Syndikusanwälte: Folgen des neuen Rechts für das Arbeitsverhältnis

MN
Anwaltsrecht
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Regierungs- und Fraktionsentwurf bietet nicht für
alle Fragen der Praxis Antworten*
Rechtsanwältin Dr. Doris-Maria Schuster, Frankfurt am Main
Bundestag und Bundesrat sind mit einem parallelen Regierungs- und (einem) Fraktionsentwurf der CDU/CSU- und
SPD-Fraktion zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte in die Sommerpause gegangen. Das Anwaltsblatt hat
den Gesetzentwurf in drei Beiträgen einem Check unterzogen. In diesem Beitrag stellt die Autorin die Auswirkungen
auf das Arbeitsverhältnis des Syndikusanwalts vor (siehe zum
anwaltlichen Berufsrecht, Offermann-Burckart AnwBl 2015,
633 und zum Sozialrecht Schafhausen, AnwBl 2015, 643).
Bisher waren Arbeitsverträge mit Syndikusanwälten einigermaßen einfach gestrickt. Sie sahen häufig eine Beschäftigung
als „Rechtsanwalt“ oder „Syndikusanwalt“ vor und enthielten
gleichzeitig eine Klausel, die dem Syndikus eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt genehmigte. Diese Art der Vertragsgestaltung war Folge der sog. Doppelberufstheorie des Bundesgerichtshofs1. Danach unterteilte sich die Tätigkeit eines
Syndikusanwalts in eine hauptberufliche Beschäftigung als
Rechtsberater eines Unternehmens im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und eine gleichzeitige Nebentätigkeit als zugelassener Rechtsanwalt. Künftig werden Unternehmen und
Syndizi zwischen drei Formen der Beschäftigung wählen können: einer Beschäftigung als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt),
einer Beschäftigung als Unternehmensjurist ohne Anwaltszulassung oder einer Beschäftigung mit einer anderen Tätigkeit und der Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt. Nur die Beschäftigung und Zulassung als „Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)“ wird rentenversicherungsrechtlich
eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI zur
Folge haben. Die beiden anderen Alternativen führen hingegen zu einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das gilt jedenfalls dann, wenn es nicht zum
Eingreifen einer Vertrauensschutzregelung in Bezug auf die
derzeit ausgeübte Tätigkeit kommt.
I. Arbeitsverträge mit Syndikusrechtsanwälten
Arbeitgeber und Syndikus müssen sich darüber verständigen,
ob künftig von beiden Parteien tatsächlich eine Beschäftigung
als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) gewollt ist. Eine Pflicht der
Unternehmen, bei ihnen tätige Juristen als Rechtsanwalt
(Syndikusanwalt) zu beschäftigen, ist wohl auch in den Fällen
zu verneinen, in denen arbeitsvertraglich eine Tätigkeit als
Rechtsanwalt oder Syndikusanwalt vorgesehen ist. Die bisherige Verständigung erstreckte sich inhaltlich nicht auf das Tätigkeitsprofil, die Stellung und die Vertragskonditionen, die
nunmehr in § 46 BRAO-E für den Syndikusrechtsanwalt vorgesehen sind. Deshalb bedarf es für eine Zulassung und ein
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1. Fachliche Unabhängigkeit und Inhalt der geschuldeten
Tätigkeit
§ 46 Abs. 4 BRAO-E verlangt für die Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) neben (i) einer anwaltlichen Tätigkeit, der der Syndikus für seinen Arbeitgeber nachgehen
muss, (ii) die vertragliche Gewährleistung seiner fachlichen
Unabhängigkeit. Arbeitsverträge mit Syndikusanwälten müssen deshalb künftig Klauseln enthalten, die diese beiden gesetzlichen Vorgaben widerspiegeln.
