Tier ■ BAUERNBLATT l 22. August 2015 Erfolgreich füttern: Bedeutung der Milchleistung je Lebenstag Nicht mit dem Bauch Die wirtschaftliche Situation vieler Milcherzeuger ist durch niedrige Milchpreise, Superabgabe und Steuernachzahlungensehrschwierig.Den Milchpreis können Landwirte nicht beeinflussen. Wie können sie also am bestenreagieren?EinesachlicheAnalyse hilft zu erkennen: Wo steht der Betrieb, und was kann zukünftig besser gemacht werden? OptimierungspotenzialgibtesoftbeiderNutzungsdauerderKühe,dieeinesehrwichtige Rolle spielt, ökonomisch und gesellschaftlich.EineinteressanteKennzahl ist beispielsweise die Lebenstagleistung der Kühe, die mindestens 15 kg Milch betragen sollte. Für die wirtschaftliche Milcherzeugung sind hohe Milchleistungen und lange Die Milchleistung steht häufig im Mittelpunkt. Kälber-, Färsenaufzucht und Nutzungsdauer der Kuh hingegen werden gerne vernachlässigt. Dies führt teilweise zu unnötig hohen Kosten bei der Bestandsergänzung. Die Kennzahl Milchleistung je Lebenstag zeigt die Lebenseffektivität der Kuh. Sie ist für alle Betriebe mit eigener Remontierung geeignet, da die Aufwendungen für die Färsenaufzucht berücksichtigt werden. Die „optimale Kuh“ erzielt mit einem geringen Erstkalbealter von 24 bis 26 Monaten hohe Laktationsleistungen bei gleichzeitig langer Nutzungsdauer. In SchleswigHolstein erreichen die Betriebe im Durchschnitt eine Lebenstagleistung von 12,8 kg. In Abbildung 1 ist dargestellt, mit welchen Werten Milcherzeuger eine Zielgröße von beispielsweise 15 kg pro Tag erreichen können. Die Formel zur Berechnung der Lebenstagleistung ist: Lebenstagleistung (Lebenseffektivität) = Lebensleistung (kg Milch) / Lebensdauer (Tage) Kosten der Färsenaufzucht – Erstkalbealter beeinflusst Bestandsergänzungskosten Nutzungsdauer entscheidend. Bei hoher Milchleistung steigen die Anforderungen an das Management. Die Kosten der Bestandsergänzung machen zirka 20 % der Direktkosten aus. Damit sind sie neben den Futterkosten der größte Kostenfaktor für Milcherzeuger. Ein höheres Erstkalbealter oberhalb des empfohlenen Bereichs von 24 bis 26 Monaten führt tendenziell zu höheren Kosten in der Färsenaufzucht von zirka 2 € am Tag. Das durchschnittliche Erstkalbealter in Schleswig-Holstein liegt bei 29 Monaten. Rinderreport Ø 2013/2014 Vergleich Erstkalbealter 29 Monate 26 Monate Milchleistung Herdenschnitt pro Jahr 8.363 kg 8.850 kg Nutzungsdauer 36 Monate Lebenstagleistung Hier gibt es Potenzial für Kostensenkungen, vor allem wenn das Jungvieh im Stall aufgezogen wird. Dies zeigt auch der Rinderreport Schleswig-Holstein mit einer Differenz von 792 € bei den Produktionskosten je Färse. Bei einem Betrieb mit 100 Kühen führt diese zu einer Kostendifferenz von über 26.500 € pro Jahr beziehungsweise je nach Milchleistung von über 3 ct/kg Milch (siehe Abbildung 2). 