Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" Fachgruppe Reform im Strafwesen Paulus-Akademie Zürich 10./11. September 2015 Aktuelle politische Vorstösse zum Sanktionen- und Strafvollzugsrecht: Einschätzungen ihrer Anliegen und Risiken Jonas Weber Zürich, 10. September 2015 Gliederung der Präsentation > Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" > Parl. Init. Rickli (13.430) "Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen" > Motion Rickli (11.3767) "Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte" > Parl. Init. Rickli (13.462) "Bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktischer Sicherheit" > Parl. Init. Rickli (13.463) "Verwahrung bei rückfälligen Tätern" > Fazit Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 1 Auswahl weiterer Vorstösse Art und Datum des Vorstosses Urheberschaft Titel Geschäftsnummer Stand der der Dinge Motion eingereicht am 18.9.2013 NR Geissbühler Zentrales Register über Sexual- und Gewaltverbrecher 13.3731 Motion eingereicht am 23.9.2013 NR Amaudruz Verurteilte Straftäter nach Vollzug ihrer Strafe weiter unter Beobachtung halten 13.3761 Motion eingereicht am 23.9.2013 NR Amaudruz Keine bedingten Entlassungen bei schweren Straftaten 13.3763 Volksinitiative BBl vom 29.4.2014 privates Komitee (Chaaban Anita u.a.) Motion eigereicht am 6.5.2015 NR Müller Geri Schweizerisches Zentralregister für die Beurteilung von Sexual- und Gewaltstraftätern Effizienzsteigerung im Strafvollzug im Rat noch nicht behandelt; BR: Antrag auf Ablehnung (20.11.2013) im Rat noch nicht behandelt BR: Antrag auf Ablehnung (6.11.2013) im Rat noch nicht behandelt BR Antrag auf Ablehnung (6.11.2013) Sammelfrist bis 29.10.2015 15.3457 Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich im Rat noch nicht behandelt BR Antrag auf Ablehnung (1.7.2015) Folie 2 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Überblick > lanciert durch ein Komitee bestehend aus Privatpersonen (Anita Chaaban u.a.); ohne (offizielle) Unterstützung einer politischen Partei > veröffentlicht im Bundesblatt am 29.4.2014; Sammelfrist bis 29.10.2015 > Art. 123e BV: Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern • Abs. 1: Grundsatz der Haftung; Anwendungsbereich • Abs. 2: Entschädigung und Genugtuung • Abs. 3: Amtsverlust bzw. Auflösung des Arbeitsverhältnisses Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 3 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Abs. 1: Grundsatz u. Anwendungsbereich 1 Wird ein Täter, der zum Zeitpunkt seiner Verurteilung als gefährlich und rückfallgefährdet gilt, frühzeitig aus der Haft, der Verwahrung oder einer anderen Massnahme entlassen, wird dem Täter Hafturlaub gewährt oder wird eine Massnahme angeordnet, die dem Täter ermöglicht, die Anstalt, in der er verweilt, zu verlassen, so haftet die zuständige Behörde, wenn der Täter rückfällig wird. > "Tatobjekt": Täter, der zum Zeitpunkt der Verurteilung als gefährlich und rückfallge- fährdet gilt, und nach Vollzugsöffnungen rückfällig geworden ist. • Verwahrung; Freiheitsstrafe; stationäre Massnahme • Gefährlichkeit im Zeitpunkt des Anordnungsurteils • Rückfall Welche Straftaten sind erfasst? Beschränkung auf (schwere) Sexual- und Gewaltstraftaten? Zeitliche Dimension: Innerhalb welcher Zeitspanne muss ein Rückfall erfolgen? Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 4 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Abs. 1: Grundsatz u. Anwendungsbereich (Forts.) 1 Wird ein Täter, der zum Zeitpunkt seiner Verurteilung als gefährlich und rückfallgefährdet gilt, frühzeitig aus der Haft, der Verwahrung oder einer anderen Massnahme entlassen, wird dem Täter Hafturlaub gewährt oder wird eine Massnahme angeordnet, die dem Täter ermöglicht, die Anstalt, in der er verweilt, zu verlassen, so haftet die zuständige Behörde, wenn der Täter rückfällig wird. > "Tathandlung": Gewährung der bedingten ("frühzeitigen") Entlassung aus Strafvoll- zug, Verwahrung od. stationärer Therapiemassnahme; Gewährung von Hafturlaub; Gewährung von anderen Vollzugslockerungen • vom Wortlaut z.B. nicht erfasst Nichtanordnung einer Verwahrung bzw. einer Therapiemassnahme; Nichtverlängerung einer stationären Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB); Nichtanordnung einer Rückversetzung (Art. 62a Abs. 3 StGB) Begutachtung durch Sachverständigen; Empfehlung einer Fachkommission Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 5 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Abs. 1: Grundsatz u. Anwendungsbereich (Forts.) 