| A R C H IT E K T U R | S T Y L G Mich interessiert, wie Verhältnisse zwischen unterschiedlichen Formen und Flächen funktionieren. Esther Stocker Fremdkörper in Schwarz--WeiSS? Fotos: Matteo Groppo (3) SILO BARTH: UMFANG 15,70 METER, HÖHE 21,50 METER, NITROLACK AUF EISEN. So lautet der Werkartikel zum „“Kunst-am-Bau-Projekt“ der Firma Barth in Brixen. Die Künstlerin Esther Stocker und der Unternehmer Ivo Barth realisierten die Idee: Aus einem grünen Silo-Turm wurde ein Schwarz-Weiß-Kunstwerk. 22 | insüdtirol nr. 06 insüdtirol nr. 06 | 23 | A R C H IT E K T U R | S T Y L Rasterformen sind erweiterbare Systeme. Einzelteile, die nicht aneinanderliegen, sondern zwischen denen es Raum gibt. Der Raum dazwischen trennt die Einzelteile voneinander. nicht jeder andere bieten kann. So haben wir letztes Jahr zum Beispiel für einen privaten Weinliebhaber in Toronto Vitrinen gestaltet und eingebaut“, erzählt Ivo Barth von den fernen Stationen, die er durch seine Arbeit in den letzten Jahren immer wieder aufgesucht hat. Dementsprechend arbeitet Barth heute ausschließlich mit Architekturbüros zusammen. In seiner Freizeit gehört die moderne Kunst zu seinen Leidenschaften. Ivo Barth vermag es besser auszudrücken: „Ich liebe moderne Kunst!“ Und deshalb verbringt der Unternehmer seine Mußestunden damit, sich über das aktuelle Kunstgeschehen auf dem Laufenden zu halten. „Ich bin in verschiedenen Vereinen tätig und besuche regelmäßig Ausstellungen“, erläutert der Firmeninhaber. Esther Stocker: „Was sind das für Dinge, die wir voraussetzen?“ Kunst sollte als freies Experimentierfeld ”Die möglichst offen sein.” In Südtirol: Wieso haben Sie sich für die Außengestaltung des Silo-Turms von Barth entschieden? Esther Stocker: Es war eine Idee, ein Vorschlag von Ivo Barth. Er hat mich gefragt, was ich mir für die Gestaltung des Silo-Turms vorstellen könnte. Es hat dann eine Reihe von Entwürfen gegeben, und wir haben uns gemeinsam für diesen entschieden. Warum haben Sie sich für diese Materialien und Formen des Projekts entschieden? Ich liebe die Vielseitigkeit dieses Berufes und den Reiz, etwas Besonderes zu schaffen. Ivo Barth Was mich daran fasziniert, ist die Form des Turms, denn man kann sie nie als Ganzes sehen. Man kann sie umrunden, und sie hört nicht an einer bestimmten Stelle auf. Ich habe die Arbeit so angelegt, dass der Turm eine Struktur erhält, die sich ändert. Jede Seite ist nämlich anders. Die Seiten ähneln sich, aber sie sind nicht gleich. Als Material wurde Nitrolack auf Eisen gewählt. Ich habe den Entwurf gefertigt. Der Turm wurde dann von einer heimischen Malerfirma bemalt. Warum haben Sie mit den beiden NichtFarben Schwarz und Weiß gearbeitet? In diesem Fall war es für mich sehr spannend, weil diese Kombination in der na24 | insüdtirol nr. 06 Foto: Michael Höpfner Esther Stocker türlichen Umwelt nicht vorhanden ist. Das Umfeld ist durch das Bergpanorama sehr schön, und deshalb finde ich den Kontrast dazu so interessant. So zum Beispiel das Blau des Himmels zum Schwarz. Man soll auch sehen, dass es sich um etwas Technisches, etwas Unnatürliches handelt, das dem Natürlichen gegenübersteht. Einfach etwas anderes. Ruhig auch ein Fremdkörper, aber nicht im negativen Sinn. Welche Eindrücke soll die Fassadengestaltung beim Betrachter hinterlassen? Einfach: Der Betrachter soll die Freude haben, den Turm anzuschauen. Wichtig ist auch, dass der Silo auch wiedererkennbar ist, weil er ein ganz spezielles Aussehen hat. Es geht auch um Fragen der Identität. Welches Feedback haben Sie für die Gestaltung erhalten? Das ist sehr schwer zu beurteilen, aber