17 16 Lebenstagleistung Lebenstagleistung Ziel: 15 kg 15 12,7 kg Eine längere Nutzungsdauer beziehungsweise eine geringere Remontierungsrate verringert die Bestandsergänzungskosten deutlich. Die häufigsten Abgangsursachen waren 2014 laut VIT: ● Unfruchtbarkeit 19,1 % ● Eutererkrankungen 15,2 % ● Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen 13,0 % Ein Betrieb mit 100 Kühen kann 9.300 € einsparen, wenn er die Remontierung von 32 % auf 25 % verringert. Dies entspricht je nach Milchleistung zirka 1,1 ct/kg Milch (siehe Abbildung 3). Was bedeuten diese Zahlen für die Praxis? Übersicht 1: Lebenseffektivität: Berechnung der Milchleistung je Lebenstag Betrieb Einfluss auf Bestandsergänzungskosten 42 Monate 15,0 kg 15,0 14 13 12 11 10 12,7 Ganz einfach ist festzustellen: Es lohnt sich, sich stärker auf die Färsenaufzucht und das Wohlbefinden der Kühe zu konzentrieren. Anke Römer, LFA MecklenburgVorpommern, weist auf zwei bedenkliche Erkenntnisse hin: ● Mit zirka 30 % geht ein hoher Anteil der Färsen bereits in der ersten Laktation ab. ● Rund ein Viertel der gemerzten Jungkühe überlebt den 30. Laktationstag nicht. Aus diesem Grund sollten Färsen und Kühe optimal auf den Start in die Laktation vorbereitet und nach dem Kalben intensiv betreut werden. Wichtig dabei ist: ● gute Prophylaxe ● oberste Hygiene im Abkalbebereich ● strikte Gesundheitsüberwachung, zum Beispiel tägliches Fiebermessen bei den Frischkalbern Arbeitszeit und Geld sind sehr gut investiert, wenn es dadurch gelingt, die Nutzungsdauer der Kühe zu steigern. Milcherzeuger sollten dies individuell auf Basis eigener Zahlen und Annahmen kalkulieren. Um geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, ist auch das Gespräch mit Berater und Tierarzt sinnvoll. Höhere Milchleistung durch ältere Kühe Hohe Milchleistungen zulasten der Nutzungsdauer stehen in der gesellschaftlichen Kritik. Landwirte sollten im eigenen Interesse alles tun, um 43 44 Tier BAUERNBLATT l 22. August 2015 ■ Übersicht2:BestandsergänzungskostenjeBetriebbeziehungsweisejekgMilch-KostenjeFärse te die Milchleistung theoretisch um Rinderreport - 0,25 % Rinderreport + 25 % Kosten Färse* 2.547 € 1.755 € Ertrag Altkuh 800 € 800 € -10.000 € Remontierung* 32,0 % 32,0 % -15.000 Ihre € Kosten sinken um Bestandsergänzung Kosten je Kuh 609 € 344 € Kosten für 100 Kühe 60.925 € 34.393 € 8.500 kg 8.500 kg Ihre Kosten sinken um 0€ Einschränkungen des Richtwerts berücksichtigen -5.000 € -20.000 € -25.000 € -30.000 € -26.532 -26.532 € Verzinsung = 3 % Milchleistung* Bestandsergänzung Kosten je kg 7,17 cent/kg #### 4,05 cent/kg * Rinderreport 2013/14 S-H 0 cent -1 cent -2 cent -3,12 -3 cent -3, -3,12 cent/ltr. -4 cent Übersicht 3: Bestandsergänzungskosten je Betrieb beziehungsweise je kg Milch - Remontierung Remontierung 25 % Remontierung 32 % Ihre Kosten sinken um Kosten Färse* 2.130 € 2.130 € #### Ertrag Altkuh 800 € 800 € #### Remontierung 32,0 % 25,0 % #### Bestandsergänzung Kosten je Kuh 470 € 376 € Kosten für 100 Kühe 46.955 € 37.645 € 8.500 kg 8.500 kg 0€ -1.000 € -2.000 € -3.000 € -4.000 € -5.000 Ihre € re Kosten sinken um Ihr -6.000 € -7.000 € -8.000 € -9.310 -9.000 € -9.310 € -10.000 € Verzinsung = 3 % Milchleistung #### 4,43 cent/kg 5,52 cent/kg -2 cent * Rinderreport 2013/14 S-H Übersicht 4: Entwicklung der durchschnittlichen Milchleistung je Laktation VIT Verden 2014 Milchleistung en in den einzelnen elnen 10.000 Milch-kg Eiweiß Milchleistungen ECM in % 3,93 3,34 3,95 9.000 3,98 3,36 9.355 9.734 734 neu den einzelnen Laktionen 8.027 kg 9.693 + 16 % 9.288 kg 9.490 9.209 9.209 209 3,32 9.673 kg +4% 3,31 9.671 kg -0 % 3,30 9.485 kg -2 % 4,07 