20 Jahre IG Westen

Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann
20 Jahre IG Westen
Wilhelm-Busch-Schule
27. September; 15 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren!
Kennen Sie das „Geburtstagsproblem“? Damit meine ich nicht die alljährliche Frage nach dem
richtigen Geschenk. Das Geburtstagsproblem, das ich meine, macht klar: Wir schätzen manche Dinge
völlig falsch ein. Nehmen wir von den heutigen Gästen eine beliebige Auswahl von 23 Personen. Wie
groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass zwei von diesen 23 Personen tatsächlich am gleichen Tag
Geburtstag haben? Zwei Prozent, fünf Prozent? Falsch! Die Wahrscheinlichkeit liegt bei satten 50
Prozent! Keine Angst. Ich werde Sie jetzt nicht mit mathematischen Einzelheiten des sogenannten
„Geburtstagsproblems“ langweilen.
Mir geht es um Feiern, Feste und Veranstaltungen. Da ist es nämlich genau so wie beim
Geburtstagsproblem. Bei der Organisation denkt jeder Verein: Das Jahr hat nun doch wirklich genug
Wochenenden für alle Feiern. Aber dann fallen die Veranstaltungen doch auf den gleichen Tag. An
dem einen Wochenende machen sich zwei oder drei Vereine untereinander Konkurrenz – und am
nächsten Wochenende ist tote Hose. So war es auch im Hammer Westen vor genau 20 Jahren. Im
Herbst 1993. Das hat Theodor Steven geärgert. Aber anstatt sich nur zu ärgern, hat er auch die
Initiative ergriffen. Er hat zusammen mit einem Mitstreiter von Schützenverein Westenfeldmark und
einer Mitstreiterin vom Kleingärtnerverein alle Westener Vereine angeschrieben und eingeladen.
Kurze
Zeit
später
wurde
die
Interessengemeinschaft
Westener
Vereine,
Gruppen
und
Kirchengemeinden – kurz IG Westen – gegründet: zunächst mit zwölf Mitgliedern. Das Ziel: Durch
Terminkoordination
ähnliche
Veranstaltungen
verschiedener
Vereine,
Gruppen
und
Kirchengemeinden am gleichen Tag verhindern.
Inzwischen hat sich die Zahl der Mitglieder-Institutionen verdreifacht. Die Termine für etwa 120
Veranstaltungen werden koordiniert. Plakate mit Kurzinfos aller Veranstaltungen werden monatlich
erstellt und in den eigenen Schaukästen an der Wilhelmstraße und im Vorsterhauser Weg sowie an
sechs anderen Standorten ausgehängt. Wie bunt das Kultur- und Veranstaltungsprogramm im
Hammer Westen ist, zeigt ein Blick in die Wandkalender, die seit 2011 gemeinsam mit dem
Stadtteilbüro und finanzieller Unterstützung durch den Aktionsfonds Hamm-Westen herausgegeben
werden. Durchs Jahr 2014 begleitet der Kalender zum Beispiel mit einem Trommelworkshop der
Westener-Tafel-Kids, einem Pantomimenlauf der Gruppe „Theaters Lieblinge“, dem Gesangverein
Concordia 1875 oder den farbenfrohen Tänzerinnen der Karnevalsgesellschaft Grün-Weiß 61 Hamm,
die Sie ja im Anschluss an meine Rede sehen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Westener Vereine!
Interessengemeinschaft – das klingt nach hundert Prozent Gemeinsamkeit und Eintracht. Aber so
einfach ist es dann doch nicht immer, Menschen mit verschiedenen Glaubensrichtungen und
kulturellen Hintergründen, mit unterschiedlichen Erwartungen und Ansichten zusammenzubringen –
und dann Beschlüsse zu treffen, mit denen alle zufrieden sind. Dafür braucht es Menschen mit
Toleranz, Geduld – und auch hoher Einsatzbereitschaft. Bereits vor sieben Jahren ist der
Ehrenvorsitzende der IG Westen Theodor Stevens mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. 2011 erhielt auch der 1. Vorsitzende Horst
Lütgebaucks von der Bezirksvertretung des Stadtbezirks Hamm-Mitte die Bezirksmedaille für seine
vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Evangelischen Kirchengemeinde und der IG Westen.
Ich habe das kürzlich schon bei der Eröffnung der Freiluftgalerie in der Fritz-Husemann-Straße
gesagt: Diese Art von Engagement in den Stadtbezirken für die Stadtbezirke ist quasi unbezahlbar.
Wir brauchen engagierte Bürgerinnen und Bürger, engagierte Vereine und Institutionen vor Ort. Nur
dann können entwicklungspolitische Maßnahmen wirken. Insbesondere im Rahmen des Programms
„Soziale Stadt NRW“ bemühen wir uns seit 2000 mit städtebaulichen, sozial flankierenden und
arbeitsmarktrelevanten Maßnahmen um den Hammer Westen. Der Lippepark, der dank Landes- und
Bundesförderungen für rund 17 Millionen Euro errichtet werden konnte, ist ein absoluter Glücksfall für
den Hammer Westen: Hier ist der Erfolg deutlich sichtbar. Der Lippepark ist ein Symbol für den
Strukturwandel: vom Bergbauareal zum Freizeitpark. Wir haben in Hamm gute Erfahrungen mit der
Entwicklung von Bergbauflächen zu Parklandschaften gemacht. Natürlich gibt es zahlreiche
Unterschiede zwischen dem Lippepark und dem Maxipark. Aber auch der Lippepark wird zur positiven
Gesamtentwicklung des Umfelds beitragen. Erste positive Anzeichen dafür gibt es bereits – etwa das
Lippe-Carreé oder neue Wohnbauflächen in der Nachbarschaft. Der Lippepark hat bereits mehrere
Preise und Auszeichnungen erhalten. Darüber freuen wir uns – besonders weil die Auszeichnungen
fast allesamt für die herausragende Bürgerbeteiligung ausgesprochen worden sind. Sie sind also auch
Auszeichnungen für den Hammer Westen.
