Konjunkturletter Februar 2016

FEBRUAR 2016
KONJUNKTURLETTER
DES NIEDERSÄCHSISCHEN INSTITUTS FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG E.V.
NIEDERSACHSENS WIRTSCHAFT 2016:
ROBUSTER AUFSCHWUNG SETZT SICH FORT
Die deutsche Wirtschaft hat im Jahr 2015 allen Widrigkeiten getrotzt und den Konjunkturaufschwung fortgesetzt.
Im Gesamtjahr legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP)
um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr zu. Hierbei profitierte
Deutschland von der Wirtschaftserholung in der Eurozone.
Die Wirtschaftsleistung wurde hier um immerhin 1,5 %
ausgeweitet. Neben einem regelrechten Boom in Spanien
ist bemerkenswert, dass auch in Frankreich und Italien ein
zarter Aufschwung Einzug gehalten hat. Der Start ins Jahr
2016 war hingegen aufgrund der Marktverwerfungen in
China holprig, was sich auch in ersten Rücksetzern bei
wichtigen Stimmungsindikatoren niedergeschlagen hat.
Trotz der deutlich erhöhten Zahl von Risikofaktoren sind
die Rahmenbedingungen mit der expansiven Geldpolitik,
dem schwachen Euro und vor allem dem niedrigen Ölpreis
insgesamt günstig. Wir gehen daher von einer Fortsetzung
der konjunkturellen Aufschwungsphase aus. Das
BIP-Wachstum der Eurozone dürfte bei 1,6 % in diesem
Jahr liegen. Für Deutschland wird ein Anstieg des realen
BIP um 1,9 % im laufenden Jahr prognostiziert. Für 2017
dürfte sich hingegen eine leicht geringere Expansionsrate
(1,7 %) ergeben. In Niedersachsen wird das Wachstum im
laufenden Jahr vor allem wegen eines etwas schwächeren
Außenhandels nur ganz leicht unter dem bundesdeutschen
Schnitt liegen (Prognose: 1,6 %).
Die globale Konjunktur hat entgegen den Erwartungen im Jahr
2015 nicht an Dynamik gewonnen. Wie schon in den beiden Vorjahren blieb das reale Weltwirtschaftswachstum recht schwach
und dürfte nur leicht oberhalb von 3 % gelegen haben. In den USA
festigte sich jedoch der konjunkturelle Aufschwung, so dass sich
trotz eines schwächeren vierten Quartals für das Gesamtjahr ein
Wachstum von rund 2,5 % ergibt. Schwierig bleibt weiterhin die
Entwicklung in Japan, wo das BIP 2015 im Vergleich zum Vorjahr
um weniger als 1 % expandiert haben dürfte. Der Konjunkturaufschwung in der Eurozone festigte sich hingegen (BIP: +1,5 %). Wie
schon im Jahr 2014 konnte somit der Output in den entwickelten
Volkswirtschaften so stark gesteigert werden, dass der Rückgang
der Dynamik in einigen wichtigen Schwellenländern weitgehend
kompensiert werden konnte. Vor dem Hintergrund des Umbaus
des Wachstumsmodells ist Chinas BIP-Wachstum in Höhe von
6,9 % zu sehen. Von der früheren Dynamik sind die BRIC-Staaten
jedoch weit entfernt, auch weil Russlands Wirtschaftsleistung erneut zum Vorjahr geschrumpft ist und Brasilien ebenfalls in die
Rezession abgerutscht ist. Das reale Welthandelsvolumen entwickelte sich entsprechend schwach und dürfte um weniger als
3 % gewachsen sein.
 DR. EBERHARD BREZSKI, CHRISTIAN LIPS
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1|2016
EUROZONE SETZT KONJUNKTURELLE
ERHOLUNG 2015 FORT – BIP WÄCHST
UM 1,5 PROZENT
Die Konjunkturerholung in der Eurozone hat im Jahr 2015
wie erwartet an Dynamik gewonnen. In den ersten drei
Quartalen wurden Wachstumsraten von durchschnittlich
0,4 % im Vergleich zum Vorquartal erzielt. Diese – vor dem
Hintergrund einer nur mäßigen globalen Expansion – bemerkenswert solide Entwicklung ist nicht mehr nur vor allem auf Deutschland zurückzuführen. Spaniens Wirtschaft
wächst seit einiger Zeit sehr dynamisch und hat im Gesamtjahr ein reales Wirtschaftswachstum von mehr als 3 % Y/Y
erreicht. Zudem besserte sich die Lage auch in Frankreich
und Italien sukzessive, auch wenn hier die wirtschaftliche
Gesundung weiter von strukturellen Problemen behindert
wird. Für die letzten drei Monate des laufenden Jahres
zeichnet sich für die Eurozone eine erneute moderate Expansion der Wirtschaftsleistung ab. Im Gesamtjahr 2015 ist
das reale BIP damit voraussichtlich um 1,5 % gegenüber
dem Vorjahr gestiegen. Dies entspricht ziemlich exakt unserer Prognose aus dem vorangegangenen Konjunkturletter im Juni. Während die außenwirtschaftlichen Impulse
schwach blieben, stützte die Binnennachfrage das Wachstum. Sowohl der private Konsum als auch die Investitionen
wuchsen so kräftig wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr. Dies
spiegelt sich auch in einer leichten Zunahme der Kredite an
den privaten Sektor wider. Die hohe Expansionsrate des
realen privaten Konsums von rund 1,5 % Y/Y wurde zudem
durch die extrem niedrige Inflationsrate sowie eine spürbare Reduktion der Arbeitslosigkeit unterstützt. So ist die Arbeitslosenquote im November 2015 auf 10,5 % gesunken,
Ende 2014 lag sie noch bei 11,4 %. Auch der öffentliche
Konsum legte um knapp 1,5 % Y/Y zu. Nach vier Jahren
ausgeprägter Konsolidierungsanstrengungen konnte die
Defizitquote im Jahr 2015 erneut auf rund 2,0 % vom BIP
gesenkt werden. Zwar müssen einige Länder noch recht
hohe Defizite zurückführen, verglichen mit anderen Währungsräumen ist das Ausmaß der Konsolidierung seit der
Finanzkrise aber beeindruckend.