a) Der Vorgabe des § 46 Abs. 4 S. 2 BRAO-E zur vertraglichen Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit des
Syndikusrechtsanwalts lässt sich arbeitsvertraglich durch
eine relativ schlanke Klausel nachkommen. Es genügt die
Aufnahme des Satzes „Der Syndikusrechtsanwalt übt seine Tätigkeit für den Arbeitgeber fachlich unabhängig aus“. Ergänzend
kann und sollte noch vertraglich festgehalten werden: „Der
Syndikusrechtsanwalt ist nicht verpflichtet, Weisungen zu befolgen, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage oder eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließt. Er ist befugt, die Gesellschaft nach außen zu vertreten“. Weiterer vertraglicher
Regelungsbedarf besteht nicht und vor einer weiteren vertraglichen Konkretisierung der fachlichen Unabhängigkeit
und der Eigenverantwortlichkeit ist angesichts der noch laufenden Diskussionen um die genaue Ausgestaltung und die
Grenzen der fachlichen Unabhängigkeit auch abzuraten. Die
vertraglich garantierte fachliche Unabhängigkeit führt jedoch
nicht zu einer vollständigen Aushebelung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Nach der Gesetzesbegründung (siehe S. 34) darf der Arbeitgeber nur in fachlichen Angelegenheiten kein allgemeines oder konkretes Weisungsrecht
ausüben. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass interne
Richtlinien wie zum Beispiel Compliance-Vorgaben oder
Ethik-Kodizes weiterhin gelten, solange sie nicht fachliche Ergebnisse vorschreiben. Mit der fachlichen Unabhängigkeit
und der Eigenverantwortlichkeit des Syndikus ist nicht die
Befugnis verbunden, selbst unternehmerische Entscheidungen zu treffen (siehe Gesetzesbegründung, S. 34). Diese Befugnis verbleibt vielmehr beim Arbeitgeber. Ihm steht es frei,
sich über die Empfehlungen und Ratschläge seines Syndikusrechtsanwalts hinwegzusetzen und diesen nicht Folge
zu leisten. Macht er das, führt das nicht zum Verlust der Eigenständigkeit des Syndikusanwalts.
b) Für die Zulassung bei der Anwaltskammer benötigen
Syndikusrechtsanwälte den Nachweis, dass die von ihnen geschuldete Tätigkeit tatsächlich eine anwaltliche ist. Nach § 46
Abs. 3 BRAO-E liegt eine anwaltliche Tätigkeit vor, wenn sie
*
1
Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag der Autorin in einer Sonderveranstaltung auf
dem 66. Deutschen Anwaltstag in Hamburg am 12. Juni 2015.
BGH vom 07.11.1960, BGHZ 33, 276, 279 f.; vom 07.02.2011, NJW 2011, 1517, 1518
m. w. N.
Syndikusanwälte: Folgen des neuen Rechts für das Arbeitsverhältnis, Schuster
Aufsätze
Syndikusanwälte: Folgen
des neuen Rechts für das
Arbeitsverhältnis
Tätigwerden als Syndikus entweder des Abschlusses eines
neuen Arbeitsvertrages oder aber jedenfalls einer Vertragsergänzung. Arbeitgeberseitig ist ein solcher Änderungs-/Ergänzungsvertrag nicht in allen Fällen gewollt. Neben den vertraglichen und tatsächlichen Beschränkungen, denen eine
Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt unterliegt, ist damit
möglicherweise auch eine Einschränkung des Versetzungsrechts verbunden. Syndikusrechtsanwälte werden umgekehrt
bei der künftigen Gestaltung ihrer Arbeitsverträge darauf achten, dass sich das Versetzungsrecht des Arbeitgebers nicht auf
solche Aufgaben und Tätigkeiten erstreckt, bei denen der Verlust ihrer Zulassung und damit ihres rentenversicherungsrechtlichen Status droht.
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2. Versetzungsklauseln
In Arbeitsverhältnissen mit Syndikusrechtsanwälten problematisch wird künftig der Umgang mit Versetzungsklauseln
sein. Diese ermöglichen es dem Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einseitig eine andere Tätigkeit zuzuweisen, soweit diese
der Qualifikation und den Kenntnissen des Mitarbeiters entspricht sowie gleichwertig ist. Unklar ist, ob die arbeitsvertragliche Beschäftigung eines Mitarbeiters als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) das Versetzungsrecht des Arbeitgebers
dergestalt einschränkt, dass dieser dem Syndikus nur noch
gleichwertige andere anwaltliche Aufgaben zuweisen darf.
Andernfalls droht die Gefahr, dass der Arbeitgeber ohne Zutun des Syndikusanwalts den Verlust der Zulassung des Syndikus herbeiführen kann (§ 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO-E), indem
er ihm eine Tätigkeit zuweist, die nicht die fachlichen Anforderungen an eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 46
Abs. 2, Abs. 3 BRAO-E erfüllt. Im Ergebnis wird man eine solche Einschränkung des Versetzungsrechts allein aufgrund einer arbeitsvertraglichen Beschäftigung als „Rechtsanwalt
(Syndikusrechtsanwalt)“ verneinen müssen. Durch die Aufnahme einer Versetzungsklausel will ein Arbeitgeber sich ja
gerade die vertragliche Möglichkeit erhalten, dem Syndikus
auch eine andere als die vertraglich geschuldete Tätigkeit zuzuweisen. Will ein Syndikus das verhindern, muss er auf das
Streichen der Versetzungsklausel hinwirken. Darauf wird sich
ein Arbeitgeber kaum einlassen wollen. Deshalb ist in solchen
Versetzungsklauseln einiges an Sprengkraft enthalten.
3. Haftung
Unzulänglichkeiten weist der Gesetzesentwurf noch beim
Aufeinandertreffen von Eigenverantwortlichkeit und Haftung
des Syndikusanwaltes auf. Dadurch dass der Syndikusanwalt
nach dem neu geregelten Berufsbild sowohl nach innen als
auch nach außen als Rechtsanwalt auftritt, haftet er bei beruflichen Fehlern sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis. Die Fälle einer Haftung nach außen Dritten gegenüber
werden eher die Ausnahme sein. Denkbar wäre eine solche
Haftung beispielsweise wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach § 311 Abs. 3 BGB oder aber beim Abschluss eines konkludenten Auskunftsvertrages. Weitaus realistischer ist jedoch eine Haftung im Innenverhältnis
gegenüber dem Arbeitgeber aus §§ 611, 280 BGB. Wie damit
umzugehen ist, ist bislang ungeklärt. Die Gesetzesbegründung geht offensichtlich davon aus, man könne das Problem
der Haftung des Syndikusanwalts im Innenverhältnis durch
Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung lösen (siehe
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Gesetzesbegründung, S. 42). Ein solches Versicherungsprodukt gibt es derzeit aber nicht. Die rechtsanwaltliche Berufshaftpflichtversicherung erstreckt sich nach Ziffer A.2.3. der
Besonderen Bedingungen zur Allgemeinen Rechtsanwaltshaftpflicht (AVB-RSW)2 nämlich gerade nicht auf eine Haftung für Schäden im Innenverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und seinem Mitarbeiter. Der Arbeitgeber kann auch
nicht als Dritter angesehen3 werden. Die Missbrauchsgefahr
wäre zu hoch, würden die Versicherungen solche Schäden
im Innenverhältnis decken. Ebenso wenig umfasst die Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers dieses Risiko,
da diese nur die Inanspruchnahme des Arbeitgebers selbst
deckt, nicht jedoch die persönliche Inanspruchnahme der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber. Die Gesetzesbegründung
hat diese „Versicherungslücke“ offensichtlich übersehen.
Denkbar wäre es, die allgemeinen Grundsätze über die
Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer auch auf die Haftung der Syndikusrechtsanwälte gegenüber ihrem Arbeitgeber anzuwenden. Nach diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hängt der Umfang der Haftung eines
Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber vom Grad seines Verschuldens ab.4 Bei leichter Fahrlässigkeit haftet ein Arbeitnehmer gar nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit haften Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils hälftig für den Schaden
und bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kommt es zur vollen Haftung des Mitarbeiters. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich diese Haftungsprivilegierung auf alle Arbeitnehmergruppen, also auch
auf angestellte Syndikusanwälte. Eine solche Haftungsprivilegierung für Syndikusanwälte ist vom Gesetzgeber aber offensichtlich nicht gewollt. Er geht in der Gesetzesbegründung
(siehe S. 41 f.) von einer (nicht eingeschränkten) Haftung des
Syndikus gegenüber seinem Arbeitgeber aus. Jedes andere Ergebnis ließe sich auch mit der fachlichen Unabhängigkeit und
der Eigenverantwortlichkeit des Syndikusrechtsanwalts nicht
vereinbaren. Ohne eine Absicherung dieses Haftungsrisikos
durch eine Haftpflichtversicherung wird aber kaum ein Syndikus das Risiko einer Haftungsinanspruchnahme durch den
eigenen Arbeitgeber eingehen wollen. Es ist daher zu hoffen,
dass die Haftpflichtversicherungen noch rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Produkt auf den Markt bringen,
das dieses Risiko abdeckt und nicht mit unverhältnismäßigen
Kosten verbunden ist.
4. Kanzleipflicht
§ 27 BRAO, der über die Neureglung des § 46 c Abs. 4 Satz 1
BRAO-E Anwendung findet, verpflichtet den Syndikus zur
Einrichtung und Unterhaltung einer Kanzlei. Nach § 46 c
Abs. 4 Satz 1 BRAO-E gilt die regelmäßige Arbeitsstätte als
Kanzlei. Einer besonderen vertraglichen Regelung, die die
Ausstattung der Kanzlei anbelangt, bedarf es also nicht zwingend. Jedoch muss der Syndikus prüfen, ob damit nicht bestimmte weitere Pflichten verbunden sind, insbesondere was
seine telefonische und postalische Erreichbarkeit an seinem
Arbeitsplatz anbelangt. Um sicherzustellen, dass er seinen
berufsrechtlichen Verpflichtungen nachkommt, wird ein
Syndikusanwalt ein Interesse haben, den Mindeststandard,
dem sein Arbeitsplatz bzw. seine Kanzlei berufsrechtlich erfüllen muss, vertraglich zu fixieren.
