Engagement sollte selbstverständlich sein - IHK Bonn/Rhein-Sieg

TITELTHEMA
Interview mit Fritz Georg Dreesen, Vizepräsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg
und Geschäftsführer des Rheinhotels Dreesen in Bad Godesberg
„Engagement sollte
selbstverständlich sein“
Er will nicht erneut zur Vollversammlung
kandidieren, sondern den Platz für Jüngere freimachen, „für neue Ideen und neue
Köpfe“, wie er sagt. Bis zum Jahresende wird sich Fritz Georg Dreesen aber
als Vizepräsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg
wie eh und je ins Zeug legen. Für Tourismus und Kultur und für die Entwicklung
der Stadt überhaupt – so wie in all den vielen Jahren seines ehrenamtlichen Engagements in Vollversammlung und Präsidium.
Seine Botschaft an die Unternehmerschaft
ist unmissverständlich: Wer kandidiert und
gewählt wird, kann das tun, was ein Unternehmer generell wollen und können sollte –
gestalten. Ein Gespräch aus Anlass der diesjährigen Wahl zur IHK-Vollversammlung.
22
Die Wirtschaft April 2016
„Die Wirtschaft“: Herr Dreesen, füllt Sie die Leitung
eines Hotels nicht aus?
Fritz Georg Dreesen: Und ob. Ich muss jeden Tag alles
geben, um unser Traditionshaus so zu führen, dass
auch morgen und übermorgen die Gäste gerne kommen und die Geschäfte laufen.
Weshalb investieren Sie dann Zeit und Energie in ehrenamtliches Engagement?
Ganz einfach: Wenn man ein Unternehmen hat, und
ein Hotel ist ein solches, dann hat man auch ein Interesse daran zu haben, dass es der Kommune und der
Region, in der die Firma steht und wo man mit seinen
Beschäftigten Umsätze erzielt, gut geht. Dazu muss
man sich einbringen. Ich leite unser Haus in der vierten Generation. Meine Vorväter haben sich für ihren
Standort engagiert, ich tue das, mein Sohn wird das
tun. Das liegt in unserer Familie im Blut. Lassen Sie es
mich ganz deutlich sagen: Meiner Überzeugung nach
gehört ein solches Engagement zum Unternehmertum schlicht und einfach dazu! Es sollte selbstverständlich sein.
TITELTHEMA
Fritz Georg Dreesen (l.),
Geschäftsführer des
Rheinhotels Dreesen,
engagiert sich seit
1990 ehrenamtlich
für die Wirtschaft der
Region in der
IHK-Vollversammlung.
Zur gesetzlichen Mitgliedschaft also das Pflichtengagement?
Es ist gut, dass es die gesetzliche Mitgliedschaft gibt.
Wer die kritisiert, muss sich ehrlich fragen: Wie sähe
denn die Alternative aus, wenn die IHK nicht da wäre?
Wer würde deren Aufgaben übernehmen? Wer darüber nachdenkt, wird schnell darauf kommen, dass es
zur jetzigen gesetzlichen Regelung – Selbstverwaltung der Wirtschaft – keine sinnvolle Alternative gibt.
Es ist doch viel besser, dass sich die Unternehmen im
IHK-Rahmen selbst um ihre Belange kümmern, als das
Kümmern dem Staat selbst zu überlassen. Das würde
mehr Staat bedeuten und weniger Unternehmertum,
weniger Praxisnähe – und das kann nicht im Interesse der Firmen liegen! Das ehrenamtliche Engagement hingegen kann und darf man nicht verordnen,
das muss natürlich freiwillig sein und aus einem selbst
kommen. Aber nochmal: Die IHK bietet den Rahmen,
den die Unternehmen ausfüllen können. Über das Engagement in Ausschüssen und der Vollversammlung
können sie aber sogar diesen Rahmen mitgestalten.
Und das sollten sie tun!
Weshalb also engagieren Sie sich im IHK-Präsidium
und im IHK-Ausschuss für Kultur und Tourismus?
Weil ich als Unternehmer nicht allein und isoliert
agiere, sondern inmitten der Gesellschaft. Und die
funktioniert nicht, wenn niemand über den Tellerrand
blickt. Wer von der Gemeinschaft profitiert, muss ihr
auch etwas zurückgeben. Das ist Gemeinsinn. Aber
natürlich steckt in jedem ehrenamtlichen Engagement zu Recht auch schlichter Eigennutz für die eigene Branche. Sehen Sie: Wenn es der Stadt schlecht
geht, wenn die Stadt unattraktiv wird, dann kommt
irgendwann niemand mehr – und dann braucht man
auch kein Hotel. Auf diese simple Gleichung kann man
es letztlich zurückführen. Auch deshalb möchte ich
mit anpacken, mich kümmern, meinen Beitrag leisten.
Für welche Themen engagieren Sie sich besonders?
Mir liegen die Kernthemen der IHK – von Ausbildung
bis Stadtentwicklung – generell am Herzen. Insbesondere bringe ich mich in Sachen Kultur und Tourismus
ein. Beethoven, Deutsches Museum, regionale Zusammenarbeit – das sind meine Schwerpunkte.
Die Wirtschaft April 2016
23
TITELTHEMA
Dann müssen für Sie das Aus fürs Festspielhaus und das drohende Aus fürs
Deutsche Museum herbe Schläge sein.
