1.1
1.22
1.15
1.1
0
0
0
3
5.1
0.8
8.6
3.5
4
30
3.9
4
7.85
27.6
17.3
2
57
3.5
4
29.5
1
1.7
1
3.6
5.1
3.6
8.6
3.5
4
4.6
3.4
Mediendaten
3.4.1
Hotspots
Insgesamt konnten wir nach oben beschriebenen Suchbegriffen bei 11 Hotspots Medienberichte zum Thema Brückensuizid finden, und zwar zur Pont Bessière, Lorzentobelbrücke,
Kirchenfeldbrücke, Pont Butin, Haggenbrücke, Fürstenlandbrücke, Pont Zähringen, SBB
Sitterviadukt, Pont Chauderon, Pont du Gottéron und zur Hohe Brücke. Zu nachstehender
Tabelle ist zu sagen, dass es sich beim Grossteil der Berichterstattung über konkrete Suizide
bei den einzelnen Brücken um den selben Suizid handelt, der in diesem Fall meist sehr spektakulär war, unter besonderen Umständen stattfand, besondere Fragen aufwarf, oder mit einem Mord oder Familiendrama assoziiert war.
Weiter wurden in vielen Fällen in ein- und demselben Bericht mehrere Themen wie Suizid,
Suizidproblematik allgemein und Suizidprävention behandelt.
42
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Tabelle 9: Medienberichte Hotspots
Pont Bessière
Lorzentobelbrücken
Kirchenfeldbrücke
Pont Butin
Pont de Fénil
Pont de Gueuroz
Haggenbrücke
Fürstenlandbrücke
Kornhausbrücke
Ganterbrücke
Pont de Zähringen
SBB Brücke über Sitter
Rothenbachbrücke
Fussgängersteg des Sitterviaduktes der N1
Pont de Gilamont
Pont Chauderon
Pont du Gottéron
Pont de la Glâne
Salginatobelbrücke
Lorrainebrücke
Hohe Brücke
Hundwilertobelbrücke
Gorges de la Lienne
Anzahl der
Berichte
38
14
16
1
0
0
2
5
0
0
1
1
0
0
0
2
8
0
0
0
15
0
0
S
SA
SP
FD
15
12
15
28
7
1
37
6
1
11
7
1
1
1
2
1
2
1
1
1
2
6
7
10
5
1
SV
M
fS
2
1
1
2
11
7
1
1
3
12
12
S = bestimmter Suizid
SA = Suizid allgemein
SP = Suizidprävention
FD = Familiendrama
SV = Suizidversuch
M = Mord
fS = fiktiver Suizid
3.4.1.1 Medienberichterstattung und Werther-Effekt
Zur Untersuchung des Werther-Effektes wurden zunächst die Daten zur Medienberichterstattung über Brückensuizide analysiert: Die Anzahl der Medienberichte hat seit 1997 deutlich
zugenommen (F-Test, F= 33.83, p< .001). Von 1990 bis 1997 wurden 11 Berichte gefunden,
wohingegen in den Jahren 1998-2005 insgesamt 96 Medienberichte veröffentlicht wurden.
Die Anzahl der Medienberichte korreliert hoch mit der Anzahl der Suizide von Brücken
(Pearson Korrelation, r=0.806; p< .001).
Die Anzahl der Medienberichte zeigte eine statistisch signifikante Korrelation mit der Gesamtzahl der Suizide (höhere Anzahl von Medienberichten geht mit einer höheren Anzahl von
3
Ergebnisse
43
Suiziden einher). Ferner fand sich auch eine Korrelation der Medienberichte mit der Zunahme
der Suizide über die Zeit (grosse Anzahl der Medienberichte ging einher mit einer „Beschleunigung“ der Suizidfolge [Anmerkung: Ausgenommen von diesen Analysen wurden Brücken
mit baulichen Suizidpräventionsmassnahmen]). Die Anzahl der Suizide einer Brücke zeigte
jedoch keine statistisch signifikante Korrelation mit dem Anstieg der Anzahl der Suizide über
die Zeit (Brücken mit sehr vielen Suiziden hatten keine stärkere „Beschleunigung“ der Suizidzahlen).
Die Kausalbeziehung bleibt bei diesen Ergebnissen jedoch unklar, einerseits sind Medienberichte als Medienreaktion auf vollzogene Suizide zu sehen, anderseits können Suizide auch
Folge der Medienberichte sein (im Sinne eines Werther-Effektes). Die Tatsache, dass die
Anzahl der Medienberichte signifikant mit der Zunahme der Suizide der jeweiligen Brücke
korreliert (Pearson Korrelation, r=0.433, p= .05), die Gesamtanzahl der Brückensuizide aber
nicht signifikant mit dem Anstieg der Suizide im zeitlichen Verlauf korreliert, deutet indirekt
darauf hin, dass ein Werther-Effekt vorhanden sein könnte. Mit andern Worten: Gibt es viele
Medienberichte, so gibt es auch eine stärkere Zunahme der Suizide.
Abbildung 5: Anzahl der Medienberichte zum Thema Brückensuizide
30
Anzahl pro Jahr
25
20
15
10
Medienberichte
Linear
(Medienberichte)
5
19
90
19
91
19
92
19
93
19
94
19
95
19
96
19
97
19
98
19
99
20
00
20
01
20
02
20
03
20
04
20
05
0
Kommt es nun zu schnell aufeinander folgenden Suiziden bei einer Brücke? Diese Frage
wurde mit Hilfe so genannter Surrogatvariablen untersucht. Hierbei wurde die Abweichung
der realen Verteilung von Suiziden im zeitlichen Verlauf untersucht und verglichen, ob sich
diese von der erwarteten Verteilung unterscheidet. Es wurde untersucht, ob häufiger Suizide
44
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
innerhalb der ersten 2 Monate aufgetreten waren. Bei 18 Brücken lagen zeitlich aufgeschlüsselte Daten (genauer Suizidmonat) vor, so dass dieses Verfahren angewandt werden
konnte. Bei 5 der 18 Brücken konnte eine derartige Häufung schnell aufeinander folgender
Suizide festgestellt werden, diese waren: die Hohe Brücke, die Kirchenfeldbrücke, die Rothenbachbrücke, die Pont de Fénil und die Fürstenlandbrücke. Bei Brücken mit errechnetem
Werther-Effekt fand sich signifikant häufiger gleichzeitig auch eine höhere Zahl von Medienberichten (Kirchenfeldbrücke, Fürstenlandbrücke und Hohe Brücke; Chi2=5.72, p= .017).
Dieser Effekt - obwohl statistisch signifikant - basiert jedoch auf einer geringen Zellenbesetzung, ist daher für sich alleine genommen mit Vorsicht zu interpretieren.
Tabelle 10: Suizidhäufungen und Medienberichte
Keine Suizidhäufungen
Eindeutige Häufungen von Suiziden
gegenüber Surrogatstichproben
3.4.2
Brücken mit keinen
Medienberichten (N)
12
2
86
Brücken mit
Medienberichten (N)
1
%
25
14
3
75
%
Mythos-Effekt
Unter Berücksichtigung des im Methodenteil beschriebenen Rankings rücken fünf Brücken in
das Zentrum. Die Kirchenfeldbrücke, die Lorzentobelbrücken und die Pont Butin fallen durch
eine hohe Anzahl von Suiziden, eine hohe Anzahl von Medienberichten und einen starken
Anstieg der Suizide auf. Die Pont Bessière dagegen zeigt einen Abfall der Anzahl der Suizide,
welche wahrscheinlich durch die weiter unter beschriebenen Suizidpräventionsmassnahmen
bedingt sind. Bei der Kornhausbrücke kommt es vor allem durch die starke Zunahme der
Suizide zu einem hohen Ranking, wohingegen hier nur ein geringes Medieninteresse insbesondere im Vergleich zu der nahe gelegenen Kirchenfeldbrücke besteht.
3
Ergebnisse
45
Tabelle 11: Mythos-Effekt
Rang total
1
1
3
4
4
6
7
7
8
9
11
12
12
14
14
16
17
17
19
19
21
22
23
3.5
Kirchenfeldbrücke
Lorzentobelbrücken
Kornhausbrücke
Pont Butin
Pont Bessière
Fürstenlandbrücke
Haggenbrücke
Gorges de la Liènne
Pont du Gottéron
Pont de Gilamont
Rothbachbrücke
Pont Chauderon
Fussgängersteg des Sitterviaduktes der N1
Ganterbrücke
Pont de Gueuroz
Hohe Brücke
Pont de la Glâne
Lorrainebrücke
SBB-Brücke über Sitter
Hundwilertobelbrücke
Pont de Fénil
Pont de Zähringen
Salginatobelbrücke
Rang Medienberichte
2
4
12
9
1
6
7
12
5
12
12
7
Rang
Suizide
3
2
7
7
1
6
11
15
18
16
5
18
Rang Anstieg der
Suizide
3
2
1
7
21
12
13
4
9
5
17
11
12
16
8
12
12
3
12
12
9
12
12
9
12
7
10
22
18
12
12
23
7
12
18
18
15
14
10
16
20
6
23
22
19
Berichte über Brückensuizide in der Schweiz
Im Folgenden werden die Brücken mit wiederholter Berichterstattung über Suizide durch
Sprung in die Tiefe aufgelistet. Eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Brücken mit
ihren baulichen und geographischen Charakteristika findet sich im Anhang Nr. 1.
3.5.1
Pont Bessière
38 Medienberichte, davon 15 Berichte zu konkret stattgefundenen Suiziden. Der Grossteil der
Berichte handelt von Suizid allgemein und Suizidprävention an der Pont Bessière. Es hat eine
gehäufte Berichterstattung diesbezüglich in den Jahren 2001 bis 2003 stattgefunden, als die
suizidpräventiven Massnahmen an der Pont Bessière verwirklicht wurden. Weiter gibt es fast
jährlich einen Bericht über die suizidpräventiven Massnahmen zu Weihnachten, wo die Brücke durch freiwillige Helfer bewacht wird.
8 der 15 Berichte über konkrete Suizide berichten über den Suizid einer Frau im Januar 04,
die das neu erhöhte Geländer mit einer Leiter überwunden hat. Es geht in diesen 8 Berichten
46
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
auch um die Frage, wie sinnvoll präventive Massnahmen sind und ob die Geländererhöhung
überhaupt etwas gebracht hat.
Bei den weiteren Berichten über einzelne Suizide hat es in einem Fall im selben Monat der
Berichterstattung noch einen Suizid gegeben, ob dieser vor oder nach der Berichterstattung
war, ist unklar. Im anderen Fall hat es 2 Monate nach der Berichterstattung einen weiteren
Suizid gegeben.
3.5.2
Alte und neue Lorzentobelbrücke
14 Medienberichte, 12 dieser Medienberichte handeln von konkret stattgefundenen Suiziden,
wobei 11 dieser 12 Berichte vom gleichen, sehr spektakulären, mit einem Familiendrama
verbundenen Suizid im Jahr 2005 handeln. In diesen 11 Berichten wurde parallel zum konkreten Fall auch das Thema Suizidprävention an der Lorzentobelbrücke aufgegriffen.
Ein Bericht handelt von einem Suizid 1995, weiter gibt es dazu einen kritischen Leserbrief
zur stattgefundenen Berichterstattung.
Ob es Folgesuizide nach Medienberichterstattung gegeben haben könnte, ist nicht beurteilbar,
da uns Daten bezüglich der Monate der Suizide von der Lorzentobelbrücke nicht übermittelt
wurden.
3.5.3
Pont Butin
Ein Medienbericht zu einem stattgefundenen Suizidversuch im Februar 1998. Es handelt sich
um einen sehr konkreten Bericht, wo das Thema sexueller Missbrauch und Suizidalität gestreift wurde.
Im März 1998 erfolgte dann ein Suizid auf der Pont Butin, der ein Folgesuizid der Berichterstattung sein könnte.
3.5.4
Kirchenfeldbrücke
16 Medienberichte, alle 16 Berichte handeln von konkret stattgefundenen Suiziden. 13 dieser
Berichte teilen sich jedoch auf zwei Suizidfälle auf, die besonders spektakulär waren, da in
einem Fall der Suizid mit einem vorangegangenem Tötungsdelikt verbunden war, und im
anderen Fall der Suizid unter mysteriösen Umständen stattfand, bei dem mehrere aussenstehende Personen involviert waren. In zwei Fällen der Suizidberichterstattung kam es im
gleichen Monat zu einem weiteren Suizid von der Kirchenfeldbrücke, in einem Fall der Berichterstattung fanden in den beiden darauf folgenden Monaten je ein Suizid von der Kirchen-
3
Ergebnisse
47
feldbrücke statt. Es könnte sich also in drei Fällen der Berichterstattung zu Folgesuiziden
gekommen sein.
3.5.5
Haggenbrücke
2 Medienberichte, wobei ein Bericht einen konkret stattgefundenen Suizid beschreibt, und
eher als Sensationsbericht gestaltet ist. Der zweite Bericht beschäftigt sich mit Suizid allgemein und Suizidprävention, wobei auf das Anbringen der Schilder der Dargebotenen Hand
auf der Haggenbrücke Bezug genommen wird.
3.5.6
Fürstenlandbrücke
5 Medienberichte, davon 1 Bericht konkret über einen stattgefundenen Suizid, in diesem Bericht gleichzeitig Behandlung des Themas Suizidprävention an der Fürstenlandbrücke. 2 Berichte über Suizidversuche und 2 weitere Berichte über Suizid allgemein und Suizidprävention. Laut unseren Daten gibt es keinen konkreten Hinweis zwischen Suizidberichterstattung
und Folgesuiziden an der Fürstenlandbrücke.
3.5.7
Pont de Zähringen
Ein Medienbericht, dieser handelt von einem Suizidversuch eines jungen Mannes. Im Bericht
wird auch Bezug genommen zum Thema Suizidprävention, dabei wird die in nächster Nähe
zur Pont Zähringen liegende Pont du Gottéron erwähnt.
3.5.8
SBB Brücke über Sitter
Ein Medienbericht über Suizid und Suizidprävention, wir fanden keine Berichte über konkret
stattgefundene Suizide.
3.5.9
Pont Chauderon
Zwei Medienberichte zum Thema Suizid allgemein, keine Berichte über konkret stattgefundene Suizide.
48
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
3.5.10 Pont du Gottéron
Acht Medienberichte, 2 der Berichte handeln von fiktiven Suiziden im Rahmen einer Buchvorstellung eines Krimis. Alle weiteren Berichte handeln von Suizid allgemein und den massiven Suizidpräventionsmassnahmen, die an der Pont Gottéron durchgeführt worden sind. Es
gibt keine Berichte über konkret stattgefundene Suizide von der Brücke.