2
Dort heißt es: „(...) bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche aus der
Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Angestellter.“
3
Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zum Gesetzesentwurf, Nr. 34/2015, Juni
2015, S. 10.
4
BAG v. 27.09.1994 – GS 1/89, DB 1994, 2237.
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fachlich unabhängig und eigenverantwortlich und von Rechtsberatung, Rechtsvermittlung, Rechtsgestaltung und Rechtsentscheidung geprägt ist. Die Prägung der Tätigkeit durch diese
Merkmale ist inhaltlich den Anforderungen der sog. „Vier-Kriterien-Theorie“ nachempfunden (siehe Gesetzesbegründung,
S. 31). Die anwaltliche Tätigkeit muss daher im Rahmen des
Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ dominierende Leistung sein (siehe Gesetzesbegründung, S. 22 und
S. 34). Einen festen Schwellenwert gibt es jedoch nicht. Die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene Schwelle von
mindestens 50 Prozent findet sich im jetzigen Gesetzesentwurf
nicht mehr wieder. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein (geringwertiges) Unterschreiten dieser 50 Prozent Grenze unschädlich ist. Der Nachweis der anwaltlichen Prägung der Syndikusrechtsanwaltstätigkeit kann am besten durch eine
Stellenbeschreibung, die dem Arbeitsvertrag als Anlage beigefügt und dessen Bestandteil ist, geführt werden.
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II. Versetzung, Beförderung und Arbeitsplatzwechsel
Die Zulassung des Syndikusanwalts ist nach dem Gesetzesentwurf tätigkeitsbezogen, das heißt sie wird bezogen auf
eine spezifische Tätigkeit erteilt (§ 46 a Abs. 1 Nr. 3 BRAO-E).
Folgerichtig kann die Zulassung ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Tätigkeit oder der arbeitsvertraglichen Gestaltung eintritt (§ 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO-E). Hierfür besteht eine
Anzeigepflicht des Syndikusanwalts gegenüber der Rechtsanwaltskammer nach Maßgabe des § 46 b Abs. 4 BRAO-E.
Die Folge ist, dass jede Versetzung oder Beförderung der Anwaltskammer und jeder Arbeitsplatzwechsel zu einem Verlust der Zulassung führen kann, sofern diese(r) wesentlich
ist. Eine gesetzliche Definition der Wesentlichkeit fehlt allerdings. Keine wesentliche Änderung liegt vor, wenn sich nur
der rechtliche Tätigkeitsbereich ändert, etwa wenn der Syndikusanwalt nunmehr mit Arbeitsrecht anstatt M&A betraut
wird. Eine wesentliche Änderung der Tätigkeit kann jedoch
nach der Gesetzesbegründung (siehe S. 43) schon dann gegeben sein, wenn der Syndikus von der Rechtsabteilung in die
Personalabteilung wechselt und dort keine anwaltliche Tätigkeit mehr ausübt. Jedoch gilt auch eine anwaltsfremde Tätigkeit als anwaltliche, sofern ein enger innerer Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht besteht und auch
rechtliche Fragen aufgeworfen werden können (siehe Gesetzesbegründung, S. 22). Nach einer Versetzung, Beförderung
oder einem Arbeitsplatzwechsel mit wesentlicher Änderung
der Tätigkeit kann jedoch ein neuer Zulassungsbescheid im
Wege des Erstreckungsbescheids nach § 46b Abs. 3 BRAO-E
beantragt und erteilt werden.
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III. Vorübergehende Abordnung, Arbeitgeberwechsel
Bei einer vorübergehenden Abordnung, zum Beispiel während
eines Secondments oder einer Entsendung, war nach der bislang geltenden Rechtslage gemäß § 6 Abs. 5 SGB VI eine Erstreckung der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auch auf anwaltsfremde Tätigkeiten möglich.