ich bin davon überrascht, dass das Projekt vor allem auch viele interessiert, die nicht aus der Gegend stammen. Das Projekt wird nämlich hier in Wien gerne aus dem Katalog ausgesucht. Das finde ich deshalb sehr positiv, weil der Silo außerhalb des behüteten Rahmens von einem üblichen Kunstort entstanden ist. Interview: Tanja Leitner Foto: Martin Pardatscher S chon lange bevor das Betriebsgebäude der Firma Barth sichtbar wird, fesselt ein ganz besonderer Blickfang die Autolenker, die in die Stadt Brixen einfahren oder am Rand der Bischofsstadt die Autobahn passieren. Fast wie ein Magnet zieht er den Betrachter in seinen Bann. Der Fremdkörper wirkt imposant auf die neugierigen Blicke, die an ihm haften, um die interessante Erscheinung in sich aufzunehmen. Schwarz – Weiß – Schwarz – Weiß; rundum blauer Himmel. Der dunkelgrüne Silo-Turm mit aufgedrücktem „barth“-Logo bereitete dem Firmeninhaber Ivo Barth schon fünf Jahre Kopfzerbrechen, und es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Kunstliebhaber für eine geeignete Lösung entschied. Mehrere Mög- lichkeiten wurden immer wieder durchgespielt: „Einen Kunstwettbewerb auszuschreiben und einige Künstler einzuladen“ war eine davon, erzählt der Unternehmer Ivo Barth, der schon so manch interessante Idee umgesetzt hat. Die Ausstattung der Kaserne der Schweizergarde im Vatikan, das Archäologiemuseum, das Touriseum Schloss Trauttmansdorff, Einrichtungen von Showrooms in London, Paris, Antwerpen, Madrid, Mailand, Büroeinrichtungen im IZD-Tower in Wien oder Bibliothekseinrichtungen im Finanzministerium in Rom sind einige Beispiele der endlos scheinenden Liste interessanter Innenausstattungen des „Barthschen“ Unternehmungsgeistes. Der gelernte Tischlermeister und ausgebildete Holztechniker hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt und dann das Unternehmen in der vierten Generation übernommen. Vor 130 Jahren lagen die Wurzeln der Firma noch in der Kunsttischlerei, mittlerweile hat sich das Unternehmen auch über die Bearbeitung von Holz hinausgewagt und lässt Materialien wie Glas und Inox in seine Konstruktionen mit einfließen. „Schön langsam“ hat sich Ivo Barth die unternehmerischen Raffinessen, die das heutige Wirtschaftsleben erfordert, antrainiert. „Ich liebe die Vielseitigkeit dieses Berufes und den Reiz, etwas zu schaffen, das G Zur Person Esther Stocker ist 1974 in Schlanders geboren und besuchte die Akademie der bildenden Künste in Wien. 2001 erhielt sie das österreichische Staatsstipendium für bildende Kunst und 2002 ein Atelierstipendium für Chicago. Ihr Werk war bisher in zahlreichen Ausstellungen in Wien, Salzburg, Graz, München, Berlin und Chicago zu sehen. Heut lebt und arbeitet die Künstlerin in Wien. insüdtirol nr. 06 | 25 Ich arbeite mit Schwarz und Weiß , weil das den größten Kontrast zwischen hell und dunkel gibt. Esther Stocker Den Beweis dafür liefert der Firmeninhaber selbst, betrachtet man das Firmengelände. Das Kunstwerk „Die Blase“ des Künstlers Hans Kupelwieser ziert nämlich das Eingangsdach des Betriebsgebäudes. Im Hintergrund die imposante Erscheinung in Schwarz–Weiß. „Die Idee, aus dem Silo etwas Besonderes zu machen, ist langsam in mir gereift“, resümiert der Kunstliebhaber, und er war davon überzeugt, dass die Künstlerin Esther Stocker die richtige Muße für so ein Projekt hatte. Die beiden hatten sich bei der Ausstellung der Künstlerin in der Galerie Museum in Bozen 2004 kennengelernt und beschlossen, den grünen Turm als Kunstwerk zu gestalten. Für einen Tischlereibetrieb ist ein SiloTurm wie der Barth-Silo unabdingbar. Holzabfälle jeglicher