3.5.11 Hohe Brücke
15 Medienberichte, wobei sich 12 dieser Berichte mit einem Tötungsdelikt im Jahr 2003 befassen, bei dem eine Mutter ihre 2 Kinder von der Hohe Brücke gestossen hat. In diesen Berichten wird auch Bezug genommen auf ein ähnliches Delikt 1990, bei dem ebenfalls eine
Mutter ihre 2 Kinder von der Brücke gestossen und sich danach durch Sprung der Brücke
suizidiert hat. Diese Berichte und die nachfolgenden Berichte 2004 und 2005 befassen sich
auch eingehend mit dem Thema Suizid allgemein, Suizidprävention und der Planung von
suizidpräventiven Massnahmen an der Hohe Brücke. Im November 1994 gab es noch einen
Bericht zu einem konkret stattgefundenen Suizid.
3.6
Präventive Massnahmen bei Brücken in der Schweiz
An 10 von 23 Hotspots fanden wir Schilder oder Aufkleber der Dargebotenen Hand. Es gab
bei diesen Hotspots im Vergleich zu den andern keine statistisch relevanten Unterschiede in
Bezug auf Anzahl der Suizide, Zunahme der Suizide oder anderer Variablen. Bei Brücken mit
einem Werther-Effekt waren numerisch häufiger Schilder angebracht, dies verfehlte jedoch
die statistische Signifikanzgrenze. An 8 von 23 Brücken sind bauliche Massnahmen durchgeführt worden, welche teilweise unvollständig sind.
An zwei Brücken fanden sich unvollständige Absperrungen, die in beiden Fällen den überwiegenden Teil der Brücke freilässt. Auch wenn insbesondere hier nur wenige Daten vorliegen, erscheint es unwahrscheinlich, dass diese Massnahme eine Verringerung der Suizide
herbeiführen kann.
3
Ergebnisse
49
Abbildung 6: Unvollständige Absperrungen
Suizide pro Jahr (Mittelwert)
1
0.8
0.6
0.4
5 Jahre vorher
danach
0.2
0
Die Brücken mit partiellen Absperrungen im Einzelnen:
Abbildung 7: Fürstenlandbrücke vor und nach der Installation der unvollständigen Absperrung
1.2
Suizide pro Jahr
1
0.8
0.6
0.4
5 Jahre vor der
Installation
5 Jahre nach der
Installation
0.2
0
Abbildung 8: Fussgängersteg des Sitterviaduktes der N1 vor und nach der Anbringung des
unvollständigen Drahtmaschengitters
1.2
10 Jahre vorher
Suizide pro Jahr
1
0.8
5 Jahre vorher
0.6
0.4
0.2
0
2 Jahre nach der
Installation des 180m
langen
Drahtmaschengitters
50
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
An drei Brücken fanden sich Geländererhöhungen. Bei zwei von dreien kam es zu einer deutlichen Verringerung der Suizidzahlen. Auffällig ist, dass bei der Brücke mit der geringsten
Geländererhöhung (133cm) keine Reduktion der Suizide gefunden wurde. Erwähnt werden
muss aber auch, dass die zweite Geländererhöhung auf ca. 200cm der Pont Gottéron nicht zu
einer absoluten Verhinderung der Suizide führte. Insgesamt ist aber fast eine Halbierung der
Suizide durch die Geländererhöhung gefunden worden.
Abbildung 9: Geländererhöhung (aufsummierte Daten von 3 Brücken)
Suizide pro Jahr (Mittelwert)
2.5
2
1.5
1
5 Jahre vorher
danach
0.5
0
Die Brücken mit ausreichender Datenlage im Einzelnen:
Abbildung 10: Pont Gottéron 5 Jahre vor und 5 Jahre nach der Geländererhöhung auf 133cm
0.5
Suizide pro Jahr
0.4
5 Jahre vorher
0.3
0.2
0.1
0
5 Jahre nach der
Geländererhöhung auf
133cm
3
Ergebnisse
51
Abbildung 11: Pont de Fénil vor und nach der Geländererhöhung auf 140cm
2.5
10 Jahre vorher
Suizide pro Jahr
2
1.5
5 Jahre vorher
1
5 Jahre nach der
Geländererhöhung auf
140cm
0.5
0
Abbildung 12: Pont Bessière vor und nach der Geländererhöhung auf 155cm
4
Suizide pro Jahr
3.5
3
2.5
2
10 Jahre vor der
Installation
5 Jahre vor der
Installation
1.5
1
0.5
2 Jahre nach der
Geländererhöhung auf
155cm
0
3.7
Präventive Massnahmen bei Brücken im Ausland
3.7.1
Prävention durch bauliche Massnahmen
Zahlreiche Studien belegen, dass Verhinderung der Übersteigung durch Geländererhöhungen
oder Netze etc. die effektivste Methode zur Suizidverhütung von Brücken ist (Beautrais,
2001, Lester, 1993, Nowers & Gunnell, 1996).
3.7.1.1 Grafton Bridge in Auckland, Neuseeland
Ein sehr interessantes Beispiel, da die Brücke über einen Zeitraum von 4 Jahren Barrieren
hatte (1992 –1995), die dann für einige Zeit entfernt wurden. Von 1992 bis 1995 kam es von
der Brücke zu nur 3 Suiziden. 1996 wurden die Barrieren entfernt. Von 1997 bis 2000 kam es
von der Brücke zu 15 Suiziden, was einen signifikanten Anstieg darstellt. Beautrais (2001)
schloss daraus, dass das Entfernen von Barrieren den gegenteiligen Effekt wie das Errichten
52
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
von Barrieren hat. An der Grafton Bridge wurden in der Folge im März 2004 die Barrieren
wieder installiert.
3.7.1.2 Sydney Harbour Bridge, Australien
Sie wurde 1930 eröffnet, Barrieren wurden 1934 installiert. In den 4 Jahren vor Errichten der
Barrieren kam es von der Brücke zu 58 Suiziden durch Sprung, das sind im Durchschnitt 14,5
pro Jahr. In den 48 Jahren nach Errichten der Barriere kam es zu 31 Suiziden von der Brücke,
das sind im Durchschnitt 0,6 pro Jahr (Harvey und Solomons, 1983).
3.7.1.3 Duke Ellington Bridge in Washington
An dieser Brücke wurde 1986 eine Einzäunung vorgenommen, was die Suizidrate von der
Brücke ebenfalls drastisch gesenkt hat (Lester 1993). In den 6 Jahren vor Errichten dieser
Barriere (1979 – 1985) kam es zu 24 Suiziden von der Brücke, in den drei Jahren nach Errichten der Barriere (1987 – 1989) zu keinem Suizid. Ebenfalls hat das Errichten der Barriere die
Gesamtzahl der Brückensuizide in der Stadt gesenkt, d.h. es kam zu keinem Ausweichen auf
eine andere Brücke.
3.7.1.4 Prince Edward Viaduct in Toronto, Canada („Luninous Veil“)
Diese Brücke ist in Nordamerika die zweithäufigste Suizidbrücke, mit durchschnittlich 17
Suiziden pro Jahr. Seit der Eröffnung der Brücke 1918 haben sich von der Brücke über 400
Menschen suizidiert, alleine 100 Personen im letzten Jahrzehnt. Die Brücke hatte einen hohen
Bekanntheitsgrad als Suizidbrücke. 1998 organisierten die zuständigen Behörden einen Architekturwettbewerb, mit dem Ziel, eine funktional und ästhetisch wertvolle Barriere auf der
Brücke zu errichten. Im März 2003 wurde eine Eisenkonstruktion als Antisuizidbarriere fertig
gestellt.
„Luminous Veil“ Toronto, Bloor Street, Toronto
3
Ergebnisse
53
3.7.1.5 Colorado Street Bridge, Pasadena, USA
Die Colorado Street Bridge wurde 1913 gebaut. Zahlreiche Personen haben sich seither von er
Brücke suizidiert (95 Personen von 1919 bis 1937). 1993 wurde die Brücke renoviert, und
dabei eine Antisuizidbarriere errichtet (mit „rails“ und“spikes“).
3.7.1.6 Le Pont rouge, Luxembourg
Mehr als 100 Personen haben sich seit der Eröffnung der Brücke im Jahr 1966 von der Brücke
gestürzt. Aus diesem Grund wurden auf der Brücke 1993 hohe Antisuizidbarrieren errichtet.
3.7.2
Prävention durch nicht-bauliche Massnahmen
Dazu zählen Sicherheitskameras, Krisentelefone zu Hotlines (für Suizidenten und Passanten,
um Hilfe zu holen) und Patrouillen (in Autos, Motorrädern, auf Velos oder zu Fuss).
All diese Massnahmen haben dazu geführt, dass auf der Golden Gate Bridge 50 – 80 Personen
pro Jahr zurückgehalten werden konnten, 30 Personen konnten jedoch jedes Jahr ungehindert
Suizid begehen. (The New Yorker, 2003).
Es gibt in der Literatur nur wenige Angaben über die Wirksamkeit von nicht-baulichen Massnahmen, insgesamt wird jedoch durch die oben erwähnten Beispiele deutlich, dass physische
Barrieren als präventive Massnahme wahrscheinlich wesentlich wirksamer sind.
Dies wird auch dadurch untermauert, dass an berühmten Suizidorten wie Mt. Mihara, Eiffelturm, Empire State Building usw. nach Errichten der Zäune die Suizidzahl an diesen Orten
drastisch gesenkt werden konnte.
3.7.2.1 Golden Gate Bridge, San Francisco, USA
Von 1937 bis 1991 stürzten sich nach offiziellen Statistiken 918 Personen von der Golden
Gate Brücke in den Tod (Gunne1l & Nowers, 1997). Andere Zählungen gehen von mindestens 2000 Menschen aus. Viele der Suizidenten wurden vermutlich nie gefunden, nur 26
Menschen haben einen Sprung überlebt. Nachdem offiziell die 997. Person gesprungen war,
wurde darauf verzichtet, weitere Zählungen zu veröffentlichen, um Imitationen zu verhindern
(„Zu viele hatten den Ehrgeiz, der 1000. zu werden“, Evers, 2005). Folgende Präventionsmassnahmen wurden bereits umgesetzt: Patrouillen per Scooter und zu Fuss, Kameras, 13
Nottelefone, „Auffanggitter“. In der Zeit von Anfang April 1996 bis Ende Dezember 1996
sind 34 potentielle Selbstmörder durch die Patrouille vom Sprung von der Brücke zurückgehalten worden.
54
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Die Errichtung von Barrieren wird seit Jahrzehnten diskutiert, wurde aber bisher nicht realisiert, unter anderem weil Kritiker befürchten, dass die Hängebrücke durch Barrieren einen
Teil ihrer architektonischen Schönheit einbüssen könnte. Das Geländer an der Brücke ist
ungefähr 1,40 Meter hoch, folglich ist es kein grosses Hindernis, dieses zu überwinden. Seit
vielen Jahrzehnten wird von Angehörigen von Opfern und Psychiatern die Errichtung einer
Barriere gefordert. Neunzehn verschiedene Modelle wurden bereits diskutiert. Am 24. Februar 2005 meldete die Internetzeitung MSNBC.com, dass die Verantwortlichen nun doch eventuell Barrieren bauen lassen wollen. Man schätzt, dass es zwei Jahre dauern würde, die Barrieren zu planen und zwei weitere Jahre in Anspruch nehmen würde, sie zu bauen. Die Kosten
werden auf 2 bis 15 Millionen Dollar geschätzt.
3.7.3
Weitere Erfahrungen mit präventiven Massnahmen im Ausland
3.7.3.1 Göltzschtalbrücke, Deutschland
Die Göltzschtalbrücke bei Reichenbach in Sachsen ist die grösste Ziegelsteinbrücke der Welt
und hat eine Höhe von 78m. Es handelt sich um eine frei zugängliche Eisenbahnbrücke. Von
2000 bis 2004 haben sich von dieser Brücke 22 Menschen durch Sprung in die Tiefe das Leben genommen. Der traurige Höhepunkt der Suizidrate wurde 2001 erreicht, als sich drei
Jugendliche aneinander fesselten und gemeinsam in die Tiefe sprangen. Dies fand massive
Medienpräsenz, woraufhin sich innerhalb von 10 Monaten mehrere junge Menschen von der
Göltzschtalbrücke suizidierten. Zahlreiche weitere Selbsttötungsversuche konnten in letzter
Minute durch Beamten des Bundesgrenzschutzes verhindert werden.
Unter Leitung des Bürgermeisters von Milau wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, welche folgende Massnahmen realisieren konnte:
-
Durch die Deutsche Bahn AG erfolgten weitgehende Sicherungsmassnahmen gegen das
unbefugte Betreten des Brückenbauwerkes.
-
Durch den Bundesgrenzschutz werden schwerpunktmässig verstärkt Sicherheitskontrollen
durchgeführt (die beiden Aufgänge der Brücke rund um die Uhr kontrolliert).
-
Durch die dringliche Sensibilisierung der Medien auf den Werther-Effekt wurde erreicht,
dass keine Sensationsberichte mehr erfolgten. Damit wurde bewirkt, dass keine Nachahmungssuizide mehr zu verzeichnen waren.
In der Diskussion wurden von Experten mechanische Barrieren (Gitter, Zäune) über die gesamte Länge der Brücke propagiert. Diese sind noch nicht realisiert. Suizide von Jugendlichen
wurden als situativ geprägt eingeschätzt, d.h. eine wirkungsvolle Barriere am Suizidort könnte
3
Ergebnisse
55
einen Abstand zur suizidalen Handlung herstellen, von der dann insgesamt Abstand genommen wird.
3.7.3.2 Jacques Cartier Bridge, Montreal, Canada
Die Jacques Cartier Bridge ist nach der Golden Gate Bridge einer der gefährlichsten Hotspots
der Welt. Durchschnittlich finden jährlich von der Brücke 45 Suizidversuche und 10 Suizide
statt. Es fand eine jahrelange Diskussion zwischen den Behörden und Suizidexperten zur
Errichtung von Suizidbarrieren auf der Brücke statt. Die internationale „Suicide and Mental
Health Association“ berichtet im Juni 2005, dass nun die Errichtung der Barrieren von den
zuständigen Behörden aus Kostengründen abgelehnt wurde. Die Experten propagierten eine
Antisuizidbarriere auf der Brücke, da sie ein sicherer Schutz für Menschen wären, die sich
„impulsiv“ suizidieren wollen. Die Barriere würde den Menschen Zeit geben, die Tat zu überdenken und Abstand davon zu gewinnen. Es wurden schliesslich andere Massnahmen umgesetzt, wie das Installieren von Kameras und Polizei-Patrouillen auf Fahrrädern.
3.7.3.3 Suicide from the Story Bridge: Characteristics and potential for Prevention
A report to the Brisbane City Council (Zusammenfassung), Matthew Parkyn, Karatu Kiemo,
Travis Heller, Diego De Leo, Australian Institute for Suicide Research and Prevention
(2004).
