Bundesrat Didier Burkhalter Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Bundesgasse 32 3003 Bern Zürich, 18. Juli 2015 Einer der prominentesten politischen Gefangenen in Tibet stirbt, weil ihm medizinische Behandlung verweigert wurde – und die offizielle Schweiz schwieg. Sehr geehrter Herr Bundesrat Didier Burkhalter Am 12. Juli starb im Alter von 65 Jahren der seit 2002 inhaftierte Tenzin Delek Rinpoche in einem Gefängnis in Chengdu in der chinesischen Provinz Sichuan. Er war vor der Inhaftierung in seiner Heimatregion in der Tibetischen Autonomen Präfektur Kardze für sein religiöses und soziales Engagement hoch geachtet. Es war bekannt, dass Tenzin Delek schwer herzkrank war, ohne dafür in Haft medizinische Behandlung zu bekommen. Wiederholt hatten NGOs und Menschenrechtsgruppen an die Internationale Staatengemeinschaft appelliert, sich für eine angemessene Behandlung einzusetzen; zuletzt in diesem Jahr, als sich sein Zustand bedrohlich verschlechterte. Die Appelle blieben ohne Echo. Erst nach seinem Tode sind von internationalen Politikern Worte der Mahnung und des Bedauerns zu hören. Tenzin Delek Rinpoche war wegen angeblicher Beteiligung an einem Bombenanschlag in Chengdu vom 3. April 2002 verhaftet worden. Während 8 Monaten wurde er in Isolationshaft gehalten, ohne dass er einen Rechtsbeistand erhielt. Dann verurteilte ihn ein Gericht in einer geheimen Verhandlung am 5. Dezember 2002 zusammen mit seinem Neffen Lobsang Dhondup zum Tode. Während Lobsang Dhondup am 22. Januar 2003 hingerichtet wurde, erhielt Tenzin Delek einen Aufschub für 2 Jahre; später wurde die Todesstrafe in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Tenzin Delek hatte stets seine Beteiligung an dem Bombenanschlag bestritten. Während der 13 Jahre in Haft war er völlig isoliert. Er konnte seine Verwandten insgesamt nur sieben Mal sehen, und das nur für jeweils 30 Minuten unter strenger Aufsicht von Gefängnispersonal. Der letzte Besuch wurde im November 2013 genehmigt. Tenzin Delek soll in den letzten Jahren an Stöcken gelaufen sein, weil er durch die Misshandlungen in Haft Beinverletzungen erlitten hatte. Seine kurz vor seinem Tode herbeigeeilten Schwestern durften ihn nicht mehr besuchen. Über mehrere Tage wurden sie über seinen Zustand im Unklaren gelassen. Als sie sich weigerten, nach seinem Tode ein Dokument über seinen Gesundheitszustand zu unterschreiben, ohne den Leichnam gesehen zu haben, wurden sie für 10 Stunden im Gefängnis festgehalten. Erst später durften sie auf Drängen seinen Leichnam sehen. Die Behörden liessen ihn jetzt in aller Eile Geschäftsstelle GSTF Binzstrasse 15 CH-8045 Zürich [email protected] +41 (0)44 451 38 38 www.tibetfocus.com www.gstf.org Konto: PC 80-58056-6 einäschern, obwohl sich die Schwestern auf ihr Recht beriefen, eine Einäscherung zu verweigern, um eine würdige Bestattung in der Heimat zu ermöglichen. Wir rufen den Bundesrat und auf: • Setzen Sie sich gegenüber der Regierung der Volksrepublik China jetzt dafür ein, dass die zahlreichen politischen Gefangenen nicht weiter misshandelt werden und angemessene medizinische Behandlung erhalten – bevor es zu spät ist! • Fordern Sie die Regierung der Volksrepublik China auf, die genauen Umstände Tenzin Deleks Tod zu untersuchen und Abhilfe für Missstände zu schaffen. Die Verantwortlichen für allfällige Misshandlung und unterlassene Hilfeleistung müssen zur Rechenschaft gezogen werden. • Verlangen Sie, dass die Volksrepublik China in Zukunft faire und der Öffentlichkeit zugängliche Gerichtsverfahren für alle Angeklagten durchführt. Angeklagte müssen sich angemessen verteidigen können, für sie muss die Unschuldsvermutung gelten, Verhöre dürfen nicht unter Zwang oder Folter durchgeführt werden, und die Angehörigen müssen Besuchsrecht und transparente Information erhalten. Freundliche Grüsse Yangchen Büchli Vizepräsidentin GSTF Geschäftsstelle GSTF Binzstrasse 15 CH-8045 Zürich [email protected] +41 (0)44 451 38 38 www.tibetfocus.com www.gstf.org Konto: PC 80-58056-6
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