E D I T O R I A L dd Ist uns alles Wurscht geworden? S Ztm. HansJoachim Burkhardt eit nunmehr 43 Jahren arbeite ich als Zahntechniker. Ich wollte eigentlich Goldschmied werden, was zum Glück nicht geklappt hat. Ich habe Arbeit die auch Berufung ist, mich fordert und erfüllt, manchmal stresst und nervt. Wenn ich abends spät nach Hause komme und redlich müde bin, dann weiß ich, dass ich etwas geschaffen habe. Ich habe für Menschen die unsere Hilfe brauchen Schönheit, Wohlbefinden und Lebensqualität geschaffen. Nicht immer, aber oft, das gehört nun mal leider auch zum Geschäft. Ich habe ein gutes Team und anständige Kunden, ein gut ausgestattetes Labor, nicht hypermodern, dafür mit allem, was die klassische und moderne Zahntechnik benötigt. Es bleibt sogar noch Zeit, sich um Dinge zu kümmern, die nicht direkt auf unserer Agenda stehen. Etwas Forschung, die Entwicklung von kleinen Helferlein und für die Nachwelt schreiben. Es ist also eigentlich alles so, wie man sich das mit mittlerweile 60 Lebensjahren vorstellt. Denkste! Dass wir Deutschen gerne jammern und uns selbst bemitleiden, und das auf verdammt hohem Niveau, ist uns seit langem bekannt. ‚The German Disease‘ wird unsere depressive Weltanschauung im Ausland genannt, die ‚Deutsche Krankheit‘. Dass es auch anders geht zeigt ein weltumspannendes Netz von Kollegen, die sich gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite stehen, obwohl sie sich nicht einmal persönlich kennen. Es werden Tipps und Tricks ausgetauscht, wie wir es von unserem Nachbarlabor niemals erwarten könnten. Zudem findet man im Ausland Techniken, die hierzulande kaum noch Anwendung finden. Es war ein regelrechter Schock zu erkennen, dass wir längst nicht mehr das Epizentrum der Dentalwelt sind. Schaut euch an, was unsere Kollegen auf der Welt drauf haben. Dort herrscht Aufbruchsstimmung und ein teilweise unglaublich hohes Niveau. Die sind an uns vorbei marschiert und wir haben es in unserer stoischen Ruhe nicht einmal bemerkt. Und wie läuft das bei uns? Sicher, es gibt sie noch, die Spezialisten, die weit mehr vergessen haben, als der ‚normale‘ Zahntechniker je gelernt hat, doch sie sind rar geworden. Viele Kollegen sind nur noch groß im Sprüche klopfen. Kratzt man an der Oberfläche, kommt häufig nur heiße Luft. Es fehlt an jeder Ecke an Basics, Grundlagen sind Mangelware und vieles wird nur nachgeplappert, ob es Sinn ergibt oder nicht. Alter Mist wird an die nächste Generation vererbt. Eine Pisa-Studie für Deutsche Zahntechniker, … das wäre doch mal was. Statt Solidarität zu zeigen schauen wir zu, wie sich Kollegen gegenseitig in die Pfanne hauen, sich mit Dumpingpreisen kaputt machen und mit unlauteren Mitteln Kunden ‚wegschnappen‘. Und dann noch die Schadenfreude, wenn es dem anderen schlecht geht! Ganze Regionen liegen darnieder. Anstatt dazwischen zu gehen und solidarisch deutlich zu machen, dass wir das nicht zulassen werden, passiert nichts und wir lassen die Missgunst gewähren, auch von Seiten der Standesorganisationen. Alles wird hingenommen und als von Gott gegeben akzeptiert, auf die Konkurrenz oder die Industrie gewettert, anstatt die Augen zu öffnen, Dinge zu hinterfragen und die eigenen Schlüsse daraus zu ziehen und die gefasste eigene Meinung dann auch zu vertreten. Wo sind sie hin, die vielseitig interessierten, empirisch tätigen Kollegen? Ist es soweit, dass uns die Entwicklungsabteilungen der Dentalindustrie sagen, was wir brauchen und wozu? Haben wir keinen Schneid mehr, den Zeigefinger zu erheben, aufzustehen oder einfach mal auf den Tisch zu hauen um das zu erhalten was WIR wollen. Stattdessen kaufen wir fast blind, was uns die Gewinnmaximierte Marketingabteilung der Firma A-Z großblumig vorstellt. So muss Werbung! Wie sieht es mit der Weiterbildung aus? Einbildung statt Fortbildung? Oder warum werden unsere hochkarätigen Referenten mit ausgezeichnetem Kursangebot nicht mehr wahrgenommen, Kurse immer wieder mangels Teilnehmern abgesagt? Weil sie Geld kosten? Natürlich kosten sie Geld, denn der Referent will davon leben. Außerdem will er sein hart erarbeitetes Wissen nicht einfach so und ohne Gegenleistung abgeben. Leute, mal im Ernst, glaubt ihr tatsächlich, dass ihr ohne Weiterbildung in diesem Beruf eine Zukunft habt? Was ist mit unserem Nachwuchs? Nachwuchs ist Mangelware! Trotzdem gibt es ‚Kollegen‘, die dieses rare Gut ‚Lehrling‘ behandeln, als wäre es der letzte Dreck. Was haltet ihr davon, wenn sich ein Lehrling aus Angst vor dem Chef morgens übergibt, bevor er ins Labor geht? Wie kann daraus jemals ein selbstbewusster, verantwortungsvoll mitdenkender Kollege und Mitarbeiter werden, die wir uns alle so sehr wünschen? Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital! Wollen wir uns so gegenüber unseren Auftraggebern, den Patienten und den Medien als sachkundige Partner profilieren? Ist das die Augenhöhe, die wir für unser Handwerk immer wieder und lauter werdend fordern? Also, was können wir allein gegen das ,Abstumpfen’ tun? Die Antwort lautet: Es reicht nicht aus, jemanden zu kennen, der was kann, ihr müsst das schon selbst können! Nutzt eure Kraft, um Dinge zu hinterfragen und nehmt nicht alles hin, was man euch vorsetzt. Fragt, forscht, bildet eure Meinung, rüttelt an Dogmen und schneidet alte Zöpfe ab, macht mal was Neues, gestaltet eure Zukunft. Zeigt, dass ihr nicht wegzudenken seid. Denn ihr seid einzigartig, ihr seid Zahntechniker und darauf könnt ihr, ja müsst ihr stolz sein! Ich bin es auch! Und wenn es mir vergönnt ist, mache ich die 50 Jahre Zahntechnik gerne voll, denn ich liebe diesen Beruf. Euer Hans-Joachim Burkhardt 15. JAHRGANG 01/2014 © dental dialogue 3
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