In Queensland kam es zwischen 1990 und 2001 zu 204 Suiziden durch Sprung aus grosser
Höhe, davon 70 Suizide durch Sprung von einer Brücke (34,3%). Fünfundfünfzig dieser Suizide (78,6%) wurden durch Männer begangen, 15 Suizide (21,4%) durch Frauen. Das Durchschnittsalter war 43,4 Jahre. Die Studie befasst sich mit den präventiven Möglichkeiten an der
Story Bridge. Die Story Bridge umfasst drei Fahrbahnen in beiden Richtungen, auf beiden
Seiten Fussgängerwege und Velowege. Von den 70 Suiziden in Queensland von 1990 bis
2001 waren 35 von der Story Bridge (50%), 25 von der Gateway Bridge (35,7%), 4 von anderen Brücken in Brisbane und 6 von anderen Orten in Queensland. Ein Drittel der Suizide von
der Story Bridge wurde zwischen 9 Uhr abends und 7 Uhr am Morgen begangen.
Obwohl von 1990 bis 2001 sieben Suizide mehr von der Story Bridge als von der Gateway
Bridge stattgefunden haben, war dies statistisch nicht signifikant. Von 1997 bis 2001 waren
jedoch signifikant mehr Suizide von der Story Bridge als von der Gateway Bridge. Dies liegt
daran, dass die Gateway Bridge Barrieren in Form von Zäunen bekam, die 1993 fertig gestellt waren. Die Barrieren wurden errichtet, da es nach der Eröffnung der Brücke im Jahr
56
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
1986 zu einer Serie von Suiziden von der Brücke kam. Von 1990 bis 1992 kam es zu 19 Suiziden von der Gateway Bridge (6,3 pro Jahr), in den folgenden 8 Jahren (1994 – 2001) nach
Errichten der Barrieren kam es zu 12 Suiziden von der Brücke (1,5 pro Jahr). Die Anzahl der
Suizide von der Story Bridge blieb nach Errichten der Barrieren auf der Gateway Bridge relativ konstant.
-
Das Forschungsteam empfiehlt dringend, dass auf der Story Bridge Barrieren an den
Fussgängerwegen installiert werden. Um die Schönheit der Brücke zu erhalten, wurde ein
Architekturwettbewerb vorgeschlagen.
-
In der Zwischenzeit sollten auf der Brücke an bestimmten Punkten Videokameras installiert werden, mit einer direkten Verbindung zu lokalen Rettungskräften wie Polizei, Rettung und Feuerwehr. Erhöhte Aufmerksamkeit soll Menschen gewährt werden, die alleine
auf der Brücke sind und über längere Zeit am Fussgängerweg an einem Ort verharren.
-
Notruftelefone sollten an der Brücke installiert werden. Diese sollten in kostenloser und
direkter Verbindung mit Krisenhotlines stehen. Die Telefone sollten gut sichtbar und ordnungsgemäss gekennzeichnet sein.
-
An der Story Bridge könnten Patrouillen eingesetzt werden, z.B. Polizei, Sicherheitskräfte
oder speziell ausgebildete Freiwillige.
-
Da 1/3 der Suizide von der Story Bridge zwischen 9 Uhr abends und 7 Uhr morgens begangen werden, wäre es vorstellbar, die Brücke durch Zäune über Nacht für Fussgänger
zu sperren. Es ist bekannt, dass bei der Methode Suizid durch Sprung Impulsivität eine
grosse Rolle spielt. Die Brücke in dieser vulnerablen Nachtphase als Suizidort nicht zur
Verfügung zu haben, könnte Leben retten.
-
Eine andere Möglichkeit wäre das Installieren von Netzen unter der Brücke, die Menschen vor dem Sprung abhalten oder nach dem Sprung auffangen. In diesen Netzen könnte sich jedoch auch Abfall sammeln, den Leute über die Brücke werfen. Weiter wären
Rettungsaktionen, welche die Menschen aus den Netzen bergen, kostspielig und für Rettungsmannschaften auch gefährlich.
3
Ergebnisse
57
-
Es wird angenommen, dass die Installation von Barrieren / Zäunen an der Story Bridge
nicht zu einer Zunahme der Suizide von andern Orten oder mit andern Methoden führen
würde. Die Story Bridge ist eine Ikone von Brisbane, und es besteht eine Anziehung für
suizidgefährdete Menschen, eben auf dieser Ikone ihr Leben zu beenden. Dieselbe Symbolik wie die Story Bridge gibt es an keinem anderen Ort in Brisbane.
-
Vor, während und nach der Errichtung der gewählten Suizidpräventionsstrategie an der
Story Bridge sollte die Brücke wissenschaftlich beforscht werden, um die Effizienz der
Massnahme auszuwerten. Längerfristige Forschung würde aufzeigen, ob sich ein Migrationseffekt zu anderen Brücken entwickelt.
58
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
4
Diskussion und Empfehlungen
4
Diskussion und Empfehlungen
4.1
Allgemeines
59
Suizid durch Sprung in die Tiefe ist im internationalen Vergleich eine häufig zu findende
Suizidmethode in der Schweiz. Im Untersuchungszeitraum 1990 ist dies mit einem Anteil von
10.5% an allen Suiziden die vierthäufigste Suizidmethode. Zum Vergleich: In Deutschland
macht der Anteil der Suizide durch Sturz aus der Höhe 9,87% aus (insgesamt etwa 1100 Personen im Jahre 2003). Und in Österreich sterben etwa 12% aller Suizidenten durch Sprung, in
England und in Australien sind es nur rund 5%. Die Schweiz hat damit ebenso wie angrenzende deutschsprachige Länder einen hohen Anteil an Suiziden durch Sprung.
Im Untersuchungszeitraum 1990 bis 2004 konnten wir 475 Suizide durch Sprung von einer
Brücke in der Schweiz (nicht erfasst: Kanton Tessin, s.o.) ausmachen, was 20.1% der Suizidsprünge in allen erfassten Kantonen entspricht. Es ist anzunehmen, dass die Zahl in Wirklichkeit höher liegt, da aufgrund der kantonal unterschiedlichen Dokumentationsmethoden nicht
davon ausgegangen werden kann, dass wir alle Brückenstürze erfassen konnten. Im selben
Beobachtungszeitraum, in der die Gesamtzahl der Suizide in der Schweiz insgesamt leicht
abgenommen hat, nahm die Anzahl der Brückensuizide aber gegenläufig zu.
Ein wichtiger, oft unterschätzter Aspekt ist die Tatsache, dass Suizide dieser Art zu emotionalen Traumata bei Personen führen können, die den Suizid mitansehen (Karlehagen et al.,
1993; Tang, 1994; Tranah & Farmer, 1994). Dieser Aspekt war jedoch nicht Gegenstand der
vorliegenden Studie.
4.2
Hotspots
Im Kontext der Suizidforschung bedeutet "Hotspot" ein Ort, an dem im Vergleich zu anderen
Plätzen überzufällig häufig Suizide stattfinden. Solche Cluster (ungewöhnlich hohe Häufigkeit von Suizidfällen in Raum und Zeit) finden sich an öffentlich zugänglichen Plätzen wie
Gebäuden, Brücken, Klippen und sonstigen Orten grosser Höhe. Bei der Wahl von Ort und
Methode spielt offensichtlich die Popularität von beiden eine entscheidende Rolle. So ist der
Bekanntheitsgrad des Ortes häufig eines der prägnantesten Merkmale eines „Suicide
Hotspots“. Suizide populärer Personen, literarische Werke, besondere Architektur (Golden
Gate Brücke), herausragende Eigenschaften (Clifton Suspension Bridge in England), Schönheit des Ortes (Niagarafälle) und Mythen (Beachy Head, Aokigahara Wald) tragen zur Popularität eines Hotspots bei.
60
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Im Weiteren trägt die hohe Verfügbarkeit und die meist einfache Zugänglichkeit zur Wahl der
Methode "Sprung aus der Höhe" bei. So ist die Suizidmethode "Sprung" in New York mit den
vielen Hochhäusern verbreiteter als im Rest der gesamten USA. Verglichen mit der Beschaffung von Medikamenten oder der einer Waffe, ist der Weg zu einem hohen Gebäude oder zu
einer Brücke häufig schneller und einfacher.
Generell gilt eine Präventionsmassnahme an einem Hotspot dann als effektiv, wenn die Reduktion von Suiziden an einem Ort nicht zu einem Anstieg der Suizide an einem anderen Ort
führt. An Brücken und hohen Gebäuden wurde bereits mehrfach die Wirksamkeit von Präventionsmassnahmen nachgewiesen, so z.B. am Eiffelturm, Mt. Mihara und an der Arroyo Secco
Brücke (Prevost et al., 1996).
4.3
Brückensuizide und andere Methoden (Methodenverlagerung)
Zweiundzwanzig Prozent der Suizide durch Sturz in die Tiefe entfallen auf Brückensuizide.
In Kantonen, in denen es Suizidbrücken gibt, liegt die Zahl der Suizide durch Sturz in die
Tiefe deutlich höher. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Nähe von Brücken einladend auf
gefährdete Personen wirkt. Ein Mensch, der in einer Krise von einer Brücke springen möchte,
springt aber nicht automatisch von einem anderen Ort, wenn diese Brücke gesichert ist. Aufgrund unserer Daten schätzen wir, dass nur ca. 23% der Menschen, die von Brücken springen,
also weniger als ein Viertel, sich von einem Gebäude, Berg oder anderen Ort in die Tiefe
stürzen würden, wenn es keine Möglichkeit zum Brückensuizid gäbe.
Seiden (1978) fand, dass nur etwa 5% der Personen, die aktiv am Sprung von der Golden
Gate Bridge, USA, gehindert wurden, sich zu einem späteren Zeitpunkt suizidierten. Das
direkte Vor-Ort-Verhindern eines Sprunges ist zwar eine spezielle Situation, trotzdem weist
dieser Befund darauf hin, dass suizidale Krisen Ausnahmesituationen sind und sich die grosse
Mehrheit der geretteten Personen im späteren Verlauf ihres Lebens nicht umbringt, obschon
sich Gelegenheit dazu bieten würde. Ein verhinderter Suizid ist also oft eine langfristig lebensrettende Massnahme. Tatsächlich wissen wir aus Studien, die andere Suizidmethoden
untersuchen, dass eine Verhinderung von Suizidmöglichkeiten („restriction of means“) zu
einer de facto Reduktion von Suiziden führen kann. Zum Beispiel wurden bei der Detoxifika-
4
Diskussion und Empfehlungen
61
tion des Haushaltsgases oder bei der gesetzlich reglementierten Verschreibungspraxis von
Schmerzmitteln in Grossbritannien reduzierte Gesamtsuizidraten gefunden.
4.4
Medienberichterstattung
Die Berichterstattung über spezifische Suizidmethoden wie z.B. Brückensprünge kann Menschen animieren, die gleiche Methode zu benutzen. Gefährlich für einen solchen WertherEffekt sind Berichte, die sensationell aufgemacht sind, mit reisserischen Überschriften und
explizitem Bildmaterial, das den Ort und weitere Details zeigt (siehe dazu Anhang Nr. 4).
Eine suizidpräventive Berichterstattung steht scheinbar oft im Gegensatz zu journalistischen
Grundregeln. Der Schweizer Presserat schrieb in einer eigenen Stellungnahme zur Berichterstattung über Suizid am 23. Dezember 1992:
“Wegen der Gefahr der Nachahmung sind detaillierte Berichte über Suizide und Suizidversuche zu vermeiden. Dies gilt nicht nur für reale Fälle, sondern auch für fiktive in Kriminalfilmen, Beziehungsgeschichten, Milieufilmen usw. Die Frage der Medienwirkung ist beim Entscheid über die Publikation oder die Ausstrahlung eines Berichtes über einen Suizidfall mit zu
berücksichtigen.“
Diese Stellungnahme ist laut Auskunft des Presserates bis heute gültig.
In Bezug auf Brücken Hotspots zeigen unsere Ergebnisse zwei Tendenzen. Die Gesamtzahl
der Medienberichte ist absolut gesehen zwar tief, bemerkenswert ist aber doch, dass das Medieninteresse im Verlaufe des letzten Jahrzehntes offenbar gewachsen ist. Ein rechnerisch
fassbarer, möglicher Werther-Effekt, d.h. Suizide, welche schneller aufeinander folgen als
erwartet (Clusterbildung) werden könnte, fand sich gehäuft bei Hotspots mit einer hohen
Anzahl von Medienberichten. Dies weist auf die besondere Bedeutung der Berichterstattung
selbst bei geringer Anzahl von Medienberichten hin. Unter dem Gesichtspunkt, dass relativ
wenige Medienberichte bereits einen messbaren Werther-Effekt auslösen können, ist die Steigerung der Anzahl der Medienberichte alarmierend.
Michel et al. (2000) zeigten, dass die medienwirksame Publikation von Richtlinien die Suizidberichterstattung tatsächlich wesentlich beeinflussen kann. Im Anhang Nr. 3 finden sich die
Richtlinien zur Medienberichterstattung.
62
4.5
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Mythos-Effekt
Bei unserer Datenerhebung fiel auf, dass die Existenz eines konkreten Hotspots tief im Bewusstsein der Menschen verankert ist, ohne dass diese Menschen sagen können, aus welcher
Quelle sie ihr z.T. auch vermeintliches Wissen beziehen. Das Wissen ist also von der ursprünglichen Informationsquelle abgekoppelt worden und die Quelle des Wissens kann nicht
mehr benannt werden. Das abgekoppelte Wissen ist dauerhaft abgespeichert. Dieses Phänomen hat eine hohe psychologische Bedeutung. Ein Mensch begeht einen Suizid am häufigsten
in einer psychosozialen Krise, in einem psychologischen Ausnahmezustand. Der Plan, wie
man sich suizidieren könnte, ist zumeist zu einem anderen Zeitpunkt entstanden, er wird in
der Krise meist abgerufen, nur selten entsteht er neu.
In Bezug auf ihren Mythos ragen zwei Brücken bei der von uns verwendeten Methode der
indirekten Quantifizierung des Mythos-Effektes ausserordentlich und fünf weitere deutlich
heraus: Ausserordentlich stark waren sie bei der Kirchenfeldbrücke in Bern und den Lorzentobelbrücken in Zug. In allen drei verwendeten Kriterien (Anzahl der Suizide, Anzahl der
Medienberichte, Anstieg der Suizidzahlen) sind diese beiden Brücken im negativen Sinne
herausragend. In zweiter Linie fallen 5 weitere Brücken auf, die wegen unterschiedlicher
Kriterien einen hohen Gesamtrang erreichen: Die Pont Bessière als Hotspot Nummer 1 mit
der höchsten Anzahl an Suiziden zeigt einen Deckeneffekt: Nach mehreren, offensichtlich
unzureichenden baulichen Massnahmen hat sich die Anzahl der Suizide auf einem hohen
Niveau stabilisiert. Die Kornhausbrücke fällt durch eine Zunahme der Suizide in den letzten
Jahren auf. Die Pont Butin, die Fürstenlandbrücke und die Haggenbrücke zeigen wiederum
ein ähnliches Bild wie die beiden ersten Brücken mit jedoch geringerer Ausprägung.
