Hol es vom Nachbarn

Magie des Geldes
Hol es vom Nachbarn
Von Gunther Schnabl _ Ein tiefer Wechselkurs fördert die Exportfähigkeit der einheimischen
­Wirtschaft. Das sagen sich auch die Zentralbanken. Mal allein, mal gemeinsam spielen sie die Karte der
Abwertung. Folge: ein versteckter Währungskrieg, dessen Auswirkungen man in Japan sehen kann.
Ende des Wirtschaftswunders: japanische Geschäftsleute kurz vor der Krise, 1989.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
kam der Goldstandard einem System fester
Wechselkurse gleich. War für zwei Währungen
ein festes Austauschverhältnis zum Gold festgelegt, ergab sich daraus ein fester Wechselkurs zueinander. Dieses System war lange in
Verbindung mit freiem Handel und Kapitalverkehr die Grundlage für bedeutende Wohlstandsgewinne. Der Niedergang des Goldstandards setzte mit der Kriegsfinanzierung des
Ersten Weltkriegs und endgültig mit der Weltwirtschaftskrise ein.
Grossbritannien verkündete im September
1931 das Ende der Goldkonvertibilität des
Pfundes, das um 25 Prozent abgewertet wurde.
Die USA lösten 1933 die Goldbindung auf und
werteten den Dollar um 60 Prozent ab. Diese
sogenannten Hol-es-vom-Nachbarn-Politiken
(beggar thy neighbour policy) schufen Wachstum,
weil die abwertenden Länder über mehr Exporte Arbeitsplätze importierten. Der Erfolg
war aber nur kurzfristig, weil alle Länder ähnliche Strategien verfolgten. Der sich beschleunigende Abwertungswettlauf mündete in
­zunehmende wirtschaftliche und politische
Instabilität. Er fand 1945 seinen tragischen
Schlusspunkt.
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Die einschneidenden Erfahrungen des Abwertungswettlaufes führten dazu, dass die
Weltfinanz- und Handelsordnung der Nachkriegszeit wieder auf feste Wechselkurse
aufgebaut wurde. Das sogenannte Bret­
ton-Woods-System fusste auf dem US-Dollar
Seit der Ära Greenspan spielte
die ­Stabilisierung der
Finanzmärkte eine zentrale Rolle.
als internationale Leitwährung. Für diesen
wurde ein Kurs von 35 Dollar pro Feinunze
Gold festgelegt, um dem System Glaubwürdigkeit zu geben. Die Notenbanken aller anderen wichtigen Länder der westlichen Welt
banden ihre Währungen an den Dollar. Der
Internationale Währungsfonds (IWF) überwachte sie. Veränderungen der Festkurse waren nur mit seiner Zustimmung erlaubt. Sie
blieben selten.
Der Zusammenbruch des Systems wurde
durch den Vietnamkrieg eingeleitet, den die
USA über die Geldpresse finanzierten. Die
Partnerländer im Bretton-Woods-System waren gezwungen, über die Wechselkursbin-
dungen die inflationären Dollars aufzukaufen. Die USA nannten dies eine Verteilung der
(Kriegs-)Lasten (burden sharing). Die Partnerländer beklagten eine importierte Inflation.
Als Präsident Nixon im August 1971 die Verpflichtung der USA zur Goldkonvertibilität
des Dollar kündigte, war die Vertrauensgrundlage zerstört. Ab März 1973 gingen –
beginnend mit der Schweiz – alle Länder zu
freien Wechselkursen über. Die Inflation stieg
weltweit signifikant an. Das Wachstum ging
deutlich zurück.
Die Wechselkurse zwischen den grossen
Währungen (US-Dollar, japanischer Yen,
Deutsche Mark) schwankten fortan, wodurch
der Nährboden für einen neuen Abwertungswettlauf geschaffen wurde. Dieser konzen­
trierte sich zunächst auf die USA und Ost­
asien, wo insbesondere Japan einen auf die
USA ausgerichteten, exportorientierten Aufholprozess verfolgte.
