Energiewende und Industrialisierung funktionieren nur mit Standards

Magazin für die
Energiewirtschaft
www.ew-online.de
Sonderdruck ( Nr. 7322 ) aus 2015 (Jg. 114), Heft 12, S. 18-20
Openkonsequenz Working Group will Datenaustausch vereinfachen
Energiewende und Industrialisierung
funktionieren nur mit Standards
Interview mit Hans-Peter Hamann, Senior Business Development Manager bei BTC
Meinungen + Macher
Openkonsequenz Working Group will Datenaustausch vereinfachen
Energiewende und Industrialisierung
funktionieren nur mit Standards
Es ist ein Novum für die Energiewirtschaft: Eine offene und standardisierte Plattform soll den Aufwand für
die Schnittstellenprogrammierung reduzieren, die für die Datenkommunikation zwischen ERP-, GIS- und
Netzleitstellensystemen notwendig ist. Acht deutsche Verteilungsnetzbetreiber, vereint im Konsortium
Openkonsequenz Working Group, haben die BTC AG beauftragt, eine solche Plattform zu entwickeln. Doch
was haben IT-Dienstleister von einer offenen Plattform? Im Interview mit der ew erläutert Hans-Peter
Hamann, Senior Business Development Manager bei BTC, warum er die Initiative begrüßt.
Herr Hamann, es heißt, die offene Software
mit der Bezeichnung Open-K-Plattform beschleunigt die Energiewende. Warum ist
dies so?
Hamann: Die Plattform liefert einen einheitlichen, offenen Standard, das heißt
ein klar definiertes offenes und nachvollziehbares Modell. Die Open-K-Plattform
soll den Datenaustausch zwischen den
(noch zu) entwickelnden Open-K-Apps
für das Netzsicherheitsmanagement
und den traditionellen, meist proprietären Systemen bei den Netzbetreibern
vereinfachen. Dadurch lassen sich die
Kosten der Systemintegration reduzieren. Zugleich ermöglicht die Plattform
eine Beschleunigung der Prozesse in ITProjekten. Schließlich entfällt durch die
Plattform ein großer Teil des Aufwands
für die Entwicklung von Schnittstellen,
Proprietäre Lösungen
führen zum
Vendor-Lock-in-Effekt.
um die Daten zwischen den Systemen –
etwa zwischen Netzleitsystemen wie
Prins, ERP oder GIS – austauschen zu
können. Das wiederum beschleunigt
die Energiewende. Ohne Digitalisierung,
Vernetzung und Integration der Systeme
und ohne den Ausbau der Automatisierung der Prozesse ist die Energiewende
ohne explodierende Kosten nicht möglich.
Eine solch offene Plattform kann die Abhängigkeit der Netzbetreiber von einzelnen
Herstellern aufheben. Was heißt das für Sie
als IT- und Integrationsdienstleister?
Hamann: Proprietäre Lösungen führen
zum Vendor-Lock-in-Effekt, das heißt, ein
Netzbetreiber, der einmal angefangen
hat, mit einer Software zu arbeiten, ist an
den Anbieter gebunden, weil ein Wechsel
zu viel kosten würde. Im Gegensatz dazu
können Netzbetreiber mit Open-SourceSoftware auch alternative Anbieter beauftragen. Die Verteilungsnetzbetreiber
der Arbeitsgruppe nennen das eine Befreiung aus dem Vendor Lock-in. Auch in
Bezug auf Verfügbarkeit, Qualität und
Kosten sehen sie Vorteile. Nun rückt die
Leistungsqualität an vorderste Stelle bei
der Auswahl eines Dienstleisters – wenn
etwa ein Netzbetreiber einen Implementierungspartner sucht, der die vernetzten
Systeme zum Laufen bringen kann. Das
begrüßen wir.
Wie in Open-Source-Projekten üblich, kann
die Community bei der Softwareentwicklung mitdiskutieren und mitentwickeln. Was
versprechen Sie sich davon?
