Anwohner finden Magnet abstoßend

LANGEN/EGELSBACH
Donnerstag, 24. September 2015
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Anwohner finden Magnet abstoßend
Bei Bürgerinformationsveranstaltung zum Supermarkt in der Bahnstraße müssen Planer viel Kritik einstecken
am Dienstagabend im Rathaus deutlich, liegen mehr
LANGEN � Unmut und Unverals meilenweit auseinander.
ständnis, aber kaum Zuspruch:
„Jede Veränderung ist erst
Planer und Gutachter mussten
einmal unbequem“, sagt Bürsich einiges anhören bei der Bür- germeister Frieder Gebhardt
gerinformationsveranstaltung
schon in seiner Begrüßung.
zum „Quartierszentrum Obere
Verwaltung und Politik (die
Bahnstraße“ (dem sogenannten den Bebauungsplan in AufKunden-Magnet). Im Saal saßen trag gegeben hat) sehen in
allerdings auch überwiegend
dieser Veränderung aber eine
unmittelbare Anwohner – und
große Chance: „Wir wollen
die wollen nicht auf einen Sudie Bahnstraße weiterentwipermarkt, sondern wenn mögckeln“, betont Simon Valerilich weiterhin auf Bäume und
us, Leiter der StadtplanungsSträucher schauen.
abteilung. Wobei das Projekt
in den ersten Planungen
Die eine Frage, die den noch größer angedacht war –
Wunsch der Anwohner auf allerdings seien dazu benötigden Punkt bringt, kommt te weitere Grundstücke nicht
erst nach gut zwei Stunden: zu bekommen. Und auch das,
„Gibt es auch den Weg zu- was jetzt vorgesehen ist, wurrück auf null?“ Sprich: alles de gegenüber den im Frühso lassen, wie es ist – oder jahr vorgestellten Plänen reaber Schaffung einer Grünflä- duziert, präsentierte Archiche statt Verkauf an einen In- tektin Stephanie Wellnitz
vestor. Denn Letzteres ist be- (Offenbach) den aktuellen
kanntlich Absicht der Stadt: Stand der Überlegungen.
Sie
möchte
Weiterhin
das
Areal
zieht sich der
Bahnstraße
Auch überarbeitetes Supermarkt
39-43 samt daeingeschossig
Konzept stößt nicht
hinterliegenvon der Bahnder GrundstüRichtung Garauf Gegenliebe
cke an den
tenstraße. Auf
Projektentihm
sollen
wickler Open Mainded aus aber nicht mehr drei, sonFrankfurt veräußern. Dieser dern nur noch zwei Wohngesoll dort einen Supermarkt bäude entstehen: eines zur
bauen, der zusätzliche Kun- Bahnstraße hin, ein zweites
den in die Innenstadt zieht. (bestehend aus zwei zueinanZudem sind Wohngebäude der versetzen Teilen) mit
geplant.
deutlich mehr Abstand zu
Um dies zu ermöglichen, den Häusern an der Gartenmuss der bestehende, längst straße. Auch das Einzelnicht mehr zeitgemäße Be- Wohnhaus, das zur Taunusbauungsplan geändert wer- straße hin vorgesehen ist, solden. Genau in diesem Verfah- le nach Süden (und damit
ren befindet sich die Verwal- ebenfalls von der Gartenstratung derzeit. Wohl wissend, ße weg) wandern. Ein begründass den Nachbarn eine Be- tes Dach auf dem Supermarkt
bauung der bisherigen Frei- soll Ersatzfläche für wegfalfläche mitten in der Innen- lende Pflanzen sein.
stadt nicht gefällt, sind diese
Doch auch diese Umplaschon früh ins Verfahren ein- nungen ändern an der Ablehgebunden worden. Erklärtes nung der Anwohner im KarZiel: ein Kompromiss. Doch ree Bahn-, Garten-, Taunusdie Vorstellungen, das wird und Heinrichstraße nichts.
Von Markus Schaible
�
Sie äußern generelle Zweifel
an der Notwendigkeit des Supermarktes, bemängeln die
Architektur und kritisieren,
dass durch das Vorhaben
massenhaft zusätzliche Autos
auf die Bahnstraße gezogen
werden. Stadtplaner Valerius
hat dagegen die Hoffnung
(„und wir sind gespannt, ob
der Verkehrsgutachter diese
teilt ...“), dass die Tiefgarage
eher Verkehr aus der Bahnstraße abzieht, denn jetzt
sind viele Autofahrer dort
Parkplatz suchend unterwegs. Diese Tiefgarage wird
nun nicht mehr zwei-, son-
straße
Garten
Bahnstraße
dern nur noch eingeschossig
geplant, berichtet Architektin Wellnitz – allerdings auf
größerer Grundfläche mit
gleicher Stellplatzzahl, wie
sie auf Nachfrage gegenüber
unserer Redaktion erklärt.
