LANGEN/EGELSBACH Donnerstag, 24. September 2015 SEITE 25 Anwohner finden Magnet abstoßend Bei Bürgerinformationsveranstaltung zum Supermarkt in der Bahnstraße müssen Planer viel Kritik einstecken am Dienstagabend im Rathaus deutlich, liegen mehr LANGEN � Unmut und Unverals meilenweit auseinander. ständnis, aber kaum Zuspruch: „Jede Veränderung ist erst Planer und Gutachter mussten einmal unbequem“, sagt Bürsich einiges anhören bei der Bür- germeister Frieder Gebhardt gerinformationsveranstaltung schon in seiner Begrüßung. zum „Quartierszentrum Obere Verwaltung und Politik (die Bahnstraße“ (dem sogenannten den Bebauungsplan in AufKunden-Magnet). Im Saal saßen trag gegeben hat) sehen in allerdings auch überwiegend dieser Veränderung aber eine unmittelbare Anwohner – und große Chance: „Wir wollen die wollen nicht auf einen Sudie Bahnstraße weiterentwipermarkt, sondern wenn mögckeln“, betont Simon Valerilich weiterhin auf Bäume und us, Leiter der StadtplanungsSträucher schauen. abteilung. Wobei das Projekt in den ersten Planungen Die eine Frage, die den noch größer angedacht war – Wunsch der Anwohner auf allerdings seien dazu benötigden Punkt bringt, kommt te weitere Grundstücke nicht erst nach gut zwei Stunden: zu bekommen. Und auch das, „Gibt es auch den Weg zu- was jetzt vorgesehen ist, wurrück auf null?“ Sprich: alles de gegenüber den im Frühso lassen, wie es ist – oder jahr vorgestellten Plänen reaber Schaffung einer Grünflä- duziert, präsentierte Archiche statt Verkauf an einen In- tektin Stephanie Wellnitz vestor. Denn Letzteres ist be- (Offenbach) den aktuellen kanntlich Absicht der Stadt: Stand der Überlegungen. Sie möchte Weiterhin das Areal zieht sich der Bahnstraße Auch überarbeitetes Supermarkt 39-43 samt daeingeschossig Konzept stößt nicht hinterliegenvon der Bahnder GrundstüRichtung Garauf Gegenliebe cke an den tenstraße. Auf Projektentihm sollen wickler Open Mainded aus aber nicht mehr drei, sonFrankfurt veräußern. Dieser dern nur noch zwei Wohngesoll dort einen Supermarkt bäude entstehen: eines zur bauen, der zusätzliche Kun- Bahnstraße hin, ein zweites den in die Innenstadt zieht. (bestehend aus zwei zueinanZudem sind Wohngebäude der versetzen Teilen) mit geplant. deutlich mehr Abstand zu Um dies zu ermöglichen, den Häusern an der Gartenmuss der bestehende, längst straße. Auch das Einzelnicht mehr zeitgemäße Be- Wohnhaus, das zur Taunusbauungsplan geändert wer- straße hin vorgesehen ist, solden. Genau in diesem Verfah- le nach Süden (und damit ren befindet sich die Verwal- ebenfalls von der Gartenstratung derzeit. Wohl wissend, ße weg) wandern. Ein begründass den Nachbarn eine Be- tes Dach auf dem Supermarkt bauung der bisherigen Frei- soll Ersatzfläche für wegfalfläche mitten in der Innen- lende Pflanzen sein. stadt nicht gefällt, sind diese Doch auch diese Umplaschon früh ins Verfahren ein- nungen ändern an der Ablehgebunden worden. Erklärtes nung der Anwohner im KarZiel: ein Kompromiss. Doch ree Bahn-, Garten-, Taunusdie Vorstellungen, das wird und Heinrichstraße nichts. Von Markus Schaible � Sie äußern generelle Zweifel an der Notwendigkeit des Supermarktes, bemängeln die Architektur und kritisieren, dass durch das Vorhaben massenhaft zusätzliche Autos auf die Bahnstraße gezogen werden. Stadtplaner Valerius hat dagegen die Hoffnung („und wir sind gespannt, ob der Verkehrsgutachter diese teilt ...