Für das Jahr 2016 sind wir recht optimistisch und erwarten
eine Fortsetzung des Aufschwungs. Wir rechnen mit einem
BIP-Wachstum von 1,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Die
wichtigste Stütze bleibt die Binnenwirtschaft und hier vor
allem der private Konsum, zudem werden sich durch den
geringen Rohölpreis, den relativ schwachen Euro und die
Fortsetzung der geldpolitischen Stimulierung durch die EZB
Impulse für das Wirtschaftswachstum ergeben. Beim Abbau
der Arbeitslosigkeit erwarten wir spürbare Verbesserungen,
während das Tempo der Konsolidierung der öffentlichen
Finanzen moderat ausfallen dürfte. Es bestehen jedoch
auch nicht unerhebliche Risiken für die Prognose: Hier sei
nur auf mögliche Folgen des globalen Terrorismus, die geopolitischen Konflikte, die jüngsten Marktverwerfungen und
Sorgen um die wirtschaftliche Verfassung Chinas sowie die
im Rahmen der Flüchtlingskrise offen zu Tage getretenen
politischen Fliehkräfte innerhalb der EU hingewiesen.
2
TAUZIEHEN MIT GRIECHENLAND
MÜNDET IN DRITTEM KREDITPAKET
Die gute konjunkturelle Entwicklung war alles andere als
selbstverständlich. So flammte die griechische Schuldenkrise im ersten Halbjahr 2015 wieder auf. Die neue Regierung von Alexis Tsipras sowie die übrigen europäischen
Regierungen hatten sich lange Zeit nicht auf eine Verlängerung und Erweiterung des zweiten Kreditpaketes verständigen können. Mit dem Ausrufen eines Referendums
über die Reformpolitik war diese Möglichkeit allein schon
aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, auch schwand
bei einigen europäischen Regierungen die Bereitschaft zu
weiteren Konzessionen. Letztlich blieben nur noch ein
völlig neues drittes Kreditpaket zu den Bedingungen der
Kreditgeber oder aber ein unkontrollierter Exit Griechenlands aus der Eurozone als Optionen übrig. Die griechische Regierung musste wegen massiver Kapitalabflüsse
Kapitalverkehrskontrollen und Bankfeiertage beschließen, auch um der EZB überhaupt eine vorübergehende
Duldung der Liquiditätsnothilfen (ELA) noch zu ermöglichen. Ohne die ELA-Notmaßnahmen wäre der Kollaps des
griechischen Finanzsystems nicht mehr zu vermeiden gewesen. Nach einem Pyrrhussieg bei dem Referendum
musste sich Tsipras teilweise noch härteren Maßnahmen
beugen, um den Weg für ein drittes Kreditpaket freizumachen. Trotz neuer Einschnitte gewann er aber die Neuwahlen und setzt seitdem ein neues hartes Reformprogramm um, das er inhaltlich eigentlich ablehnt. Positiv zu
bemerken ist, dass die Krise – auch wegen der Vermeidung der letzten Eskalationsstufe – nicht übermäßig auf
andere Staaten Südeuropas ausgestrahlt hat.
ÖLPREIS DÄMPFT INFLATION
MASSIV – EZB SETZT GELDPOLITISCHE LOCKERUNG FORT
Die Inflationsrate lag im Jahr 2015 bei durchschnittlich 0,0 %
Y/Y. Damit hat die EZB das dritte Jahr in Folge ihr Inflationsziel verfehlt. Vor allem der niedrige Ölpreis hat hierzu beigetragen, aber auch die Kernrate ex Energie lag zeitweise
deutlich unter 1 % Y/Y. Diese sehr niedrige Inflation und vor
allem ein Absinken der Inflationserwartungen hatten die
EZB Anfang 2015 dazu veranlasst, ein umfangreiches Ankaufprogramm für öffentliche und private Anleihen zu beschließen. Im Rahmen des Erweiterten Ankaufprogramms
(Expanded Asset Purchase Programme, EAPP) werden seit
März 2015 monatlich Anleihen im Wert von 60 Mrd. Euro
angekauft, wobei der Großteil auf öffentliche Anleihen entfällt (Public Sector Purchase Programme, PSPP). Das Programm wirkte sich zunächst unmittelbar auf die Anleiherenditen aus, die im April historische Tiefpunkte markierten.
Im weiteren Jahresverlauf zeigten sich jedoch auch positive
Effekte in Form eines höheren Geldmengen- und Kreditwachstums. Auch die Inflationserwartungen normalisierten sich in der Folge, kamen jedoch mit dem neuerlichen
Ölpreisverfall im Sommer erneut unter Druck. Da zudem
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1 | 2 0 16
DEUTSCHE WIRTSCHAFT 2015: SOLIDES
WIRTSCHAFTSWACHSTUM VON 1,7 % –
AUFSCHWUNG BLEIBT 2016 ROBUST
der Euro wegen der Verschiebung des Zinsschritts der Fed
auf Dezember 2015 wieder aufwertete, deutete EZB-Präsident Mario Draghi recht aggressiv eine Ausweitung der expansiven Maßnahmen an, die im Dezember vom EZB-Rat
beschlossen wurden. Zu dem Maßnahmenpaket zählen eine weitere Senkung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte
auf nun -0,30 %. Zudem wird das erweiterte Ankaufprogramm (EAPP) mindestens bis März 2017 fortgesetzt und
der Gegenwert fälliger Anleihen soll vollständig reinvestiert werden – und zwar so lange wie notwendig. Zukünftig
sollen zudem auch regionale öffentliche Anleihen angekauft werden können. An den Märkten machte sich trotz
der Maßnahmen Enttäuschung breit, da sich im Vorfeld
überschießende Erwartungen gebildet hatten. Es ist jedoch
durchaus ein positives Zeichen, dass sich der EZB-Rat nicht
von den Märkten hat treiben lassen.
Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr wie erwartet trotz der schwachen globalen Dynamik den Wachstumskurs fortgesetzt. Mit Quartalswachstumsraten von 0,3 bis
0,4 % zum Vorquartal entwickelte sich die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Quartalen solide. Die Daten fürs
vierte Quartal lagen bei Redaktionsschluss zwar noch nicht
vor. Wir rechnen aber damit, dass zum Jahresschluss eine
Wachstumsrate von 0,3 % zum Vorquartal erreicht wurde.
Wie schon im Jahr zuvor kamen auch 2015 zwischenzeitlich
Sorgen über die weitere konjunkturelle Entwicklung auf.
Während der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland
wieder etwas in den Hintergrund getreten war, mehrten
sich im Jahresverlauf die Zeichen einer konjunkturellen Abkühlung in China. Gerade für die deutsche Exportwirtschaft
wurde dies als möglicher Belastungsfaktor identifiziert. Die
Sorgen um Chinas wirtschaftliche Verfassung führten im
August auch zu einigen Turbulenzen an den Aktienmärkten.
Allerdings halten wir dies für übertrieben, immerhin ist
Chinas Wirtschaft auch 2015 um rund 7 % gewachsen. Die
Schwächesignale aus dem Reich der Mitte sehen wir eher
im Kontext des geplanten Umbaus des chinesischen Wachstumsmodells. Zudem lässt sich festhalten, dass durch die
anziehende Dynamik in den entwickelten Volkswirtschaften der Nachfragerückgang aus China mehr als kompensiert werden konnte. Aber auch die Meldungen über manipulierte Abgaswerte bei den Fahrzeugen des größten
deutschen Automobilherstellers Volkswagen nahmen Konjunkturpessimisten im Sommer zum Anlass, wahlweise einen Dämpfer für das Wirtschaftswachstum oder gar schweren Schaden für das Gütesiegel „made in Germany“ und
damit den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu
proklamieren. Die angeblichen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft halten wir jedoch für völlig übertrieben
und haben daher auch unsere Konjunkturprognose nicht
angetastet.
EZB VERFEHLT INFLATIONSZIEL 2016
ERNEUT DEUTLICH – GELDPOLITIK NOCH
LANGE ZEIT SEHR EXPANSIV
Die Inflation bleibt auch im Jahr 2016 deutlich unter dem
Zielwert. Nach dem jüngsten Ölpreisabsturz unter die Marke von 30 USD je Barrel (Sorte Brent) wird die Inflation im
ersten Quartal allenfalls marginal anziehen, bevor im Frühjahr mit einem erneuten, temporären Absinken der Inflationsrate zu rechnen ist. Erst Ende des Jahres dürfte die Marke von 1,0 % Y/Y nachhaltig überwunden werden. Wir
halten die EZB-Prognose einer jahresdurchschnittlichen
Teuerungsrate von 1,0 % für deutlich zu hoch gegriffen, was
die Notenbank bereits im März in Richtung 0,5 % korrigieren dürfte. Dies setzt die EZB erneut unter Druck. Im Dezember war eine Beschleunigung der Ankäufe nicht beschlossen worden, allerdings ist diese Option aus unserer
Sicht nicht vom Tisch. So verwies Draghi darauf, dass die
EZB bereit sei, bei Bedarf alle Instrumente einzusetzen.
Dies beinhaltet sicher auch die Möglichkeit einer weiteren
Senkung des Einlagesatzes, wovon die EZB vielleicht schon
im März Gebrauch machen könnte.
Wachstumsbeiträge und BIP-Komponenten (Deutschland)
Prognose
in %-Punkten
6
4
1,9
2,5
2
1,7
1,8
0,8
2,0
2,0
3,0
3,7
1,7
0,0
0
-2
1,2
4,1
3,3
1,6
0,4
1,1
0,7
1,9
1,7
1,7
0,3
-0,7
-1,0
-4
-6
3,7
-5,6
1992
1994
Privater Konsum
1996
1998
Vorratsveränderung
2000
2002
2004
2006
Konsumausgaben d. Staates
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen und Prognosen
2008
2010
Außenbeitrag
2012
2014
2016
Bruttoanlageinvestitionen
BIP-Wachstum
3
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1|2016
Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen und
Deutschland (inkl. Prognose 2015 und 2016)
Prognose
6
4
2
0
sen. Zwar hat sich die Unsicherheit über die globale
Wachstumsdynamik mit den Marktturbulenzen in China
wieder erhöht. Die Wachstumssäule des vergangenen
Jahres bleibt aber auch 2016 intakt: Die Vorzeichen für ein
erneut kräftiges Konsumplus sind sehr günstig. Der jüngste Ölpreisrückgang wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm, zumal das Niedrigzinsumfeld kaum Sparanreize
bietet. Wir prognostizieren für das laufende Jahr ein
nochmals leicht höheres BIP-Wachstum von 1,9 %.
-2
-4
-6
16
20
15 15
20 20
HJ
1.