4.6
Zugänglichkeit und Höhen bei Hotspot Brücken
Die meisten der gefundenen Hotspots befinden sich in den Städten selbst. Mit Ausnahme der
Pont Bessière und der Pont Chauderon sind alle Brücken höher als 30m. Die Brücken, die
ausserhalb der Städte liegen, fallen zumeist durch eine deutlich grössere Höhe von 90 oder
mehr Metern auf. Die Lorzentobelbrücken mit einer Höhe von 56m stellen eine Ausnahme
dar. Alle Hotspots sind Fussgängern direkt zugänglich. Sprünge von einer Autobahnbrücke
direkt wurden bei Hotspots nicht gefunden bzw. die Sprünge fanden ausschliesslich von die
Autobahnbrücke begleitenden Fussgängerwegen statt. Nicht berücksichtigt werden konnte
hier die N2 im Kanton Tessin (Biaschina Brücke, mindestens 4 Suizide), welche möglicher-
4
Diskussion und Empfehlungen
63
weise das Kriterium des Hotspots erfüllt hätte, aber wegen kantonaler Datenschutzbestimmungen nicht hinreichend erfasst werden konnte. Dieser Fall sollte bei einer Folgestudie
nachuntersucht werden. Bei nicht Hotspot Brücken wurden darüber hinaus insgesamt 13 Suizide von 13 verschiedenen Brücken erfasst.
4.7
Suizidpräventionsmassnahmen
4.7.1
Schilder und Telefone
Insgesamt gibt es zurzeit nur wenige Suizidpräventionsmassnahmen an Brücken. Wir konnten
keinen direkt messbaren präventiven Effekt der Schilder von Die Dargebotene Hand finden.
Umgekehrt spiegelt sich in den von uns erhobenen Zahlen aber auch kein negativer Effekt
wider. Es muss jedoch erwähnt werden, dass indirekte Effekte der Schilder nicht ausgeschlossen werden können. Menschen, die Suizid durch einen Brückensprung begehen, haben wahrscheinlich diese Brücke im Alltag mehrfach alleine oder eventuell sogar in Begleitung von
vertrauten Personen überquert. Die Schilder von Die Dargebotene Hand können zu Gesprächen mit Angehörigen führen und so das häufig bestehende Tabu des Themas Suizid verringern. Wie oben schon beschrieben, ist davon auszugehen, dass Menschen den Plan, „hier
könnte ich mich suizidieren“, bereits längere Zeit vor dem Suizidversuch durchspielen. Die
Präsenz der Schilder am Ort des möglichen Suizides kann helfen, darauf aufmerksam zu machen, dass es Hilfsangebote für Menschen in schwierigen Zeiten gibt. Es ist uns ein Einzelfall
bekannt, in dem ein Mensch in einer psychosozialen Krise aufgrund eines Schildes die professionelle psychiatrische Hilfe unserer Klinik aufgesucht hat. Umgekehrt ist zumindest denkbar,
dass die Schilder signalisieren, „hier ist ein Ort, an dem sich viele suizidiert haben“, und so
einen kontraproduktiven non-präventiven Effekt haben könnten. Die von uns erhobenen Daten lassen keine Rückschlüsse zu, ob diese Effekte vorhanden sind und welches Gewicht auf
der einen bzw. auf der anderen Seite liegt.
Auf der Ganterbrücke wurden Nottelefone eingerichtet. Auch hier reichen die Zahlen nicht
aus, um deren Effektivität beurteilen zu können. Wir wissen durch Einzelfallberichte und
Gespräche mit Helfern, welche Notruftelefone betreuen, dass diese von Menschen in Krisen
genutzt werden, insofern sind Telefone aus unserer Sicht insgesamt als möglicherweise hilfreich einzuschätzen. Ob die Einrichtung von Notruftelefonen an Brücken eine suizidpräventive Wirkung hat, wurde von Glatt (1987) untersucht. Er zeigte auf, dass diese Telefone benutzt
werden, weil viele vor dem Sprung ambivalent sind, das Telefon nutzen und dann gerettet
64
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
werden können. Das Telefon bei der Mid-Hudson Bridge, New York, USA, wurde innerhalb
von 2 Jahren 30mal genutzt.
4.7.2
Unvollständige bauliche Massnahmen
An zwei Brücken fanden sich Geländererhöhungen über Teilstrecken der jeweiligen Brücke.
Ziel war es, die darunter lebenden oder arbeitenden Menschen zu schützen. Aufgrund der
geringen Anzahl der beobachteten Jahre und der geringen Anzahl der Orte kann keine statistisch abgesicherte Aussage gemacht werden. Rein numerisch kommt es aber im Mittel zu
einer Zunahme der Anzahl der Suizide nach der Installation der unvollständigen Massnahmen. Denkbar ist, dass die Massnahmen einen Hinweischarakter haben, im Sinne von „Hier
ist ein Ort, an dem man sich das Leben nimmt“, ähnlich wie dies bei den Schildern von Die
Dargebotene Hand erwähnt wurde, aber ohne dass durch die Massnahme selbst im Gegensatz
zu Die Dargebotene Hand Hilfsangebote signalisiert werden. Die unvollständigen Massnahmen unterscheiden sich deutlich von den in der Einleitung beschriebenen unvollständigen
Massnahmen an der Berner Münsterplattform. Das Netz der Münsterplattform ist zwar eine
unvollständige Präventionsmassnahme, deckt aber im Gegensatz zur Fürstenlandbrücke und
zum Sittersteg nahezu vollständig die sicher letalen Sprungbereiche ab bzw. lässt nur Sprungbereiche mit deutlich geringerer Höhe und weichem Untergrund zu.
4.7.3
Geländererhöhungen
An drei Brücken können Aussagen zu Effekten von Geländererhöhungen gemacht werden.
Durch diese Massnahmen kam es im Mittel zu einer Halbierung der Suizide. Erwartungsgemäss ist der präventive Effekt abhängig von der Geländerhöhe, es fand sich ein höherer präventiver Effekt bei höherem Geländer. Erwähnenswert ist aber, dass selbst eine zweite Geländererhöhung an der Pont Gottéron auf ca. 200cm nicht zu einer vollständigen Verhinderung
von Suiziden führte. Es kann nicht abgeschätzt werden, ob es sich möglicherweise um Einzeleffekte handelt, welche im längeren zeitlichen Verlauf sich als Ausnahmen darstellen werden.
Neben der absoluten Geländerhöhe erscheint aber die Beurteilung wichtig, wie schwer oder
leicht ein Geländer übersteigbar ist. Suizidale Menschen werden hier den Ort wählen, der die
leichteste Möglichkeit zum Überstieg bietet. So ist bei der Pont Bessière das Geländer zwar
überhängend, kann aber an den Pfosten immer noch relativ leicht überstiegen werden. Bei
dem Bau von Präventionsmassnahmen erscheint dieser Aspekt wichtig, da das sozusagen
4
Diskussion und Empfehlungen
65
schwächste Glied über den präventiven Gesamteffekt entscheiden wird, nicht die messbare
Geländerhöhe.
4.7.4
Netze
Sicherheitsnetze wurden bislang nur an der Hohen Brücke angebracht. Daten über die Effektivität liegen aufgrund der kurzen Untersuchungsspanne noch nicht vor. Die Ergebnisse der
Münsterplattform Bern zeigen jedoch ermutigende Ergebnisse (s.o.) und es ist davon auszugehen, dass Sicherheitsnetze ähnlich präventiv sind wie Geländererhöhungen. Darüber hinaus
kommt möglicherweise ein positiver psychologischer Effekt „aufgefangen zu werden“. Diese
Effekte sind jedoch noch nicht untersucht worden.
4.8
1.
Empfehlungen
Präventive bauliche Massnahmen erscheinen aufgrund der Vielzahl der Suizide, der
steigenden Anzahl von Brückensuiziden, der ermutigenden Befunde solcher präventiver
Massnahmen in der Schweiz und zahlreicher Erfahrungen im Ausland als dringend angezeigt.
2.
Geländererhöhungen sind sinnvolle Massnahmen. Bereits Geländerhöhen bis 155cm
führen wahrscheinlich zu einer Reduktion von Suiziden, diese werden aber hierdurch
nicht vollständig verhindert werden. Aus diesem Grund sind grössere Geländerhöhen
(mindestens 180cm) empfehlenswert. Geländererhöhungen sollten sprossenfrei gebaut
sein, um das Hochklettern so weit wie möglich zu verhindern, da suizidale Menschen
den leichtesten Weg zur Übersteigung wählen werden.
Möglicherweise ist es sinnvoll, neben architektonischen ästhetischen Aspekten insbesondere auch den Blick in die Ferne zu ermöglichen, um das aversiv erlebte Gefühl der
Einzäunung zu verhindern. Erwähnenswert an dieser Stelle ist, dass ausser an der Hohen Brücke an keiner der Brücken Netze angebracht wurden, obwohl es baulich nicht
völlig undenkbar gewesen wäre. Die Anbringung von Netzen erscheinen in Anbetracht
der ermutigenden Ergebnisse der Berner Münsterplattform als die bessere Alternative.
Ein Netz ist psychologisch gesehen ein Symbol der Rettung, ein hohes Geländer dagegen eher ein Symbol der Einengung und Einzäunung.
66
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Neue Brücken sollten à priori mit erhöhtem Geländer gebaut werden, wenn sie höher als
25m sind, und sich gleichzeitig in Städten befinden, einen harten Untergrund aufweisen
und Fussgängern zugänglich sind. Ausserhalb von Städten erscheint ein höheres Geländer bei Fussgänger zugänglichen Brücken ab einer Brückenhöhe von 50 Metern sinnvoll, ab 90 Metern zwingend. Bei bestehenden Brücken könnten diese baulichen Massnahmen bei anstehenden Renovierungsarbeiten erfolgen oder vorher, wenn eine Brücke
zu einem Hotspot geworden ist.
Brücken mit einem unmittelbaren Bedarf für bauliche Massnahmen besteht aufgrund
der Daten aus unserer Sicht bei allen aufgeführten Hotspots. Wichtig erscheinen Massnahmen insbesondere bei der Kirchenfeld- und der Kornhausbrücke in Bern. Eine weitere Verbesserung der Suizidpräventionsmassnahmen bei der Pont Bessière in Lausanne
erscheint uns möglich. Bei den Lorzentobelbrücken sind im Jahre 2005 bauliche Planungen zur Geländererhöhung durchgeführt worden, welche voraussichtlich im Jahre
2006 umgesetzt werden können.
3.
Unvollständige Massnahmen erscheinen nur dann sinnvoll, wenn sie die sicher letalen
Sprünge verhindern. Unvollständige Massnahmen, die gefährliche Sprungbereiche offen
lassen, sind in Bezug auf den Schutz darunter lebender Menschen sinnvoll, in Bezug auf
die Reduktion von Suiziden wahrscheinlich kontraproduktiv.
4.
Andere präventive Massnahmen vor Ort: Schilder von Die Dargebotene Hand weisen
auf Hilfsangebote hin, die suizidalen Menschen häufig (oder indirekt betroffenen Menschen wie Familienangehörige) nicht bekannt sind. In Anbetracht der geringen Kosten
erscheinen sie, auch wenn sich in unserer Studie kein direkter positiver Effekt ergab,
dennoch als sinnvoll. Keine ausreichenden Daten liegen zu den Hilfstelefonen vor. Die
relativ häufige Benutzung der Telefone durch Menschen in Krisen ist ein indirekter
Hinweis auf deren Wirksamkeit. Wegen der im Vergleich zu baulichen Massnahmen
geringen Kosten sind sie für alle aufgeführten Hotspots auch als Sofortmassnahme empfehlenswert. Sie bieten eine doppelte Präventions-Chance: Erstens durch die mögliche
Nutzung durch die suizidalen Menschen selbst, zweitens für Passanten, die damit um
Hilfe rufen können.
4
5.
Diskussion und Empfehlungen
67
Die Medienberichterstattung ist ohne Zweifel ein wesentlicher Faktor bei der Schaffung
und der Aufrechterhaltung von Hotspots für Brückensuizide. Die Beispiele im Anhang
sprechen eine deutliche Sprache. Erfahrungen aus Wien wie auch aus der Schweiz zeigen, dass die Publikation von Richtlinien zur Medienberichterstattung allein nicht genügt. Vielmehr braucht es (a) ein Monitoring der Medienberichterstattung und (b) direkte und wenn möglich persönliche Kontakte zu den Redaktionen von Printmedien und
elektronischen Medien. Es stellt sich natürlich die Frage, welche Stelle in der Schweiz
eine solche Aufgabe übernehmen könnte.
6.
Insgesamt ist die Anzahl der Suizid-Präventionsmassnahmen an Brücken in der
Schweiz gering. Einige Massnahmen sind in der Planungsphase (Lorzentobelbrücken,
Ganterbrücke), einige sind vor wenigen Jahren fertig gestellt worden (Hohe Brücke,
OW; Pont de Gottéron, FR). Studien zu Präventionsmassnahmen zeigen immer wieder
überraschende Ergebnisse, wie z.B. die positiven Effekte der Netze der Münsterplattform, die negativen Effekte der Partiellenabsperrungen beim Fussgängersteg des Sitterviaduktes, SG, oder die Tatsache, dass es in Kantonen ohne hohe Brücken insgesamt
weniger Suizidsprünge gibt. Diese Ergebnisse zeigen, dass wir die Dynamik des Brückensuizides bislang nur unzureichend verstehen. Die Schaffung einer ständigen Arbeitsgruppe zur Begleitforschung von Suizid-Präventionsmassnahmen bei Brücken ist
angezeigt, um diese Prozesse besser zu verstehen sowie um die neuen Massnahmen zu
evaluieren. Letztendlich können nur auf dieser Basis weitreichendere Empfehlungen als
die hier beschriebenen entwickelt werden. Aber nur durch die gezielte Umsetzung sinnvoller Massnahmen wird langfristig die Anzahl der Brückensuizide weiter reduziert
werden können.
68
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
5
5
Literaturverzeichnis
69
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70
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Anhang Nr. 1
71
Anhang Nr. 1
Beschreibung der einzelnen Brücken, geordnet nach Häufigkeit der
Suizide:
Pont Bessière, Lausanne, Kanton Waadt
Die Pont Bessière wurde 1910 erbaut. Sie liegt im Zentrum von Lausanne und verbindet die
Altstadt mit dem zunehmend frequentierten Quartier Caroline. Sie ist eine hochfrequentierte
Strassenbrücke mit zwei Fahrbahnen und zwei Trottoirs.
