Gemeinsam statt einsam - Fachhochschule St. Pölten

ausgabe 03
november 2015
fu t ur e
das magazin der fh st. pölten
Gemeinsam statt einsam
Jeder steuert bei, was er am besten kann: Eine komplexe Welt braucht
mehr Austausch zwischen den Forschungsdisziplinen.
Start-up-Lebensgefühl
Therapie mit Pieps
Fußballspielen bei Google
Editorial
Keine Frage
der Disziplin
Unsere Fachhochschule ist geprägt
durch innovationsorientierte Lehre und
Forschung. Mut zu Neuem gepaart mit
Wissen und Kompetenz weiten die
­Handlungsspielräume und tragen zu nachhaltigem und stetem Wachstum bei. Mit
ein Grund, weswegen die Fachhochschule
seit dem Jahr 2007 von 1.300 auf rund
2.400 Studierende gewachsen ist und in
den kommenden Jahren die 3.000erMarke erreichen wird.
In der Verantwortung den nachfolgenden
Generationen gegenüber bemühen wir
uns, durch Lehre, Forschung und Ent­
wicklung die Arbeitsplätze von morgen
mitzugestalten.
2 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
Interdisziplinäres Wissen als Leitthema
des zukünftigen Bildungsspektrums
bedingt vor allem eines: ein solides diszi­
plinäres Fundament.
Was wir für die Bildung tun, wie wir
Disziplinen verschränken und neue Welten
entstehen lassen erfahren Sie in dieser
Ausgabe des Magazins. Wir freuen uns
über Ihr Interesse!
Dr. M. Gabriela Fernandes
Dipl.-Ing. Gernot Kohl, MSc
I N H A L T
4Aktuell
Neuigkeiten aus der Welt
der FH St. Pölten
6 Wie Soziale Arbeit
„inklusiv“ wird
Hilfe „für andere“ vs. Wunsch
nach Selbstbestimmung
7 Vom Fernsehen lernen
Ein neuer Lehrgang widmet sich Film,
Fernsehen und Bewegtbildern
8 Sinnsuche in Parlaments­
protokollen
Hilfsmittel für DatenjournalistInnen
9 Kinderaugen und
Live-Forensik
Forschungsprojekte der FH St. Pölten
Dossier:
Interdisziplinarität
14 Gemeinsam statt einsam
Die gesellschaftlichen Probleme erfordern
einen immer weiteren Horizont
18 Alles wächst zusammen
Die Medienwelt zeigt vor, wie es geht
19 Warum interdisziplinär
forschen?
ExpertInnen beziehen Stellung
10 Ein stummer Diener sorgt
für Gesellschaft
20 Die Therapie mit dem Pieps
12 Helle Köpfe
22 Wildes Denken
Mittendrin in der Start-up-Welt
Prototypen für die technische
Gesundheitsvorsorge
Die Vorzüge mangelnder Diszipliniertheit
23 Doppeltes Studium,
doppelte Freude?
Studierende mit Doppelstudium
über ihre Motivation
26 Hohe Schule der
Kinderbetreuung
Lokalaugenschein: familienfreundliche
Maßnahmen der FH Augsburg
27 Fußball spielen
am Google-Feld
24 Lehrvideos und
Sprachtandems
Projekte für interdisziplinäres Studieren
25 „AK28300“ hilft auch
nicht weiter
Die Schubladen der BibliothekarInnen
Software-Unternehmer Christian
Plaichner über das Silicon Valley
28Blitzlichter
Veranstaltungen an der FH
und mit der FH
30Buchtipps
31 Auch da steckt FH drin
3
A K T U E L L
Symposium Wirtschaftsund Finanzkommunikation
Kommt die
­Botschaft an?
Aktuelles aus den Studiengängen
Neue Schwer­
punkte
Im Herbst 2015 startete in den
Eisenbahn-Studiengängen der
FH St. Pölten die neue, dritte
­Spezialisierung „Management von
Bahnsystemen“. Die Studierenden
können nun je nach Interessenslage
zwischen den Schwerpunkten
­Bautechnik, Betrieb & System­
technik und Management von Bahnsystemen wählen. Im Zuge dessen
wurden die Studiengänge umbenannt: Das Bachelorstudium heißt
nun „Bahntechnologie und Mobilität“, das Masterstudium „Bahn­
technologie und Management von
Bahn­systemen“.
Auch das Bachelor­studium Medientechnik hat seine Schwerpunkte
aktualisiert. Es kamen neue Wahlpflichtmodule hinzu, sodass Studierende nun aus den folgenden sieben
Schwerpunkten wählen können:
Experimentelle Medien, Musiktheorie
und -produktion, Fernsehproduktion, Digital Game Production, Information Visualization & Computer
Vision, Commercial Web und RealTime Graphics and Engines. Ab
dem Wintersemester 2016 kann
man (unter Voraussetzung der
Genehmigung durch die AQ Austria)
das Masterstudium Information
Security berufsbegleitend studieren.
Aus diesem Anlass werden im
­Studiengang neue Vertiefungsmodule für Software Security, Industrial
and Infrastructure Security und
IT-Management ermöglicht.
www.fhstp.ac.at/de/studium-weiterbildung
Fahrplan zur Karriere:
neue Spezialisierung in den
Eisenbahn-Studiengängen.
4 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
Wird in der Finanzwelt aneinander
vorbeigeredet? Die aktuellen
­Entwicklungen auf Chinas Finanzmärkten, aber auch der Verlauf der
Finanzkrise 2007–2009 verstärken
diesen Eindruck. Die Fragen, ob
Finanz- und Börsennachrichten bei
ihren LeserInnen ankommen und
welche Wirkung diese entfalten,
­stehen im Mittelpunkt des 2. österreichischen Symposiums „Wirtschafts- und Finanzkommunikation“,
das vom Department Medien und
Wirtschaft der FH St. Pölten aus­ge­
richtet wird. Dazu diskutieren Finanzund KommunikationsexpertInnen
am 20. April 2016 in Wien.
