Schiessen, bis der Körper rebelliert 500 Schuss hintereinander: Ein aussergewöhnliches Schützenturnier feierte in Uetikon Premiere – und das so erfolgreich, dass es eine Neuauflage gibt. Von Andreas Faessler Männedorf/Uetikon – Wer schon einmal versucht hat, mit einem Gewehr die Mitte einer Zielscheibe zu treffen, der weiss, wie viel Konzentration dabei gefordert ist. Je länger man sich konzentriert, desto grösser werden die Erschöpfung und somit die Gefahr, den Schuss zu verpatzen. Die Sportschützen Männedorf und viele Gäste aus Schützenvereinen der ganzen Schweiz stellten sich gestern beim Luftgewehrschiessen einer besonderen Herausforderung: Statt des wettkampfüblichen Pensums von 60 Schuss auf 10 Meter wurde pro Person gleich eine ganze Packung auf die Zielscheiben gefeuert. Mit anderen Worten: 500 Schuss. Und das wiederum bedeutet: geschlagene zehn Stunden lang schiessen – stehend, versteht sich. Gefährlicher, als man meint Da es im Kanton Zürich kaum Schiessstände gibt, die genügend gross sind für ein solch episches Turnier, haben die Männedörfler Sportschützen für ihren Schiessmarathon 40 Scheiben in der Uetiker Turnhalle Riedwis aufgestellt. Möglich war dies dank über 40 Sponsoren aus der Region. Das Interesse bei den eingeladenen Sportschützen war gross, wie Organisator Thomas Gubser sagte. «Wir hätten noch viel mehr von ihnen nach Uetikon locken können.» Ab acht Uhr früh flogen die Bleikugeln unentwegt durch die Halle. Dabei mussten strenge Sicherheitsregeln befolgt werden, denn viele Leute unterschätzen die Gefährlichkeit eines Luftgewehr, wie Gubser erklärte. Nicht nötig war dagegen ein Gehörschutz; ein Schuss aus einem Luftgewehr klingt bloss wie ein Schnalzen. In Reih und Glied standen die Schützen – zu Beginn noch stramm, am späteren Nachmittag schon sichtlich erschöpft. Die einen verzehrten reichlich Bananen und anderes Kraftfutter, andere schmissen entmutigt die Flinte ins Korn. Wer denkt, dass körperliche Erschöpfung den Bewegungssportarten vorbehalten ist, irrt. Schlimmer als ein Marathon «Ich bin fix und fertig», sagte der Thurgauer Marco Gerardi, als er um 16 Uhr seine ganzen 500 Schuss verpulvert hatte. Schweiss perlte von seiner Stirn. Eine wissenschaftliche Untersuchung habe ergeben, dass der Energieaufwand bei einem normalen Wettkampfschiessen mit 60 Schuss so hoch sei wie bei einem Marathonlauf, erklärt Gerardi. Da könne kann man sich ja ausrechnen, was für ein Kraftakt die konzentrierte Abgabe von 500 Kugeln bedeute. «Ich habe sicher vier Liter geschwitzt», war Gerardi überzeugt. Am Ende eines anstrengenden Tages wurden die besten Elite- und Juniorenschützen mit Medaillen ausgezeichnet. Der Gesamtsieg ging an den Hörbehinderten Thomas Mösching aus Spiez, der an den Deaflympics 2009 in Taiwan Gold geholt hatte. Er durfte einen eigens für den Anlass angefertigten Wanderpokal von beachtlicher Grösse empfangen. Einen Wanderpokal? Für einen einmaligen Anlass? «Natürlich nicht», klärte Thomas Gubser auf und lacht. Das Spektakel sei so erfolgreich gewesen, dass es fortan jährlich wiederholt werde. So konzentriert mussten die Schützen stundenlag ausharren. Foto: Christoph Kaminiski
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