Mit 47 Suiziden im Beobachtungszeitraum von 1990 bis 2004 ist sie die Brücke mit den meisten Suiziden in der Schweiz. Im Jahr 1985 sollen von der Pont Bessière sogar 10 Suizide
stattgefunden haben.
Die Pont Bessière ist eine Stahlbogenbrücke, mit einer Höhe von 23m und einer Länge von
160m. Die Geländerhöhe ist zum jetzigen Zeitpunkt 1,55m.
An der Pont Bessière sind wiederholt suizidpräventive Massnahmen durchgeführt worden, die
auf die Erhöhung des Geländers fokussiert waren:
72
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Die erste Geländererhöhung fand 1972 statt, von der Standardhöhe von ca. 1,13m auf eine
Höhe von 1,3m. Von Herbst 2001 bis November 2003 fand die zweite Geländererhöhung
statt, die Hauptarbeiten diesbezüglich waren 2003. In dieser Etappe wurde das Geländer von
1,3 auf 1,55m erhöht. Die Geländererhöhung fand über die gesamte Länge der Brücke und auf
beiden Seiten statt, ist also primär als suizidpräventive Massnahme und nicht ausschliesslich
für den Schutz der Anrainer gedacht. Zusätzlich ist das Geländer im oberen Bereich leicht
nach Innen geneigt. Ein Übersteigen ist somit für durchschnittlich trainierte Menschen deutlich erschwert und nur mit Hilfsmittel, wie mit einer kleinen Leiter, möglich.
Seit 2001 bewacht eine Gruppe freiwilliger Personen über die Weihnachtsfeiertage die Brücke, indem sie eine Art Camp auf der Brücke errichtet und gesprächsbereit ist für Menschen,
die in dieser Zeit einsam und suizidgefährdet sind.
Die Pont Bessière ist als Suizidbrücke bei der Bevölkerung sehr gut bekannt und hat häufige
Medienpräsenz. Von 1990 bis 2004 konnten wir 38 Zeitungsbeiträge finden, die sich mit dem
Thema Suizid bezogen auf die Pont Bessière beschäftigten. In 15 dieser Berichte wurden
konkrete Suizide beschrieben, in den anderen Beiträgen ging es um die Themen Suizidprävention und die Suizidproblematik allgemein. Es wurden in den Zeitungsartikeln stets besonders die präventiven Massnahmen an der Brücke und die Sitzwache über die Weihnachtsfeiertage hervorgehoben.
Das Besondere an der Pont Bessière ist deren Bekanntheitsgrad als Suizidbrücke, die zentrale
Lage mitten in der Stadt und der dementsprechend guten Erreichbarkeit für jeden.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Klinik Cery in Prilly und
eine Alkohohlentzugsklinik sowie die psychiatrischen und psychosozialen Einrichtungen der
Stadt Lausanne.
Anhang Nr. 1
Alte und neue Lorzentobelbrücke, Baar, Kanton Zug
Die alte Lorzentobelbrücke wurde 1910, die neue Lorzentobelbrücke wurde 1985 erbaut.
73
74
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Die Lorzentobelbrücken liegen am Rand der Gemeinde Menzingen im Kanton Zug. Die Lorze ist die Grenze zwischen den Gemeinden Baar und Menzingen. Der grössere Teil der Brücken liegt auf Baarer Gebiet. Die neue Lorzentobelbrücke hat für die Gemeinde Menzingen
eine grosse Bedeutung für die Verbindung nach Zug.
Diese Brücken über das Lorzentobel sind historisch gesehen das Tor ins Aegerital. Die neue
Brücke verkürzt den Weg massiv, die alte Brücke wird heute eher touristisch genutzt und liegt
in einem gut besuchten Wandergebiet.
Von 1990 bis 2004 fanden von der alten und der neuen Lorzentobelbrücke 41 Suizide durch
Sprung in die Tiefe statt. Es war nicht möglich zu eruieren, wie sich diese Zahl auf die beiden
Brücken aufteilt, wir gehen jedoch davon aus, dass beide Brücken wesentlich zu der Gesamtzahl beitragen.
Die alte Lorzentobelbrücke ist eine Steinbogenbrücke mit einer Höhe von 58m und einer
Länge von 187m. Das Eisengeländer ist mit 1,10m Höhe sehr tief und sehr leicht übersteigbar. Die alte Brücke hat eine Fahrbahn und zwei Trottoirs, wird jedoch für den Autoverkehr
nicht mehr genutzt, sie dient hauptsächlich Fussgängern und Velofahrern. Blumen und Kerzen, die von Angehörigen der Suizidenten dort niedergelegt werden, machen auf die traurige
Bedeutung der Brücke aufmerksam.
Bei der neuen Lorzentobelbrücke handelt es sich um eine Spannbetonbrücke mit einer Höhe
von 68m und einer Länge von 570m. Das Betongeländer hat einen Leichtmetallaufsatz und ist
mit einer Gesamthöhe von 1,20m ebenso sehr gut übersteigbar. Die neue Lorzentobelbrücke
ist eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit zwei Fahrbahnen und einem Trottoir. Die Brücken liegen nicht zentral in einer Stadt, sind jedoch mit dem Auto oder zu Fuss sehr gut erreichbar.
Es wurden an beiden Brücken seit deren Eröffnung keine baulichen Veränderungen zur Suizidprävention vorgenommen. Als suizidpräventive Massnahmen wurden an der alten Lorzentobelbrücke im April 2003 vier Schilder der Dargebotenen Hand angebracht, jeweils am Eingang der Brücke auf beiden Seiten. Bei der alten Lorzentobelbrücke wurde beim Widerlager
auf der Seite Zug von privater Seite im Mai 2002 ein Wegkreuz erstellt.
An der neuen Lorzentobelbrücke wurde von privater Hand am Brückengeländer ein kleiner
Kleber angebracht mit der Aufschrift: „Jesus Christus – deine Chance“. Im Jahre 2005 wurden jedoch umfassende Planungsarbeiten vorgenommen, um an beiden Brücken Geländererhöhungen vorzunehmen. Diese werden voraussichtlich 2006 umgesetzt werden.
Über die Suizide von der Lorzentobelbrücke wurde in den Jahren 1990 bis 2004 wenig berichtet, nur 1995 gab es zwei Berichte über einen Suizid. Im Zuge eines dramatischen Suizids
im Juni 2005 wurde das Thema der Suizidprävention und der Sicherung der beiden Brücken
von den zuständigen Behörden nochmals aufgenommen und diskutiert, die Brücken erhielten
in dieser Zeit starke Medienpräsenz. Mittlerweile sind an beiden Brücken Massnahmen zur
Suizidprävention in Planung.
Die Brücken haben in der Bevölkerung einen hohen Bekanntheitsgrad als Suizidbrücken.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Klinik
Meisenberg und die Psychiatrische Klinik Oberwil, beide ca. 7km von den Brücken entfernt.
Anhang Nr. 1
75
Kirchenfeldbrücke, Bern, Kanton Bern
Die Kirchenfeldbrücke wurde innerhalb von 21 Monaten erbaut und im September 1983 eingeweiht. Sie liegt im Zentrum von Bern, führt über die Aare und verbindet die Altstadt mit
dem Kirchenfeldquartier.
Von 1994 bis 2004 fanden von der Kirchenfeldbrücke 30 Suizide statt.
Es handelt sich um eine Stahlhochbrücke mit einer Höhe von 39m und einer Länge von 229m.
Das Staketengeländer aus Stahl ist 1,13m hoch und sehr leicht übersteigbar.
Die Kirchenfeldbrücke ist eine hochfrequentierte Brücke mit zwei Fahrbahnen, Tramschienen, Velowegen und zwei Trottoirs. Sie ist eine touristische Attraktion und ein viel besuchter
Aussichtspunkt mit Blick auf das Bundeshaus, die Aare und die Berner Altstadt.
An der Brücke wurden seit deren Entstehung keine baulichen Veränderungen zur Suizidprävention durchgeführt. Es wurden 4 Schilder der Dargebotenen Hand angebracht und zwar
jeweils am Eingang der Brücke auf beiden Strassenseiten.
Von 1994 bis 2004 fanden wir 16 Medienberichte zum Thema Suizid von der Kirchenfeldbrücke, wobei alle 16 Berichte teils nüchtern und knapp, teils sensationell und emotional von
soeben stattgefundenen Suiziden von der Kirchenfeldbrücke handelten.
Wir fanden in diesem Zusammenhang keine Berichte zum Thema Suizidprävention.
76
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Die Brücke hat in der Bevölkerung einen sehr hohen Bekanntheitsgrad als Suizidbrücke, und
wird auch von Menschen als Suizidort aufgesucht, die nicht in Bern oder in der Umgebung
leben.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Poliklinik
des Inselspitals, das Kriseninterventionszentrum Bern, die Psychiatrische Klinik Waldau und
die Psychiatrischen Kliniken Kirchlindach und Münsingen.
Die Kirchenfeldbrücke ist sehr gut erreichbar.
Anhang Nr. 1
77
Pont Butin, Genf, Kanton Genf
Die Pont Butin liegt ca. 3,4 km ausserhalb des Stadtzentrums von Genf und führt über die
Rhône.
Von 1990 bis 2004 haben sich von der Pont Butin 15 Menschen suizidiert.
Es handelt sich um eine Steinbogenbrücke mit einer Höhe von 58m, das 1,20m hohe Stahlgeländer ist sehr leicht übersteigbar.
Die Pont Butin ist eine hochfrequentierte und gut erreichbare Brücke mit Trottoirs, Strassen
und Velowegen.
Die Medienberichterstattung zu den Suiziden von der Pont Butin war äusserst zurückhaltend.
Wir konnten für den Zeitraum von 1990 bis 2004 lediglich einen Bericht über einen Suizidversuch von der Pont Butin finden, alle 15 Suizide wurden in den Medien nicht erwähnt.
Trotzdem hat die Brücke einen hohen Bekanntheitsgrad als Suizidbrücke.
An der Pont Butin gibt es keine baulichen Veränderungen oder sonstige Massnahmen zur
Suizidprävention.
Eine psychiatrische Klinik innerhalb des Umkreises von 20km ist die Psychiatrische Klinik
Chêne-Bourg, 9km von der Brücke entfernt.
78
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Pont de Fénil, Corsier-sur Vevey, Kanton Waadt
Die Pont de Fénil wurde 1903 erbaut und liegt 2km vom Stadtzentrum von Vevey entfernt,
auf einer wichtigen Verbindungsstrasse. Die Pont de Fénil ist mit dem Auto gut erreichbar,
liegt in einem Naherholungsgebiet und ist auch zu Fuss über Wander- und Spazierwege gut
erreichbar.
Von 1990 bis 2004 haben sich von der Pont de Fénil 15 Menschen suizidiert.
Es handelt sich um eine Fachwerkbalkenbrücke mit einer Höhe von 95m und einer Länge von
230m. Das Metallgeländer ist mit einer Höhe von 1,40m überdurchschnittlich hoch und erscheint nicht so leicht übersteigbar.
Das Geländer wurde 1999 im Sinne einer suizidpräventiven Massnahme von 1,20 auf oben
genannte Höhe von 1,40 erhöht.
Die Pont de Fénil ist eine hochfrequentierte Strassenbrücke ohne Trottoirs.
Zu den Suiziden von der Pont de Fénil haben wir keine Medienberichte gefunden, ebenso gab
es in Bezug auf die Brücke keine Berichte zum Thema Suizidprävention oder Suizid allgemein.
Eine psychiatrische Klinik im Umkreis von 20km ist die Psychogeriatrie Clarens (7,8km von
der Brücke entfernt).
Anhang Nr. 1
79
Pont de Gueuroz, Vernayaz, Kanton Wallis
Die Pont de Gueuroz besteht aus einer alten und einer neuen Brücke. Die alte Brücke wurde
in den Jahren 1932 – 1934 erbaut, die neue Brücke wurde 1996 parallel zur alten Brücke
gebaut. Die neue Brücke ist ausschliesslich eine Strassenbrücke ohne Fussgängerwege.
Die Pont de Gueuroz liegt auf der Verbindungsstrasse zwischen Salvan und Martigny und
führt über die Schlucht Gorges du Trient. Sie gehört zur Gemeinde Vernayaz.
80
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Von 1990 bis 2004 haben sich unseres Wissens 14 Personen von der Pont de Gueuroz suizidiert. Man geht davon aus, dass die Suizide von der alten Brücke durchgeführt werden.
Die beiden Brücken gelten als Touristenattraktion, sie haben einen hohen architektonischen
Wert und zählen zu den Spitzenleistungen der Ingenieurbaukunst.
Die beiden Brücken haben eine Höhe von 189m und eine Länge von 54m. Das Geländer der
alten Brücke ist ein massives Betongeländer mit einer Höhe von 1,1m und einer Breite von
21cm. Obwohl das Geländer sehr leicht zu übersteigen ist, vermittelt die Massivität ein Gefühl der Sicherheit. Ausserhalb des Geländers gibt es keine Möglichkeit zu stehen. Das Geländer der neuen Brücke ist aus Metall mit einer Höhe von 1,18m, es hat eine integrierte Leitplanke, erscheint eher fragil und ist leicht übersteigbar.
Die Brücken liegen 5,1 km vom Stadtzentrum Martigny entfernt. Mit dem Auto sind die beiden Brücken gut erreichbar, zu Fuss sind sie sehr abgelegen und nur durch eine längere Wanderung erreichbar.
Zur Pont de Gueuroz haben wir keine Medienberichte zu den stattgefundenen Suiziden, zu
Suizid allgemein oder Suizidprävention gefunden.
Es wurden keine baulichen Veränderungen oder sonstige Massnahmen zur Suizidprävention
durchgeführt, es sind jedoch solche in Diskussion, und zwar im Sinne von Präventionsmassnahmen am Geländer und durch eine bessere Beleuchtung der Brücken.
Anhang Nr. 1
81
Haggenbrücke, Stein, Kanton Appenzell AR
Die Brücke wurde nach anderthalb Jahren Bauzeit im Oktober 1937 eröffnet.
Bei der Haggenbrücke handelt es sich um eine der höchsten Fussgängerbrücken Europas. Die
Brücke wird auch „Ganggelibrugg“ genannt, da sie mit einfachen Mitteln in Schwingung
versetzt werden kann. Sie stellt eine Verbindung zwischen der Stadt St. Gallen und der Gemeinde Stein her, überquert das Sittertobel und die Sitter und verkürzt die Verbindung zwischen Haggen und Stein. Die Region ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel.
Wir konnten 13 Suizide in Erfahrung bringen, die von 1990 bis 2004 von der Haggenbrücke
verübt worden sind.
Die Haggenbrücke ist eine Fachwerkbrücke aus Stahl, mit einer Höhe von 98,6m und einer
Länge von 355,6m. Das Eisengeländer von 1,10m ist sehr leicht übersteigbar.
