Übersicht §§ 243, 244 - von Strafrecht

Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
Übersicht §§ 242 ff. (2)
A. Strafzumessungsregel § 243 I
§ 243 I nennt für einen besonders schweren Fall des Diebstahls Regelbeispiele.
Diese Regelbeispiele indizieren aber nur das Vorliegen eines besonders schweren Falles,
sie sind weder abschließend noch zwingend. Grds. ist die Gesamtwürdigung entscheidend.1
Der Vorsatz des Täters muss auch die Merkmale des objektiv verwirklichten Regelbeispiels
umfassen (§ 16 I 1 analog2, da keine TBM). Daher nach der Schuld die Regelbeispiele in
„obj. Hinsicht“ und in „subj. Hinsicht“ prüfen. Ausnahme: § 243 I Nr. 3 (gewerbsmäßiges
Stehlen), dort ausschließlich subj. Prüfung.
Prüfungsaufbau:
§§ 242, 243 I
I. TB
1. Obj. TB
2. Subj. TB
II./III. RW/Schuld
IV. Besonders schwerer Fall gem. § 243 I
1. In obj. Hinsicht
2. In subj. Hinsicht
1
Gem. Rengier BT1 § 3 Rn. 7 sind Ausführungen zur ausnahmsweisen Entkräftung der Indizwirkung bzw.
zur Frage, ob trotz Verneinung eines Regelbeispiels ausnahmsweise ein unbenannter schwerer Fall
anzunehmen ist, regelmäßig nicht nötig.
2
Nach Rengier BT1 § 3 Rn. 8 sind weiterhin auch die allgemeinen Teilnahmeregeln (§§ 25, 26, 27, 28 II)
entsprechend anwendbar. Im Ergebnis bestehen also nur sehr geringe Unterschiede zu echten
Tatbestandsmerkmalen (vgl. zum Versuch unten).
1
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
Definitionen:
Nr. 1:
 Umschlossener Raum = Raumgebilde, das zum Betreten durch Menschen bestimmt
ist und welches mit Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen Unbefugter
abwehren sollen.
Unterfall: Gebäude, Dienst- oder Geschäftsraum (BGHSt 1, 158).
 Einbrechen = gewaltsames (d.h. nicht ganz unerhebliche Kraftentfaltung) Öffnen
einer den Zutritt verwehrenden Umschließung von außen. In den Raum hineingreifen
reicht aus (z.B. ins Juwelierschaufenster).
 Einsteigen = Hindernis, das vor dem Zutritt schützen soll, wird überwunden (BGH
NJW 1993,2252). Der Täter muss in dem Raum zumindest einen Stützpunkt
gewonnen haben (Hineinbeugen des Oberkörpers genügt nicht).
 Eindringen mit falschem Schlüssel: Entscheidend ist, ob der Schlüssel zur Zeit der
Tat vom Berechtigten zur Öffnung bestimmt ist. An Möglichkeit der Entwidmung
denken.
 Verborgen halten
Nr.2:
 Schutzvorrichtung = von Menschen geschaffene Einrichtung, die bestimmt und
geeignet ist, eine Wegnahme erheblich zu erschweren.
Nicht CD-Etiketten oder Kleidungs“buttons“ (die sollen nur das Wiederauffinden
ermöglichen, str.).
2
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
 Verschlossenes Behältnis
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
=
ein zur
Aufnahme
von Sachen bestimmtes
Raumgebilde, das nicht zum Betreten durch Menschen bestimmt ist (sonst an Nr. 1
denken) und Sicherungsfunktionen aufweist. Verschlossen, wenn sein Inhalt mittels
einer technischen Schließvorrichtung oder auf andere Weise gegen den
unmittelbaren ordnungswidrigen Zugriff von außen gesichert ist.
 Besondere Wegnahmesicherung = die Sache muss also gerade gegen eine
Wegnahme besonders gesichert sein (dies ist etwa nicht der Fall, wenn die
Vorrichtung allein der Wiedererlangung des Gewahrsams dient, bzw. wenn das
Behältnis eine Sache nur vor Beschädigungen, Staub etc. schützen soll).
Nr.3:
Gewerbsmäßig
=
sich
aus
wiederholter
Tatbegehung
eine
fortlaufende
Einkommensquelle schaffend (BGH NStZ 1996, 285); bereits bei der ersten Tat möglich
In Beteiligungsfällen gilt diesbezüglich § 28 II StGB.3
Nr. 6:
 Hilflosigkeit = wenn keine Schutzmöglichkeit aus eigener Kraft besteht
 Unglücksfall= plötzliches Ereignis mit erheblicher Gefahr für Menschen und Sachen
(str. Suizid)
 Gemeine Gefahr = Möglichkeit der Schädigung unbestimmt vieler Personen und
deutlicher Sachwerte
Nr. 7:
Beachte: Bei Nr. 7 kommt es auf die Einsatzfähigkeit der Waffen nicht an. Handelt es sich
jedoch um eine einsatzbereite Waffe die gestohlen wird, ist regelmäßig ohnehin § 244 Abs.