Art, die durch die Produktion anfallen, werden darin gesammelt und durch geeignete Methoden wiederverwertet. Ivo Barth wollte diese Nütz- lichkeit durch die ästhetische Gestaltung noch unterstreichen. Esther Stocker lieferte den Entwurf und realisierte so ihr erstes „Kunst-am-Bau-Projekt“ in Südtirol. In ihrer Wahlheimat Wien hingegen ist die junge Künstlerin keine Unbekannte. Ihr bisher bekanntestes „Kunst-am-Bau-Projekt“ ziert die Fassade der Rückseite des Kunsthauses in Graz. Außerdem zeigte Esther Stocker ihre Werke bereits in zahlreichen Ausstellungen in unterschiedlichen Orten. So zum Beispiel in Wien, Salzburg, Graz, München, Berlin und Chicago. Grundsätzlich arbeitet Esther Stocker mit den beiden Nicht-Farben Schwarz und Weiß, die sie zu geometrischen Mustern strukturiert, deren Raster Brüche und Verschiebungen aufweist. Der Barth-Silo-Turm war deshalb eine besonders reizvolle Herausforderung für die Künstlerin, denn die runde Form des Turms widerspricht der geradlinigen Strenge der Formen, die die Arbeiten der Künstlerin kennzeichnen. Esther Stocker ist fasziniert von der „reduzierten Formensprache“, denn sie will zeigen, „wie Verhältnisse zwischen unterschiedlichen Formen und Flächen funktionieren“, und durch diese Technik kann „man am besten sehen, wie ein Übergang oder eine Struktur funktioniert“, so spezifiziert die Künstlerin ihre Werke. Das Kunstwerk „Die Blase“ von Hans Kupelwieser auf dem Dach des Firmengebäudes. 26 | insüdtirol nr. 06 Es waren die Gegensätze, die Esther Stocker an diesem Projekt gefangen genommen haben. „Ich wollte einen künstlichen technischen Turm in Schwarz–Weiß mit dem Bergpanorama und dem blauen Himmel im Hintergrund kombinieren“ resümiert Esther Stocker über ihr Projekt. Der Kontrast: Die exakt geführten waagrechten Flächen und Linien kontrastieren mit den waagrechten, aber geschwungenen Linien der Südtiroler Bergwelt im Hintergrund, genauso wie die Farbgebung in Schwarz–Weiß mit dem Grün und Blau der umgebenden Natur. „Ich wollte ein ganz individuelles Gesicht zeichnen“, erzählt die Künstlerin mit Begeisterung. Die gefesselten Autolenker und die verwunderten Passanten werden diese Aussage bestätigen können, wenn sie das Schwarz – Weiß – Schwarz – Weiß auf ihrer Reise begleitet. Die Idee für das Projekt löste unterschied- liche Reaktionen aus. Da hat schon so mancher dem Unternehmer die Frage gestellt: „Was hast du dir denn dabei gedacht?“ Doch Ivo Barth nimmt solche Aussagen ganz gelassen und meint nur: „Jeden Tag freue ich mich, diese Arbeit zu betrachten, und auch sonst habe ich weitgehend nur positives Echo erhalten.“ Mit dem Projekt Silo-Turm hat sich das kunstschaffende Duo sogar am Südtiroler „Kunst-am-Bau-Wettbewerb“ beteiligt und erhofft sich gute Gewinnchancen. Für so manchen Kunstbanausen ist die Umsetzung dieser Idee sicherlich verwunderlich. Dennoch ist es der Wahl-Wienerin durch ihre außergewöhnliche Arbeit gelungen, auf diesen Kontrast aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass künstlerische Kreativität keine Grenzen kennt. Zahlreiche Ideen und Innovationen schlummern noch im Verborgenen. Sie warten darauf, von schöpferischen Talenten aus ihrem dunklen Kerker befreit und ans Tageslicht gebracht zu werden. Ob das Werk eine „Einheit mit der Architektur bildet, für die es geschaffen wurde“, wie es in der Ausschreibung zum Wettbewerb verlangt und deshalb prämiert wird, muss sich allerdings noch unter Beweis stellen. Tanja Leitner Der Silo-Turm der Firma Barth mit seiner ursprünglichen Außenfassade. Quelle: Barth | A R C H IT E K T U R | S T Y L G
© Copyright 2024 ExpyDoc