Hans-Peter Hamann: Die Open-K-Plattform soll den Datenaustausch zwischen den
(noch zu) entwickelnden Open-K-Apps für das Netzsicherheitsmanagement und den
traditionellen, meist proprietären Systemen bei den Netzbetreibern vereinfachen.
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SONDERDRUCK 7322 aus ew 12 | 2015, S. 18-20
Hamann: Dadurch können deutlich mehr
Anregungen und Verbesserungsvorschläge in die Entwicklung einfließen –
das verbessert nicht nur die Qualität,
sondern auch die Funktionstüchtigkeit.
Zudem lassen sich durch die Bündelung
der knappen Ressourcen die Entwicklungskosten senken, was allen zugutekommt.
Meinungen + Macher
Wer hat etwas davon, wenn die Plattform
demnächst zur Verfügung steht? Kann und
will hier jedes Stadtwerk darauf zugreifen?
Openkonsequenz Working Group
Dem Konsortium mit dem Namen Openkonsequenz Working Group gehören an:
die MDN Main-Donau-Netzgesellschaft mbH aus Nürnberg, die Netrion GmbH aus
Mannheim, die E-Netz Südhessen GmbH & Co. KG aus Darmstadt, die Netz Leipzig
GmbH aus Leipzig, die Netz plus Service GmbH aus Kassel, die EWR GmbH aus Worms,
die Westnetz GmbH aus Dortmund sowie die EWE Netz GmbH aus Oldenburg. Die
Open-Source-Software soll einen neuen Industriestandard etablieren, der zum Ziel
hat, die Integration von ERP-, GIS- und Scada-Systemen (klassische Netzleittechnik)
in neue Anwendungssoftware zu vereinfachen.
Hamann: Zunächst haben alle Unternehmen etwas davon, die sich dem Konsortium angeschlossen und die Entwicklung
gemeinsam beauftragt haben. Auch diejenigen, die sich erst später dieser Arbeitsgruppe anschließen, können die Nutzungsrechte an der Software in Anspruch
nehmen. Für die Nutzung hat die Open-K
Working Group entsprechende Regeln in
ihrer Charta definiert. Schließlich profitieren auch die Softwarehersteller davon,
da sie einen bereits vorhandenen Source
Code nicht ein zweites Mal entwickeln
müssen, um die Anforderungen ihrer
Kunden erfüllen zu können. Außerdem
werden IT-Dienstleister eine wichtige
Rolle bei der Implementierung der OpenSource-Software und der Integration in
die klassischen Systeme wie Netzleittechnik, GIS und ERP übernehmen. Zugleich
sind sie diejenigen, die den Auftraggebern wie Stadtwerken und Netzbetreibern qualifizierten Support und Garantien für die Openkonsequenz-Lösungen
bieten können.
DB
App 2
DB
BPMN 2.0
Client
Linux
Open-Source
Wildfly
Apache Tomcat
Applikationsserver
BPMN 2.0
Hamann: Das Smart Grid ist das Element zur Vernetzung von Daten aus
der Erzeugung, dem Verbrauch und dem
Stromnetz. Wenn uns alle Daten aus der
Erzeugung und den Verteilungsnetzen
zur Verfügung stehen, ebenso wie der
aktuelle und prognostizierte Verbrauch,
kann das Stromverteilungssystem optimiert werden. Das Smart Grid bezieht ja
zusätzlich zu konventionellen Kraftwerken, Windenergie-, Photovoltaik- oder
Rest Webservice
O-Auth 2
Dienste
App 1
Hamann: Wir beobachten die Entwicklungen am Markt sehr genau und stellen
uns rechtzeitig auf neue Trends und Anforderungen ein, die derzeit stark von der
Energiewende geprägt sind. Dabei lassen
wir unsere langjährigen, auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Kundenbeziehungen nicht außer Acht. Im Gegenteil, auch unsere Kunden werden aus dem
Engagement Vorteile ziehen.