14
20
13
20
12
20
11
20
10
20
09
20
08
20
07
20
06
20
05
20
04
20
Quelle: Statistisches Bundesamt
Niedersachsen
Deutschland
Insgesamt legte das reale Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2015 um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr zu. Erneut lag
das Wirtschaftswachstum damit leicht über dem Potenzialwachstum. Damit hat sich unsere Prognose von vor einem
Jahr in Höhe von gut 1,5 % wieder als recht treffsicher erwiesen, auch weil wir den etwas künstlichen Pessimismus vieler
anderer Prognostiker wegen der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns nicht geteilt haben. Vielmehr hat der gesetzliche Mindestlohn zu dem erwarteten kräftigen Anstieg
der Nominallöhne beigetragen und auf aggregierter Ebene
auch nicht zu dem befürchteten Anstieg der Arbeitslosigkeit
geführt. Im Jahr 2014 geisterten regelrechte Horrorszenarien durch die wirtschaftspolitische Debatte: Das ifo-Institut
prognostizierte damals für den Fall der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von EUR 8,50 je Stunde einen Verlust von 900.000 Stellen – umgerechnet etwa 340.000 Vollzeitäquivalenten. Hiervon ist nicht viel übrig geblieben, im
Gegenteil: Durchschnittlich waren im Jahr 2015 nochmals
rund 100.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet als im
Vorjahr, die Arbeitslosenquote sank von 6,7 % auf 6,4 %. Zudem erreichte die Zahl der Erwerbstätigen mit zuletzt 43,2
Mio. Menschen (saisonbereinigt) den höchsten Stand seit
der Wiedervereinigung. Zudem legten die Reallöhne deutlich zu, da den kräftigen Nominallohnzuwächsen praktisch
eine Stagnation der Verbraucherpreise gegenüberstand.
Insofern überrascht es nicht, dass der private Konsum die
wichtigste Stütze des Wirtschaftswachstums im Jahr 2015
war. Mit einer Expansion in Höhe von 1,9 % im Vergleich
zum Vorjahr wurde der stärkste Zuwachs seit 15 Jahren
erreicht. Damit trug allein der private Verbrauch einen
Prozentpunkt zum BIP-Wachstum bei. Vom öffentlichen
Konsum kamen ebenfalls kräftige Impulse, während die
Investitionen und der Außenbeitrag nur mäßig zum
Wachstum beitrugen. Zwar haben sich die realen Exporte
dynamischer als im Vorjahr entwickelt (+4,8 %). Dem
stand jedoch aufgrund der kräftigen Binnennachfrage ein
etwas stärkerer Importzuwachs (+5,0 %) gegenüber. Die
deutsche Wirtschaft hat sich in einem widrigen weltwirtschaftlichen Umfeld erneut als widerstandsfähig erwie-
4
Hierfür spricht eine ganze Reihe von Faktoren. So hat sich
die Stimmungslage bis zum Jahresende wieder verbessert.
In den Umfragen von sentix und des ZEW verbesserten sich
die Konjunkturerwartungen bis zum Dezember. Auch der
ifo-Geschäftsklimaindex notiert mit 108,7 Punkten auf hohem Niveau, vor allem die Einschätzungen für die nahe Zukunft waren im Dezember recht optimistisch. Zudem bieten
der niedrige Ölpreis, die Abwertung des Euro und die nochmals expansivere Geldpolitik der EZB beste Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Wachstumskurses. Die Aussichten für den privaten Konsum bleiben positiv. So wird die
Inflation wegen des sehr niedrigen Ölpreises unter 1,0 % im
Jahresmittel bleiben und damit weniger stark steigen als ursprünglich gedacht. Die Reallöhne werden mithin erneut
kräftig zulegen. Zudem wirken die Ausgaben für Flüchtlinge
wie ein kleines Konjunkturprogramm. So dürften direkte Zuwendungen fast ausnahmslos in den Konsum gehen. Alles in
allem rechnen wir mit einem Plus von mehr als 1,5 % beim
privaten Konsum, der öffentliche Konsum dürfte noch stärker expandieren. Zusätzlich ist mit einer regeren Bautätigkeit zu rechnen. Für die Ausrüstungen hat sich der Ausblick
zuletzt auch wieder etwas aufgehellt. Eine steigende Kapazitätsauslastung und wieder höhere Exporterwartungen
der Unternehmen sollten den stotternden Investitionsmotor bald zum Laufen bringen. Von den Nettoexporten erwarten wir hingegen erneut nur einen moderaten Wachstumsbeitrag, da die hohe Binnennachfrage auch eine
deutliche Steigerung der Importe nach sich ziehen wird. Die
deutsche Wirtschaft steht somit vor einem weiteren Jahr
mit soliden Wachstumszahlen. Rechnerisch steht 2016 allerdings auch ein Arbeitstag mehr zur Verfügung als im letzten
Jahr, was einem Wachstumseffekt von 0,15 Prozentpunkten
entspricht. Vor diesem Hintergrund ist in diesem Jahr trotz
deutlich höherer Ausgaben für Flüchtlinge auf gesamtwirtschaftlicher Ebene weiterhin ein positiver Finanzierungssaldo (Maastricht) zu erwarten. Die Staatsschuldenquote sollte damit erstmals seit der Finanzkrise wieder unter 70 %
vom BIP sinken. Die öffentlichen Finanzen profitieren dabei
weiter massiv von dem extrem niedrigen Zinsniveau.
// ES ÜBERRASCHT NICHT,
DASS DER PRIVATE KONSUM
DIE WICHTIGSTE STÜTZE DES
WIRTSCHAFTSWACHSTUMS
IM JAHR 2015 WAR. //
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1 |2 016
NIEDERSACHSEN: 2015 WACHSTUM
UND FÜR 2016 ROBUSTER AUSBLICK
Aus Sicht der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung war
das erste Halbjahr 2015 eine Fortsetzung des letztjährigen
konjunkturellen Aufschwungs. Das preisbereinigte
BIP-Wachstum betrug zum Halbjahr 1,6 % und entsprach
damit dem für 2015 prognostizierten Niveau. Der Wert lag
zudem – entgegen unserer Erwartungen – über dem bundesdeutschen Wert von 1,4 %. Zu dieser Entwicklung hat
das Bauhauptgewerbe relativ wenig beigetragen, da dieses
nur ein moderates Umsatzwachstum von 1,0 % erzielte,
wofür alleine der Wohnungsbau verantwortlich zeichnete.