So ist es. Wenn das Museum tatsächlich aufgegeben werden sollte, würde dies
einen herben Verlust für diese Stadt bedeuZwischen 11. und 31. Mai könten. Es würde Bonn ein Stück weniger atnen sich interessierte Unternehmetraktiv machen. Und mit dem Begraben der
rinnen und Unternehmer als KandiFestspielhaus-Pläne hat die Stadt ebenfalls
daten aufstellen lassen.
eine große Zukunftschance vertan. Das war
etwas Visionäres, das der Stadt gut getan
und sie weitergebracht hätte. Was wir jetzt erleben, ist das schiere Verwalten von Vorhandenem, das
bringt die Stadt nicht weiter, ist keine Vision.
KANDIDIEREN,
Wofür kämpfen Sie?
Die IHK Bonn/Rhein-Sieg – und zwar sowohl die
hauptamtlichen Beschäftigten als auch wir Unternehmer in der Vollversammlung und im Präsidium – tritt
für die Weiterentwicklung der Stadt und der Region
ein. In Sachen Kultur heißt das beispielsweise, dass
wir in Gesprächen mit Politik und Verwaltung sowie in
der Öffentlichkeit stets für die wirtschaftlichen Chancen geworben haben, die das Festspielhaus bedeutet
hätte. Nun treten wir dafür ein, auch ohne Festspielhaus, die Marke Beethoven und das kulturelle Profil
der Stadt zu stärken.
Nun ist Kultur keine Kernaufgabe der IHK …
… aber ein wesentlicher Standortfaktor! Denken Sie
an die Museen, an Pantheon und Springmaus, Harmonie und Brückenforum: Eine lebendige Kulturszene mit breitem Angebot und einigen Leuchttürmen
macht eine Stadt und Region attraktiv für die Menschen, die hier leben, für Touristen – und für Unternehmen, die sich eben gerne dort niederlassen, wo
attraktive Bedingungen auch für die Beschäftigten
herrschen. Deswegen – um ein Beispiel aus einem anderen Politikfeld zu nennen – kritisiere ich übrigens
auch den Sinneswandel der Politik in Sachen Viktoriakarree. Das schreckt Investoren ab, statt sie anzuziehen. Es muss in einer Stadt aber
weitergehen. Stillstand ist Rückschritt. Ich fürchte, da wird
über viele Jahre nichts Maßgebliches geschehen. Da werden Ideen entwickelt, aber es
passiert nichts, es wird nichts
Ihr IHK-Ansprechpartner zur
Vollversammlungswahl 2016
24
Detlev Langer
Telefon 0228 2284 -134
E-Mail: [email protected]
Die Wirtschaft April 2016
entschieden. Welcher Investor wird sich da so schnell
nochmals heranwagen?
Wo sehen Sie denn Erfolge Ihrer Arbeit?
Ein konkretes Beispiel ist die positive Entwicklung der
Tourismus & Congress GmbH Region Bonn/Rhein-Sieg/
Ahrweiler (T&C). Als IHK-Vizepräsident sitze ich für die
IHK Bonn/Rhein-Sieg im Aufsichtsrat der T&C. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und umliegender Region ist ein Kernanliegen der IHK, wir wollen kommunale
Grenzen überwinden, wann immer das für die Gesamtentwicklung sinnvoll ist. Und in Sachen Tourismus sind
diese Grenzen überwunden! Die T&C ist bundesweit
ein Musterbeispiel für Tourismus- und Kongressarbeit,
weil wir Stadt, Kreise und Wirtschaft in einem Boot
haben, was sonst selten der Fall ist. Hier sitzen die Akteure gleichberechtigt nebeneinander und engagieren
sich für Stadt und Region. Diese Einheit zu erzielen
und zu wahren, werte ich ebenso als Erfolg wie die
Weiterentwicklung der Marketingstrategie, die langfristige Sicherung der hauptamtlichen Arbeit von T&C
und die gute Entwicklung des Tourismus.
Gibt es noch andere Beispiele?
Wir haben zum Beispiel mit dafür gekämpft, dass die
Kammerspiele in Godesberg als Spielort des Theaters
Bonn erhalten bleiben. Das ist ein Erfolg für die Kultur
– aber auch für Bad Godesberg insgesamt, denken Sie
etwa an Handel und Gastronomie, die ja von mehr Besuchern profitieren. Doch ich möchte gar nicht so sehr
auf pressewirksame Erfolge abheben. Der Erfolg unserer Vollversammlungsarbeit ist nicht immer messbar.
Tatsache ist: Engagement geht nur gemeinsam. In der
Vollversammlung bündeln wir die Kräfte und machen
die Stimmen der einzelnen Unternehmen sozusagen
als „Chor“ hörbar. Dabei weiß ich nicht, ob das Gehörte immer umgesetzt wird. Ich bin aber sicher, dass wir
nichts erreichen würden, wenn wir uns erst gar nicht
zu Wort melden würden!
Die vorliegende Ausgabe von „Die Wirtschaft“ enthält auch einen Wahlaufruf. Ab 11. Mai können sich
interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer
als Kandidaten aufstellen lassen. Ihr Wunsch?
Dass möglichst viele diese Chance auf Mitgestaltung nutzen. Kandidieren Sie, sorgen Sie für Konkurrenz und Kompetenz in Ihrer Wahlgruppe, das belebt
das Geschäft! Machen Sie Ihre Unternehmerkolleginnen und -kollegen auf die Kandidatur aufmerksam,
machen Sie sich bemerkbar, werben Sie für das Engagement. Stellen Sie sich zur Verfügung, ganz nach
dem Motto „Lieber gestalten als gestaltet werden“. Ich
kann Ihnen versichern: Es lohnt sich. Wenn man neben
der alltäglichen Unternehmensarbeit etwas für Stadt
und Region bewirken kann, ist das sehr befriedigend!
Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn