Predigt - 2. Petrus 1,16-21 Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, „Wo ist denn der Beweis dafür“, so fragte mich neulich ein älterer Mann, „dass es diesen Gott gibt, der für mich, Herr soundso, Mensch geworden und am Kreuz gestorben ist, diesen Gott, der die Geschichte lenkt und es zulässt, dass es so dunkel ist in der Welt?“ Ja, wo ist der Beweis? Was macht Sie, was macht mich, was macht uns so sicher, dass ausgerechnet die Geschichte mit Jesus Recht hat? Mir kam seine Frage sehr bekannt vor. Einige haben das Glück, dass ihnen ihre Eltern, als sie klein waren, abends aus der Kinderbibel vorlasen oder gemeinsam ein Abendgebet sprachen. Glauben – das gehörte von Anfang an so selbstverständlich zum Leben wie abends Zähneputzen. Manchmal beneide ich sie: Der Zweifel scheint sie weniger zu quälen. Aber irgendwann wird dieser Glaube erschüttert, in Frage gestellt: Und dann stehe ich wieder vor der Frage: Wie kann ich mir sicher sein? Die Skeptiker in den frühesten christlichen Gemeinde stellen diese Frage auch: Was sagt uns, dass Jesus wirklich irgendwann einmal wieder kommt? Was sagt uns, dass Jesus wirklich im Alten Testament prophezeit wurde? Der 2. Petrusbrief beschreibt diese Skepsis im 3. Kapitel eindrücklich: „Wo bleibt denn die Erfüllung seiner Zusage?«, höhnen sie. »Er hat doch versprochen, dass er wiederkommt! Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber geändert hat sich nichts. Alles ist immer noch so, wie es seit der Erschaffung der Welt war.« (3,3-4) Wie kann ich mir sicher sein? Manche antworten ja gerne in Anlehnung an den Hebräerbrief: Glauben ist nicht Schauen. Aber was, wenn mir das zu wenig ist? Was, wenn ich schauen will? Petrus hat doch auch Jesu Herrlichkeit geschaut. Mit eigenen Augen. Und er hat Gottes Stimme gehört. Diese Stimme sagte ihm: Jesus ist Gottes Sohn. Petrus hat das erlebt. Sie haben es eben in der Schriftlesung aus Matthäus gehört. 1 In seinem Testament bezieht er sich zurück auf diese Erfahrung. Wir finden dieses im 2. Petrusbrief im 1. Kapitel, die Verse 16-21: „16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. 17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. 19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. 20 Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. 21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.“ (Pause) Petrus hat Jesu Herrlichkeit geschaut. Und er hat Gottes Stimme gehört. Diese Erfahrung macht ihn ganz sicher. Aber war das nicht eine sehr seltsame Erfahrung? Ich versuche mir vorzustellen, wie das gewesen sein muss: Es war Abend. Jesus betete allein, während seine Jünger Petrus, Johannes und Jakobus sich einige Meter weiter zum Schlafen legten. Sie waren gerade am Einschlafen, in einem Zustand zwischen Wachheit und Traum. Da geschah etwas: Während Jesus betete, veränderte sich vollständig sein Gesicht und seine Kleidung strahlte weiß auf. Und Petrus sah zwei Männer an Jesu Seite. Diese unterhielten sich mit ihm. Petrus kannte die Männer nicht, aber er wusste intuitiv: Das waren Mose und Elija. Er verstand nicht, was sie sprachen. Nur so viel: Es ging um Jesus Leben. Es sollte in Jerusalem zu Ende gehen. Petrus konnte nicht sagen: Unterhielten sie sich lange oder nur kurz? Seine Augen wollten jeden Moment zufallen. Aber das was er sah, ließ es nicht zu. Schließlich merkte er, dass sich Mose und Elija von Jesus verabschiedeten. Mit großer Mühe kämpfte er gegen den Schlaf an und öffnete seinen Mund: „Rabbi, es ist gut, dass wir bei euch sind. Wir wollen drei Zelte aufschlagen, für dich, Mose und Elija.“ Er verstand vermutlich selber nicht genau, warum er das gerade gesagt hatte. 2 Während er redete, zog eine riesige Wolke auf und warf ihren Schatten auf sie voraus. Die Wolke wurde immer mächtiger und kam näher. Petrus fürchtete sich vor ihr. Er, Johannes und Jakobus sahen sich an. Wie klein und nichtig sie sich plötzlich fühlten! Dann hörte Petrus eine Stimme: „Das ist mein Sohn, ihn habe ich erwählt. Hört auf ihn.“1 Noch während Petrus auf die Stimme hörte, verschwanden Mose und Elija. Petrus sah Johannes und Jakobus an. Als sie von dem Berg herabstiegen und zu den restlichen Jüngern zurückkehrten, erzählten sie keinem davon. So ähnlich könnte sie gewesen sein: Diese tiefe geistliche Erfahrung von Petrus. Realität? Oder mehr Traum? Auf jeden Fall so bedeutsam, so real für ihn, dass er sie erst erzählt, als Jesus schon lange am Kreuz gestorben und auferstanden war. Er schreibt davon erst, so steht es im 2. Petrusbrief, als er seinen Tod nahen sieht: Es ist ein ganz besondere Erfahrung in seinem Leben: Eine heilige, die man nicht mal so abends am Stammtisch oder auf einer heiteren Party zum Besten gibt. Aber kann ich in dieser Sache einem Augenzeugenbericht