7.000 3,29 9.230 kg -3 % 4,09 3,29 8.932 kg -3 % 4,09 6.000 3,28 8.622 kg -3 % 4,09 3,27 8.249 kg -4 % 3,25 durchschnittliche Nutzungsdauer nur 35,8 Monate -6 %2,6 Laktationen (ZKZ 414 Tage) dies 7.756entspricht kg 4,02 8.000 8.114 4,04 04 4,09 5.000 3,97 1 2 3,34 0 cent -1 cent Bestandsergänzung Kosten je kg 3 4 5 6 8.964 kg Laktationsnummer 8.891 8.588 8.222 8.222 7.740 7 8 9 über 9 +236 kg beziehungsweise +472 kg pro Kuh und Laktation steigern können (auf Basis der VIT Daten, Zuchtfortschritt unberücksichtigt). -1,10 -1 -1,10 cent/ltr. diesen Konflikt erfolgreich zu lösen. Durch eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 35,8 Monaten beziehungsweise 2,6 Laktationen belasten hohe Bestandsergänzungskosten die Milcherzeugung. Die höchste Milchleistung erzielen Kühe erst in der dritten bis vierten Laktation. Diese Phase wird häufig nicht erreicht, denn deutschlandweit befinden sich nur zirka 21 % (Trends, Fakten Zahlen 2014, VIT) in der vierten beziehungsweise einer höheren Laktation. Hier besteht ein enormes Potenzial, denn die durchschnittliche Milchleistung in der vierten Laktation liegt zirka 20 % über der Leistung als Erstkalbin. Sogar in der sechsten Laktation gibt die Kuh durchschnittlich 1.100 kg oder 13 % mehr Milch als in der ersten Laktation (VIT 2014). Dies bedeutet, dass Milcherzeuger alleine durch die Verlängerung der Nutzungsdauer um sechs beziehungsweise zwölf Mona- Die Lebenstagleistung ist ein Richtwert, der die beschriebenen Erfolgsfaktoren berücksichtigt. Landwirte sehen schnell und einfach, wo der Betrieb steht. Bei Berechnung und Bewertung sollte Folgendes beachtet werden: Die zur Kostendeckung notwendige Milchlebensleistung ist stark von Kosten und Erlösen der Milchproduktion abhängig. Diese sind auf jedem Betrieb unterschiedlich. Auch differenzierte Kosten der Färsenaufzucht, beispielsweise bei Weidehaltung, werden nicht berücksichtigt. Die 15 kg Milch je Lebenstag sind als Orientierungswert gemeint. Bei niedrigen Milchpreisen ist eher ein Wert oberhalb der Zielgröße erforderlich. Bei der Bestandsergänzung sollten die Verkäufe zur Zucht nicht einbezogen werden. Betriebe, die einen hohen Anteil an Jungkühen verkaufen, hätten sonst fälschlicherweise eine geringere Lebenseffektivität. FAZIT Für eine wirtschaftliche Milcherzeugung sind hohe Milcherlöse und geringe Bestandsergänzungskosten notwendig. Dazu ist es erforderlich, hohe Milchleistungen mit einer langen Nutzungsdauer zu kombinieren. Dies ist die entscheidende Herausforderung für die Zukunft – wirtschaftlich und gesellschaftlich. Eine Verringerung des Erstkalbealters kann zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit beitragen, da die unproduktive Phase verkürzt wird und Kosten reduziert werden. Durch einfache Berechnungen erkennen Milcherzeuger, wie sich Veränderungen wirtschaftlich auf den Betrieb auswirken, und können mit Bauch und Kopf entscheiden, welche Investitionen sinnvoll sind. Mit Erfahrung, guten Beratern und dem gezielten Nachrechnen überstehen Milcherzeuger hoffentlich auch diese Krise und gehen gestärkt in die Zukunft. Rainer Möller freier Autor Tel.: 0 41 41-776-178 r.moeller@ moeller-Agrarmarketing.de
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