1 Wird ein Täter, der zum Zeitpunkt seiner Verurteilung als gefährlich und rückfallgefährdet gilt, frühzeitig aus der Haft, der Verwahrung oder einer anderen Massnahme entlassen, wird dem Täter Hafturlaub gewährt oder wird eine Massnahme angeordnet, die dem Täter ermöglicht, die Anstalt, in der er verweilt, zu verlassen, so haftet die zuständige Behörde, wenn der Täter rückfällig wird. > zuständige Behörde: Behörde, welche eine bedingte Entlassung anordnet, einen Hafturlaub gewährt oder eine Vollzugslockerung bewilligt • Strafvollzugsbehörde bzw. Exekutive (Regierungsrat) • u.U. Anstaltsdirektionen (bei delegierter Entscheidungskompetenz betreffend Hafturlaub und Vollzugslockerungen) • u.U. Gerichte, wenn gegen Verfügung der Verwaltung ein Rechtsmittel ergriffen wird • nicht: Gutachter, Fachkommissionen, Strafgerichte > Rechtsfolge: Haftung • verschuldensunabhängige Kausalhaftung Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 6 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Abs. 2: Entschädigung und Genugtuung 2 Die Behörde, die für eine solche Fehlentscheidung verantwortlich ist, ist verpflichtet, dem Opfer oder den Angehörigen des Opfers eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu bezahlen. > "Behörde": Kantone; evtl. Bund > Fehlentscheidung: Rückfall = Fehler; verschuldensunabhängig; reine ex post Betrachtung > = scharfe Kausalhaftung des Gemeinwesens > Rechtsfolge: Bezahlung einer angemessenen Entschädigung und Genugtuung > entspricht der Haftungsregelung bei der lebenslänglichen Verwahrung in Art. 123a Abs. 2 Satz 2 BV bzw. deren Umsetzung in Art. 380a StGB; Art. 123e Abs. 2 BV brächte eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 380a StGB Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 7 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Abs. 3: Amtsverlust, Auflösung Arbeitsverhältnis 3 Kommt es durch eine solche Fehlentscheidung zum Tod, zu einer schweren Körperverletzung od. zu einer Vergewaltigung eines Menschen, so verlieren die Personen, welche die frühzeitige Entlassung, den Hafturlaub od. die Massnahme, die dem Täter das Verlassen der Anstalt ermöglicht hat, bewilligt haben, ihr Amt; ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird aufgelöst. > Fehlentscheidung: Rückfall = Fehler; verschuldensunabhängig; reine ex post Betrachtung > qualifizierter Rückfall: Tötung bzw. Mord ("Tod"), schwere Körperverletzung oder Vergewaltigung > = scharfe persönliche Haftung der Behördenmitglieder bzw. der Mitarbeitenden eines Amts > Rechtsfolge: Amtsverlust, Auflösung des Arbeitsverhältnisses > Exkurs: Motion Geissbühler (13.3731) "Zentrales Register über Sexual- und Gewaltverbrecher" • Veröffentlichung der Namen der an einem Urteil beteiligten Richter sowie der Gutachter Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 8 Volksinitiative "Haftung für Rückfälle von Sexual- und Gewaltstraftätern" − Einschätzung > Abs. 1: Grundsatz u. Anwendungsbereich • Haftung für Rückfälle auch wenn den Behörden ex ante betrachtet kein Fehler unterlaufen ist • "Fehlentscheidung" als Haftungsbegründung ergibt sich einzig aus dem Rückfall > Abs. 2: Entschädigung und Genugtuung • finanzielle Haftung des Gemeinwesens (Staatshaftung) in Form einer scharfen Kausalhaftung für sämtliche Rückfälle • Revision OHG als Alternative?: Wegfall der Plafonierung bei Entschädigung und Genugtuung in besonderen Fällen > Abs. 3: Amtsverlust, Auflösung Arbeitsverhältnis • Verletzung der Unabhängigkeit der Verwaltungs- und Justizbehörden • persönliches Verschulden nicht relevant: Widerspruch zu allen Grundsätzen des Disziplinar- und Personalrechts sowie zum Grundsatz der Verhältnismässigkeit • fehlender Rechtsschutz Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 9 Parl. Init. Rickli (13.430) "Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen" − Überblick > eingereicht am 4.6.2013 > Gegenstand: Schaffung einer gesetzlichen Grundlage dafür, dass das zuständige Gemeinwesen für einen Schaden haftet, der entsteht, wenn eine wegen eines schweren Gewalt- od. Sexualverbrechens verurteilte Person bedingt entlassen wird od. Strafvollzugslockerungen erhält und diese Person daraufhin erneut eine solches Verbrechen begeht (analog zu Art. 380a StGB) > Rechtskommission Nationalrat: der parl. Init. wird am 14.8.2014 mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge gegeben > Rechtskommission Ständerat: der par. Init. wird am 17.11.2014 mit 5 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen u. Stichentscheid des Präsidenten Folge gegeben > weiteres Vorgehen: Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs durch die Rechtskommission des Nationalrats Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 10 Parl. Init. Rickli (13.430) "Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen" − Inhalt > Ziele: "moralische und finanzielle Unterstützung für die Opfer; bessere Entscheide der Behörden" > Anlehnung an die Haftungsbestimmung in Art. 380a StGB > Haftung des Kantons, dessen Behörde die Verfügung erlassen hat • "Es soll eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass das zuständige Gemeinwesen für Schäden haftet, die bei Strafvollzugslockerungen geschaffen worden sind." • Wird etwas ganz neues geschaffen? Was ist mit den bestehenden Verantwortlichkeitsgesetzen der Kantone und des Bundes? > scharfe Kausalhaftung: unabhängig von Rechtswidrigkeit des Entscheides bzw. vom Verschulden der mit dem Entscheid befassten Personen, d.h. unabhängig von Fehlverhalten eines Behördenmitglieds; unabhängig vom Zeitablauf zwischen Entlassung bzw. Lockerung und Rückfall > im Ergebnis: Vereinheitlichung und Verschärfung der Staatshaftung für den Fall einer schweren Rückfallstraftat Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 11 Parl. Init. Rickli (13.430) "Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen" − Einschätzung > kriminalpolitisches Ziel: zusätzliches Hemmnis für die bedingte Entlassung insb. aus einer Verwahrung oder einer Therapiemassnahme > Argument Opferschutz m.E. nicht überzeugend: für das geschädigte Opfer spielt es keine Rolle, ob ihm die Verletzungen von einem Ersttäter oder einem Wiederholungstäter zugefügt worden ist > Alternative, um Unterstützung für Opfer zu verbessern: Ausbau der Opferhilfe generell bzw. zumindest für Opfer schwerer Straftaten; d.h. Abrücken von den plafonierten Beträgen bei Entschädigungen (heute Fr. 120'000) und Genugtuungen (heute Fr. 70'000) im OHG bzw. Erhöhung der Maximalbeträge Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 12 Motion Rickli (11.3767) "Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte" − Überblick > eingereicht am 12.9.2011 > Eingereichter Text: Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine dahingehende Änderung von Art. 64 StGB vorzulegen, dass Hafturlaube und "Ausgänge" für Verwahrte ausgeschlossen sind. > Behandlung im Nationalrat am 23.09.2013: Annahme der Motion mit 95 zu 79 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) > Motion im Ständerat hängig; Rechtskommission begrüsst am 2. Sept. 2015 die Stossrichtung der Motion, beantragt aber mit 7 zu 6 Stimmen ihrem Rat, den Text zu modifizieren und nur unbegleitete Hafturlaube bzw. unbegleitete Ausgänge auszuschliessen Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 13 Motion Rickli (11.3767) "Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte" − Inhalt > heute: Vollzugslockerungen und Progressionssystem auch im Verwahrungsvollzug • z.B. Art. 90 Abs. 2bis StGB: "ordentliche" Verwahrungen können u.U. auch in der Form des Wohn- und Arbeitsexternats vollzogen werden • probeweise Entlassung als Perspektive > Art. 90 Abs. 4ter StGB (Während der lebenslänglichen Verwahrung werden keine Urlaube und andere Vollzugsöffnungen bewilligt) soll auf "ordentliche" Verwahrungen ausgedehnt werden. > "bei «ordentlich» Verwahrten ist nicht (mehr) davon auszugehen, dass diese irgendwann wieder entlassen werden" (NR Rickli) Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 14 Motion Rickli (11.3767) "Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte" − Einschätzung > Übungsfelder und Erfahrungen mit Vollzugsöffnungen fallen weg > damit fehlt eine wesentliche Grundlage für eine zuverlässige Prognose im Hinblick auf den Übertritt in eine offene Anstalt bzw. auf eine bedingte Entlassung > des Recht auf eine jährliche Überprüfung der Verwahrung gemäss Art. 64b Abs. 1 StGB wird (und gemäss EMRK) wird zur Farce > Freiheitsorientierung fällt weg > die "ordentliche" Verwahrung gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB wird an die lebensläng- liche Verwahrung gemäss Art. 64 Abs. 1bis StGB angepasst Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 15 Parl. Init. Rickli (13.462) "Bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktischer Sicherheit" − Überblick > eingereicht am 27.09.2013 > Änderung des ersten Satzes von Art. 64a Abs. 1 Satz 1 StGB: Der Täter darf aus der Verwahrung erst bedingt entlassen werden, wenn