Symposium Wirtschaftsund Finanzkommunikation
(#wufkomm16)
20. 4. 2016, Wien
www.fhstp.ac.at/events
Veranstaltungen für SchülerInnen
Eventluft
schnuppern,
IT-Wissen vertiefen
Im Jänner 2016 lädt der Studiengang Media- und Kommunikationsberatung der FH St. Pölten mit
­seinem Schwerpunkt im Bereich
Eventmanagement zur 5. EVENTcon.
Zielgruppe der Veranstaltung sind
Schulklassen, vorrangig aus der
Oberstufe. TeilnehmerInnen erhalten
bei der Fachtagung Einblicke in die
Arbeitsweise von EventorganisatorInnen. Zum Thema IT-Sicherheit
informieren können sich SchülerInnen beim Security Day 2016 der
Studiengänge IT Security und Information Security. Die Jugendlichen
können in mehreren Workshops
bestehendes Wissen zum Thema
IT-Sicherheit vertiefen.
Security Day 2016
26. 1. 2016, 9.00 –15.00 Uhr
EVENTcon 2016
27. 1. 2016, 9.30 –13.45 Uhr
www.fhstp.ac.at/events
A K T U E L L
Symposium Medienethik
Neues Gleich­
gewicht für
die Medienwelt
Ökonomische und technologische
Veränderungen bringen die Medienlandschaft aus dem Gleichgewicht
und haben unmittelbare ethische
Folgen im Journalismus, im
Medienmanagement oder in der
Medienpolitik. Ein Symposium der
FH St. Pölten zum Thema Medien­
ethik widmet sich neuen Geschäfts­
modellen durch digitale Umbrüche
im Journalismus, der Rolle von
MedienmanagerInnen beim Bewältigen disruptiver Strömungen sowie
der medienpolitischen Frage der
Regulierung dieser Tendenzen.
ExpertInnen aus Medienökonomie,
Medienmanagement, Medienethik
und Journalismus werden vortragen
und diskutieren.
Symposium Medienethik
(#medienethikfhstp)
29. 2. 2016, St. Pölten
www.fhstp.ac.at/events
Internationale Forschung
Essen als Therapie
38 Millionen Menschen sterben
­weltweit jährlich an sogenannten
nicht­übertragbaren Krankheiten.
Dazu gehören zum Beispiel Auto­
immunkrankheiten, Krebs, Diabetes
und Herz-Kreislauf-Leiden. Ernährung
hat wesentlichen Einfluss auf das
­Entstehen dieser Krankheiten, doch
die Ansätze zur Diagnose und Intervention in der Diätologie unter­
scheiden sich von Land zu Land.
Im Rahmen des EU-Programms
„Erasmus+ Strategic Partnership
for Higher Education“ nimmt die
FH St. Pölten an dem Projekt IMPECD
(Improvement of Education and Competences in Dietetics) teil, welches
den internationalen Informationsaustausch fördert. Eingesetzt werden
dabei auch neue Lehrmethoden wie
zum Beispiel Massive-Open-OnlineCourses (MOOC). Das Projekt IMPECD
wird aus Mitteln der Europäischen
Union finanziert.
www.fhstp.ac.at/impecd
open.day
Oft und auch weniger oft gestellte Fragen
werden am open.day beantwortet.
FH, öffne dich!
Die größte Informationsveranstaltung
der FH St. Pölten findet zum nächsten Mal am 11. März 2016 statt und
gewährt Einblick in das gesamte
Studienangebot (Bachelor, Master
und Weiterbildung). StudiengangsleiterInnen, DozentInnen, Studierende und MitarbeiterInnen aus allen
Departments beantworten Fragen.
Labore, Studios und Hörsäle sind
frei zugänglich und Interessierte
können sich über allgemeine Themen rund ums Studieren beraten
lassen. Zusätzlich zum open.day
bieten die Studien- und Weiterbildungslehrgänge laufend Infotermine
zu ihrem Bildungsangebot.
open.day
11. 3. 2016, 13.00 –18.00 Uhr
www.fhstp.ac.at/infotermine
chat.day
19.1. 2016, 14:00 Uhr
www.fhstp.ac.at/chatday
Neue Start-up-Ideen
Kreativer
Brutkasten
Das Gründungsprogramm „creative
pre-incubator“ geht mit vier neuen
Teams in die nächste Runde:
­TherAPPist, MOTEX, Exahome und
citybirds heißen die Ideen der vier
GründerInnen-Teams, die nun ein
Jahr lang individuell begleitet werden. TherAPPist entwickelt eine
mobile Therapie-Assistenz, MOTEX
ist ein Virtual-Reality-Fahrschul­
simulator, Exahome befasst sich
mit intelligenter Haustechnik und
Heim­automatisierung und citybirds
arbeitet an einer Travel-App für Reisende. Das Gründungsprogramm
behandelt die Themen Markt,
­Konkurrenz, Patentrecht, Finanzierung, Vertrieb und Marketing. Die
Studierenden erstellen in Intensivworkshops gemeinsam mit dem
­niederösterreichischen akademischen Gründerzentrum accent ihr
Geschäftskonzept.
www.fhstp.ac.at/creative-pre-incubator
5
A K T U E L L
Wie Soziale Arbeit
„inklusiv“ wird
Egal ob Flüchtlinge oder Behinderte: Soziale Dienste
bieten Hilfe „für andere“. Wie lässt sich das mit deren Wunsch
nach Selbstbestimmung vereinbaren?
„Die Soziale Arbeit kann
viel dazu beitragen,
ankommenden Menschen
einen Platz in der Gesellschaft zu geben.“
Peter PantučekEisenbacher, Leiter des
Departments Soziales
der FH St. Pölten.