Die niedersächsische Industrie konnte dagegen mit einem
Plus von rund 4,0 % ein deutlich stärkeres Umsatzwachstum erzielen. Dieses hatte seinen Ursprung in einem starken zweiten Quartal und einem kräftigen Auslandsgeschäft.
Die Industrieumsätze stiegen gegenüber den jeweiligen
Vorjahreszeiträumen im ersten Quartal des Jahres um 2,3 %
und im zweiten Quartal um 4,9 %. Bei den Inlandsumsätzen
betrugen die Veränderungsraten gegenüber den jeweiligen
Vorjahresquartalen 1,0 % im ersten Quartal und 2,0 % im
zweiten Quartal. Die Auslandsumsätze zeigten sich dagegen mit einem Plus von 3,9 % und 8,4 % deutlich dynamischer. Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr führte dies zu
einem Umsatzplus im Ausland von 6,1 %. Im Vergleich zum
Vorjahr, wo zum gleichen Zeitpunkt lediglich ein Zuwachs
von 1,2 % erzielt wurde, ist dies eine deutliche Steigerung.
In der Summe hat die niedersächsische Industrie und hier
vor allem das Auslandsgeschäft damit einen wichtigen Beitrag zur positiven konjunkturellen Entwicklung des ersten
Halbjahres beigetragen. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass in realer Rechnung auch die Importe
aufgrund der hohen Binnennachfrage ähnlich kräftig expandierten und der Beitrag der Nettoexporte zum realen
BIP-Wachstum somit nur moderat ausfiel.
Dies spiegelt sich auch in den Auftragseingängen wider, die
im ersten Halbjahr des Jahres im Plus lagen. Im Halbjahresdurchschnitt 2015 stiegen die Auftragseingänge gegenüber
dem Vorjahreszeitraum um 1,9 %. Strukturell stehen hinter
dieser Zahl eine Stagnation der Inlandsnachfrage und eine
Zunahme der Auslandsnachfrage um 3,5 %. Auch die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe legten im Halbjahresdurchschnitt mit 10,5 % deutlich zu, wobei sie aber zumindest
im Halbjahr nur bedingt umsatzwirksam wurden. Diese positive Entwicklung dürfte auch maßgeblich zu einem Aufbau
der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten per
Juni 2015 um 2,1 % (Deutschland 1,8 %) oder absolut 56.600
gegenüber dem Juli 2014 geführt haben.
Für 2016 ist dagegen, da sich die bisherigen Auswirkungen
noch nicht voll in den statistischen Zahlen niederschlagen
konnten, durchaus eine gewisse Vorsicht angebracht. Allerdings wird es entscheidend sein, inwieweit – angesichts der
hohen Bedeutung der Automotive-Branche für die Industrie des Landes – der VW-Skandal noch weitere Kreise zieht
oder schnell und zielgerichtet aufgearbeitet wird. Insgesamt gehen wir allerdings davon aus, dass sich die Wachstumsdynamik fortsetzen wird und Niedersachsens Wirtschaft weiterhin durch eine gute, robuste Konjunktur
gekennzeichnet ist. Im Folgenden wird dies durch eine Betrachtung der verschiedenen Sektoren begründet.
VERARBEITENDES GEWERBE NACH
VERHALTENEM START GUT BESCHLEUNIGT
Das Verarbeitende Gewerbe in Niedersachsen hat im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zu 2014 ein höheres Umsatzniveau erreicht, wobei das zweite Quartal deutlich
stärker war. Im ersten Quartal lagen die Umsätze 2,3 %
über dem Vorjahr, wohingegen sie im zweiten Quartal 4,9 %
über dem Vorjahresquartal lagen. Auch in den Sommermonaten lagen die Umsätze im Vergleich zu den Vorjahresmonaten 3,4 %, 2,5 % bzw. 6,8 % höher. In Summe bedeutet
dies einen Anstieg der Umsätze des verarbeitenden Gewerbes bis einschließlich September 2015 um 4,1 %.
Im Vergleich hierzu ist die bundesdeutsche Entwicklung in
Summe etwas schwächer. Per Ende September waren die
Umsätze des verarbeitenden Gewerbes um 2,0 % höher als
im gleichen Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz zu Niedersachsen musste Deutschland zudem Umsatzrückgänge im
Inland in Höhe von -1,1 % verkraften. Der Auslandsumsatz
wuchs dagegen bis Ende September kumuliert um 5,4 %.
Auch dies liegt etwas unter dem niedersächsischen Wert
von 6,4 %. Daraus folgt, dass Niedersachsens Wirtschaft in
Monatliche Veränderung der Auftragseingänge
im Verarbeitenden Gewerbe in Niedersachsen
60
40
20
0
-20
-40
15
pt
Se 5
l1
Ju 5
1
ai
M 5
1
rz
M 5
1
n
Ja 4
v1
No 4
1
pt
Se 4
l1
Ju 4
1
ai
M 4
1
rz
M 4
1
n
Ja 3
v1
No 3
1
pt
Se
Angesichts dieser Aspekte ist festzuhalten, dass sich die
niedersächsische Wirtschaft im ersten Halbjahr 2015 im
Auslandsgeschäft besser entwickelt hat als es im Frühjahr
zu erwarten war. Vor dem Hintergrund der bislang vorliegenden Zahlen gehen wir davon aus, dass unsere Frühjahrsprognose von einem BIP-Wachstum in Höhe von 1,6 % auch
weiterhin Bestand haben wird. Daran dürfte auch der
Skandal um dem VW-Konzern nichts Wesentliches ändern,
da er zum einem erst Mitte des zweiten Halbjahrs bekannt
wurde und zum anderem sich bislang nur bedingt im Absatz
der Marke ausgewirkt hat.
