8 9 SCHWERPUNKT SOZIALUNTERNEHMEN „Die Leute wechseln zu uns, weil sie eine Firma wollen, die zu 100 Prozent ökologisch ist statt ein bisschen“, sagt Assmann. So kommt das Ökogas ausschließlich aus Zuckerrübenresten. Energiepflanzen oder Gülle aus Massentierhaltung sind tabu. Das kommt auch bei Profis an. „Solche Initiativen sind vorbildlich“, sagt Florian Schöne, Landwirtschaftsexperte des Naturschutzbunds Deutschland. Wasserkraftwerke, die den Strom liefern, haben nicht nur Fischtreppen, sondern bieten Schutzräume für Vögel, Frösche und Schmetterlinge. Verantwortung schließt bei Polarstern aber auch die zwölf Mitarbeiter ein. Sie entscheiden selbst, wie viel sie arbeiten. Auch die Chefs verordnen sich am Wochenende ein Arbeitsverbot, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die große Karriere ist so nicht zu machen. Zumindest nicht, wenn Millionenerträge der Gradmesser sind. Aber, so der Betriebswirt Henle: „Der Grenznutzen von Geld als Motivator ist schnell erreicht. Was dich wirklich bewegt, das ist Sinn.“ Aufbauhelfer Licht in die letzte Hütte : Das Start-up Little Sun verkauft Solarlampen an Menschen in Entwicklungsländern – mit einem besonderen Geschäftsmodell. anna gauto | [email protected] Bloomberg gibt Kredit Erleuchtung aus Berlin Little-Sun-Gründer Hallwachs mit Solarleuchte Die Idee von Little Sun, um die teuren Giftfunzeln zu ersetzen: Auch Verbraucher in Europa und den USA können die Solarlampe für etwas mehr als 20 Euro kaufen. Der Gewinn fließt in die Fertigung weiterer Leuchten, die an Händler in Afrika für den Produktionspreis von 5,80 Dollar gehen. FOTOS: ANDREAS CHUDOWSKI UND CHRISTIAN SCHNUR/BEIDE FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE F elix Hallwachs will die Welt erleuchten. Jedenfalls jenen Teil, in dem Menschen ihre Hütten notdürftig mit Petroleumlampen erhellen, weil ihnen ein Stromanschluss fehlt. Helfen soll dabei eine Solarlampe aus Plastik, kaum größer als eine Hand. Die Leuchte hat Form und Farbe einer Sonnenblume. Ein Solarmodul speist in fünf Stunden genug Strom in einen Akku, um eine LED nachts leuchten zu lassen. Dieses Stück Plastik soll Licht in das Leben von Millionen Menschen bringen? „Mit dem richtigen Geschäftsmodell könnte das klappen“, sagt Hallwachs. Das entwickelt er als Geschäftsführer mit dem 2012 gegründeten Berliner Start-up Little Sun. Die 14 Mitarbeiter teilen sich zwei Räume in einer ehemaligen Fabrik im Stadtteil Prenzlauer Berg. An den Wänden hängen Zeichnungen und Farbproben für Lampendesigns. Der Markt für die kleine Solarlampe ist gigantisch. Je nach Schätzung haben bis zu 1,6 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Strom. Vor allem in Afrika zweigen die Menschen von ihrem meist wenigen Geld jährlich bis zu 17 Milliarden Dollar für Lampenbrennstoff ab. Gesund ist es nicht, neben einer Petroleumleuchte zu hocken. Sie setzt täglich ungefähr so viel Schadstoffe frei wie eine Schachtel Zigaretten. Hinzu kommen noch die Transport- und Importkosten, die bis zu zwei Dollar pro Lampe ausmachen. Die Händler in Afrika verkaufen die Solarlampen dann für bis zu 14 Dollar weiter. Mit dem Gewinn können sie weitere Lampen erwerben und so ihr Geschäft nach und nach ausbauen. Das Modell bezeichnet der 38-jährige Hallwachs als Impact Business. „Das Geschäftsziel ist nicht die Profitmaximierung, sondern die Maximierung der Wirkung.