Sie ist eine hochfrequentierte Fussgängerbrücke mit zwei schmalen Trottoirs zu beiden Seiten
und einer Fahrspur in der Mitte. Die Brücke ist jedoch für Autos gesperrt.
Die Haggenbrücke ist dennoch zu Fuss oder mit dem Auto sehr gut erreichbar, das Stadtzentrum von St. Gallen ist ca. 6km entfernt.
Die Medienberichterstattung zu den Suiziden von der Haggenbrücke ist sehr zurückhaltend.
Wir konnten für den Zeitraum von 1990 bis 2004 nur zwei Medienberichte zum Thema Suizid
von der Haggenbrücke finden, wobei ein Bericht direkt über einen zu diesem Zeitpunkt aktuell stattgefundenen Suizid handelt und ein Bericht sich mit Suizid allgemein und Präventionsmassnahmen befasst.
Es wurden seit dem Bau der Brücke keine baulichen Veränderungen zur Suizidprävention
vorgenommen. Im November 1999 hat Die Dargebotene Hand zwei Schilder auf beiden
Strassenseiten angebracht.
82
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Auf der Brücke werden immer wieder Blumen und Kerzen zum Andenken an die Toten niedergelegt.
Eine psychiatrische Klinik innerhalb des Umkreises von 20km ist die Kantonale Psychiatrische Klinik Herisau, 11,4 km von der Brücke entfernt.
Anhang Nr. 1
83
Fürstenlandbrücke, St. Gallen, Kanton St. Gallen
Die Fürstenlandbrücke wurde 1941 eröffnet, und befindet sich im Westen der Stadt St. Gallen
zwischen den Quartieren Bruggen und Winkeln. Sie überspannt den Graben der Sitter, die aus
dem Appenzellerland kommend die Stadt westlich und nördlich umfliesst. Die Fürstenlandbrücke stellt einen wichtigen Verkehrsweg aus dem Stadtzentrum Richtung Westen dar. Sie
ist eine Strassenbrücke der Staatsstrasse von St. Gallen Richtung Gossau. Sie ist stark befahren durch den innerstädtischen Verkehr, aber auch durch Pendler. Sie zeichnet sich durch die
grosse Höhe über dem Fluss aus, und ist als Suizidbrücke bekannt und immer wieder in Diskussion.
Wir konnten für den Zeitraum von 1990 bis 2004 13 Suizide in Erfahrung bringen.
Die Fürstenlandbrücke ist eine 60m hohe und 489m lange Betonbrücke. Das Geländer ist aus
Stahl und mit einer Höhe von 1,20m leicht übersteigbar.
Die Brücke hat eine zweispurige Fahrbahn und auf beiden Seiten ein Trottoir und einen Veloweg. Sie wird auch von Fussgängern und Velofahrern stark genutzt.
Wir haben für die Zeit von 1990 bis 2004 fünf Medienberichte zum Thema Suizid von der
Fürstenlandbrücke gefunden. Nur ein Bericht handelte von einem stattgefundenen Suizid
direkt, die anderen Berichte handelten von Suizidversuchen (einer im Zusammenhang mit
einem Mord), Suizid allgemein und Präventionsmassnahmen.
Zum Schutz der unter der Brücke liegenden Liegenschaften wurden 1979 an der Südseite der
Brücke über eine Länge von etwa 20m horizontal ausragende Fangnetze angebracht. Zur
Vermeidung des Übersteigens wurden zusätzlich auf die Netze Stacheldrahtrollen ausgelegt.
Dieser Schutz wurde in den Monaten August / September 1994 im Zuge der Brückeninstandsetzung durch vertikale Plexiglaswände in praktisch gleicher Lage und Länge ersetzt.
84
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Die Geländerhöhe von 1,20m ist die vorgeschriebene minimale Höhe, wenn eine Brücke
einen Radweg führt.
Es wurde keine bauliche Veränderung zur Suizidprävention durchgeführt.
Auf einer Brückenseite wurden im November 1999 acht Aufkleber von Die Dargebotene
Hand angebracht, auf der anderen Seite vier Aufkleber.
Die Fürstenlandbrücke ist sehr gut erreichbar, das Stadtzentrum St. Gallen ist ca. 800m entfernt.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Tagesklinik St. Gallen und die Psychiatrische Klinik Herisau.
Die Psychiatrische Klinik Wil ist 28km entfernt.
Anhang Nr. 1
85
Kornhausbrücke, Bern, Kanton Bern
Die Kornhausbrücke wurde innerhalb von drei Jahren erbaut und 1898 eröffnet. Sie liegt im
Zentrum der Stadt Bern, führt über die Aare, und verbindet die Altstadt mit dem Breitenrainquartier und dem nördlichen Teil Berns.
Für den Zeitraum von 1994 bis 2004 konnten wir 13 Suizide von der Kornhausbrücke in Erfahrung bringen.
Bei der Kornhausbrücke handelt es sich um eine 38m hohe und 382 m lange Stahlhochbrücke.
Das Staketengeländer aus Stahl ist 1,13m hoch und sehr leicht übersteigbar.
Die Brücke führt zwei Fahrbahnen mit Tramschienen und auf beiden Seiten ein Trottoir. Es
handelt sich um eine hochfrequentierte Brücke für Autos, Fussgänger, Velofahrer und Benutzer des Trams. Die Kornhausbrücke ist sehr gut erreichbar und gut zugänglich.
Wir konnten für den oben genannten Zeitraum weder Medienberichte zu den Suiziden von der
Kornhausbrücke, noch zu Suizid allgemein oder Suizidprävention bezüglich der Kornhausbrücke finden. Die Kornhausbrücke wird lediglich in Zusammenhang mit den suizidpräventiven Massnahmen an der Münsterplattform erwähnt. Die Medienberichterstattung über konkret
stattgefundene Suizide von der Kornhausbrücke ist also äusserst zurückhaltend. Dennoch ist
die Kornhausbrücke bei der Bevölkerung als Suizidbrücke bekannt, allerdings weniger als die
nur einige 100 Meter entfernte Kirchenfeldbrücke.
Es wurden seit dem Bau der Brücke keine baulichen Veränderungen zur Suizidprävention
vorgenommen. Von der Dargebotenen Hand wurden drei Schilder angebracht, auf der Seite
86
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
des Kurhauses (stadtauswärts) je ein Schild auf beiden Strassenseiten, auf der Seite des Kornhauses (stadteinwärts) nur auf einer Strassenseite. Wann diese Schilder angebracht worden
sind, konnte wie bei der Kirchenfeldbrücke und der Lorrainebrücke weder über die Dargebotene Hand noch über das für Beschilderung zuständige Amt der Stadt Bern eruiert werden.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Poliklinik
des Inselspitals, das Kriseninterventionszentrum Bern, die Psychiatrische Klinik Waldau und
die Psychiatrischen Kliniken Kirchlindach und Münsingen.
Anhang Nr. 1
87
Ganterbrücke, Ried-Brig, Kanton Wallis
Die Ganterbrücke wurde von 1977 – 1980 gebaut. Sie überquert das tief eingeschnittene Gantertal. Die Brücke ist Teil der historisch bedeutsamen Simplonpasstrasse und ist derzeit die
am weitesten gespannte Brücke der Schweiz. Es handelt sich um eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit zwei Fahrbahnen und ohne Trottoirs.
Für den Zeitraum von 1994 bis 2004 konnten wir 11 Suizide von der Ganterbrücke in Erfahrung bringen.
Es handelt sich um eine Schrägseil- / Betonsegelbrücke mit einer Höhe von 150m und einer
Länge von 678m.
Die seitliche Brückenbegrenzung ist durch eine Betonbrüstung mit aufgesetztem Stahlkasten
gesichert. Die Abschrankung ist auf einer Seite 1,10m, auf der anderen Seite 1,18m hoch. Sie
ist auf beiden Seiten gut übersteigbar.
Die Ganterbrücke ist nur mit dem Auto gut erreichbar, mit dem öffentlichen Verkehr und zu
Fuss ist die Erreichbarkeit aufwendiger, jedoch problemlos möglich. Das Stadtzentrum von
Brig ist ca. 15 km entfernt.
Wir konnten für den oben genannten Zeitraum im Swissdox weder Medienberichte zu den
Suiziden von der Ganterbrücke noch zu Suizid allgemein oder Suizidprävention bezüglich der
Ganterbrücke finden. Es besteht jedoch ein Fernsehbericht, der die Problematik der Brückensuizide von der Ganterbrücke behandelt. Trotz der fehlenden Anzahl der Printmedien ist die
Ganterbrücke als Suizidbrücke gut bekannt.
Es wurden seit dem Bau der Brücke keine baulichen Veränderungen an der Brücke zur Suizidprävention vorgenommen.
88
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Als suizidpräventive Massnahme brachte Die Dargebotene Hand 143 Notruftelefone an. Jeweils an dem Ort der grössten Falltiefe befinden sich auf der Brücke ausserdem Schilder an
beiden Strassenseiten, mit Hinweisen zu den oben genannten Telefonen. Im Jahre 2006, kurz
vor Abschluss dieser Studie, wurde eine Geländererhöhung von kantonalen Instanzen im
Sinne einer Suizidprävention geplant.
Eine psychiatrische Klinik innerhalb des Umkreises von 20km ist das Oberwalliser Psychiatriezentrum Brig, 15 km von der Brücke entfernt.
Anhang Nr. 1
89
Pont de Zähringen, Fribourg, Kanton Fribourg
Die Pont de Zähringen liegt im Zentrum der Stadt Freiburg.
Für die Zeit von 1990 bis 2004 konnten wir neun Suizide von der Pont de Zähringen in Erfahrung bringen. Zusätzlich haben von dieser Brücke von 1990 bis 2004 sieben Suizidversuche
stattgefunden. Wir konnten für die Zeit von 1990 – 2004 lediglich einen Bericht über einen
Suizidversuch finden, mit nachfolgender Berichterstattung zum Thema Suizidprävention. Es
gibt unseres Wissens keine Medienberichte zu den stattgefundenen Suiziden. An der Pont de
Zähringen haben seit deren Erbauung keine baulichen Veränderungen zur Suizidprävention
stattgefunden.
Das besondere an der Pont de Zähringen ist, dass sie in direkter Sichtweite der sehr gut gesicherten Pont Gottéron liegt.
90
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
SBB – Brücke über die Sitter, St. Gallen, Kanton St. Gallen
Die SBB ist eine der drei Sitterbrücken in St. Gallen, sie wurde 1924 – 1925 erbaut.
Von 1990 bis 2004 haben sich laut unserer Nachforschungen 9 Menschen durch Sprung von
der Sitterbrücke suizidiert.
Es handelt sich um eine 63m hohe und 209m lange Eisenbahnbrücke aus Beton, die mit Natursteinen verkleidet ist. Das Metallgeländer mit einer Höhe von 1,29m ist sehr leicht übersteigbar. Die Brücke läuft parallel zur Fürstenlandbrücke über den Sittergraben. Die Eisenbahnbrücke führt zweispurig Schienen, sie wird auf der Nordseite von einem Fussgängerund Velosteg begleitet und ist damit gut zugänglich und durch die Stadtnähe insgesamt sehr
gut erreichbar. Sie ist einerseits ein beliebter Spazierweg von Bruggen zum 1km entfernten
Gübsensee und gehört ins übergeordnete Velonetz.
Es handelt sich also um eine hochfrequentierte Eisenbahnbrücke, die auch von Fussgängern
und Velofahrern genützt wird. Zur SBB-Brücke über die Sitter konnten wir keine Suizidberichterstattung und keine Berichte über Suizid allgemein und Präventionsmassnahmen finden.
Auf der Nordseite der Brücke, wo sich auch der Fussgänger- und Veloweg befindet, wurde
auf das Geländer über eine Strecke von ca. 15m ein ca. 2m hohes, nicht übersteigbares Gitter
aufgesetzt, um die darunter liegende Strasse zu schützen.
Zur Suizidprävention wurden im November 1999 zwei Schilder von der Dargebotenen Hand
angebracht, jeweils am Beginn bzw. Ende der Brücke. Es wurden keine baulichen Massnahmen an der Brücke zur Suizidprävention vorgenommen.
Psychiatrische Kliniken im Umkreis von 20km sind die Tagesklinik St. Gallen und die Psychiatrische Klinik Herisau. Die Psychiatrische Klinik Wil liegt 28km entfernt.
Anhang Nr. 1
91
Neue Rothenbachbrücke, Rothenburg, Kanton Luzern
Die Rothenbachbrücke wurde in den Jahren 1911 / 12 als eine der ersten Betonbogenbrücken
erbaut. Ende der 50er Jahre zeigte diese Betonbrücke erste Materialermüdung. Es wurde überlegt, eine neue Brücke an einem anderen Ort zu bauen. Unter Zeitdruck und Sachzwängen
entschied man sich 1974 für die Beibehaltung der bestehenden Verkehrsachsen. 1975 wurde
die Brücke in Folge „Altersschwäche“ in zwei Anläufen gesprengt, innerhalb nur 10 Monaten
wird am gleichen Ort die neue Rothenbachbrücke gebaut.
Diese neue Spannbetonbrücke geht von Emmen nach Rothenburg. Sie ist eine hochfrequentierte Brücke mit zwei Fahrbahnen und auf beiden Seiten je ein Trottoir. Über die Brücke
führt die viel befahrene Hauptstrasse Luzern-Beromünster. Die Brücke überwindet das steile
und tiefe Rothbachtobel. Auf dem Gemeindegebiet Emmen befindet sich der Bahnhof Rothenburg Station, von wo aus viele Rothenburger den Zug nehmen. Sie wird daher auch rege
von Fussgängern benutzt. Die Rothenbachbrücke ist bei der Bevölkerung gut als Suizidbrücke
bekannt.
Für die Zeit von 1996 bis 2003 konnten wir durch die Kantonspolizei Luzern neun Suizide
von der Rothenbachbrücke in Erfahrung bringen.
Es handelt sich bei der Brücke um eine Hohlkasten- / Spannbetonbrücke mit einer Höhe von
28m und einer Länge von 128,6m.
Das 95cm hohe Stahlgeländer ist sehr leicht übersteigbar.
Von der neuen Brücke aus hat man Sicht auf die alte Rothenbachholzbrücke, die eine wesentlich geringere Höhe aufweist, als die neue Rothenbachbrücke.
Über die Rothenbachbrücke liegen für den oben genannten Zeitraum keine Medienberichte
über stattgefunden Suizide, Suizid allgemein oder Suizidprävention vor.
Geländererhöhungen wurden bislang nicht vorgenommen. Als suizidpräventive Massnahme
hat am 30. März 2003 die Dargebotene Hand Hinweisschilder montieren lassen.
92
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Geplant war, dass im Rahmen der Instandsetzung der Brücke in den Jahren 2004 / 2005 die
Geländerhöhe der Brücke von 95cm auf 120cm erhöht wird, was nun so auch stattgefunden
hat.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Klinik in
Luzern und die Psychiatrische Klinik St. Urban.