Quelle: Statistisches Landesamt Niedersachsen
Inland
Ausland
5
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1|2016
2015 von einer soliden Inlandsnachfrage und einer expandierenden Auslandsnachfrage gestützt wurde. Die Auftragseingänge zeigen – jenseits ihrer Volatilität – in der
Summe ebenfalls ein freundliches Bild. Die Auftragseingänge der niedersächsischen Unternehmen stiegen bis September 2015 um 2,6 % gegenüber dem Vorjahr, wobei sich
die Auslandsorders mit 3,5 % deutlich positiver zeigten als
die Inlandsorders mit 1,4 %.
Insgesamt gesehen hat sich Niedersachsens Industrie nach
einem schwachen Start gut erholt. Dies zeigt sich insbesondere im Vergleich mit den jeweiligen Vorjahreszeiträumen.
So lag der Auftragseingang im ersten Quartal 2015 um 3,7 %
niedriger als im gleichen Vorjahreszeitraum und dafür im
zweiten und dritten Quartal dann gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 7,9 % bzw. 4,0 % höher. Zu dieser Trendwende hat im zweiten Quartal in erster Linie ein deutlicher
Zuwachs bei der Auslandnachfrage (+12,4 %) beigetragen,
doch hat auch die Inlandsnachfrage (+2,6 %) ein positives
Wachstum geliefert. Im dritten Quartal haben dagegen die
In- und Auslandsnachfrage positive Beiträge in Höhe von
4,4 % bzw. 3,7 % geliefert. Die Auftragslage in Niedersachsen zeigt sich damit insgesamt auf einem höheren Niveau
als im ersten Halbjahr des letzten Jahres, so dass für das
Gesamtjahr 2015 von einem stabilen Wachstumspfad für
die niedersächsische Industrie ausgegangen wird.
Die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes hat sich auch
auf den Arbeitsmarkt in Niedersachsen positiv ausgewirkt.
Im September 2015 stieg die Beschäftigung insgesamt um
2,5 % gegenüber dem September 2014. Im Verarbeitenden
Gewerbe betrug der Anstieg nur 1,1 %, so dass der Anstieg in
erster Linie durch das Plus im Dienstleistungssektor (+3,8 %)
geprägt wurde. Der Beschäftigungsaufbau hat sich zudem
positiv auf die gezahlten Entgelte ausgewirkt. Die Gesamtsumme der gezahlten Entgelte stieg bis September 2015 in
Niedersachsen um 4,4 % und in Deutschland um 3,9 %.
NIEDERSACHSENS EXPORTE
EXPANDIEREN KRÄFTIG
Bis Oktober 2015 exportierten (Spezialhandel) niedersächsische Unternehmen Waren im Wert von 69,9 Mrd. Euro,
was 6,9 % über dem Wert des Jahres 2014 lag. Die Einfuhren
stiegen im gleichen Zeitraum um 6,2 % auf 68,0 Mrd. Euro.
6
20
10
0
-10
-20
Niedersachsen
Deutschland
-30
5
v1
No
14
20
13
20
12
20
11
20
10
20
09
20
08
20
07
20
06
20
05
20
04
20
Interessant ist hier ein etwas detaillierterer Blick auf die
unterjährige Entwicklung. Im ersten Quartal stiegen die
Auftragseingänge lediglich aufgrund der relativ guten Inlandsnachfrage (+6,3 %) noch um 1,5 % gegenüber dem
Vorquartal. Im zweiten Quartal trat eine Nachfragebelebung ein, so dass die Auftragseingänge um 5,3 % anwuchsen. Im dritten Quartal gingen die Auftragseingänge dagegen um 3,9 % zurück. Zu letzterem hat sowohl die
Auslandsnachfrage mit einem Minus von 5,1 % als auch
die Inlandsnachfrage mit einem Minus von 2,4 % beigetragen. Ein Teil dieser Entwicklung dürfte auf die Ferienzeit
im August zurückzuführen sein.
Entwicklung der Exportquoten
in Niedersachsen und Deutschland
Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Niedersachsen
In Deutschland stiegen die Exporte im gleichen Zeitraum
um 6,6 % und die Importe um 4,0 %. Gegenüber 2014 ergibt
sich damit für Niedersachsen ein wesentlich positiveres
Bild, welches auch mit den bisherigen Ausführungen zu
Umsätzen und Auftragseingängen kongruent ist.
Bei näherer Betrachtung der Warengruppen zeigt sich per
September 2015 ein gegenüber der Gesamtentwicklung
differenziertes Bild. So haben der Maschinenbau (+2,4 %),
der Fahrzeugbau (inkl. Automotive +7,7 %) und die Metallerzeugung (+20,4 %) deutliche Zuwächse gegenüber dem
Vorjahr zu verzeichnen. Die Nahrungs- und Futtermittel
haben dagegen um 3,2 % nachgegeben. In der Summe zeigt
sich aber gegenüber 2014 ein deutlicher Aufwärtstrend,
von welchem insbesondere die Investitionsgüter- und Gebrauchsgüterhersteller profitierten. Auch in Deutschland
haben die Industriebranchen ihren Auslandumsatz in der
Regel steigern können.
Im Hinblick auf die Entwicklung der Exporte nach den
wichtigsten Handelspartnern können folgende Aussagen
getroffen werden: Der Trend eines kontinuierlichen Nachfragerückganges aus den vereinigten Staaten konnte umgekehrt werden. Die Exporte zogen kumuliert per Ende
Oktober gegenüber den gleichen Vorjahreszeitraum um
35,2 % an. Auch bei den anderen wichtigen Handelspartnern konnten – mit Ausnahme von China, welches einen
Rückgang von 15,3 % verzeichnete – Steigerungen verbucht werden. So stiegen die Exporte in die Niederlande
um 6,3 %, in das Vereinigte Königreich um 16,0 % oder
nach Polen um 7,4 %.
