FINISHER Magazin - Ausgabe 1-2015

RAD
DES MONATS
LUFTSTROM
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AIRSTREEEM SUPER TT PROJECT
Finisher 49
RAD DES MONATS
AIRSTREEEM SUPER TT PROJECT
„KLEINE RADMARKE GANZ GROSS“
Der Triathlet ist dafür bekannt, einiges an Geld in seine wohlausgesuchte Ausrüstung zu
stecken. Das Ersparte wird meist in einen relativ hohen Carbon-Anteil investiert, der sich
bei der längsten der drei Disziplinen positiv auf die jeweilige Performance auswirken
und das Sub-X Wirklichkeit werden lassen soll.
Eine mögliche Variante, die neuen Radbestzeiten auf Mittel- und Langdistanz in Stein zu
meißeln, bietet ein österreichischer Radhersteller aus Anthering.
Text: Max Hofstätter
Airstreeem – mit drei e – ist seit
einigen Jahren aus der heimischen
Triathlonszene nicht mehr wegzudenken, und somit ist es auch höchste Zeit
geworden, dass wir uns den „Einserhobel“ von Stefan Probst mal genauer
ansehen.
Die Salzburger haben sich mit dem
Super TT kein geringeres Ziel gesetzt,
als das beste Triathlon- und Zeitfahrrad am Markt zu entwickeln. Dabei
sollen die Schwachpunkte vieler
Triathlonräder, die komplizierte Montage und Wartung durch integrierte
Bremsen beispielsweise, der Vergangenheit angehören. Außerdem setzt
man auf optimale Systemintegration
und umgeht jene Problematik, dass
Rahmen- und Laufradsystem hinsichtlich Aerodynamik und Fahrverhalten
nicht aufeinander abgestimmt sind, da
Airstreeem vom Vorbau über den Rahmen bis hin zu den Laufrädern nur
hauseigene, aufeinander abgestimmte
Bauteile verwendet. Der integrierte
Vorbau wird wie ein handelsüblicher
Straßenradvorbau montiert, erspart
viel Montagezeit und ist somit auch
für jeden „Antischrauber“ einfach zu
montieren. Das heißt gleichzeitig,
dass auch Lenker anderer Hersteller
montiert werden können, wenn man
hier besondere Vorlieben hegt.
Alle Räder werden im AirstreeemHeadquarter in Anthering im Baukastensystem zusammengestellt und
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über den Fachhandel ausgeliefert. Der
Kunde hat somit die freie Auswahl
von Kurbellänge, Ausstattungsvarianten, Vorbaulänge, Übersetzung des
Zahnkranzes sowie Lenkeroptionen.
Zusätzlich dazu bietet der ehemalige
Zeitfahrstaatsmeister und Physiotherapeut Rupert Probst – welcher auch
maßgeblich an der Entwicklung des
Super TT beteiligt war – den Kunden
eine Sitzpositionsanalyse an, womit
die individuellen Anpassungen an
jedes Rad direkt in Anthering vorgenommen werden können.
Ausstattung.
Beim Super TT stehen drei verschiedene integrierte Vorbauten zur
Verfügung. Man darf also zwischen
den Positionen „Race“, „Medium“
und „Comfort“ wählen. Bei unserem
Testrad war die Variante Race verbaut, und man kann sagen, dass die
Position zwar sehr sportlich ist, aber
während unseres ersten dreistündigen
Testrides keine weiteren Probleme
bereitet hat. Die Schaltgruppe aus
dem Hause Shimano mit der bekannten Abkürzung Di2, bei der die Gänge
mittels eines Motors gewechselt
werden, ist ja bereits Usus in dieser
Preisklasse. Den Kontakt zur Straße
bekamen wir durch 22er Conti-Sprinter, welche auf 85 Millimeter hohe
Carbon-Felgen aufgeklebt waren,
welche wiederum mit Straight-pulleingespeichten Sapim CX-Ray und
einer hauseigenen „Double bearing
extra stiff“-Nabentechnologie die
Laufräder bildeten. Der Hersteller
versicherte uns, dass die Laufräder bei
drei von fünf Yawwinkeln (Anströmwinkeln) und einer Testgeschwindigkeit von 45 km/h schneller als die
schnellsten Benchmark-Laufräder
seien. Das Gewicht der Garnitur ist
mit 1595 Gramm ebenfalls konkurrenzfähig. Lenker und Vorbaueinheit
kommen wie bereits erwähnt aus dem
Hause Airstreeem und erscheinen
uns passend und ausreichend steif,
um auch ein wenig daran zu ziehen,
wenn man mal die Wattdimensionen
weit über der FTP-Grenze erreichen
will. Außerdem sind mit den mitgelieferten Spacern am Lenker und den
Extensions ausreichend Einstellmöglichkeiten geboten, um die individuell
passende Pose zu finden.