Anhang Nr. 1
93
Fussgängersteg des Sitterviaduktes der N1, St. Gallen, Kanton St. Gallen
Die Autobahnbrücke N1 liegt im westlichen Abschnitt der so genannten Stadtautobahn durch
St. Gallen und ist Teil der Autobahn N1, welche von Genf bis St. Margrethen führt.
Direkt unterhalb der Autobahnbrücke N1 läuft der Sittersteg, welcher ein unter die Fahrbahn
gehängter Fuss- und Veloweg ist und die Stadt St.Gallen mit der Gemeinde Gaiserwald sowie
zwei Spazier- und Ausflugsgebiete verbindet.
Bei der Autobahnbrücke und dem Sittersteg handelt es sich um einer der drei Sitterbrücken
von St. Gallen.
Der Sittersteg ist beliebt bei Spaziergängern, mit dem Velo pendelnden Personen und Wanderern, und ist aufgrund seiner Höhe über Grund schon von Bungee–Jumpern benutzt worden.
Die Autobahnbrücke und der Fussgängersteg wurden 1984 fertig gestellt.
Für die Zeit von 1990 bis 2004 konnten wir acht Suizide in Erfahrung bringen. Die Suizide
wurden laut Auskunft des Tiefbauamtes St. Gallen mit höchster Wahrscheinlichkeit vom
Sittersteg und nicht von der Autobahn verübt, da die Autobahnbrücke über hohe, nicht übersteigbare Lärmschutzwände verfügt.
Beim Sittersteg handelt es sich um eine Betonbrücke mit einer Höhe von 55m und einer Länge von 675m. Das auf einer Betonbrüstung aufgesetzte Stahlgeländer ist trotz seiner überdurchschnittlichen Höhe von 1,29m gut übersteigbar.
Der Sittersteg ist sehr gut erreichbar, das Stadtzentrum von St. Gallen ist ca. 1,2km entfernt.
Wir haben keine Medienberichte zu den Suiziden vom Sittersteg, zu Suizid allgemein oder
Suizidprävention in Bezug auf den Sittersteg gefunden.
Sittersteg und Autobahn überspannen den Graben der Sitter, in dem auch das Firmenareal der
Firma Filtrox liegt.
Am Sittersteg wurde im März 2002 an den Geländern ein Drahtmaschengitter zum Schutz der
darunter liegenden Firma Filtrox montiert und im Februar 2003 wegen einer Fabrikerweite-
94
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
rung noch etwas verlängert. Dieses Schutzgitter zieht sich nicht über die Länge des gesamten
Steges, sondern ist auf einer Seite 130m und auf der anderen Seite 170m lang.
Es wurden keine weiteren baulichen Veränderungen zur Suizidprävention durchgeführt.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Tagesklinik St. Gallen und die Psychiatrische Klinik Herisau.
Die Psychiatrische Klinik Wil ist 28km entfernt.
Anhang Nr. 1
95
Pont de Gilamont, Vevey, Kanton Waadt
Die Brücke befindet sich auf der Kantonalstrasse RC 743b zwischen den Gemeinden Corsier
sur Vevey und St. Légier la Chiésaz, auf der Strecke Lausanne – St. Maurice.
Die Pont de Gilamont ist eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit zwei Trottoirs, sie geht
über den Fluss Veveyse. Die Brücke ist sehr gut erreichbar.
Von 1990 bis 2004 haben sich von der Pont Gilamont acht Menschen suizidiert.
Bei der Pont de Gilamont handelt sich um eine Betonbalkenbrücke mit einer Länge von
594m. Das auf einen Betonsockel aufgesetzte Eisengeländer hat insgesamt eine Höhe von
1,10m und ist sehr leicht übersteigbar.
Es liegen uns keine Medienberichte zu den Suiziden der Pont Gilamont vor, auch scheint sie
sonst nicht in der Berichterstattung zum Thema Suizid auf.
An der Pont de Gilamont wurden keine Massnahmen zur Suizidprävention durchgeführt.
Vor einiger Zeit wurde ein Antrag der Gemeinden um eine Erhöhung des Geländers an den
Kanton gestellt, der Antrag wurde jedoch aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die psychogeriatrische Klinik Nant und die Psychiatrische Klinik Clarens.
96
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Pont Chauderon, Lausanne, Kanton Waadt
Die Pont Chauderon wurde von 1904 bis 1905 erbaut und liegt im Zentrum von Lausanne.
Die Anzahl der Suizide, die wir in Erfahrung bringen konnten, waren sieben im Beobachtungszeitraum von 1990 bis 2004. Wir konnten die Daten ab 1990 durch das Institut für
Rechtsmedizin in Lausanne und ab 1995 durch die Polizei eruieren. Die Verkehrsdirektion
ergänzte diese Zahl auf acht Suizide.
Bei der Pont Chauderon handelt es sich um eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit zwei
Trottoirs. Die Brücke ist 18m hoch und 190m lang, das kunstvoll schmiedeiserne Geländer
mit einer Höhe von 1,11m kann sehr leicht überstiegen werden.
Die Pont Chauderon ist durch ihre zentrale Lage sehr gut erreichbar.
Über die Pont Chauderon wurde in den Medien in der Zeit von 1990 bis 2004 zweimal über
Suizid allgemein berichtet, es fand jedoch keine Medienberichterstattung zu den konkreten
Suiziden von der Brücke statt.
Es wurden an dieser Brücke keine Suizidpräventionsmassnahmen durchgeführt.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Klinik
Cery in Prilly und eine Alkoholentzugsklinik.
Anhang Nr. 1
97
Pont du Gottéron, Fribourg, Kanton Fribourg
Die Brücke liegt auf der B080 Fribourg – Schwarzsee. Das Stadtzentrum von Fribourg ist
3km weit von der Brücke entfernt. Es handelt sich um eine hochfrequentierte Strassenbrücke
mit zwei Trottoirs.
Die Brücke gilt als Touristenattraktion, da sie einen schönen Ausblick auf die Altstadt von
Fribourg und auf die Pont Zähringen bietet. Die Pont Gottéron ist sehr gut erreichbar.
Wir konnten für den Zeitraum von 1990 bis 2004 sieben Suizide von der Pont Gottéron in
Erfahrung bringen.
Bei der Pont Gottéron handelt es sich um eine Betonbogenbrücke mit einer Höhe von 80m
und einer Länge von 168m.
Das Metallgeländer ist 2 bis 2,5m hoch und im oberen Abschnitt nach innen geneigt, das
Geländer ist praktisch nicht mehr übersteigbar.
Zur Pont Gottéron gibt es in unserem Beobachtungszeitraum acht Medienberichte, wobei nie
über einen konkret stattgefundenen Suizid berichtet wurde. Zwei Medienberichte sind über
eine Buchvorstellung eines Krimis, in dem sich ein junges Mädchen von der Pont Gottéron
stürzt.
Die anderen Berichte befassen sich mit den Suizidpräventionsmassnahmen an der Brücke und
handeln auch von Suizid allgemein.
Als Suizidpräventionsmassnahme wurde an der Brücke eine umfassende Geländererhöhung
durchgeführt. Die erste Geländererhöhung fand 1996 von der Standardhöhe auf eine Höhe
von 1,33m statt, dies hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Zwischen 20.11.2002 und
17.12.2002 wurde das Geländer in der Höhe von 1,33m auf 2 bis 2,5m erhöht, mit einer Neigung des Geländers nach innen im oberen Teil.
98
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Das Auffallende an der Brücke ist, dass sie einen besonders legendären Ruf als Suizidbrücke
hat, wobei die Anzahl ihrer Suizide weit geringer ist als z.B. von der Pont Bessière oder der
Lorzentobelbrücken.
Obwohl das Geländer nicht übersteigbar erscheint, fanden im Jahr 2004 zwei weitere Suizide
von der Brücke statt. Die Psychiatrische Klinik Marsens ist 27,6 km entfernt.
Anhang Nr. 1
99
Pont de la Glâne, Villars-sur-Glâne, Kanton Fribourg
Die Brücke wurde 1958 erbaut, 1969 verbreitert und von 1995 bis 2000 saniert.
Sie liegt auf der Kantonsstrasse B100 Freiburg - Bulle und führt über die Glâne, sie befindet
sich in einer sehr idyllischen Landschaft. Die Pont de la Glâne ist eine mässig frequentierte,
etwas abgelegene Strassenbrücke mit zwei Trottoirs. Sie ist gut erreichbar, das Stadtzentrum
von Fribourg liegt 3,9km entfernt.
Von 1990 bis 2004 haben sich sieben Personen von der Pont de la Glâne suizidiert.
Die Pont de la Glâne ist eine Steinbogenbrücke aus Sandstein mit einer Höhe von 54m und
einer Länge von 178m. Das Metallgeländer von einer Höhe von 1,10m ist sehr leicht übersteigbar. Die in das Geländer integrierte Leitplanke erleichtert das Übersteigen zusätzlich,
lädt vom optischen Aspekt her fast dazu ein. Weiter ist es möglich, ausserhalb des Geländers
zu stehen, auf einem Sims von 32cm Breite.
Wir haben zur Pont de la Glâne keine Medienberichte zu stattgefundenen Suiziden, Suizid
allgemein oder Suizidprävention gefunden.
Es wurden seit dem Bau der Brücke an dieser keine Massnahmen zur Suizidprävention
durchgeführt.
Eine psychiatrische Klinik im Umkreis von 20km ist die Psychiatrische Klink Marsens.
100
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Salginatobelbrücke, Schiers, Kanton Graubünden
Die Salginatobelbrücke ist die bekannteste Brücke von Robert Maillart (1872 - 1940). Sie
wurde 1991 durch die American Society of Civil Engineers (ASCE) zum Internationalen
Denkmal der Ingenieurbaukunst erklärt und zählt heute zu den Baudenkmälern von internationaler Bedeutung.
Die Brücke wurde in den Jahren 1929 / 1930 gebaut. In den Jahren 1975 / 1976 wurden erste
bauliche Erhaltungsmassnahmen ausgeführt. Weitere Erhaltungsmassnahmen erfolgten im
1997/98. Sie liegt auf der Verbindungsstrasse von Schiers nach Schuders.
Von 1990 bis 2004 haben sich sieben Personen von der Salginatobelbrücke suizidiert.
Bei der Brücke handelt es sich um eine Dreigelenkbogenbrücke aus Stahlbeton mit einer
Höhe von 90m und einer Länge von 132,3m. Die Betonbrüstung mit einer Höhe von 1,10m ist
sehr leicht übersteigbar. Die Brücke ist eine wenig frequentierte, einspurige Strassenbrücke
von 3,5m Breite, sie führt keine Trottoirs.
Die Salginatobelbrücke ist mit dem Auto gut, ansonsten schwer erreichbar. Zu Fuss erreicht
man sie in 1 ½ Stunden von Schiers und in 1 1/3 Stunden von Schuders.
Das Stadtzentrum von Chur ist 30km entfernt.
Wir haben keine Medienberichte für die Zeit von 1990 bis 2004 zu stattgefundenen Suiziden,
Suizid allgemein oder Suizidpräventionsmassnahmen zur Salginatobelbrücke gefunden.
An der Brücke wurden keine baulichen oder sonstige Massnahmen zur Suizidprävention
durchgeführt, diese würden auch schon alleine aufgrund des Denkmalschutzes wahrscheinlich
nicht zur Diskussion stehen.
Die nächste psychiatrische Klinik ist die Klinik Waldhaus in Chur, 29,5km von der Salginatobelbrücke entfernt.
Anhang Nr. 1
101
Lorrainebrücke, Bern, Kanton Bern
Als Ersatz für die Fahrstrasse der Eisenbahnbrücke wurde die Lorrainebrücke in den Jahren
1928 / 1930 erbaut und am 17. Mai 1930 eröffnet. 1968 wurden die Trottoirs um je 1m auf
2,5m Breite reduziert. Die Lorrainebrücke liegt im Zentrum Berns und verbindet die Innenstadt mit dem Lorrainequartier, weiter dient die Lorrainebrücke als Ein- / Ausfalltor für nach
Bern reisende Gäste. Sie führt über die Aare und ist eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit
Trottoirs und Velowegen. Die Lorrainebrücke ist sehr gut erreichbar.
Für die Zeit von 1994 bis 2004 konnten wir von der Lorrainebrücke sechs Suizide in Erfahrung bringen.
Die Lorrainebrücke ist eine Betonbrücke mit einer Höhe von 37,5m und einer Länge von
178m. Sie hat eine Brüstung aus Naturstein mit einer Höhe von 1,15m. Ausserhalb der Brüstung befindet sich ein Sims, auf dem man stehen und sogar gehen kann. Dieser Sims ist bei
Beginn und Ende der Brücke jeweils mit einem quer verlaufenden Gitter gesperrt, damit man
ihn nicht betreten kann. Um auf den Sims zu gelangen, müsste man in diesem Sinne über das
Geländer steigen.
Wir fanden für oben genannten Zeitraum keine Medienberichterstattung zu Suiziden, Suizid
allgemein oder Suizidprävention konkret zur Lorrainebrücke.
An der Brücke wurden keine baulichen Massnahmen zur Suizidprävention vorgenommen.
Im August 2005 wurden an der Brücke an deren Eingängen beidseits insgesamt vier Schilder
der Dargebotenen Hand angebracht.
Psychiatrische Kliniken innerhalb des Umkreises von 20km sind die Psychiatrische Poliklinik
des Inselspitals, das Kriseninterventionszentrum Bern, die Psychiatrische Klinik Waldau
sowie die Psychiatrischen Kliniken Kirchlindach und Münsingen.
102
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Hohe Brücke, Kerns, Kanton Obwalden
Die Hohe Brücke geht in 103m Höhe über die Ranftschlucht mit dem Bach „Grosse Melchaa“
und ist die höchste Holzbrücke Europas. Sie wurde im Jahr 1893 erbaut und ist als Kulturobjekt von regionaler Bedeutung geschützt. 1943 hat eine umgehende Sanierung der Brücke
stattgefunden.
Sie befindet sich auf der Strasse von Kerns nach Sachseln (Verbindungsstrasse Kern / Flüeli
Ranft) Die Brücke ist einspurig befahrbar und hat Fussgängerstege.
Die Hohe Brücke ist mit dem Auto und zu Fuss (von Kerns, Flüeli Ranft und Sachseln) sehr
gut erreichbar.
Es handelt sich um eine gedeckte Holzbrücke mit einer Höhe von 103m und einer Länge von
lediglich 30m. Das Holzgeländer mit einer Höhe von 1,10m ist sehr leicht übersteigbar.