Insgesamt gesehen lässt sich damit in 2015 bislang von einer deutlichen Trendumkehr im Export sprechen, da sich
die Nachfrage nach niedersächsischen Gütern weitflächig
verbessert hat. Im Zusammenhang mit der stabilen Inlandsnachfrage hat damit der Export zur wirtschaftlichen
Belebung beigetragen. Vor diesem Hintergrund ist es daher
nicht überraschend, dass die Exportquote nach dem eher
geringen Wachstum der letzten 2 Jahre zu August wieder
deutlicher angestiegen ist.
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1 |2 016
ABSCHWÄCHUNG IM BAUGEWERBE
Das niedersächsische Bauhauptgewerbe hat bis September 2015 seine Umsätze lediglich um 0,7 % steigern können. Die Umsätze wuchsen von 7.762 Mio. Euro in 2014
auf 7.820 Mio. Euro. Zu diesem Wachstum hat nur der
Wohnungsbau beigetragen. Dieser wuchs um 7,0 % und
profitiert dabei offensichtlich noch von dem aktuellen
Zinsumfeld. Der gewerbliche Bau und der etwas kleinere
„öffentliche und Straßenbau“ verzeichneten dagegen
rückläufige Umsätze. Im gewerblichen Bau betrug der
Rückgang 0,5 % und im „öffentlichen und Straßenbau“
6,4 %. Hierzu dürfte neben der Schuldenbremse auch
Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung beigetragen haben.
Im Gegensatz zu Niedersachsen war in Deutschland insgesamt der Umsatz des Bauhauptgewerbes um 1,7 %
rückläufig. Auch hier war der Wohnungsbau mit 0,8 %
noch leicht im Plus, wohingegen sich die beiden anderen
Sektoren ebenfalls negativ zeigten. Trotz dieses insgesamt negativen Trends war noch ein Beschäftigungsaufbau zu verzeichnen. Dieser betrug in Niedersachsen per
September 2015 1,4 % und in Deutschland 1,6 %. Da bei
den Rahmenbedingungen des Bauhauptgewerbes zuletzt
keine großen Veränderungen feststellbar waren, gehen
wir davon aus, dass dieses im Gesamtjahr 2015 nur einen
verhaltenen Beitrag zum Wirtschaftswachstum geliefert
haben wird.
EINZELHANDELSUMSATZ ZEIGT
SICH IM VORJAHRESVERGLEICH
DEUTLICH VERBESSERT
Für den Einzelhandel ergab sich 2015 ein freundliches
Bild. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Einzelhandelsumsatz um 2,1 %. Der Großhandelsumsatz ging dagegen um
3,8 % zurück. Die Beschäftigung im Einzelhandel wuchs
um 1,3 % gegenüber 2014 und im Großhandel um 1,2 %.
Im Hinblick auf die Beschäftigung war zu beobachten,
dass die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten im September
2015 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,0 % zugelegte, wohingegen die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten lediglich ein Plus von 0,4 % aufwies. Vor dem konjunkturellen Hintergrund ist daher davon auszugehen, dass sich der
Einzelhandel auch im Gesamtjahr 2015 und 2016 stabil
bezüglich Umsatz und Beschäftigung zeigen wird. Es ist
zwar nicht ausgeschlossen, dass sich die geopolitische Unsicherheit auf das Verbrauchvertrauen auswirken, doch
gehen wir aktuell nicht davon aus. Diese Risiken dürften
sich wie bislang eher dämpfend auf die realen Preise (z. B.
bei manchen Lebensmitteln) auswirken.
GASTGEWERBE UND TOURISMUS
ZEIGEN SICH POSITIV
Das niedersächsische Gastgewerbe zeigte sich im Jahr
2015 umsatzseitig verbessert. Kumuliert lag der Umsatz
per Ende September um 3,1 % über dem des Jahres 2014.
Zu diesem Umsatzplus hat die Gastronomie mit einem
Plus von 2,3 % weniger beigetragen als das Beherbergungsgewerbe mit 4,4 % – wenngleich sich beide ausgesprochen positiv entwickelt haben. Diese Umsatzentwicklung spiegelt sich in der Entwicklung der Beschäftigung.
Diese nahm im gleichen Betrachtungszeitraum im Gastgewerbe um 1,4 % zu. Im Bereich der Beherbergung stieg
die Anzahl der Beschäftigten um 4,9 %, wohingegen sie im
Bereich der Gastronomie nur um 0,2 % zulegte. In der
Summe zeigte sich die Branche gegenüber dem Vorjahr
deutlich verbessert. Aufgrund der positiven Entwicklung
gehen wir entgegen mancher ursprünglich pessimistischer Erwartungen bezüglich der Einführung des Mindestlohnes von einer weiteren stabilen Entwicklung der
Branche aus.
DER ARBEITSMARKT IN NIEDERSACHSEN
ZEIGT SICH NACH WIE VOR ROBUST
Im Jahr 2015 hat sich der positive Trend des niedersächsischen Arbeitsmarktes fortgesetzt. So lag die Arbeitslosenquote im Dezember 2015 mit 5,9 % unter dem Wert des
Vorjahresmonats von 6,2 %. Strukturell gibt es keinen wesentlichen Unterschied bei den Arbeitslosenquoten für
Männer und Frauen, anders als bei einer nach Herkunft differenzierten Betrachtung. Die Quote arbeitsloser Ausländer lag mit 17,8 % im Dezember 2015 deutlich über dem
Durchschnitt. Bei den Arbeitslosen unter 25 Jahren
schwankt die Quote in allen Monaten zwischen 4,8 % und
6,0 % und zeigt sich damit im Zeitablauf relativ stabil. Aktuell scheint sich auch bei dieser Gruppe eine weitere Entspannung anzudeuten, da im Dezember 2015 die Quote
mit 4,9 % recht niedrig lag.