„Die Entwicklung der letzten Monate löste bei vielen Menschen Ängste aus. Dem steht jedoch ein
großes Potenzial an Menschlichkeit gegenüber, an
freiwilligem Engagement für das Gemeinwohl“,
nimmt Peter Pantuček-Eisenbacher, Leiter des
­Departments Soziales der FH St. Pölten, Stellung
zur Flüchtlingsfrage. „Die Soziale Arbeit kann viel
dazu beitragen, ankommenden Menschen einen
Platz in der Gesellschaft zu geben. Sie muss für einen Staat kämpfen, der alle Menschen schützt, die
auf ihn angewiesen sind. Es wird eine der großen
Aufgaben sein, dieses ­
Potenzial zu organisieren
und dauerhaft für die Gestaltung unserer Gesellschaft zu nutzen“, so Pantuček-Eisenbacher.
„Das kann nur gelingen, wenn es auch neue Formen der Organisation und der Selbstorganisation
gibt. Am Department Soziales der FH St. Pölten
beschäftigen wir uns seit einiger Zeit mit Fragen
der Partizipation und mit demokratischer Selbst­
organisation. Daher verfolgen wir diese Entwicklung mit größter Aufmerksamkeit, wir lernen“,
sagt Pantuček-Eisenbacher, der im vergangenen
Jahr an einem EU-finanzierten Projekt der Deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft psychosozialer
Zentren für Flüchtlinge und Folter­opfer mitgearbeitet hat, das den Inklusions-Chancen von Flüchtlingen gewidmet war.
Sozialpolitische Innovation. Als soziologischer
Das diesjährige Arlt-Symposium
war Teil der Summer School des
Studiengangs „Organisationsentwicklung und Inklusion“ der
Hochschule Neubrandenburg
und entstand in Zusammen­
arbeit mit der FH St. Pölten.
Die TeilnehmerInnen der
Summer School setzten sich
weitere zwei Tage mit der Praxis
und der Rechtslage zum Thema
in Österreich auseinander.
6 ­ egriff beschreibt „Inklusion“ ein Gesellschafts­
B
prinzip, das alle Menschen gleichberechtigt und
selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilhaben
lässt – ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit,
des Bildungsstatus, des Alters oder des Geschlechts.
Der Rolle sozialer Dienste zwischen Zivilgesellschaft und Betroffenen kommt besondere Bedeutung zu. Als Träger sozialpolitischer Innovation
erbringen sie Wesentliches in der öffentlichen
fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
­ozialvorsorge. In der Regel werden diese von
S
­Vereinen betrieben, die von zivilgesellschaftlich
engagierten Personen geleitet werden, und stehen nicht im Eigentum der Personen, die diese
Dienstleistungen nutzen. Nach FH-Dozent Tom
Schmid von der FH St. Pölten kommt diese zivilgesellschaftliche Daseinsvorsorge „für andere“ in
Konflikt mit den Forderungen nach Partizipation, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung
durch die Betroffenen. Eine mögliche Lösung des
Dilemmas wäre, die Trägerschaft sozialer Dienste
von zivilgesellschaftlichen Vereinen in das Eigentum der Betroffenen zu übertragen.
Marion Sigot von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt beschreibt Inklusion und Selbstbestimmung aus der umgekehrten, nämlich der Per­
spektive der NutzerInnen von Institutionen. Mit
der Ratifizierung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 hat sich
auch Österreich als Vertragsstaat zur Inklusion,
Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von
Menschen mit Behinderungen in allen Lebens­
bereichen bekannt. Auch Institutionen im sozial­
pädago­gischen Handlungsfeld verankern Inklusion und Selbstbestimmung in ihren Leitlinien bzw.
beanspruchen zunehmend für sich, dies für ihre
NutzerInnen umzusetzen. Dabei wird deutlich,
dass Lebenszusammenhänge, die aus der Außensicht durch weitgehende Selbstbestimmungsmöglichkeiten gekennzeichnet und inklusiv aus­
gerichtet sind, für betroffene Personen im Alltag
fremdbestimmende Elemente beinhalten können.
Das im September 2015 abgehaltene 5. Symposium des Ilse Arlt Instituts für Soziale Inklusionsforschung stand unter dem Thema „Inklusion als
Ziel – Konsequenzen für die Organisation Sozialer
Arbeit“.
http://symposium.fhstp.ac.at
A K T U E L L
Geschichten
in Bild und
Ton: der neue
Lehrgang
„Film, TV &
Media“.
Vom Fernsehen lernen
V o n K a m e r a t e c h n i k b i s z u G e s c h ä f t s ­m o d e l l e n –
ein neuer Lehrgang widmet sich Film, Fernsehen und
anderen Bewegtbildern.
V O N
M I T R A
Durch die Digitalisierung gesellen sich zum linearen Fernsehen neue Kommunikationskanäle im
Internet, im Kino, auf mobilen Geräten und allen
Arten von Displays hinzu. Der neue Master­
lehrgang „Film, TV & Media – Creation and Distribution“ verbindet die plattformübergreifende
Bewegtbildproduktion mit integrierter Medienwirtschaft als wichtigen Bestandteil in der
Konzeption und Entwicklung von digitalen Bewegtbildinhalten. Der Masterlehrgang wird in
Kooperation mit dem WIFI Salzburg angeboten
und dauert vier Semester in einer berufsbegleitenden Form.
Im 1. und 2. Semester befassen sich die Lehr­
gangs­
teilnehmenden mit den Grundlagen der
Kameratechnik, Dramaturgie, Lichtsetzung, Kameraführung, Montage, Filmmusik und Text­
animation. Die Fähigkeit, Geschichten in Bild
O S H I D A R I
und Ton zu erzählen, wird in diesen Semestern
entwickelt.