Dass die Zufahrt von der
Bahnstraße zu den Parkgelegenheiten noch intensiver
Betrachtung bedarf, gibt
auch Valerius zu. Er sei aber
optimistisch, dass eine Ampelregelung an der Kreuzung
Bahn-/Zimmerstraße („auf die
läuft es wohl hinaus“) den
Verkehr dort besser regelt als
jetzt, wovon dann auch die
Blick von der Taunusstraße her: vorne das alleinstehende Wohngebäude, dahinter der Supermarkt mit aufgesetzten Wohnhäusern. Aktuell geht es nur um die Lage der Baukörper, noch lange nicht um die Architektur. � Foto: Wellnitz Architekten
Bebauungsplan fürs ganze Gebiet
Ideen der Vergangenheit wie Verlängerung der Zimmerstraße will heute keiner mehr umsetzen
LANGEN � Der Bebauungsplan, den die Stadt jetzt erarbeitet, umfasst nicht nur den
Bereich des „Quartierszentrums Obere Bahnstraße“,
sondern das komplette Karree Bahn-, Garten-, Taunusund Heinrichstraße. Denn
der aktuell gültige beinhaltet
Möglichkeiten, die heute keiner mehr will. So ist vorgesehen, die Zimmerstraße bis
zur Gartenstraße zu verlängern. Im Inneren der Bebauung ist ein großer Parkplatz
projektiert. Und an der Gartenstraße könnte bis zu viergeschossig gebaut werden,
und zwar mit Gebäuden, die
auf beiden Seiten an die
Grundstücksgrenzen
reichen, was einen massiven Gebäuderiegel
ermöglichen
würde. Auch könnten dort
Gewerbeimmobilien geschaffen werden.
Dies alles, betont Sylvia Michalski vom städtischen
Fachdienst Bauwesen, Stadt-
und Umweltplanung, werde
der neue Plan nicht mehr enthalten. Zur Gartenstraße hin
werde Wohnen im derzeit
vorhandenen Umfang festgeschrieben. An der Bahnstraße
bleiben die Vorgaben wie gehabt. Und natürlich wird der
Supermarkt eingearbeitet.
Wenn es dann tatsächlich
einmal an den Verkauf des
Grundstücks an den Investor
geht, werde ein städtebaulicher Vertrag sicherstellen,
dass auch genau das gebaut
werde, was vereinbart ist,
machte
Stadtplanungschef
Simon Valerius deutlich. � ble
Schüler der benachbarten
Schulen profitieren würden.
Klar sei: „Der Verkehr muss
verträglich abgewickelt werden, sonst ist der Bebauungsplan nicht zur Rechtskraft zu
bringen.“
Für die Verantwortlichen
bei der Stadt jedenfalls ist –
um zur anfangs erwähnten
Frage zurückzukommen –
klar: Es wird dort einen Supermarkt mit Wohnbebauung geben. „Es gibt einen eindeutigen Stadtverordnetenbeschluss und wir haben den
Auftrag, dort funktionierenden Einzelhandel zu entwi-
Karikatur: Buxbaum
ckeln“, sagt Simon Valerius.
Es werde versucht, Wünsche
in die Pläne einzuarbeiten, so
weit dies gehe. Konstruktive
Vorschläge habe es an diesem
Abend aber nicht gegeben,
bedauert Bürgermeister Gebhardt in seinem Schlusswort.
Das mögen die Anwohner anders sehen: Sie plädieren für
die Schaffung einer Grünanlage, vielleicht mit ein paar
kleinen Läden. „Eine Lösung
muss wirtschaftlich tragbar
sein“, entgegnet Valerius:
„Ich weiß nicht, wer von ihnen schon mal in eine Grünanlage investiert hat ...“
Besteht Bedarf
für Supermarkt?
Gutachter sagt ja, Anwohner sagen nein
LANGEN � Die Anwohner
zweifeln den Bedarf eines
großen Supermarktes (1300
bis 1400 Quadratmeter Verkaufsfläche) in der Bahnstraße massiv an, malen gar eine
Bauruine an die Wand, wenn
der Investor das Projekt
„nach drei Jahren abgeschrieben“ habe. Dr. Claus Hoffmann-Güth (Imtargis Retail
Assets GmbH Köln), der eine
umfassende gutachterliche
Stellungnahme zu diesem
Standort erarbeitet hat, sieht
dies komplett anders.
Mehrere tausend Einwohner in Fünf-Minuten-Laufentfernung, 25 000 potenzielle
Kundern in einem Fünf-Minuten-Pkw-Radius seien beste Voraussetzungen, sagt er.