1 Nr. 1a Var. 1 StGB erfüllt (vgl. zu den Konkurrenzen unten).
3
Rengier BT1 § 3 Rn. 34.
3
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
Ausn.: § 243 II
Nur für Nr. 1-6
Geringwertig ist eine Sache, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung für den Gewinn
wie für den Verlust als unerheblich anzusehen ist. (Früher ca. 50 DM, heute werden Beträge
zwischen 25 und 50 € vertreten)
Der Gegenstand der Tat muss nach h.M. objektiv und subjektiv eine geringwertige Sache
darstellen (vgl. den Wortlaut: „beziehen“); daher
(-) wenn der Täter die objektiv geringwertige Sache für wertvoll hält;
(-) wenn der Täter die objektiv wertvolle Sache für geringwertig hält (h.M.);
(-) wenn der Täter zunächst einen Diebstahlsvorsatz hinsichtlich einer geringfügigen Sache
gefasst hatte und nach Erfüllung des Regelbeispiels den Vorsatz auf wertvolle Sachen
ausdehnt;
(-) wenn der Vorsatz sich zunächst auf eine wertvolle Sache bezogen hat, der Täter sich
aber unfreiwillig mit einer geringwertigen Sache begnügt (h.M); anders aber, wenn ein neuer
Tatentschluss gefasst wird (dann Rücktritt vom Versuch und neuer Entschluss zum
Diebstahl einer geringwertigen Sache).4
Str. ist, ob der Versuch von § 243 möglich ist5
Problem: Regelbeispiele sind Strafzumessungsregeln, keine Tatbestände (vgl.
dagegen den Wortlaut von § 22 StGB: „zur Verwirklichung des Tatbestandes“). Sie
werden erst nach der Schuld geprüft.
a) Bsp.: A will in die Wohnung des B einbrechen um Wertgegenstände zu stehlen. Dort
angekommen stellt er fest, dass die Tür offen ist und er nicht einbrechen muss.
Hier Konstellation: Vollendeter Diebstahl (wenn man annimmt, dass er die Gegenstände
tatsächlich entwendet hat) und „versuchtes“ Regelbeispiel.
4
Vgl. zu den beiden letztgenannten Konstellationen Rengier BT1 § 3 Rn. 43 ff. auch mit Nachweisen zu
anderen Ansichten.
5
Vgl. zu Aufbaufragen Rengier BT1 § 3 Rn. 48 ff.
4
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
Rspr.: (+), die Regelbeispiele sind tatbestandsähnlich, weshalb die Versuchsregeln
herangezogen werden können.6
H.L. (-), Art 103 II GG (Versuch nur bei Tatbeständen)! Evtl. möglich: Annahme eines
sonstigen (unbenannten) besonders schweren Falles.
b) Denkbar ist weiterhin, dass ein versuchter Diebstahl (§§ 242, 22) mit dem „Versuch“
eines Regelbeispiels im Sinne von § 243 zusammentritt. Dies ist die Konstellation von
BGHSt 33, 370:
Der BGH bejaht hier die Möglichkeit eines Versuchs in einem besonders schweren Fall
(vgl. dazu auch schon die vorstehende Fallgruppe): „Denn sie (Anm.: Regelbeispiele)
sind jedenfalls tatbestandsähnlich, weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten
Unrechts- und Schuldgehalt typisieren. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß schon
wiederholt - wenn auch in anderem Zusammenhang (vgl. Otto JZ 1985, 21, 24) hervorgehoben, daß die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle sich im Wesen
nicht tiefgreifend von selbständigen Qualifikationstatbeständen unterschieden und die
Wahl des Gesetzgebers für die eine oder andere Ausgestaltung einer Vorschrift mehr
eine Frage der formalen Gesetzestechnik sei“.
Weiter heißt es in der Entscheidung:
„Die Auffassung des Senats verträgt sich auch mit dem Ziel, das der Gesetzgeber mit
der Umwandlung des § 243 StGB von einem selbständigen Qualifikationstatbestand in
eine Strafzumessungsvorschrift verfolgte. Soweit er die Tatbestände der alten Vorschrift
in gleicher Form in die Regelbeispiele der neuen übernommen hat, ging es ihm nicht
darum, deren Reichweite einzuschränken, also zum Beispiel den versuchten Einbruch
von der Qualifizierung grundsätzlich auszunehmen.“
Die h.L. bejaht hingegen ausschließlich §§ 242, 22 (Argumente wie bei a)).
c) Wohl unproblematisch ist die Situation, dass – bei versuchtem Diebstahl – die
Voraussetzungen eines Regelbeispiels voll verwirklicht werden, da hier die Indizwirkung
6
Ob die Rspr. in der vorliegenden Fallkonstellation tatsächlich einen Versuch annehmen würde, ist nicht
ohne Zweifel, vgl. dazu Rengier BT1 § 3 Rn. 55 f.