Fahreindrücke.
Das Super TT wurde von uns auf
einem Grazer Zeitfahrklassiker –
„dem Tor zum Norden“ – bewegt.
Wenige Höhenmeter, lange Geraden
und kaum Autoverkehr kennzeichnen diese Strecke. Hin und wieder
kann es vorkommen, dass einem die
Grazer-Skirollerbande begegnet, aber
ansonsten ist es ein bekanntes Zeitfahreldorado, welches von unzähligen
Triathleten genutzt wird.
Kurz nach den ersten Pedaltritten ist
klar, dieses Bike wurde für genau so
eine Strecke gebaut. Man wird bei
DIE NEUE WAFFE IM HAUSE AIRSTREEEM IM KAMPF GEGEN SICH UND DIE UHR,
EIN ZEITFAHRRAD GANZ NACH DEM GESCHMACK EINES TRIATHLETEN
einer Alpenüberquerung kaum durch
die engen Serpentinen kommen, mit
dem riesigen Wendekreis des Rades
ist aber der Geradeauslauf, wie es sich
für ein echtes Zeitfahrgeschoß gehört,
beeindruckend. Ist erst einmal die
40-km/h-Schallmauer erreicht, ertönt
der ohrenbetäubende Lärm der 85erGarnitur, und jegliche Unterhaltung
– sollte irgendjemand bei dem Speed
noch Luft dafür haben – ist relativ
schnell beendet. Die Schaltgruppe ist
ohnehin über jeden Zweifel erhaben
und Gleiches gilt für das Gesamtpaket. Draufsetzen – und nach wenigen
Handgriffen mit dem Multitool hat
man das passende Setup. Wie oft erlebt man es, dass man nach der ersten
längeren Ausfahrt am Zeitfahrhobel
ohne Schmerzen die Stiege raufkommt? – Ich selten. Sogar der Sitzwinkel lässt sich über die Sattelstütze
zwischen 73 und 78 Grad einstellen.
Es ist natürlich nicht von der Hand
zu weisen, dass der Wind – sollte er
mal böig von der Seite kommen – eine
Korrektur am Lenker unumgänglich
macht; einen erfahrenen Auflegerfahrer sollte dies allerdings nicht
weiter beunruhigen. Die Bremszangen greifen super in die Flanke und
lassen sich erstaunlich gut dosieren.
Die Bremsbeläge sollte man jedoch
ein wenig „einbremsen“, danach ist
deren Verhalten deutlich einfacher zu
handeln.
Fazit.
Beim Design von Airstreeem scheiden
sich bekanntlich die Geister, aber die
Funktionalität für den Einsatzzweck,
für den das Super TT gebaut wurde,
erreicht es mit Bravour. Ein Zeitfahrrad, wie es im Buche steht, seitensteif,
aerodynamisch und obendrein „easy
to use“. Außerdem bringt es sogar einen untrainierten Hobbysportler wie
mich bereits bei der ersten Ausfahrt
in neue Geschwindigkeitssphären –
wenn das keine Kaufempfehlung ist ...
AISTREEEM Super TT Project
Gewicht: 8,28 kg ohne Pedale in Rahmengröße M laut
unserer Parktool-Hängewaage
Antrieb: Shimano Ultegra Di2
Besonderheiten: „easy to use“ – einfach justierbare
integrierte Bremsen, drei verschiedene Vorbauoptionen
FACTBOX
Tuningpotenzial: kaum vorhanden, eventuell Scheibenrad
hinten, DuraAce Di2 für Gewichtsfetischisten
Preis der Testversion: € 7099,Website des Herstellers: www.airstreeem.com
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