Feinstaub-Partikel muss man zählen

Unsichtbare Gefahr aus der Luft - Feinstaub-Partikel muss man zählen ...
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Freising
28. Juli 2015, 18:53 Unsichtbare Gefahr aus der Luft
Feinstaub-Partikel muss man
zählen
Ein Experte aus Mainz erklärt der Bürgerinitiative Freising, warum die FMG
behauptet, nicht für die erhöhten Feinstaubwerte am Flughafen verantwortlich
zu sein. Nun will man ein Messgerät für Ultrafeinstaub anschaffen.
Von Sophie Vondung
Der Feinstaub-Spezialist Wolfgang Schwämmlein aus Mainz war am Montag bei der
BI Freising zu Gast, um den Startbahngegnern aktuelle Messungen zum Thema
"Ultrafeinstaub durch Flugverkehr" vorzustellen. Mit Nachdruck versicherte dabei die
BI-Vorsitzende Eva Bönig, dass sie glaube, der jahrelange Kampf der
Startbahngegner werde Erfolg haben und die dritte Startbahn werde nicht gebaut.
Oswald Rottmann von der Bürgerinitiative Freising sagte am Dienstag auf
Nachfrage, das Gebiet um den Flughafen Frankfurt sei besonders stark vom
Feinstaub betroffen und die Bürgerinitiative kämpfe dort seit Jahren gegen den
Ausbau des Flughafens. Deshalb sei die Mainzer Bürgerinitiative mit ihren
Messungen ein Vorreiter und ein Vorbild für Freising. Schwämmlein erklärte dann
anschaulich, was Ultrafeinstaub überhaupt ist und welche Gefahren er birgt. Viele
Messungen basierten auf dem Gewicht der Partikel, sagte er. Dabei falle der winzige
Ultrafeinstaub jedoch im wahrsten Sinn nicht ins Gewicht und werde bei den
Messungen übersehen. Das sei besonders fatal, zumal die kleinsten Partikel den
größten Schaden anrichteten, warnte er. Denn je kleiner die Feinstaubteilchen
seien, desto tiefer könnten sie in den Körper eindringen und den Organismus von
innen schädigen. Die einzige Möglichkeit, die wirklichen Gefahren abzuschätzen,
sei, die Partikel zu zählen, ohne ihre Größe zu beachten. Zur Veranschaulichung
zeigte Schwämmlein eine Münchner Studie aus dem Jahr 2011. Man habe die
Feinstaubpartikel am Flughafen zunächst nach Gewicht gemessen und versucht, sie
dem Verursacher zuzuordnen. Diese Untersuchung habe ergeben, dass 90 Prozent
der Partikel aus dem Umland stammten und nur zehn Prozent vom Münchner
Flughafen selbst.
30.07.2015 12:29
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Eine mobile
Messstation hat bislang
nur die FMG. Nun will
die BI Freising auch ein
Messgerät kaufen.
(Foto: Einfeldt)
Messe man jedoch die Anzahl, sei das Ergebnis genau umgekehrt: 90 Prozent der
Partikel würden dann vom Flughafen verursacht und nur zehn Prozent kämen aus
der Umgebung. Die größeren Schmutzpartikel von Baustellen oder Straßenverkehr
hätten den Ultrafeinstaub bei der ersten Messung überlagert, erklärte er. Eine
eindeutige Zuordnung an den Verursacher sei wichtig, werde von
Startbahnbefürwortern doch immer wieder die These genannt, der Flughafen sei
nicht der Grund für erhöhte Feinstaubwerte, sagte Schwämmlein. Nach einigen
Streitigkeiten habe sich die Bürgerinitiative Mainz schlussendlich selbst ein teures
Messgerät gekauft, um die Anzahl der Ultrafeinstaubpartikel genau zu bestimmen.
Schwämmlein zeigte ein Video von einer Messung in Mainz . Von 24 000 Partikeln
pro Kubikzentimeter Luft stieg die Anzahl vor den Augen der ungläubigen Zuhörer
auf das 1,5-fache, nachdem die Messstation von einem Flugzeug überflogen wurde.
Messungen im Mainzer Ortsteil Hechtsheim ergaben eine Kurve, die die
Partikelanzahl je nach Uhrzeit beschreibt. Zwischen den Hochpunkten, bei denen
reger Flugbetrieb herrschte, war die Zahl der Partikel plötzlich rapide gesunken, als
am Vormittag ein Wechsel der Flugrichtung erfolgte und eine Stunde lang kein
Betrieb herrschte. "So sind die Erhöhungen eindeutig dem Flugbetrieb zuzuordnen",
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sagt Schwämmlein.
Die unsichtbare Gefahr
Feinstaub ist ein Gemisch aus festen und flüssigen Partikeln. Er wird
nach der Größe in Fraktionen eingeteilt: Ein PM10-Teilchen
beispielsweise hat einen maximalen Durchmesser von zehn Mikrometern.
PM steht für "Particulate Matter" und bedeutet auf deutsch nichts anderes
als Feinstaub. Ab einer Größe von einem Mikrometer abwärts zählen
Partikel zum Ultrafeinstaub. Rußpartikel aus Flugzeugmotoren waren im
Jahr 1970 noch über der Lichtwellenlänge und damit sichtbar, erklärt
Wolfgang Schwämmlein. Deshalb zogen Flugzeuge, die man beim
Starten und Landen beobachtete, braune Rußwolken hinter sich her. Mit
den moderneren Triebwerken und der verbesserten Verbrennung hat sich
die Lage jedoch keinesfalls verbessert. Denn je moderner die Triebwerke
wurden, desto gefährlicher wurde auch ihr Ausstoß. Gerade dass man sie
nicht sehen kann, ist das Gefährliche an den Ultrafeinstaub-Partikeln. Sie
können bis ins Lungengewebe und in den Blutkreislauf vordringen und so
zu Reizungen und Entzündungen führen. Über die Blutbahn kann der
Ultrafeinstaub sogar bis ins Gehirn gelangen. Laut einer Studie des
Amsterdamer Flughafens Schiphol steigt die Sterberate um drei bis sechs
Prozent, wenn sich die Partikelanzahl um 1000 pro Kubikzentimeter
erhöht. Um die Feinstaubbelastung eines Ortes festzustellen, muss man
zuerst die Hauptwindrichtung messen. Anschließend werden die
Betriebsrichtungen des Flughafens festgestellt, das heißt die Flugrichtung
bei Start und Landeanflug. Es lässt sich dann darstellen, welche
Windböen vom Flughafen kommen und aus welcher Richtung die meisten
Feinstaubpartikel kommen. Für ihre μMessungen wollen die Freisinger
Aktivisten bis zum Winter abwarten, weil im Sommer oft starke Thermik
herrscht und die Feinstaubpartikel in die Höhe trägt, sodass sie nicht
mehr messbar sind. Sie kündigen an, mit den Messergebnissen künftig
mehr Druck auf die Politik zu machen, die im Ultrafeinstaub bislang wenig
Gefahr für die Gesundheit ausmacht. sovo
"Auch wir in Freising wollen uns ein solches Messgerät anschaffen", sagt Rottmann.
Nur die FMG habe im Moment Messstationen im Landkreis. Der Flughafen richte
sich jedoch nur nach den gesetzlichen Grenzwerten, sagte Rottmann. Er darf am
Tag höchstens 50 Mikrogramm pro Kubikmeter an PM10-Feinstaub freisetzen. Die
Grenzwerte gebe es aber nur für Feinstaub, nicht für Ultrafeinstaub.
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SZ vom 29.07.2015
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