Internationale ExpertInnen wie die GrimmePreisträgerin Katrin Rothe, „Plastic Planet“-Regisseur Werner Boote oder Marc Lepetit von der
UFA Fiction Berlin – um nur einige wenige zu nennen – geben in den darauffolgenden zwei Semestern Einblicke in die Film- und Fernseh-Industrie
und in den Online-Markt. Formatentwicklung,
-produktion, Finanzierung und Distribution bilden hier die Schwerpunkte des praxisnahen Unterrichts. Aktuelle Diskurse über digitale Medientechnologien, Mediennutzungs-Szenarien und
neue Geschäftsmodelle ergänzen den Lehrgang,
der mit einer Masterarbeit abgeschlossen wird.
Mehr Info unter:
www.fhstp.ac.at/ftm
7
F O R S C H U N G
&
P R A X I S
Sinnsuche in
Parlamentsprotokollen
Wenn JournalistInnen heutzutage die Welt erklären wollen, müssen
sie aus gewaltigen Datenmengen die richtigen Schlüsse ziehen.
E i n P r o j e k t d e r F H S t . P ö l t e n e n t w i c k e l t H i l f s m i t t e l d a f ü r.
V O N
M A R K
H A M M E R
Datenjournalismus extrahiert komplexe Infor­
mationen aus einer großen Menge an Daten und
präsentiert sie anschaulich. Doch oft fehlen
geeignete Analysemethoden. Das Forschungs­
­
projekt „VALiD – Visual Analytics in Data-Driven
Journalism“ entwickelt neue Techniken, die JournalistInnen dabei unterstützen sollen. „Wir leben
in einer Welt, in der es immer wichtiger wird,
komplexe Phänomene zu verstehen, um Entscheidungen zu treffen. Traditionell spielen Jour­
nalistinnen und Journalisten eine wichtige Rolle
in diesem Bestreben, indem sie verborgene Muster aufdecken, über Zusammenhänge informieren, aufklären und unterhalten“, sagt Wolfgang
Aigner, Leiter des Projekts sowie des Instituts für
Creative\Media/Technologies der FH St. Pölten.
entwickelt Techniken, die DatenjournalistInnen
bei der Handhabung von komplexen heterogenen Daten unterstützen, sowie eine Reihe von
Richtlinien und Best-Practices für Abläufe im
Datenjournalismus. Getestet wird das anhand
­
von Parlamentsprotokollen und der Medientransparenzdatenbank, die festhält, in welchen
Medien staatliche Organisationen wie viele Inserate schalten.
Datenberge anbaggern. Mit der ständig wach-
www.fhstp.ac.at/valid
senden Menge und Verfügbarkeit von Daten
mussten JournalistInnen zunehmend Elemente
der Datenanalyse und -visualisierung in ihre
­Arbeit integrieren. Entstanden ist dadurch das
Gebiet des Datenjournalismus. „Obwohl das etwa
die New York Times oder der Guardian aufge­
griffen haben, steht die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten immer noch vor Hinder­
nissen bei der Nutzung von Daten“, so Aigner.
Meist fehlen brauchbare Systeme, die passende
Technologie und der Workflow in der Arbeitsroutine. Genau hier setzt das Projekt VALiD an: Es
8 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
Das Projekt VALiD wird vom
Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie
(BMVIT) über das Förder­
programm „IKT der Zukunft“
der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG
finanziert (Projekt 845598).
Die SpezialistInnen im Projekt für Visualisierung
und interaktive Technologien kommen von der
FH St. Pölten und der Universität Wien, jene für
Datenjournalismus von der FH JOANNEUM, und
für die Umsetzung prototypischer Techniken ist
das Unternehmen Landsiedl Popper OG – drahtwarenhandlung film & animation mit an Bord.
Mag. Roland Weissmann, Chefproducer Fernsehen, Österreichischer Rundfunk: Analysieren und Visualisieren von Information ist wichtig
für den Erfolg heutiger Medien. Daher ist Datenjournalismus Teil unserer strategischen Weiterentwicklung.
Dr. Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin, Der Standard:
Der Standard greift neue Formen des Berichtens auf und entwickelt sie mit.
Darum unterstützen wir das Projekt VALiD in der Evaluation bestehender Praxis
und beim Testen neuer Werkzeuge.
Mag. Thomas Seifert, stellvertretender Chefredakteur, Wiener
Zeitung: Wir stellen der Öffentlichkeit große Mengen an Daten zur Verfügung
und suchen ständig nach neuen Wegen zu deren Aufbereitung. Datenjournalismus ist ein Teil dieser Aufgabe.
F O R S C H U N G
Den Schulweg mit
Kinderaugen sehen
Mit Eyetracking-Brillen untersuchte ein
Forschungsprojekt Gefahren am Schulweg.
Das Projekt „Augen auf!“ hat Schulwege untersucht und Hindernisse sowie Gefahrenstellen
auf diesen aufgedeckt. Dazu wurde die Sicht­
weise von Kindern auch mittels mobilem Eye­
tracking nachvollzogen. „Kinder können Situa­
tionen am Schulweg und Gefahren noch nicht
ausreichend verbalisieren und reflektieren.
Durch die Beobachtung des Blickverlaufs mit
Eyetracking-Brillen können wir als Erwachsene
die Welt aus Kinderaugen sichtbar machen und
so neue Erkenntnisse über die größten – auch verhaltensbedingten – Gefahren am Schulweg gewinnen“, erklärt Johanna Grüblbauer, Leiterin des
Projekts an der FH St. Pölten und s­ tell­vertretende
Leiterin des dort angesiedelten Österreichischen
Instituts für Medienwirtschaft. So ergab die Analyse des Blickverlaufs, dass 90 Prozent der Kinder
nicht nach hinten sehen, bevor sie Hindernisse
wie ein am Straßenrand geparktes Auto umge-
hen und die Fahrbahn betreten. Gefährlich sind
auch Hauseinfahrten: Egal, ob die Tore wahrnehmbar offen oder geschlossen sind, Kinder beachten die Ein- bzw. Ausfahrten zu wenig und
denken nicht an möglicherweise den Gehsteig
querende Autos. Zudem sind auf jeder vierten
untersuchten Strecke Gehsteige durch parkende
Autos, Mülltonnen oder andere Gegenstände blockiert und bei 40 Prozent der Schulwege müssen
die Kinder zumindest auf Teilabschnitten ohne
­Gehsteig auskommen. Ein geschärftes Bewusstsein für die dahinterliegenden Gefahren ist in
diesem Fall für die Kinder und auch Erwach­senen
von größter Notwendigkeit. Das Projekt macht
Problempunkte auf Schulwegen sichtbar, soll
­Eltern dafür sensibilisieren und bietet Städten
und Gemeinden Hilfe, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
&
P R A X I S
Kinder
können
Situationen und
Gefahren noch
nicht ausreichend
verbalisieren und
reflektieren.