“), dass die Tiefgarage eher Verkehr aus der Bahnstraße abzieht, denn jetzt sind viele Autofahrer dort Parkplatz suchend unterwegs. Diese Tiefgarage wird nun nicht mehr zwei-, son- straße Garten Bahnstraße dern nur noch eingeschossig geplant, berichtet Architektin Wellnitz – allerdings auf größerer Grundfläche mit gleicher Stellplatzzahl, wie sie auf Nachfrage gegenüber unserer Redaktion erklärt. Dass die Zufahrt von der Bahnstraße zu den Parkgelegenheiten noch intensiver Betrachtung bedarf, gibt auch Valerius zu. Er sei aber optimistisch, dass eine Ampelregelung an der Kreuzung Bahn-/Zimmerstraße („auf die läuft es wohl hinaus“) den Verkehr dort besser regelt als jetzt, wovon dann auch die Blick von der Taunusstraße her: vorne das alleinstehende Wohngebäude, dahinter der Supermarkt mit aufgesetzten Wohnhäusern. Aktuell geht es nur um die Lage der Baukörper, noch lange nicht um die Architektur. � Foto: Wellnitz Architekten Bebauungsplan fürs ganze Gebiet Ideen der Vergangenheit wie Verlängerung der Zimmerstraße will heute keiner mehr umsetzen LANGEN � Der Bebauungsplan, den die Stadt jetzt erarbeitet, umfasst nicht nur den Bereich des „Quartierszentrums Obere Bahnstraße“, sondern das komplette Karree Bahn-, Garten-, Taunusund Heinrichstraße. Denn der aktuell gültige beinhaltet Möglichkeiten, die heute keiner mehr will. So ist vorgesehen, die Zimmerstraße bis zur Gartenstraße zu verlängern. Im Inneren der Bebauung ist ein großer Parkplatz projektiert. Und an der Gartenstraße könnte bis zu viergeschossig gebaut werden, und zwar mit Gebäuden, die auf beiden Seiten an die Grundstücksgrenzen reichen, was einen massiven Gebäuderiegel ermöglichen würde. Auch könnten dort Gewerbeimmobilien geschaffen werden. Dies alles, betont Sylvia Michalski vom städtischen Fachdienst Bauwesen, Stadt- und Umweltplanung, werde der neue Plan nicht mehr enthalten. Zur Gartenstraße hin werde Wohnen im derzeit vorhandenen Umfang festgeschrieben. An der Bahnstraße bleiben die Vorgaben wie gehabt. Und natürlich wird der Supermarkt eingearbeitet. Wenn es dann tatsächlich einmal an den Verkauf des Grundstücks an den Investor geht, werde ein städtebaulicher Vertrag sicherstellen, dass auch genau das gebaut werde, was vereinbart ist, machte Stadtplanungschef Simon Valerius deutlich. � ble Schüler der benachbarten Schulen profitieren würden. Klar sei: „Der Verkehr muss verträglich abgewickelt werden, sonst ist der Bebauungsplan nicht zur Rechtskraft zu bringen.“ Für die Verantwortlichen bei der Stadt jedenfalls ist – um zur anfangs erwähnten Frage zurückzukommen – klar: Es wird dort einen Supermarkt mit Wohnbebauung geben. „Es gibt einen eindeutigen Stadtverordnetenbeschluss und wir haben den Auftrag, dort funktionierenden Einzelhandel zu entwi- Karikatur: Buxbaum ckeln“, sagt Simon Valerius. Es werde versucht, Wünsche in die Pläne einzuarbeiten, so weit dies gehe. Konstruktive Vorschläge habe es an diesem Abend aber nicht gegeben, bedauert Bürgermeister Gebhardt in seinem Schlusswort. Das mögen die Anwohner anders sehen: Sie plädieren für die Schaffung einer Grünanlage, vielleicht mit ein paar kleinen Läden. „Eine Lösung muss wirtschaftlich tragbar sein“, entgegnet Valerius: „Ich weiß nicht, wer von ihnen schon mal in eine Grünanlage investiert hat ...“ Besteht Bedarf für Supermarkt? Gutachter sagt ja, Anwohner sagen nein LANGEN � Die Anwohner zweifeln den Bedarf eines großen Supermarktes (1300 bis 1400 Quadratmeter Verkaufsfläche) in der Bahnstraße massiv an, malen gar eine Bauruine an die Wand, wenn der Investor das Projekt „nach drei Jahren abgeschrieben“ habe. Dr. Claus Hoffmann-Güth (Imtargis Retail Assets GmbH Köln), der eine umfassende gutachterliche Stellungnahme zu diesem Standort erarbeitet hat, sieht dies komplett anders. Mehrere tausend Einwohner in Fünf-Minuten-Laufentfernung, 25 000 potenzielle Kundern in einem Fünf-Minuten-Pkw-Radius seien beste Voraussetzungen, sagt er. Das Projekt sei eine „nachhaltige Sicherung des Nahversorgungsstandortes Bahnstraße“ und bringe durch einen „Welleneffekt“ eine Attraktivitätssteigerung für die benachbarten Ladenlokale mit sich. Hoffmann-Güth spricht dabei von einer „Befruchtung und Attraktivitätssteigerung der gesamten Stadtmitte durch steigende Kundenfrequenz“. Auch der Wohnstandort werde aufgewertet. „Es gibt eine positive Wertentwicklung für umliegende Grundstücke