Schwach auf der Brust Eiergeschäft Das Kombihuhn gilt als Hoffnungsträger, um das Sterben männlicher Küken zu stoppen, die in der Eierproduktion untauglich sind. Liefert das neue Huhn, was der Konsum verlangt? LAURINA WALTERSPERGER gackernd tummelt sich ein kleiner Haufen weisser Hühner auf der sonnigen Wiese am Fusse des Bachtels. Während ihre Artgenossen in Gemütlich den Legebatterien oder den Mastbetrieben in Rekordzeit auf Hochleistung ge- algr. MO. Küken: Früher Tod für die männlichen Tiere. 812 Millionen Eier wurden 2013 von Schweizer Hennen produziert. Der Bio-Anteil betrug 116 Millionen Eier. Die Schweiz deckt damit 55 Prozent des Eierbedarfs aus Direktkonsum und Industrieverarbeitung. Eine Henne legt rund 300 Eier im Jahr, beim Kombihuhn sind es 60 Eier weniger. trimmt werden, gewährt ihnen Bauer Kurt Brunner auf seinem Hof in der Nähe von Hinwil Zeit zu gedeihen. Die Hennen legen Eier, ihre männlichen Brüder werden in geduldiger Arbeit aufgezogen. Ein System, dessen sich auch die Industrie bedient, um auf die immer wieder aufflammende Kritik an der Tötung männlicher Küken zu reagieren. Während die über Jahrzehnte auf Leistung gezüchteten Legehennen immer mehr und günstigere Eier legen, steigt die Anzahl ihrer männlichen Brüder aus den Legelinien, die bereits als Eintagsküken den Tod finden. Sie liefern keine Eier und sind wegen der auf Lege- hühner ausgerichteten Zucht für die schnelle Mast zu schwach. Die Industrie hat deshalb das «Kombihuhn» entwickelt. Eine Rasse, bei der die Henne Eier legt und der Hahn dank geduldiger Aufzucht doch noch den Weg in die Fleischabteilung der Einkaufsläden findet. Die Hoffnungen sind gross, seit mehreren Jahren laufen Projekte bei Brütereien, Legebetrieben und Grossverteilern wie Coop. Doch bei vielen Züch- tern, Brütern und Produzenten folgte bereits die Ernüchterung. Verhaltenes Fazit Das hochgelobte Zweitnutzungstier leistet nicht das, was sich viele erhofften. Die Industrie wollte das neue Kombihuhn breit lancieren, das Fazit ist verhalten: «Nach vier Jahren Versuchsarbeit mussten wir einsehen, dass es nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten», sagt Alfred Reinhard, Geschäftsführer bei Hosberg, dem grössten Bio-Eier-Produzenten in der Schweiz. Und. Tanja Kutzer, Agrar- wissenschafterin und Leiterin der Tierpro- dafür bekommen seine Kunden jährlich jekte beim Schweizer Bio-Label KAGfrei- 100 Eier, einen Hahn als Foulet und eine land, sagt: «Die beiden Zuchtmerlanale Legeleistung und Mastansatz korrelieren genetisch negativ miteinander - daher ist es nicht möglich, aus beiden Merkmalen ausgemusterte Legehenne als Suppenhuhn. Trotz geringer Abo-Zahl und viel Aufwand glaubt Brunner an das Nischengeschäft mit den Kombihühnern. Zu seiein Huhn zu züchten, das sich wirtschaft- nen Kunden zählen die vegetarischen Tilich rechnet.» Das zeigen auch die Zahlen: bits-Restaurants, der Zürcher Bio-Bäcker Wo Eierproduzenten für ein konventionel- John Baker und growlocal.ch, eine Platt- les Ei 140 Gramm Futter einkalkulieren form für lokale Lebensmittel. Brunner müssen, ist es beim Kombihuhn-Ei gut die bedient eine kleine Klientel und hat sich Hälfte mehr, und fast so gefrässig sind auch damit einen Markt geschaffen. «Aber die die Männchen. Gleichzeitig legen die Hen- Unterstützung aus der Branche fehlt», sagt nen weniger und kleinere Eier und die er. Mehrfach sei er etwa beim FiBL oder Hähne brauchen in der Mast vier Mal län- dem Bio-Label Demeter, dem er selber angehört, vorstellig geworden, um etwas geger, bis sie schlachtreif sind. Trotzdem lancierte Coop sein Kombi- gen die Tötung der männlichen Küken zu huhn-Projekt vor einem Jahr. Bis dieser tun - «passiert ist bisher nichts». Versuch kommenden Frühling abgeschlossen sei, gebe Coop keine Auskunft, ob das Kombihuhn fest ins Sortiment aufgenommen werde, so ein Sprecher. Beim Praxisversuch werde aber «nicht nur die Produktqualität bewertet, sondern auch die Kostensituation kalkuliert». Gerade bei den Kosten dürfte das Versuchshuhn durchfallen. Seit Juli verkauft Coop das 6er-Pack der 45-Gramm-Plus-Eier für 5.95 Vielerorts herrscht Ratlosigkeit, wie man dem Problem auf breiter Basis begegnen soll. Einige Betriebe und das FiBL halten vorerst am Kombihuhn fest und versuchen, das überdurchschnittlich gefrässige Tier mit weniger gehaltvoller Nahrung zu füttern, um die ökonomische und ökologische Bilanz des Huhns zu verbessern. Andere schlagen eine neue Stossrichtung ein. Das Bio-Label KAGfreiland will die Be- Franken, während der Konsument die dingungen in der Eierproduktion mit eigleiche Schachtel Bio-Eier in konventio- ner frühzeitigen Geschlechtserkennung neller Grösse (60-Gramm-Plus) für 1 Fran- im Ei verbessern. Das Ziel ist es, eines Taken günstiger bekommt. «Die breite Mas- ges die männlichen Küken aus den Lege- se ist leider nicht bereit, für ethisch ver- linien bereits im unbebrüteten Ei zu betretbare Produktionsweisen den nötigen stimmen, damit die Eier noch an SuperAufpreis zu zahlen», sagt Veronika Maurer, märkte und die Industrieverarbeitung Nutztier-Expertin beim Forschungsinsti- oder als hochwertige Proteine an Tierfuttut für biologischen Landbau (FiBL). terhersteller verkauft werden können. KAGfreiland versucht zurzeit, die Bio- Branche für diese Bestrebungen ins Boot Bauer Brunner aus dem Zürcher Ober- zu holen. Entsprechende Versuche laufen land verlangt für ein Ei 1 Franken - und an der Vogelldinik der Universität Leipzig. selbst damit rechne sich das Geschäft mit Forscher können dort bereits am dritten Bebrütetag mit einem Infrarotspelctroskop den Kombihühnern zurzeit nicht. Für sei es primär ein ideelles Projekt, um et- die DNA des Embryos ermitteln. Schon in was gegen das Kükensterben zu tun. Für drei Jahren will die Uni der Industrie ein 200 Franken verkauft er seine Eier-Abos, erstes fliessbandtaugliches Gerätemodell vorstellen. Nur für die Nische
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