5
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
des Regelbeispiels eintritt und „nichts dagegen spricht, § 243 Abs. 1 auch auf den – nach
§ 242 Abs. 2 – strafbaren Versucht des Diebstahls zu beziehen.“7
B. Haus- und Familiendiebstahl § 247
bzgl. §§ 242-244a und §246
C. Diebstahl geringwertiger Sachen § 248a
Nur bzgl. §§ 242 und 246
D. Diebstahl i.S.d. § 244 (Qualifikation)
I. § 244 I Nr. 1: Diebstahl mit Waffen
Prüfungsaufbau:
I. TB
1. Obj. TB
Bei-sich-führen einer Waffe oder anderer gefährlicher Werkzeuge
Bei-sich-führen eines sonstiges Werkzeuges oder Mittels, das geeignet ist, Widerstand
einer anderen Person mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu brechen
2. Subj. TB (bei Nr. 1b entsprechende Absicht)
II./III. RWK/Sch
Definitionen:
a) bei-sich-führen
7
MüKo/Schmitz § 243 Rn. 86.
6
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
in der Lage sein, während des Tatgeschehens das Mittel – ohne nennenswerten
Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten – einzusetzen (str.)
Das Merkmal kann unproblematisch vom Versuchsstadium bis zur Tatvollendung hin
verwirklicht werden (also u.U. auch dann, wenn Waffe bzw. gef. Werkzeug erst am Tatort
entwendet wird). Str. ist, ob auch eine Verwirklichung in der Beendigungsphase möglich ist
(Rspr. (+)). Vgl. dazu Rengier BT1 § 3 Rn. 48 f.
b) Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug
Waffe= Waffe im technischen Sinn
Einsatzwille bei der Waffe nicht erforderlich, da Bei-sich-führen ausreicht
Gefährliches Werkzeug = (sehr str.): Hierbei handelt es sich um ein sehr klausurrelevantes
Standardproblem, welches unbedingt im Lehrbuch gründlich angeschaut werden muss.
Der Streitstand ist so umfassend, dass er hier nicht dargestellt werden kann.
Die Rspr. des BGH orientiert sich mittlerweile allein an objektiven Kriterien (vgl.
grundlegend BGHSt 52, 257 ff.). Vgl. auch den 1. Orientierungssatz von BGH NStZ 2012,
571: „Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a StGB setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach
seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen
zuzufügen, etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug“ (Hervorhebung nicht im Original).
c) sonstiges Werkzeug oder Mittel
Hiervon werden grds. auch Scheinwaffen erfasst. Eine Ausnahme besteht indes dann, wenn
der Gegenstand bereits nach seinem äußerlichen Erscheinungsbild erkennbar ungefährlich
ist (Bsp.: Labello-Stift spiegelt Waffenlauf vor). Hier steht nämlich allein die Täuschung im
Vordergrund.
II. § 244 I Nr.2: Bandendiebstahl
Aufbau:
7
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
I. TB
1. Obj. TB
Tatsubjekt = Mitglied einer Raub- /Diebstahlsbande
Tathandlung: Stehlen unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds
2. Subj. TB
II./III. RWK/Sch
Definitonen:
Bande = Mehrzahl von Personen (nach h.M. mindestens 3), die sich zur fortgesetzten
Begehung mehrerer selbstständiger, im Einzelnen noch ungewisser Raub- bzw.
Diebstahlstaten zusammengeschlossen haben;
(BGHSt 46, 321: Personen; Anwesenheit von nur einem Bandenmitglied ausreichend, sehr
str. vgl. Wessels/Hillenkamp BT2 Rn. 301)
III. § 244 I Nr. 3: Wohnungseinbruchsdiebstahl
Aufbau:
I. TB
1. Obj. TB
Wohnung
Einsteigen, Einbrechen; Eindringen mit falschem Schlüssel oder (...) Werkzeug
2. Subj. TB
II./III. RWK/Sch
Definitionen:
Wohnungen = (überdachte und abgeschlossene) Räumlichkeiten, die Menschen zumindest
vorübergehend (str.) als Unterkunft dienen (nicht: Arbeits- und Geschäftsräume).
8
Arbeitsgemeinschaft Strafrecht BT
Sommersemester 2015
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Matthias Noll
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
IV. Schwerer Bandendiebstahl § 244a
Qualifikation zu § 244 I Nr. 2
Die
Voraussetzungen
der
Regelbeispiele
aus
§
243
werden
hier
zu
Qualifikationsmerkmalen.
V. Konkurrenzen
§§ 242, 243 werden von § 244 verdrängt, aber TE zwischen §§ 244, 22 und §§ 242, 243.
§ 244 wird von §§ 249 ff., 255 verdrängt, aber TE zwischen §§ 249, 22 und § 244.
9