http://augenauf.fhstp.ac.at
Das Projekt „Augen auf! Die Welt aus Kinderaugen sehen“ wurde
vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie über
die Österreichische Forschungsgesellschaft FFG im Rahmen des
Programms „Talente entdecken: Nachwuchs – Talente regional“ gefördert.
PartnerInnen des Projekts waren das Ziviltechnikbüro Retter & Partner
als Konsortialführer (Volker Alberts) sowie Walk-Space.at – der
österreichische Verein für FußgängerInnen (Dieter Schwab). Am Projekt
teilgenommen haben die Schulen VS Hafnerplatz Krems, HTL Krems,
VS Grafenwörth, VS Fels und NNöMS Fels-Grafenwörth.
Live-ForensikerInnen
jagen flüchtige Daten
Viele wertvolle
Daten gehen
verloren, wenn
Computer vom
Strom getrennt
Die rasche technische Entwicklung macht
werden.
es nötig: Ein Projekt schult Unternehmen
in Sachen IT-Sicherheit.
Um IT-Angriffe auf Unternehmen zu entdecken,
werden Informationen auf Computern analysiert. Doch viele wertvolle Daten gehen verloren,
wenn Computer vom Strom getrennt werden.
Live-ForensikerInnen sind hinter diesen sogenannten flüchtigen Daten her. Darunter fallen
beispielsweise Inhalte des Arbeitsspeichers, aktive Prozesse und Informationen zu bestehenden
Netzwerkverbindungen. Live-Forensik analysiert
Daten während oder kurz nach dem Eintritt
eines sicherheitskritischen Ereignisses. Im Projekt LIVEFOR haben ExpertInnen der FH St. Pölten und des Forschungszentrums SBA Research
Unternehmen in diesem Fach geschult. Dies ist
unter anderem deswegen wichtig, weil IT-Fo­
rensik-Standards der technischen Entwicklung
hinterherhinken. Die beteiligten Unternehmen
sind bereits im Bereich der IT-Forensik tätig, sollen aber durch das Projekt besser mit den raschen
Technologiesprüngen mithalten können. Wichtig für Live-Forensik sind Arbeitsspeicher, weil in
ihnen während des Betriebs etwa Passwörter gespeichert werden, auf die ForensikerInnen zugreifen können, solange der Computer noch in
Betrieb ist. „Früher galt bei Hausdurchsuchungen, dass man Computer sofort vom Netz nimmt.
Heute weiß man, dass man besser zuerst den Arbeitsspeicher untersucht“, sagt Sebastian Schrittwieser, Leiter des Projekts LIVEFOR sowie des Josef-Ressel-Zentrums für konsolidierte Erkennung
gezielter Angriffe (TARGET) an der FH St. Pölten.
www.fhstp.ac.at/livefor
Das Projekt LIVEFOR wird vom Bundesministerium für Wissenschaft,
Forschung und Wirtschaft (BMWFW) über die Österreichische
Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Rahmen des Programms
„Forschungskompetenzen für die Wirtschaft“ gefördert.
9
I N
D E R
P R A X I S
Ein stummer Diener sorgt
für Gesellschaft
Carina Skladal schreibt neben ihrem Studium Businesspläne,
Förderanträge und Pressetexte. Über das komplexe Thema
Te r m i n f i n d u n g , d i e A p p „ g a t h e r e r “ – u n d d a s g a n z b e s o n d e r e
Lebensgefühl in der Start-up-Welt.
V O N
M I T R A
Vor gar nicht so langer Zeit gab es in jedem Haushalt gerade mal ein Telefon. Mit Wählscheibe,
aber zum Glück mit ganzem Anschluss. War niemand zu erreichen, war diese Person offensichtlich nicht zu Hause. Also machte man sich mit
Stift und Kalender daran, Termine zu vereinbaren. Die man auch einhielt, denn zu groß wäre
die Sorge, es könnte jemandem etwas zustoßen.
Heute ist der Sachverhalt der Terminfindung
freilich ein ganz anderer. Und eine Erfolgsgeschichte.
Trotz der Summe an heutigen Möglichkeiten –
durch Social Media und eine Unzahl an HandyApplikationen bedingt – scheitern wir erstaunlich oft an der gemeinschaftlichen Koordination
der Time-slots eines jeden Einzelnen. „gatherer“,
die Terminfindungs-App, hilft als personenbezogener stummer Diener, weiß um die zeitliche
Verfügbarkeit seiner Frauchen und Herrchen
und koordiniert schwierig zu leistende gemeinsame Termine. Carina Skladal, Mitgründerin
von „gatherer“, erzählt: „Die Idee zur App ‚gatherer‘ hatte unsere CEO Desirée Zottl. Sie wollte mit
acht Freundinnen aufs Oktoberfest nach München fahren, was in einem einzigen Chaos endete. Neben der Facebook-Gruppe gab es noch die
WhatsApp-Gruppe, da nicht alle auf Facebook
aktiv waren. Was aber nicht ausreichte, da unter
den Freundinnen auch jemand ohne WhatsApp
war. So musste Desi die Doodle-Links auch noch
per SMS und E-Mail verschicken und teilweise
10
fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
O S H I D A R I
hinterher telefonieren. Ungemein viel Aufwand
für einen gemeinsamen Termin. Da sie selbst
Entwicklerin für das Web und iOS ist, brütete sie
über einer einfacheren Lösung und entwickelte
das erste Konzept für ‚gatherer‘.“
Per Algorithmus zur Erreichbarkeit. „gatherer“
ist ein intelligentes Tool und beseitigt chaosstiftende Determinanten im Kommunikationsverlauf. Einladungen an zuvor ausgewählte Freunde
im Kontaktbuch versendet es automatisch, per
Algorithmus erkennt es, wann jemand am besten
erreichbar ist. Gleichgültig ob es sich um Social
Media, E-Mail oder SMS-Kontakte handelt: „Die
App verschickt aber nicht nur Einladungen, sondern versendet auch Erinnerungen, falls jemand
die Abstimmung vergessen hat. Ein zusätzliches
Wir arbeiten rund um die Uhr am Projekt,
egal ob nach Mitternacht oder am Wochenende.