trauen? Überzeugt er mich? Überzeugt er mich auch dann noch, wenn ich lese: Der Brief wurde vielleicht nicht einmal von Petrus selbst geschrieben? Wahrscheinlich nur von einem Bekannten von Petrus, dem er es erzählt hat? Am Zeugnis der Apostel zweifeln die Menschen schon zu Zeiten des Briefes. Wie kann ich sicher sein, dass Petrus Recht hat? Noch habe ich, ich Jesu Göttlichkeit nicht selber geschaut. Aber Petrus geht ja weiter: „Umso fester haben wir das prophetische Wort“, schreibt er. Das, was er erlebt hat, macht für ihn das Wort der Propheten zuverlässiger, glaubwürdiger. Denn sie haben geweissagt, was er erlebt hat. Die Weissagungen in der Schrift müssen also wirklich von Gott stammen. Das geht ihm auf, weil seine EIGENE Erfahrung mit dem übereinstimmt, wovon die Propheten geschrieben haben. Er sieht den Messias, von dem diese sprachen: DIE Heilsgestalt, DEN Hoffnungsträger auf eine bessere Welt. Dieser Messias steht vor ihm – es gibt ihn tatsächlich - also hatten die Propheten Recht! Das möchte ich auch gerne so erleben. Um mir ganz sicher zu sein. Wie sonst? 1 (Basis-Bibel, http://www.basisbibel.de/basisbibel/bibeltext/basisbibel/bibeltext/lesen/stelle/52/90001/9 9999/ch/7ed802dc8198d4449939c7478adb18f7/) 3 „Achtet auf das prophetische Wort“, rät uns der Verfasser des 2. Petrusbriefes. „Ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ Hier, in diesem Satz, der es wirklich in sich hat, liegt vielleicht die Antwort auf die Frage nach dem Beweis. Erst einmal: Es gibt keinen, der mein Leben auf einen Schlag in grelles Licht verwandelt. Aber es gibt einen Weg, wie ich dennoch sicher werden kann. Einen Weg der Vergewisserung. Lest die Worte der Propheten!, das ist der Weg. Und DANN geht der Morgenstern auf in euren Herzen! – das ist die Verheißung. Der Verfasser des 2. Petrusbriefes vergleicht Glauben damit, dass in jemand der Morgenstern aufgeht. Der Morgenstern ist der Stern, der frühmorgens am Himmel auftaucht. An ihm sieht man, obwohl es noch tiefe Nacht ist, dass es bald Morgen wird. Kein Morgenstern – kein Morgen. Der Morgenstern ist die Garantie dafür, dass es Tag wird, dass Jesus auf jeden Fall kommen wird, zu mir und in diese Welt hinein. Der Blick auf den Morgenstern macht mich sicher. Dieser Morgenstern, diese Garantie geht in meinem Herzen auf, wenn ich die Worte der Propheten lese. Diese Worte – und viele andere Worte der Hl. Schrift machen mich sicher. Weil sich das, worüber ich lese, auch in meinem eigenen Leben bewahrheitet. Nicht immer. Nicht sofort. Aber wenn ich das, was da steht, was da versprochen wird – Wenn ich das nicht selbst ab und zu erlebe, selbst fühle – dann wäre es in der Tat wertlos für mich. Und wenn es nicht zig-Menschen ebenso ginge, wäre dieses Buch längst egal. Aber oft lese ich und im Herzen hallt es wieder. Durch mein Herz sehe ich den Stern am dunklen Himmel auftauchen und weiß: Die Nacht geht vorbei. Was mich und die Welt beschwert, hat ein Ende. Der Morgen, Jesus, kommt zu mir. Wenn ich sage: Zwei mal zwei ist vier, dann bin ich mir auch sicher. Aber mir scheint: Es gibt ein-Sich-Sicher sein, das noch tiefer geht. Etwas, das uns so teuer werden kann, dass wir lieber sagen würden: Zwei mal zwei ist drei – als Gott zu verschweigen. Wenn ich lese, was Petrus auf dem Berg erlebt hat: Dann stelle ich doch mehr Gemeinsamkeiten zwischen mir und ihm fest. Ja, ich war noch nie auf dem Berg, auf dem er saß und ich habe Jesus nie die Hand geschüttelt – 4 aber es fällt mir leicht, mich in Gedanken auf diesen hügeligen Boden im Freien zu legen, in eine Decke gehüllt, die Sterne über mir. Es fällt mir eigenartig leicht, mit Petrus auf Jesus strahlendes Gewand zu blicken und im Herzen wohlig zu wissen: Jetzt ist alles gut. Diese große Wolke, in der Gott auf Petrus zurast, diese Angst, von der Übermächtigkeit Gottes ganz erdrückt zu werden – die habe ich auch schon in meinen Träumen gespürt. Irgendwo, tief in mir, gibt es eine Verbindung zwischen ihm und mir. Die überbrückt 2000 Jahre. Was in der Welt und in meinem Leben passiert: Mir bleibt es dunkel und unverständlich. Nur eines ist mir auf einer tieferen Ebene völlig klar: Dass durch die Schrift Gott selbst zu mir spricht. Wenn mich jemand fragt: „Wo ist der Beweis?“, sollte ich immer antworten: Da drin, in diesem Buch. Sicher wirst du dir ganz von alleine, fang einfach an zu lesen Und denke darüber nach. Wenn ich zum Beispiel manche Worte von Jesaja lese, dann weiß ich: Das ist so wahr, so schön, was da steht. Das hat sich nicht irgendein Prophet ausgedacht: Das stimmt nicht einfach nur – das stammt von Gott. Mit solchen Worten spricht allein die Ewigkeit zu mir. Das muss dann gar nicht bewiesen werden, das ist so klar genug. Amen. 5
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