“ Und es funktioniert: Knapp 130 000 der kleinen Sonnen verkauften rund 400 Händler bisher in elf afrikanischen Ländern. Ebenso viele Lampen waren es in Europa und den USA. Die Haushalte sparten laut Berechnungen des Unternehmens mehr als 3,5 Millionen Dollar Ausgaben für Petroleum. Auch gestandene Kapitalisten überzeugt das Geschäftsmodell. So fördert der Milliardär und Ex-Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, das Start-up über seine Stiftung mit einem günstigen Kredit in Höhe von fünf Millionen Dollar. Mit dem Geld kann Little Sun mehr Lampen nach Afrika schicken und das Geschäft vergrößern. In Design und Marketing brauchten die Berliner kaum zu investieren. Der renommierte dänische Künstler Olafur Eliasson, für den Hallwachs früher Schauen organisierte, hat die Solarlampe mit einem Freund entwickelt und gestaltet und in Museen in London und New York präsentiert. Schnell wurde sie Kult. Und gewann jetzt sogar einen GreenTec Award (siehe Seite 12). Von Beginn an war klar, dass sie nicht verschenkt würde. „Mit einer Spendenaktion hätten wir vielleicht ein paar Tausend Lampen verteilt“, erklärt Hallwachs. Aber was wäre dann? Spenden sind nicht nachhaltig, glaubt er. Ein gutes Geschäftsmodell schon. Und so schmieden Hallwachs und seine Mitarbeiter schon neue Pläne. Derzeit arbeiten sie an einem Solarladegerät für Mobiltelefone, die in Afrika allgegenwärtig sind. „Solche Ladegeräte gibt es in jedem Flughafenshop, da müssen wir auch mit unserem Produkt hin.“ Auch wenn jemand die Little Sun kopiert, fände Hallwachs das nicht schlimm. Denn das würde noch mehr Lampen für Afrika bedeuten. benjamin reuter | [email protected] Spinnen aus Überzeugung Die Zürcher Markus (l.) und Daniel Freitag vor Flachsfasern Kreisläufer Hose zu Erde, Hemd zu Staub : Ihre Taschen aus Lkw-Planen machten die Schweizer Brüder Freitag bekannt. Nun wagen sie sich an kompostierbare Kleidung. D ie erste Erfindung war Anfang der Neunzigerjahre noch Zufall, entsprang aber schon ihrer grünen Gesinnung. Weil die Entwürfe der angehenden Grafikdesigner nass wurden, wenn sie auf ihren Velos durch den Zürcher Regen radelten, nähten sich Daniel, 45, und Markus Freitag, 44, wasserfeste Umhängetaschen. Aus ausrangierten Lkw-Planen, Fahrradschläuchen und Autogurten. Nur Gebrauchtes zu verwenden war klar für die Brüder. Schließlich hatten sie ihre Eltern überredet, ihre Autos abzuschaffen, um etwas gegen das Waldsterben zu tun. Da wollten sie auch selbst ökologisch vorbildlich handeln. Was sie nicht ahnten: Ihre Recyclingtaschen stießen auf so viel Begeisterung, dass sie mit ihnen ein florierendes Geschäft aufbauen konnten. Schon damals setzte ihre Kreation einen Trend: aus Abfall etwas Neues, Höherwertiges machen. Jetzt geben die Freitags erneut die Ökorevoluzzer. In diesen Wochen bringen sie die ersten Freizeit- und Arbeitshosen, T-Shirts und Kleider auf den Markt, die ihre Käufer im Garten verbuddeln können, wenn der Stoff verschlissen ist. Er zerfällt zu Erde, ohne Gifte abzusondern. Nur den Hosenknopf müssen die Träger vorher abschrauben. Garne aus Buchenholz Die Kompostierbarkeit ist längst nicht alles. Um lange Transportwege und andere negative ökologische Folgen bei der Herstellung zu vermeiden, verwenden die Brüder keine Baumwolle. Denn die benötigt viel Wasser und Fläche und wird in weit entfernten Gegenden angebaut. Die Brüder spinnen ihre Garne stattdessen aus Leinen, Hanf und Buchenholzspänen. Die Rohstoffe stammen alle aus Europa; die Bauern setzen weder Pestizide noch Mineraldünger ein. Und auch die Produktion ist hier konzentriert – eine Seltenheit mit weitreichendem Effekt: Eine E WirtschaftsWoche/12.6.2015/Green Economy © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Green Economy/12.6.2015/WirtschaftsWoche
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