Von 1990 bis 2004 haben sich von der Hohen Brücke sechs Menschen suizidiert. Bei einem
der Suizide im Jahr 1990 handelte es sich um einen erweiterten Suizid, bei dem eine Mutter
ihre zwei Kinder von der Brücke gestossen hat und danach selbst hinunter gesprungen ist.
Im März 2003 wurden erneut zwei Kinder ermordet, indem sie von der Brücke gestossen
wurden. Insgesamt haben von der Brücke vier Tötungen von Kindern stattgefunden.
Die Tötungsdelikte an den Kindern im 2003 haben starke Medienpräsenz gefunden, es wurde
in verschiedenen Zeitungen sehr ausführlich über die Delikte berichtet. Diese Delikte waren
auch der Anstoss, an der Brücke suizidpräventive Massnahmen vorzunehmen. Als Suizidpräventionsmassnahmen wurden im Jahr 2003 / 2004 Schilder von der Dargebotenen Hand an-
Anhang Nr. 1
103
gebracht. Im März 2004 wurden ausserhalb der Brücke über die gesamte Länge der Brücke in
horizontaler Lage Fangnetze aus Metall angebracht, die ein Hinunterspringen verhindern bzw.
erschweren sollen.
Eine Klinik im Umkreis von 20km ist die Psychiatrische Klinik Sarnen.
104
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Hundwilertobelbrücke, Waldstadt-Hundwil, Kanton Appenzell AR
Die heutige Hundwilertobelbrücke wurde von 1989 bis 1991 neu erstellt und 1992 eingeweiht. Sie ersetzte eine ähnliche Bogenbrücke, die 1925 eröffnet worden ist und damals eine
Holzbrücke ersetzte, die tiefer im Tobel lag (28m hoch). Die Brücke verbindet Hundwil mit
Waldstatt, ist Teil der Hauptstrasse Herisau – Appenzell und führt über das Hundwilertobel
mit dem Fluss Urnäsch. Die Hundwilertobelbrücke ist mit dem Auto oder zu Fuss (von
Hundwil oder Waldstatt aus) gut zu erreichen. Das Stadtzentrum von Herisau ist ca. 4km, das
Stadtzentrum von Appenzell ist ca. 11km entfernt.
Es handelt sich um eine hochfrequentierte Strassenbrücke mit einer Höhe von 76,5m und
einer Länge von 268,8m. Auf beiden Seiten ist ein Trottoir, einseitig zusätzlich noch ein Veloweg. Die Betonbrüstung mit aufgesetzten Holmen. hat eine Höhe von 1,15m und ist leicht
übersteigbar.
Von 1990 bis 2004 haben sich laut unserer Nachforschungen sechs Personen an der Hundwilertobelbrücke suizidiert.
Zur Hundwilertobelbrücke haben wir keine Medienberichte über die stattgefundenen Suizide,
Suizid allgemein oder Suizidprävention gefunden.
Es wurden seit dem Bau der Brücke keine baulichen Veränderungen an der Brücke zur Suizidprävention vorgenommen. Die Brüstung hatte vorerst ein aufgesetztes Kastenprofil aus
Beton, auf dem man stehen konnte. Dieses Kastenprofil wurde durch ein rundes Profil (Stahlrohr) ersetzt. Dabei hätten jedoch nicht Massnahmen zur Suizidprävention, sondern ästhetische Gründe eine Rolle gespielt.
Psychiatrische Kliniken im Umkreis von 20km sind die Psychiatrische Tagesklinik St. Gallen
und die Psychiatrische Klinik Herisau.
Anhang Nr. 1
105
Gorges de la Lienne, Ayent, Kanton Wallis
Die Brücke wurde 1954 erbaut und liegt auf der Verbindungsstrasse zwischen Ayent und
Icogne. Sie geht über eine 96m tiefe Schlucht mit dem Fluss la Lienne.
Das Stadtzentrum von Sion ist 8,6km entfernt. Sie ist mit dem Auto gut erreichbar, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuss schwer erreichbar.
Die Gorges de la Lienne ist eine zweispurige Strassenbrücke ohne Trottoirs.
Es handelt sich um eine Betonbogenbrücke mit einer Höhe von 96m und einer Länge von
72m. Das Metallgeländer mit einer Höhe von 1,10m ist sehr leicht übersteigbar.
Von 1994 bis 2004 haben sich von dieser Brücke sechs Personen suizidiert.
Die Suizide haben keine Medienpräsenz gefunden, auch wurde im Zusammenhang mit der
Brücke nicht über Suizid allgemein oder Suizidpräventionsmassnahmen berichtet.
An der Gorges de la Lienne wurden keine Massnahmen zur Suizidprävention durchgeführt.
Eine psychiatrische Klinik innerhalb des Umkreises von 20km ist die Höhenklinik Montana
mit einer Psychosomatischen Abteilung (13,3km von der Brücke entfernt).
106
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Anhang Nr. 2
107
Anhang Nr. 2
Übersicht alle Brücken
Kanton
Brücke
Suizide
AG
Brücke, 4310 Rheinfelden
Hochbrücke, 4515 Obersiggenthal
Hochbrücke, Baden
Neue Limmatbrücke, Baden
Reussbrücke, Bremgarten
Haslenbrücke, 9053 Teufen
Leuenbachbrücke, Umfahrungsstrasse, Teufen
Schwanenbrücke, zw. Stein und Niederteufen AR
1
1
3
1
1
3
1
1
AR
Haggenbrücke, 9063 Stein
Hundwilertobel Brücke, Waldstatt-Hundwil
13
6
BE
Autobahnbrücke in Rubigen, A6 - Süd
Autobahnviadukt Saanen, Mühleberg
Brücke der Reichenbachfälle,3860 Meiringen
Brücke Stadtbachstrasse, Bern
Brücke über Fahrbahn, Aarau
Eisenbahnbrücke, 3852 Goldswil
Forsthausbrücke, Murtenstrasse 85, Bern
Halenbrücke, Herrenschwanden
Kirchenfeldbrücke
Kornhausbrücke
Lorrainebrücke
Monbijoubrücke
Nydeggbrücke
Radfahrer Holzbrücke, 3752 Wimmis
Schwarzwasserbrücke, Mittelhäusern
Tiefenaubrücke
Tschingelbrücke, 3655 Sigriswil
Wohlenbrücke, 3034 Murzelen
1
1
1
1
1
1
1
3
30
13
6
2
2
1
3
3
1
1
BL
Autobahnbrücke N2, 4132 Muttenz
Brücke über Bahnstrecke, Liesberg
1
1
BS
Dorenbachviadukt, 4054 Basel
Dreirosenbrücke, Basel
Mittlere Rheinbrücke, Basel
Rialtoviadukt, 4054 Basel
4
1
1
1
FR
Aergerabrücke, Giffers
Autobahnbrücke A1
Autobahnbrücke, Grattavache
Autobahnviadukt, Flamatt
Autobahnviadukt, Le Bry, A12
1
1
1
1
1
108
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Autobahnviadukt, Vuippens
Passerelle Grabensaal, Fribourg
Pont de Grandfey, Fribourg
Pont de la Glâne, Villars-sur-Glâne
Pont de Pérolles, Fribourg
Pont du Gottéron, Fribourg
Pont de Zähringen, Fribourg
unbekannte Brücke, Domdidier
unbekannte Brücke, Flamatt
unbekannte Brücke, Marly
Viaduc de la Madelaine, Granges-Paccot
1
1
3
7
4
7
9
1
1
1
1
GE
Brücke über Bahngeleise
Pont Butin, Genf (60m) (eingangs Vernier)
Pont Butin, Genf (eingangs Vernier)
Pont CFF Jonction, Genf
Pont de Cartigny, Cartigny
Pont de Lancy, Grand-Lancy
1
1
14
3
3
1
GR
alte Solisbrücke, zw. Solis & Tiefenkastel
Brücke über Plessur, 7203 Trimmis
Brücke über vereinigten Rhein, Reichenau (Tamins)
Cascellabrücke, 6563 Mesocco
Fachwerkbrücke, 7015 Tamins
Grosstobelbrücke, 7136 Obersaxen Friggahüs
Gurlainabrücke, 7550 Scuol
Langwieserviadukt, zw. Wiesen & Filisur
Militärbrücke, 7306 Fläsch
Naninbrücke, 6563 Mesocco
Pont del Margin, 6548 Rossa
Pont del Ram, 6535 Roveredo
Salginatobelbrücke, 7220 Schiers
Versamerbrücke, 7104 Versam
Viamalabrücke, 7411 Sils im Domleschg
3
1
1
1
1
1
3
4
1
1
1
1
7
1
1
LU
Rothenbachbrücke, Rothenburg
9
OW
Hohe Brücke, Kerns
7
SG
Autobahn N1, Verbindungsbrücke Wil - Rickenbach
Autobahnbrücke Sittertobel, Fussweg unter Sitterviadukt
Autobahnbrücke Toggenburgstrasse in Will
Autobahnbrücke, Sittertalsteg
Autobahnviadukt, Sittertalsteg
Eisenbahnbrücke der BT über Wissbach
Fürstenlandbrücke
Holzbrücke im Schwänberg, 30m, über Wissbach
Martinsbrugg
SBB Brücke in Stocken, St. Gallen Winkeln
SBB-Brücke über die Sitter
Sitter Höhe, Openair Gelände, St. Gallen - Bruggen
Spinnereibrücke, Stadtautobahnüberführung N13
1
1
1
6
1
1
16
1
4
1
9
1
1
Anhang Nr. 2
109
Splügenbrücke Autobahn Fahrtrichtung Rohrschach
Splügenbrücke, Güterbahnhofareal, St. Finden
St.Gallen: BT Brücke,an der Haggenstrasse nähe Aetschbergweg
Stadtautobahn SG zw. St.Fidentunnel u. Rosenbergtunnel
verm. Fürstenlandbrücke
1
1
1
1
1
SH
Eisenbahnbrücke Schaffhausen - Feuerthalen
Schaffhausen, A4, St. Peterbrücke, Fahrspur Bargen
1
1
SO
Holzfluhbrücke, 4710 Balsthal
Tüfelsbrücke, 4614 Hägendorf
2
2
TG
Eisenbahnbrücke Bergstr., Kreuzlingen
Eisenbahnbrücke MThB Steinbruchstr., Kreuzlingen
1
1
VD
Autobahnbrücke
Autobahnbrücke nahe Corsier
Autobahnbrücke, Vevey
Brücke beim Boulevard de la Fôret, Pully
Brücke der Strasse St.Martin, Vevey
Brücke in Bau, A9, Sierre
Brücke Le Vallon des Vaux, Yvonand
Brücke nahe der "Dingue Vaudaire", Lutry
Grand Pont, Lausanne
Grand-Pont, Orbe
Passerelle reliant la gare du Flon (Lausanne)
Pont Bessière, Lausanne
Pont Chauderon, Lausanne
Pont d`Aigremont, Route Diablerets
Pont de Brent, Brent
Pont de Fénil, Corsier- sur-Vevey
Pont de Gilamont, Vevey
Pont de la Carrière, Crissier
Pont de la Petite-Gryonne, Villars-sur-Ollon
Pont de la route sec. Montherod-Saubraz
Pont de la Veveyse, Vevey
Pont du Devin, Vevey
Pont du Niouc, 3960 Niouc
Pont Fégire, Corsier-sur-Vevey
Pont Gryonne, Arveyes
Pont Paudèze, 1092 Belmont-Lausanne
Viaduc de Fégir, St.Légier-La Chiésaz
Viaduc des Vaux "Niédens", Yvonand
Viaduc de Chillon, Veytaux
1
1
1
1
1
1
1
1
3
1
1
47
7
1
1
15
8
1
3
1
1
1
1
1
2
1
1
1
1
VS
BLS-Baltschieder-Viadukt, 3939 Eggerberg
Dalabrücke, 3953 Leuk
Findelbachbrücke, 3920 Zermatt
Ganterbrücke, 3911 Ried-Brig
Gorges de la Lienne, 1966 Ayent
Haselruffina, 3922 Stalden
Kelchbachbrücke / Bella Vista, 3904 Naters
1
1
1
11
6
1
4
110
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Luogelkin-Viadukt, 3949 Hohtenn
Munderbrücke, 3903 Mund
Neue Brücke Fee-Vispa, 3906 Saas-Fee
Panoramabrücke, 3906 Saas Fee
Pont de Gueuroz, 1904 Vernayaz
Pont du Glarier, 3969 Lourtier
Teufelsbrücke, 3953 Leuk
Vernerbrücke, 3969 Varen
1
1
1
1
14
1
1
2
ZG
Lorzentobelbrücken
41
ZH
Duttweilerbrücke Zürich
Eglisauer Eisenbahnbrücke
Kantonale Hochleistungsstrasse Glattfelden K12, über Glatt
1
1
1
Total
475
Anhang Nr. 3
111
Anhang Nr. 3
Richtlinien für die Medienberichterstattung zum Thema Suizid
Es ist heute erwiesen, dass manche Formen der Berichterstattung über Suizide in den Medien
weitere Suizide als so genannte Imitationshandlungen hervorrufen können.
Die Aufmerksamkeit auf den Bericht und damit die Gefahr von Suizidhandlungen wird
erhöht, wenn
- in einem reisserischen Aushang auf den Bericht hingewiesen wird
- der Bericht auf der Titelseite erscheint, besonders auf der oberen Hälfte
- der Ausdruck „Selbstmord“ oder „Suizid“ in der Artikel-Überschrift verwendet wird
- eine Fotografie der betreffenden Person gezeigt wird
- implizit die Haltung des Suizidanten als bewundernswert, heroisch oder mit Billigung
dargestellt wird („In dieser Situation war eigentlich nur klar, dass…“).
Der Effekt wird umso grösser sein, je mehr
- spezielle Details (z.B.: Örtlichkeiten) und der gesamte Ablauf der Suizidmethode dargestellt werden
- der Suizid als „unverständlich“ dargestellt wird („wo er doch alles hatte, was das Leben
bieten kann“)
- romantisierende Motive verwendet werden („ewig vereint sein“)
- Simplifizierungen vorkommen („Selbstmord wegen schlechter Noten in der Schule“)
Der Imitations-Effekt wird geringer sein, wenn
- deutlich Alternativen aufgezeigt werden (wo hätte der Betroffene Hilfe finden können?)
- auch solche Berichte folgen, in denen Bewältigungsmöglichkeiten aufgezeigt werden
- Informationen über Hilfsmöglichkeiten und Arbeitsweise von Hilfsstellen gebracht werden
- Hintergrundinformationen über die Suizidgefährdung und das weitere Vorgehen gegeben
werden
- über mögliche Warnsignale informiert wird
Kontaktadresse
Ipsilon, Initiative zur Prävention von Suizid in der Schweiz.
Elfenstrasse 18, 3000 Bern 16, 031 359 11 81, / [email protected], www.ipsilon.ch
112
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Anhang Nr. 4
Anhang Nr. 4
Beispiele für ungünstige Medienberichterstattung
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