Diese Abordnung musste nur zeitlich begrenzt und die Gewährleistung der Versorgungsanwartschaften sichergestellt
sein. Ob dies auch bei Umsetzung des Gesetzesentwurfs für
Syndikusanwälte noch möglich ist, ist fraglich und im Ergebnis
wohl zu verneinen. Denn die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erstreckt sich nicht auf das Arbeitsverhältnis, sondern
auf die konkrete Tätigkeit des Syndikus. Möglicherweise lässt
sich die Problematik aber, ähnlich wie bei der Versetzung, anhand des Wesentlichkeitskriteriums und über einen Erstreckungsbescheid nach § 46 b Abs. 3 Satz 2 BRAO-E lösen. So ließen sich Lücken in der Versorgungsbiografie des
Syndikusanwaltes vermeiden und eine anwaltliche Prägung des
Arbeitsverhältnisses bliebe bestehen. Dagegen spricht jedoch,
dass § 46 Abs. 3 BRAO-E auf die Prägung der Tätigkeit und
nicht auf die des Arbeitsverhältnisses abstellt. Auch hier zeigt
sich also, dass der Gesetzesentwurf noch Fragen offen lässt.
Kommt es infolge eines Betriebsübergangs nach § 613 a
BGB zu einem Arbeitgeberwechsel, liegt keine Änderung des
Arbeitsvertrages bzw. der Tätigkeit im Sinne des § 46 b Abs. 4
BRAO-E vor. Das Arbeitsverhältnis geht vielmehr mit allen
Rechten und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber über
(§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Anzeigepflicht gegenüber
der Rechtsanwaltskammer und die Pflicht zur Zulassung als
Syndikusanwalt bei dem neuen Arbeitgeber bestehen nach
dem Gesetzeswortlaut nicht. Dennoch sollte auch in diesen
Fällen vorsorglich ein Erstreckungsbescheid beantragt werden. Denn die bisherige Zulassung erstreckt sich auf eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber und gibt deshalb nicht
die aktuellen Verhältnisse wieder.
Bei einem gewillkürten Arbeitgeberwechsel war bislang
stets ein neuer Befreiungsantrag für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich, da die Befreiungswirkung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
kraft Gesetzes endete. Da der Gesetzesentwurf zu einem
Gleichlauf von Berufsrecht und Rentenversicherungsrecht für
den Syndikusanwalt führt, ist bei einem freiwilligen Arbeitgeberwechsel künftig kein neuer Antrag erforderlich. Denn die
Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist bei der Befreiungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu beachten und bindet den Rentenversicherungsträger (siehe Gesetzesbegründung, S. 38). Künftig genügt daher eine bloße Anzeige nach
§ 46 b Abs. 4 BRAO-E. Ein Erstreckungsantrag nach § 46 b
Abs. 2 Satz 2 BRAO-E ist nur dann notwendig, wenn mit dem
Arbeitgeberwechsel eine wesentliche Änderung der Tätigkeit
oder der arbeitsvertraglichen Gestaltung vorliegt. Insoweit
kommt es zu einer deutlichen Vereinfachung.
Dr. Doris-Maria Schuster, Frankfurt am Main
Die Autorin ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie gehört dem Geschäftsführenden Ausschuss der
Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein an.
Leserreaktionen an [email protected].
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5. Vorlagepflicht bei den Anwaltskammern
Die für die Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) zuständige Rechtsanwaltskammer prüft die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und stützt sich bei der Begründung ihrer
Zulassungsentscheidung unter anderem auf den Inhalt des Arbeitsvertrages. Deshalb ist der Anwaltskammer nach § 46 a
Abs. 3 BRAO-E eine Ausfertigung oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Arbeitsvertrages vorzulegen. Die Vorlagepflicht erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut auf den
vollständigen Arbeitsvertrag und erfasst auch dessen Anlagen.
Das Überlassen von bloßen Vertragsauszügen reicht nicht aus.
Die Anwaltskammer kann andernfalls bei ihrer Zulassungsentscheidung nicht sicherstellen, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts auch den Vorgaben des § 46 Abs. 2 ff. BRAO-E
entspricht. Dem Datenschutz und dem Interesse der Arbeitsvertragsparteien, den Inhalt und die Konditionen der Anstellungsverträge nicht Dritten gegenüber offen zu legen, wird dabei dadurch Genüge getan, dass die Vorlage einer mit
geschwärzten Passagen versehenen Vertragsausfertigung genügt (siehe Gesetzesbegründung, B. Besonderer Teil, zu Artikel 1, zu Artikel 2 (§ 46 a Abs. 3 BRAO-E), S. 41). Die Gesetzesbegründung spricht jedoch nur von einer Schwärzung der für
die Zulassung irrelevanten personenbezogenen Daten. Das ist
zu eng. Nicht nur die personenbezogenen Daten, sondern
auch sonstige Vertragsinhalte wie etwa die Kündigungsfristen
oder die Ausgestaltung etwaiger variabler Vergütungen sind
für die Zulassung als Syndikusanwalt irrelevant. Deshalb müssen auch solche Vertragspassagen geschwärzt werden können.