Das Projekt sei eine „nachhaltige Sicherung des Nahversorgungsstandortes Bahnstraße“ und bringe durch einen „Welleneffekt“ eine Attraktivitätssteigerung für die
benachbarten Ladenlokale
mit sich. Hoffmann-Güth
spricht dabei von einer „Befruchtung und Attraktivitätssteigerung der gesamten
Stadtmitte durch steigende
Kundenfrequenz“.
Auch der Wohnstandort
werde aufgewertet. „Es gibt
eine positive Wertentwicklung für umliegende Grundstücke und Gebäude“, so der
Gutachter. Denn Wohnimmobilien mit guter Nahversorgungssituation seien in
der Regel besser vermittelbar
und preislich stabiler.
Die Betreiber von Supermärkten und Discountern
seien von dem Standort absolut überzeugt, berichtet Bernhard Kaiser, Vorstandsvorsitzender der Open Mainded AG
von etlichen Interessenten.
Anders sehe es beispielsweise
bei Modeketten aus, für die
die Lage offenbar nicht attraktiv sei. � ble
ANGEMERKT
Alle Bürger im
Blick haben
J
a, ich habe vollstes Verständnis für die Anwohner, die jahre-, manche
gar jahrzehntelang auf grüne
Bäume und Sträucher geschaut haben – wobei mir der
Begriff Oase an dieser Stelle
trotzdem nicht in den Sinn
kommen würde. Aber klar:
Sie sehen die Planung als negative Veränderung an – und
kämpfen dagegen an. Indes:
Aufhalten werden sie die Entwicklung nicht. Politik und
Verwaltung haben einen klaren Auftrag: Sie müssen die
Belange einer ganzen Stadt
mit bald 40 000 Einwohnern
im Blick haben und können
diese nicht für das Wohl einiger Dutzend hintenanstellen.
Einiger Dutzend wohlgemerkt, die nicht im grünen
Naturidyll leben, sondern
mitten in der Innenstadt, und
die nur das bekommen sollen, was alle anderen drum
herum schon lange haben:
dichtere Bebauung.
Im Gegensatz zu diesen anderen können sie sogar Einfluss nehmen auf die Pläne,
die schon deutlich moderater
ausfallen als im Ursprungszustand. Doch dazu müsste
Kompromissbereitschaft da
sein. Davon jedoch war in der
Bürgerinfoveranstaltung
nichts zu merken. Schaffung
einer Grünanlage mit ein
paar kleinen Läden („Die
brauchen wir!“) – das ist kein
Kompromissvorschlag. Kleine Läden hat Langen im Überfluss – nur leider stehen viele
davon leer oder beherbergen
so hochwertige Nutzungen
wie Wettbüros, Billigfrisöre
oder Tattoostudios.
Nein, die Innenstadt
braucht einen Frequenzbringer. Bekleidungsketten haben an diesem Standort offenbar kein Interesse, aber
ein Supermarkt bringt nach
Ansicht von Fachleuten genau das, was gewünscht ist.
Wer, wenn nicht sie, soll so
etwas abschätzen können?
Dumm nur, wenn man Planern und Gutachtern von
vornherein unterstellt, sowieso keine Ahnung zu haben. Das allerdings bringt die
Diskussion kein bisschen
weiter. Ebenso wenig übrigens wie Polemik und der
ständige Verweis darauf, dass
hier ja nur ein Investor Gewinn machen wolle. So, als
sei Geldverdienen etwas Obszönes, Anrüchiges. Einen Investor, der nur Geld ausgibt,
aber keines verdienen will,
den gibt es nicht. Wer das Risiko trägt, will auch etwas
verdienen. Aber es ist ja nicht
so, dass bei einem Projekt
dieser Größenordnung jemand die Millionen scheffelt.
Langens Bürger können
vielmehr froh sein, dass sich
jemand findet, der bereit ist,
hier zu investieren, um die
Bahnstraße zu attraktivieren.
Denn sonst geht sie völlig den
Bach hinunter. Und den Anwohnern sei geraten, mehr
Sachlichkeit an den Tag zu legen. An vielen anderen Stellen wird den Leuten einfach
etwas vor die Nase gesetzt,
ohne dass sie den geringsten
Einfluss haben. Und so, wie
die Pläne jetzt aussehen, wird
es später in der Realität unter
Garantie bei Weitem gefälliger, als manch einer nun befürchtet. MARKUS SCHAIBLE
IHR DRAHT ZU UNS
Redaktion Langen � 06103 31085Frank Mahn, Ltg. (fm)
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Markus Schaible (ble)
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Holger Borchard (hob)
-23
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www.facebook.com/langener.zeitung
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Auch wenn die Vertreter von Verwaltung und Politik die ersten Reihen besetzten: Etliche Anwohner waren zur Informationsveranstaltung ins Rathaus gekommen, um ihren
Unmut über die Pläne der Stadt für die Innenstadt los zu werden. � Foto: Strohfeldt
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