Spielte bei der Entscheidung des Konsortiums und Ihrer Mitarbeit auch das künftige
Smart Grid eine Rolle, das als Industrie 4.0
des Energiebereichs gilt?
Entwicklungstools
AngularJS
JavaScript
HTML
Jquery
CSS
Liferay
Client
App 1
Welches Ziel verfolgt die BTC mit der Teilnahme an der Openkonsequenz Working
Group?
Dienste
App 2
App
DB
Schema
pro App
JPA
Server
PostgreSQL
Rest Webservice
BPMN 2.0
Camunda
Rest Webservice
42812.1
EEG-Anlagen
ÜNB
intern
Anbindungen
extern
Wetterdienste
ZFA
Schaltzustände
NLS
Messwerte
NLS
Topologie
RLM-Lastprofile
CIM Smart Grid Reference Architecture (EU)
Standardisierung innen
ESB
GIS
Fachdaten
BDH
SAP
Kundendaten
Talend
Cache DB
Bild 1. Ende
2014 hat sich
ein Konsortium
aus bisher acht
deutschen
Verteilungsnetzbetreibern
zusammengeschlossen, um
Open-SourceSoftware (OSS)
für Netzbetreiber
entwickeln zu
lassen.
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Meinungen + Macher
Biogasanlagen auch das Smart Home
mit intelligenten Waschmaschinen,
Speichern und Wärmepumpen im Keller mit ein, genauso wie Elektroautos
und Stromtankstellen. Dieses komplexe Netz und seine Dynamik lassen sich
nur dann optimal steuern, wenn eine
Ohne Digitalisierung,
Vernetzung und
Integration der Systeme
ist die Energiewende
ohne explodierende
Kosten nicht möglich.
Standardisierungsplattform für eine
Vereinheitlichung der Datenkommunikation sorgt. Das Smart-Grid-Szenario
dürfte das Konsortium auf jeden Fall
mit beeinflusst haben. Im Übrigen ist
inzwischen jedem klar, dass Industrie
4.0 nur auf Basis von Standards funktionieren kann. In unserem Fall heißt
das: Bei Openkonsequenz einigen sich
Netzbetreiber und Hersteller auf Standards und bieten die Ergebnisse als offene, standardisierte Plattform an. Da
es zudem für viele Themen schon solche
Standards gibt, müssen die Teilnehmer
sich nur noch darauf einigen, welche genutzt und wie sie verwendet werden.
Das kann zu einer Win-win-Situation für
alle Beteiligten führen. Die bisher stark
isolierten Systeme des Netzbetriebs
widersprechen auf jeden Fall dem Vernetzungsgedanken von Industrie 4.0.
Um welche Themen geht es bei der Open-KPlattform, die Sie gerade entwickeln?
Hamann: Es geht um IKT-Lösungen, um
die aktuelle Herausforderungen der Netzbetreiber anzugehen. Die Plattform hat
Themen im Visier, die im Zusammenhang
mit der Energiewende von höchster Bedeutung sind, nämlich Energienetze
sicher steuern und die Versorgungssicherheit aufrechterhalten. Dazu gehören
vor allem Lösungen für das intelligente
Last- und Einspeisemanagement, für die
EEG-/KWK-Spitzenkappung und der Onlinedatenaustausch im Energieinformationsnetz. Die ersten zwei Open-K-Apps,
die BTC im Auftrag des Konsortiums
entwickelt, befassen sich zum Beispiel
mit dem Einspeisemanagement nach
§ 13 (2) EnWG.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Initiative weiterentwickeln?
Hamann: Nachdem sich vor Kurzem auch
die beiden großen Verteilungsnetzbetreiber Westnetz und EWE Netz der Arbeitsgruppe angeschlossen haben – und sich
damit die Einwohnerzahl der von den Mitgliedern des Konsortiums versorgten Gebiete von 11 auf 15 Mio. erhöht hat – kann
nicht mehr von einem vorübergehenden
Trend die Rede sein. Das derzeitige Interesse lässt einen weiteren großen Zulauf
erwarten.
>>www.btc-ag.com
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