Entwicklung der Arbeitslosenquote
in Niedersachsen und Deutschland
10
8
6
4
2
0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
2007
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Niedersachsen
Deutschland
7
N I W - KO N J U N K T U R L E T T E R 1|2016
Die Reaktion der Unternehmen auf rückläufige bzw. steigende Umsätze zeigt sich nicht zuletzt in der Anzahl der
gemeldeten freien Stellen. Diesbezüglich ist festzuhalten,
dass diese im Jahresdurschnitt 2014 um 5,7 % höher waren als in 2013. Auch in 2015 lag die Zahl der gemeldeten
Stellen im Durchschnitt um 17,5 % höher als im Vorjahr.
Dies ist ein Indikator für die nach wie vor vorhandene Zuversicht der niedersächsischen Wirtschaft hinsichtlich der
weiteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dies zeigt
sich auch bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese lag im September 2015 um 2,5 % höher
als im Vorjahr. Niedersachsens Industrie hat hierzu einen
Beitrag in Höhe von 1,1 % geleistet. Die Wachstumstreiber bei der Beschäftigung in diesem Jahr waren das Gastgewerbe, das Sozial- und Gesundheitswesen, die Wirtschaftlichen und Technischen Dienstleistungen (inkl.
Immobilien und freiberuflich wissenschaftliche Dienstleistungen) sowie die Branche Verkehr und Lagerei. Angesichts der Erwartung einer sich fortsetzenden konjunkturellen Erholung dürften sich die Beschäftigung und die
Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr in Niedersachsen weiter positiv entwickeln.
Da Niedersachsen im Wesentlichen der bundesdeutschen
Entwicklung folgt, ist auch in 2016 von einem entsprechenden Zuwachs beim realen BIP des Landes auszugehen. Dazu trägt auch bei, dass der ifo-Geschäftsklima-Teilindex für die Automobilindustrie im November erneut
gestiegen ist. Gleichwohl existiert natürlich für Niedersachsen ein Downside-Risiko in der Folge des Abgasskandals und der im Bundesvergleich relativ volatilen Auslandsnachfrage. Dieses ist allerdings zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nicht vollumfänglich greifbar. So gesehen wird
sich Deutschland insgesamt noch etwas besser entwickeln als Niedersachsen.
Vor diesem Hintergrund gehen wir für Niedersachsen im
laufenden Jahr von einem soliden realen BIP-Wachstum
von 1,6 % aus. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die für Gesamtdeutschland geltenden
Prognoserisiken in Form einer Zuspitzung geopolitischer
Konflikte, einer Konjunkturschwäche in China oder eine
erneute Eskalation der griechischen Schuldenkrise auch
auf Niedersachsen negativ auswirken würden.
NIEDERSACHSENS WIRTSCHAFT SETZT
2016 DEN POSITIVEN KONJUNKTURELLEN
TREND DES VORJAHRES FORT
Niedersachsen hat im ersten Halbjahr 2015 mit 1,6 % ein
BIP-Wachstum erzielt, welches leicht oberhalb des bundesdeutschen Niveaus von 1,4 % lag, und damit höher als
erwartet ausfiel. Für das Gesamtjahr 2015 gehen wir aufgrund der vorliegenden Zahlen von einem robusten Wirtschaftswachstum aus. Verantwortlich hierfür ist, dass sich
die Inlandsnachfrage in Niedersachsen ausgesprochen
stabil zeigt und durch eine gute Auslandsnachfrage ergänzt wird. Da sich zudem der Arbeitsmarkt gegenüber
dem Vorjahr verbessert zeigte, scheint die niedersächsische Wirtschaft die weitere konjunkturelle Entwicklung
positiv zu werten und damit unsere Frühjahrseinschätzung zu bestätigen. Diese Einschätzung wird auch durch
bundesdeutsche Zahlen bestätigt. So hielt der ifo-Geschäftsklimaindex im Dezember 2015 sein relativ hohes
Niveau. Aufgrund der erwarteten robusten Konjunktur in
den USA und der übrigen Eurozone und dem niedrigen Eurokurs sind zudem die Exporterwartungen gestiegen. Insgesamt rechnen wir für Deutschland daher mit einem
BIP-Zuwachs in Höhe von 1,9 % für 2016.
DIE AUTOREN
Dr. Eberhard Brezski ist seit 1996
im Hause der NORD/LB tätig. Als
Bankabteilungsdirektor ist er dort
zuständig für regionalwirtschaftliche Analysen. Seit 2008 hat er
überdies einen Lehrauftrag an der
Ostfalia Hochschule.
Christian Lips (Diplom-Ökonom,
CIIA) ist seit 2006 bei der NORD/LB
beschäftigt und seit 2008 in der
Abteilung Research/Volkswirtschaft
zuständig für die Analyse und Prog­
nose der Konjunktur- und Zins­
entwicklung in Deutschland, der
Eurozone und der Schweiz. Zudem
hat er einen Lehrauftrag an der
Ostfalia Hochschule.
IMPRESSUM
Herausgeber: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (NIW) / Königstraße 53 / 30175 Hannover
Telefon 0511 12 33 16-30 / Fax 0511 12 33 16-55 / Mail: [email protected] / www.niw.de
Direktor und Vorsitzender des Vorstands: Prof. Dr. Stephan L. Thomsen / Vereinsregister: Amtsgericht Hannover VR-Nr. 4774
Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise) nur mit Quellenangabe und Zusendung eines Belegexemplars.
Bildnachweis: fotolia
8