Als US-Zentralbank­präsident Volcker Ende
der 1970er Jahre die Leitzinsen auf knapp
zwanzig Prozent erhöhte, brach er damit
nicht nur der Inflation der 1970er Jahre das
Rückgrat. Die Zinser­höhungen zogen auch
starke Kapitalflüsse aus Japan an, die den Dollar gegenüber dem Yen stark aufwerten
liessen. Es entstand ein amerikanisches Leistungsbilanzdefizit und ein hoher japanischer
Leistungsbilanzüberschuss, der in den USA
als Ergebnis einer unfairen japanischen Handelspolitik gesehen wurde.
Der Konflikt gipfelte im Plaza-Abkommen
von 1985: Auf Druck der USA verpflichtete
sich Japan, den Yen gegenüber dem Dollar
aufwerten zu lassen, um so das Handelsungleich­
gewicht zu beseitigen. Innerhalb
von zwei Jahren wertete der Yen gegenüber
dem Dollar um rund fünfzig Prozent auf. Das
export­abhängige ­Japan stürzte in eine tiefe
Krise. Um die Aufwertung abzudämpfen,
senkte die Bank von Japan schliesslich den
Leitzins. Die starken Zinssenkungen unterstützen nicht nur die E
­ rholung der japanischen Wirtschaft. Sie bildeten auch den Nährboden für eine bis dahin beispiellose
Spekulationswelle auf den Ak­tien- und Immobilienmärkten.
Das Platzen der japanischen Blase im Dezember 1989 markiert nicht nur das Ende des
japanischen Wirtschaftswunders, sondern
auch den ersten grossen Kollateralschaden
im Währungskrieg. Da das Handelsungleich­
gewicht trotz Aufwertung fortbestand, rangen
Weltwoche Nr. 44.15
Bild: Peter Guttman (Corbis)
die USA Japan noch bis Mitte der 1990er Jahre
Selbstbeschränkungen ihrer Autoexporte ab,
indem sie die Zinsen senkten und eine Abwertung des Dollar (beziehungsweise eine Aufwertung des Yen) herbeiredeten. Als mit der
japanischen Finanzmarktkrise (1998) Japan
wirtschaftlich völlig am Boden lag, kam der
Währungskonflikt auf China zu.
Das Reich der Mitte hatte im Jahr 1994 seinen Wechselkurs fest an den Dollar gebunden. Als die USA in Reaktion auf das Platzen
der Dotcom-Blase die Zinsen stark senkten
und den chinesischen Yuan damit unter Aufwertungsdruck brachten, hielt China an der
Dollarbindung fest. Dies interpretierten viele
als währungspolitische Aggression. Erstmals
wurde – wie später auch im Falle der Schweiz
– ein Festkurs als merkantilistische Handelspolitik bezeichnet. Die USA drängten China,
den Yuan aufzuwerten, um auf diese Weise
das chinesisch-amerikanische Handelsungleichgewicht zu beseitigen. Als ab 2005
­China einen kontrollierten Aufwertungspfad
des Yuan gegenüber dem Dollar zuliess, floss
viel spekulatives Kapital, das insbesondere zu
Übertreibungen auf den Immobilien- und
Aktienmärkten beitrug.
In Europa war die Abhängigkeit vom Dollarkurs zunächst geringer. Die Deutsche Mark
war zur regionalen Leitwährung heran­
gewachsen. Die Deutsche Bundesbank verfolgte eine Politik der geringen Inflation ohne
Blick auf den Wechselkurs. Die deutsche Exportindustrie lebte mit der starken Mark, indem sie spezialisierte Produkte mit hoher
Qualität entwickelte. Sie war deshalb robust
genug, die Abwertungsstrategien anderer
(zum Beispiel südeuropäischer) Länder zu verkraften. Das europäische Währungssystem
(1979–1998) und der Euro (ab 1999) sorgten
­dafür, dass für einen wachsenden Anteil des
europäischen Aussenhandels Wechselkurs­
stabilität gegeben war.
Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) war zunächst nach dem Muster
der Bundesbank gestrickt. Die Kehrtwende
zu ­einer Geldpolitik, in der sich die früheren
Abwertungsstrategien vieler südeuropäi­
scher Staaten wiederfinden, erfolgte mit der
euro­
päischen Finanz- und Schuldenkrise
(seit 2008). Rasch sank auch der europäische
Leitzins gegen null. Da seit 2013 Japans Ministerpräsident Abe eine klare Abwertungspolitik verfolgt, scheint auch eine Mehrheit
im Rat der EZB die Abwertung des Euro als
Krisentherapie zu befürworten. Im August
2015 gab es erste Anzeichen dafür, dass auch
China in den Abwertungswettlauf einschwenken könnte.
Der Rückblick auf die Währungspolitiken
der grossen Länder lässt drei Schlussfolgerungen zu:
1 _ Der US-Geldpolitik kommt aufgrund der
Stellung des Dollar als Weltleitwährung eine
Schlüsselrolle im Weltwährungssystem zu.
Wenn die Federal Reserve die Zinsen senkt,
dann fliesst aus den grossen US-Finanzmärkten Kapital in andere Länder. Die Währungen
an der Peripherie des Weltwährungssystems
kommen in einen Aufwertungszwang. Dort
sunken. Seit der Ära Greenspan spielte die
­Stabilisierung der Finanzmärkte eine zentrale
Rolle für diesen Prozess. Abwertungen sind
ein willkommener Nebeneffekt. Seitdem die
Nullzinsgrenze erreicht ist, wird der Abwertungswettlauf in Form von kompetitiven Ausweitungen der Zentralbankbilanzen fortgeführt.
3 _ Die Schäden dieses versteckten Währungskriegs sind bereits immens. Zinssenkungen in Reaktion auf Aufwertungsdruck haben
in vielen Ländern spekulative Übertreibungen
ausgelöst, die mit einschneidenden Krisen geendet haben. Der geplante Ausstieg der USA
aus der Nullzinspolitik kündigt das erneute
Platzen von Blasen in zahlreichen aufstrebenden Volkswirtschaften (z.B. China) an. Die
Angst vor neuen Krisen hat die Wahrscheinlichkeit eines entschlossenen Ausstiegs der
USA aus der Nullzinspolitik deutlich reduziert.
wächst der Druck, die Zinsen zu senken, um
konjunkturelle Einbrüche zu vermeiden. Seit
der zweiten Hälfte der 1980er Jahre haben
deshalb die kompetitiven Abwertungen vor
allem in Form von kompe­titiven Zinssenkungen stattgefunden. Die Wechselkurse zwischen den grossen Währungen (US-Dollar, japanischer Yen, Deutsche Mark, Euro) sind
deshalb trotz grosser Schwankungen seit dieser Zeit im Niveau weitgehend unverändert
geblieben.
Doch auch wenn die Nullzinspolitiken in ­allen
grossen Industrieländern fortbestehen, wird
dies nicht ohne Kostenfolgen sein. Japan zeigt,
dass langanhaltende Nullzinsphasen neue
spekulative Übertreibungen begünstigen, Kapital in eigentlich unproduktive Sektoren lenken und damit strukturelle Verzerrungen zementieren. Investitionen und Wachstum
werden gebremst. Weniger Wachstum verleitet die Regierungen wie schon in den 1930er
Jahren zu wirtschaftspolitischem Interventionismus. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich
sowohl die Abwertungswettläufe als auch die
wirtschaftliche Instabilität fortsetzen werden.
Am Ende dieses versteckten Währungskriegs
könnte nach einer schmerzhaften Krise ein
neues Weltwährungssystem mit festen Wechselkursen stehen.
2 _ Da die USA seit Mitte der 1980er Jahre die
Leitzinsen in Krisen stärker gesenkt haben, als
diese in der folgenden wirtschaftlichen Er­
holung erhöht wurden, sind in allen grossen
Währungsgebieten die Zinsen gegen null ge-
Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig. Einer seiner
Forschungsschwerpunkte ist die monetäre
Aussenwirtschaft, insbesondere die Währungspolitik.
Die Schäden dieses
versteckten Währungskriegs
sind bereits ­immens.
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