praktisch sicher ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. (heutige Formulierung: Der Täter wird aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in Freiheit bewährt.) > Rechtskommission Nationalrat folgt der parl. Init. am 16.10.2014 mit 11 zu 11 Stimmen bei Enthaltungen und Stichentscheid des Vizepräsidenten > Rechtskommission Ständerat lehnt die parl. Init. am 2.9.2015 mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung ab > die parl. Init. geht nun zurück in die Rechtskommission des Nationalrats; (bei Festhalten am Entscheid, der parl. Init. Folge zu geben, entscheiden die beiden Räte, ob eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet wird) (Art. 109 ParlG) Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 16 Parl. Init. Rickli (13.462) "Bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktischer Sicherheit" − Inhalt > "praktisch sichere" Bewährung als Voraussetzung der bedingten Entlassung > Erhöhung der Anforderungen an die Rückfallprognose Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 17 Parl. Init. Rickli (13.462) "Bedingte Entlassungen aus der Verwahrung nur bei praktischer Sicherheit" − Einschätzung > "praktische Sicherheit" ist nicht prognostizierbar > Konsequenz: lässt sich die "praktische Sicherheit" nicht feststellen, so ist die probeweise Entlassung aus der Verwahrung unzulässig > kriminalpolitisches Motiv der Neuformulierung "praktisch sicher": die bedingte Entlassung aus der "ordentlichen" Verwahrung soll möglichst verhindert werden > die "ordentliche" Verwahrung wird damit an die lebenslängliche Verwahrung angeglichen; die jährliche Überprüfung der "ordentlichen" Verwahrung wird zur Farce Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 18 Parl. Init. Rickli (13.463) "Verwahrung bei rückfälligen Tätern" − Überblick > eingereicht am 27.09.2013 > Ergänzung von Art. 64 Abs. 1 StGB: 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter […] beeinträchtigen wollte, und wenn: a. […]; oder b. […]; oder c. der Täter bereits einmal wegen Mordes, vorsätzlicher Tötung, schwerer Körperverletzung oder Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt worden ist. > Rechtskommission Nationalrat: am 16. Oktober 2014 Folge gegeben mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltung > Rechtskommission Ständerat: am 2. September 2015 Folge gegeben mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen > weiteres Vorgehen: Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs durch die Rechtskommis- sion des Nationalrats (Art. 111 ParlG) Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 19 Parl. Init. Rickli (13.463) "Verwahrung bei rückfälligen Tätern" − Inhalt > automatische Verwahrung; keine Prüfung der Wiederholungsgefahr im Einzelfall > Begründung: die Chance auf eine Bewährung wurde durch Rückfalltat verwirkt > eingeschränkter Katalog an Anlasstaten: Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung und Vergewaltigung > fraglich • Fristen seit der letzten Verurteilung • Verhältnis zur Therapiemassnahme Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 20 Parl. Init. Rickli (13.463) "Verwahrung bei rückfälligen Tätern" − Einschätzung > Automatismus: "Two (heavy) strikes and you are out." > Beseitigung des richterlichen Ermessens bzw. der Güterabwägung im Einzelfall (Verhältnismässigkeitsprüfung) Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 21 Fazit > Misstrauen gegenüber Strafvollzugsbehörden und Gerichten > Einschüchterung der Behörden u. der Personen, welche an den Entscheiden mitwir- ken (Androhung von Amts- bzw. Stellenverlust; Aufnahme von Namen in Register) > Nullrisikoforderungen und Etablierung einer Nullrisikopraxis (im Wissen darum, dass es Nullrisiko nicht geben kann) > Überdehnung der Erwartungen an die forensische Psychiatrie (Prognostizierbarkeit der "praktischen Sicherheit") > Folgen der Vorstösse: es werden mehr Verwahrungen angeordnet; weniger Verwahrte werden bedingt entlassen; die Population der Verwahrten wird sich deutlich erhöhen > Zurückdrängung des Rechtsstaates: Wegfall von Ermessen und Güterabwägungen bzw. Verhältnismässigkeitsprüfungen > Verwahrten werden Grundrechte abgesprochen (grundrechtsfeindliche Tendenz gegenüber Minderheiten) Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 22 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Jonas Weber: Fachtagung "Strafen ohne Augenmass" vom 10./11. Sept. 2015, Paulus-Akademie Zürich Folie 23
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