Ganz aktuell wurde der Park ja vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
von einer Fachjury als „Landschaftspark von Bürgern für Bürger“ in der Kategorie „Partizipation“
ausgezeichnet. Das macht deutlich: Auch wenn Investitionen in Millionenenhöhe fließen, braucht es
die Zusammenarbeit und Unterstützung der Institutionen, Vereine und Ehrenamtlichen vor Ort. Ob
durch den Beirat oder zuletzt zum Beispiel durch verschiedene Aktivitäten des „Hauses der Jugend“,
das bald energetisch saniert und mit einer barrierefreien Toilette ausgestattet werden soll.
Insbesondere auch die beiden Stadtteilbüros an der Wilhelmstraße und Friesenstraße haben sich als
feste Größe etabliert. Mit ihrer Hilfe konnten zum Beispiel Programm-Bausteine wie „Go West! gleiche
Bildungschancen für alle“, das Sprachförderprojekt „Rucksack“, die „Stadteilorientierte Jugendarbeit“
und das Projekt „Miteinander Lernen“ für Kinder und Familien an Grundschulen durchgeführt werden.
Aufgrund des gegenüber der Gesamtstadt erhöhten Anteils an Menschen aus EinwanderungsFamilien werden sozial flankierende Maßnahmen zur Sprachförderung und Integration auch in Zukunft
ein Schwerpunkt unserer Bemühungen sein. Bildungsgefälle und soziale Ungleichheit lassen sich nur
durch langfristige Arbeit verringern. Wir sind als Kommune zwar nicht in der Lage negative
gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu stoppen, aber wir arbeiten mit langem Atem und Geduld an
einer Verbesserung.
Manchmal ergeben sich aber auch kurzfristig Situationen, in denen man handeln muss. Die
Entwicklungen an der Waldenburger Straße waren solch eine Situation. Die gewählte Lösung ist keine
Schnäppchen-Lösung – das war immer klar. Aber unsere Entscheidung war richtig – und wir stehen
zu unserer Entscheidung. Mit dem Erwerb der Hochhäuser und dem Abriss verhindern wir nicht nur
die Entstehung eines sozialen Brennpunkts, sondern wir schaffen neue Entwicklungspotenziale für
diesen Bereich. Lassen Sie mich jedoch auch betonen: Der Abriss durch die Stadt wird ein Sonderfall
bleiben. Wenn wir weitere Verbesserungen herbeiführen wollen, müssen Bund, Land und Kommune
an einem Strang ziehen, aber wir brauchen vor allem eben das Engagement von Eigentümern,
Institutionen und Bürgern. Gerade im Gebiet rund um die Wilhelmstraße und den Viktoriaplatz gibt es
viel historische Bausubstanz, mit der wir in der Gesamtstadt Hamm ja nicht so reich gesegnet sind wie
andere Städte.
Aber leider ist auch ein zu großer Teil des Wohnungsbestandes energetisch stark veraltet und nicht
barrierefrei. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels kann das Wohnungsangebot den
Bedürfnissen der Bewohner nicht mehr gerecht werden. Wie der Rat in der letzten Sitzung
beschlossen hat, werden wir hier aus einer Bestandsanalyse heraus konkrete Lösungsansätze für die
Bereiche „Wohnen“, „Wohnumfeld“, „Gewerbeflächen“ und „Bürgerbeteiligung“ machen. An dieser
Stelle möchte ich noch einen kurzen „Werbeblock“ für die Arbeit der von uns beauftragten
Quartiersarchitekten einbauen: Die rund 2.000 Eigentümer des Hammer Westens können sich hier
kostenfrei
und
intensiv
zu
Fragestellungen
der
Modernisierung
sowie
zu
passenden
Fördermöglichkeiten beraten lassen. Schließlich ist es immer eine größere Hemmschwelle Geld in die
Hand zu nehmen. Aber eine erste Bilanz zeigt, dass das Beratungsangebot sehr rege von den
Eigentümern angenommen wird. Die Sprechzeiten im Stadtteilbüro sind gut besucht und auch die
Termine für Objektbesichtigungen vor Ort sind nachgefragt. Erste Förderungen für das Fassaden- und
Hofflächenprogramm konnten auch schon bewilligt werden.
Abschließend möchte ich mich noch einmal für die zum Wohle unserer Stadt geleistete Arbeit
bedanken, dem Vorstand ebenso wie allen inzwischen 36 Mitglieder-Institutionen herzlich zum 20jährigen Bestehen gratulieren und für die Zukunft alles Gute und Gottes Segen wünschen. Genießen
Sie die Jubiläumsfeier und das bunte Programm. Vielen Dank!