und Gebäude“, so der Gutachter. Denn Wohnimmobilien mit guter Nahversorgungssituation seien in der Regel besser vermittelbar und preislich stabiler. Die Betreiber von Supermärkten und Discountern seien von dem Standort absolut überzeugt, berichtet Bernhard Kaiser, Vorstandsvorsitzender der Open Mainded AG von etlichen Interessenten. Anders sehe es beispielsweise bei Modeketten aus, für die die Lage offenbar nicht attraktiv sei. � ble ANGEMERKT Alle Bürger im Blick haben J a, ich habe vollstes Verständnis für die Anwohner, die jahre-, manche gar jahrzehntelang auf grüne Bäume und Sträucher geschaut haben – wobei mir der Begriff Oase an dieser Stelle trotzdem nicht in den Sinn kommen würde. Aber klar: Sie sehen die Planung als negative Veränderung an – und kämpfen dagegen an. Indes: Aufhalten werden sie die Entwicklung nicht. Politik und Verwaltung haben einen klaren Auftrag: Sie müssen die Belange einer ganzen Stadt mit bald 40 000 Einwohnern im Blick haben und können diese nicht für das Wohl einiger Dutzend hintenanstellen. Einiger Dutzend wohlgemerkt, die nicht im grünen Naturidyll leben, sondern mitten in der Innenstadt, und die nur das bekommen sollen, was alle anderen drum herum schon lange haben: dichtere Bebauung. Im Gegensatz zu diesen anderen können sie sogar Einfluss nehmen auf die Pläne, die schon deutlich moderater ausfallen als im Ursprungszustand. Doch dazu müsste Kompromissbereitschaft da sein. Davon jedoch war in der Bürgerinfoveranstaltung nichts zu merken. Schaffung einer Grünanlage mit ein paar kleinen Läden („Die brauchen wir!“) – das ist kein Kompromissvorschlag. Kleine Läden hat Langen im Überfluss – nur leider stehen viele davon leer oder beherbergen so hochwertige Nutzungen wie Wettbüros, Billigfrisöre oder Tattoostudios. Nein, die Innenstadt braucht einen Frequenzbringer. Bekleidungsketten haben an diesem Standort offenbar kein Interesse, aber ein Supermarkt bringt nach Ansicht von Fachleuten genau das, was gewünscht ist. Wer, wenn nicht sie, soll so etwas abschätzen können? Dumm nur, wenn man Planern und Gutachtern von vornherein unterstellt, sowieso keine Ahnung zu haben. Das allerdings bringt die Diskussion kein bisschen weiter. Ebenso wenig übrigens wie Polemik und der ständige Verweis darauf, dass hier ja nur ein Investor Gewinn machen wolle. So, als sei Geldverdienen etwas Obszönes, Anrüchiges. Einen Investor, der nur Geld ausgibt, aber keines verdienen will, den gibt es nicht. Wer das Risiko trägt, will auch etwas verdienen. Aber es ist ja nicht so, dass bei einem Projekt dieser Größenordnung jemand die Millionen scheffelt. Langens Bürger können vielmehr froh sein, dass sich jemand findet, der bereit ist, hier zu investieren, um die Bahnstraße zu attraktivieren. Denn sonst geht sie völlig den Bach hinunter. Und den Anwohnern sei geraten, mehr Sachlichkeit an den Tag zu legen. An vielen anderen Stellen wird den Leuten einfach etwas vor die Nase gesetzt, ohne dass sie den geringsten Einfluss haben. Und so, wie die Pläne jetzt aussehen, wird es später in der Realität unter Garantie bei Weitem gefälliger, als manch einer nun befürchtet. MARKUS SCHAIBLE IHR DRAHT ZU UNS Redaktion Langen � 06103 31085Frank Mahn, Ltg. (fm) -21 Markus Schaible (ble) -22 Holger Borchard (hob) -23 E-Mail: [email protected] www.facebook.com/langener.zeitung Redaktionsadresse Bahnstraße 11, 63225 Langen Gewerbliche Anzeigen Bernd Koch � 06103 31085-12 E-Mail: [email protected] Tina Grätsch � 06103 31085-13 E-Mail: [email protected] Auch wenn die Vertreter von Verwaltung und Politik die ersten Reihen besetzten: Etliche Anwohner waren zur Informationsveranstaltung ins Rathaus gekommen, um ihren Unmut über die Pläne der Stadt für die Innenstadt los zu werden. � Foto: Strohfeldt Private Kleinanzeigen � 069 8500 88 Zeitungs-Zustellung � 069 8500 85
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