Dann freut man sich doppelt, wenn die Facebook-Seite
mehr und mehr Likes bekommt und immer mehr
Personen unsere App herunterladen.
Highlight der App ist der integrierte Kalender, der
auf einen Blick verfügbare Time-slots zeigt. Am
Ende profitieren aber nicht nur die UserInnen.
‚gatherer‘ soll als SDK (Software Development Kit)
anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt
werden. Diese integrieren dann in ihre Apps den
Terminfindungsservice von ‚gatherer‘. Eine vom
App-Entwicklungsteam durchgeführte Unterneh-
I N
Alles begann
auf der Fahrt
zum Oktoberfest: das Team
von „gatherer“.
mensumfrage zeigte, dass 63 Pro­zent der Befragten schon oft Termine abweisen mussten, weil
kein gemeinsamer gefunden werden konnte.
Das ist Umsatz, der verloren geht.“
Zwei Seelen in einer Brust. Wirtschaftliche Belange fordern andere Themen als die Belange der
Bildung. Carina Skladal lebt beides: einerseits
als Unternehmerin/Start-up-Gründerin und andererseits als Studierende.
„Ich habe in der Vergangenheit schon in vielen
großen und kleinen Unternehmen gearbeitet.
Noch vor einem Jahr hätte ich die Frage nach eigener Selbstständigkeit mit einem klaren Nein beantwortet. Plötzlich bin ich mitten drin in der
Start-up-Welt und ich könnte mir nichts Besseres
vorstellen. Seit Februar 2013 bin ich auch bei
zoomsquare GmbH – einer Immobiliensuchmaschine – als Frontend Architect tätig. Seit damals
D E R
P R A X I S
gab es keinen einzigen Tag, an dem ich nicht mit
Freude ins Büro gefahren bin“, erzählt Skladal.
„In einem Start-up zu arbeiten ist ein ganz anderes Lebensgefühl. Das merkt man auch bei ‚gatherer‘. Wir arbeiten rund um die Uhr am Projekt. Egal ob schon nach Mitternacht oder am
Wochenende. Es lohnt sich dann doppelt, wenn
wir sehen, wie unsere Facebook-Seite mehr und
mehr Likes bekommt und immer mehr Personen
unsere App herunterladen. Das Tollste ist, in der
U-Bahn zu sitzen und zu sehen, dass ein Fahrgast
die App, die über ein Jahr lang in der Entwicklung
stand, auf seinem Smartphone aktiv benützt. Etwas zu bewirken, Dinge zu verändern, das ist
schon ein gutes Gefühl.“ Skladal weiter: „Ein Unterschied, den ich zwischen FH und Start-upWelt schon stark merke, ist das Geld. In der FH
gibt es ein Forschungsziel. Ob damit Geld zu verdienen ist, ist nicht vordergründig wichtig. Als
wir den ersten Businessplan für ‚gatherer‘ geschrieben haben, erkannten wir schnell, dass
sich das Projekt mit unserem ersten Plan nicht
finanzieren lässt. Je mehr wir in die Szene eingedrungen sind und Feedback von anderen Startups und InvestorInnen bekamen, wurde uns klar,
dass wir einen Weg brauchen, um die App ertragreich zu machen. Denn ohne Finanzierung hätten wir das Projekt nicht weiter verfolgen können. Und ohne einen Plan, damit Geld zu machen,
gibt es keine Finanzierung.“
Das Studium an der Fachhochschule und vor allem das Gründungsprogramm „creative pre-incubator“ haben die Gründerin auf ihre Aufgaben
sehr gut vorbereitet: „Oft fragen sich Studierende, warum sie dieses oder jenes lernen müssen.
Ich hätte nie gedacht, dass ich plötzlich Marketing und PR mache, Förderanträge und Business­
pläne schreibe. Das Leben ist nicht berechenbar
und hält für einen selbst allerhand bereit. Jeden
Tag warten neue Herausforderungen, die es zu
be­wältigen gilt.“
„creative pre-incubator“:
www.fhstp.ac.at/cpi
11
H E L L E
K Ö P F E
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01
Aron Molnar
Sicher keine Brösel
Interdisziplinarität funktioniert auch auf diese Weise:
Aron Molnar, Studierender im Master Studiengang
Information Security, erzielte bei den Vorrunden zur
Cyber Security Challenge Austria als Einziger die
volle Punkteanzahl und war im Siegerteam beim
Finale in der Schweiz. Es war seine dritte Teilnahme
an diesem Wettbewerb. „Diese Challenge fördert
die Teilnehmenden über breit gestreute Themengebiete, sodass sie sich laufend in neue Fachbereiche
einarbeiten müssen. Das ist das Herausfordernde
und Spannende daran.“ Ohne das aktuell gehaltene
und solide Wissen im technischen und organisa­
torischen Bereich der Sicherheit – als Basis für die
Spezialisierung auf bestimmte Themengebiete
unabdingbar – hätte er im Bewerb diese Leistung
niemals erbracht, ist Molnar überzeugt. „Sicherheit
kann nur zu einem sehr kleinen Teil durch technische
Strukturen erreicht werden. Die größte Schwachstelle ist und bleibt nun mal der Mensch.“ Während
seines Bachelorstudiums arbeitete er bei der Firma
XSEC GmbH als Penetration-Tester. Diese Stelle
gab er zugunsten der Unternehmensgründung der
glutenfreien Konditorei „bröselei“ seiner Frau auf.
Disziplinen übergreifendes Denken – keine
Schwachstelle bei Aron Molnar.
02
Anita Kiselka
Vier Minuten für fünf Jahre
Ein Science Slammer steht vor der kniffligen Aufgabe, sein/ihr Forschungsthema binnen weniger
Minuten auch für forschungsfremde Personen
anschaulich und verständlich darzustellen. Ihre Forschungsarbeit aus fünf Jahren in kleine Dosen verpackt hat FH-Dozentin Anita Kiselka aus dem
Department Gesundheit. Sie gewann den zweiten
Platz im Science-Slam-Wettbewerb bei der zehnten
European Researchers’ Night in Brüssel. Mit ihrem
Slam-Thema „Does everyone perceive weight similar?“ erläuterte sie die Anstrengungs-Wahrnehmung
im Krafttraining mit an Multipler Sklerose (MS)
erkrankten Personen. Damit lässt sich die zielgenaue Trainingsintensität bei MS-PatientInnen
bestimmen.
12 fu t u r e · n ov ember 2 01 5
Von Schulklassen bis hin zu EU-Abgeordneten
reichte das Spektrum der BesucherInnen, die sich
im Autoworld Museum in Brüssel über die aktuellen
Entwicklungen der Forschung und ihre faszinierenden Facetten informierten. Angeboten wurden ihnen
Hands-on-Experimente, Ausstellungen, Chat-Corner, interaktive Screens und informative Boards,
wissenschaftliche Präsentationen und Diskussionen
sowie Science Slams. Insgesamt präsentierten acht
Science Slammer ihr Forschungsthema vor einer
fünfköpfigen Jury.
03
Gunther Blauensteiner, Valentin
Langer und Penelope Reindl
Ausgezeichnete
Flüchtlings-Doku
Die leider alltäglich gewordene Tragik von Flüchtlingen auf der Suche nach einem besseren Leben
behandelt die Dokumentation „Europe Endless“:
Verzweifelte Menschen versuchen das Mittelmeer zu
überqueren, um dann auf der Insel Malta zu landen
und festzusitzen. Im Frühjahr 2014 begab sich ein
kleines Team von Studierenden der FH St. Pölten
nach Malta; das Rohmaterial wurde in zehn Tagen
vor Ort von Valentin Langer (Ton, Musik, Regie),
Penelope Reindl (Produktion, Interviewkamera) und
Gunther Blauensteiner (Kamera, Musik, Regie) produziert. Wegen der technisch aufwendigen Arbeitsweise und Komposition eines eigenen Sound­tracks
wurde die Endfassung des Films erst im Herbst
2014 fertiggestellt. Ihren Ausgangspunkt nahm die
Doku im Rahmen der Projektarbeit 2 im Bachelor
Studiengang Medientechnik (Betreuung: Rosa von
Suess). Der Film wurde in St. Pölten gezeigt und
nahm unter anderem an Festivals in Wien, St. George
(US-Bundesstaat Utah) und Tirana (Albanien) teil.
Auf dem DocuTIFF wurde der Film als „Best Regional Film“ ausgezeichnet. Nach der positiven Erfahrung mit dieser Arbeit setzen Valentin Langer und
Gunther Blauensteiner unter dem Namen „The
Dumb And The Ugly“ weitere Doku-Projekte um.
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Dossier:
Interdisziplinarität
14 Coverstory
Gemeinsam statt einsam
18 Medienkonvergenz
Alles wächst zusammen
19 Wörtlich genommen
Warum interdisziplinär
forschen?
20 Digitale Gesundheit
Die Therapie mit dem Pieps
22 Mangelnde Disziplin
Wildes Denken
23 Ihre Meinung
Doppeltes Studium,
doppelte Freude?
24 Interdisziplinär studieren
Lehrvideos und
Sprachtandems
25 Hinter den Kulissen
„AK28300“ hilft auch
nicht weiter
Den Blick über den
Tellerrand wagen
Interdisziplinäre Zusammenarbeit in Forschung
und Lehre bereichert nicht nur die Arbeit, sondern
auch die persönliche Entwicklung. Zudem ist sie
eine Notwendigkeit der Zeit, in der große gesellschaftliche Probleme und Fragen nur in der
Kooperation der Disziplinen gelöst und beantwortet werden können.
Daher fördert die FH St. Pölten durch viele Maßnahmen das bereits bestehende Engagement ihrer
MitarbeiterInnen zur fachübergreifenden Zusammenarbeit: mit der Strategie 2017 ebenso wie
durch informelle Formen des Austausches und das
Unterstützen gemeinsamer Projekte von Studierenden aus unterschiedlichen Studienrichtungen.
Einige der größten Erfolge der FH St. Pölten in den
letzten zwei, drei Jahren sind aus der Interdisziplinarität entstanden: etwa die neuen Studiengänge
Digital Healthcare und Smart Engineering of Production Technologies and Processes, aber auch
viele Forschungsprojekte. Die folgenden Seiten
geben einen Überblick über diese Aktivitäten.
Das Auseinandersetzen mit anderen Disziplinen
macht Spaß. Hoffentlich auch die Lektüre unseres
aktuellen Dossiers, mit dem wir Ihnen gute Unterhaltung wünschen.
FH-Prof. Dipl.-Ing. Hannes Raffaseder, für Forschung
und Wissenstransfer verantwortlicher Prokurist der
FH St. Pölten und Mitglied des Hochschulmanagements
FH-Prof. Mag. Dr. Monika Vyslouzil, Leiterin des
FH-Kollegiums und des Ilse Arlt Instituts für Soziale
Inklusionsforschung an der FH St. Pölten
13
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Gemeinsam
statt einsam
D i e F o r s c h u n g w i r d i m m e r s p e z i a l i s i e r t e r, w ä h r e n d d i e
gesellschaftlichen Probleme einen immer weiteren Horizont
erfordern. Eine mögliche Lösung des Dilemmas lautet
Interdisziplinarität – doch diese stößt in der Praxis auf Hürden.
V O N
M A R K
Wer heutzutage eine Professur anstrebt, muss
mitunter ganz schön spezialisiert sein: Unter
den knapp 400 Stellenausschreibungen für Professuren in der ZEIT online finden sich welche für
Medizinpädagogik, ästhetische Bildung, visuelle Szenenanalyse, computationelle/experimentelle Zugänge zur Grammatik und molekular­
dynamische Simulation weicher Materie. Ein
Lehrstuhl für Soziologie oder Geschichte als Ganzes scheint eher selten. Ähnlich fragmentiert
wie Professuren sind wissenschaftliche Fachzeitschriften: Die Liste der knapp 4.000 Journals im
Science Citation Index reicht von „Abdominal
Imaging“ bis „Zoonoses and Public Health“. Diesen vertiefenden Blicken auf Ausschnitte der
Welt stehen jedoch gesellschaftliche Probleme
gegenüber, die sich nur in Zusammenarbeit der
Disziplinen bewältigen lassen: „Fragen im Bereich Umwelt, Energie, Ernährung, Sicherheit
und Kommunikation sind disziplinär nicht zu
lösen. Doch der Wissenschaftsbetrieb hat sich
immer mehr spezialisiert“, erklärt Ulrike Felt.
Die promovierte Physikerin ist Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität
Wien und Professorin am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung. Der Austausch
zwischen wissenschaftlichen Feldern sei zwar
immer mehr gefragt, würde aber selten explizit
gefördert, sagt Felt.
Der Fluss und die Musik. Jede Disziplin hat ihre
eigene Fachsprache, ihre eigenen Methoden und
ihre Ansicht davon, was „echte“ Wissenschaft
ist. „Nehmen Sie ein Projekt zur Geschichte der
14 fu t u r e · n ov ember 2 01 5
H A M M E R
Donau in Wien: Da muss man sich erst mal einigen, was die Donau ist. Für FlussmorphologInnen sind es der Flussverlauf, geologische und
klimatische Prozesse. Für HistorikerInnen kann
die Donau all das sein, was KomponistInnen,
LandschaftsmalerInnen und andere in den vergangenen Jahrhunderten zur Donau geschaffen
haben, quasi ‚die schöne blaue Donau‘“, sagt
Gert Dressel vom Institut für Wissenschafts­
kommunikation und Hochschulforschung an der
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und
­
Fortbildung (IFF) der Alpen-Adria-Universität
Klagenfurt, Wien und Graz. Doch trotz der anstehenden Probleme unserer Zeit hält der Wissenschaftsbetrieb hartnäckig an seinen Disziplinen
„Über Interdisziplinarität wird gerne am
Sonntag geredet, ab Montag schlägt dann wieder
der disziplinäre wissenschaftliche Alltag durch.“
Gert Dressel vom Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Alpen-Adria-Universität
Klagenfurt, Wien und Graz
fest: „Hochgereihte, meist disziplinäre Magazine zählen mehr. In diese Zeitschriften kommt
man mit interdisziplinären Arbeiten schwerer
hinein. Über Interdisziplinarität wird gerne am
Sonntag geredet, ab Montag schlägt dann wieder
der disziplinäre wissenschaftliche Alltag durch“,
sagt Dressel. Um die Interdisziplinarität zu fördern, hat die Universität Wien etwa sogenannte
Forschungsplattformen, -zentren und -verbünde
etabliert. Im Vordergrund stehen hier große gesellschaftliche Themen, nicht die Disziplinen.
Circa
Fächer unterscheidet die Österreichische
Systematik der Wissenschaftszweige
(ÖFOS) der Statistik Austria.
wissenschaftliche Fachzeitschriften kennt der Science Citation
Index. Die Gesamtzahl an wissenschaftlichen Zeitschriften weltweit
liegt geschätzt bei 20.000 bis 50.000.
Mit Buntheit zum Erfolg. Die Kombination der
Fächer kann abgesehen vom Gewinnen zusätzlicher Erkenntnis neue Chancen ermöglichen.
„Bei uns an der FH St. Pölten sind die größten
Erfolge in den letzten zwei, drei Jahren aus der
Interdisziplinarität entstanden: etwa die neuen
Studiengänge Digital Healthcare und Smart Engineering of Production Technologies and Processes, aber auch viele Forschungsprojekte“, sagt
Hannes Raffaseder, für Forschung und Wissenstransfer verantwortlicher Prokurist der FH St. Pölten. Interdisziplinarität wird mit der hauseigenen Strategie 2017 gefördert. „Das ist der Topdown-Ansatz. Es ist aber eigentlich noch viel
wichtiger, dass sie vor allem auch bottom-up entsteht, wenn unsere KollegInnen aus verschiedenen Departments gemeinsame Ideen verfolgen
und übergreifende Projekte realisieren“, so Raffaseder. Ähnlich sieht es auch Monika Vyslouzil,
die Leiterin des FH-Kollegiums und des Ilse Arlt
Instituts für Soziale Inklusionsforschung an der
FH St. Pölten: „Mit unseren sechs Departments
zeichnen wir uns durch ein großes Maß an Bunt-
(Quellen: http://scientific.thomson.com/cgi-bin/jrnlst/jlresults.cgi?PC=K, 01.10.2015; Moed
(2005), Citation Analysis in Research Evaluation; Larsen / von Ins (2010), The rate of growth in
scientific publication and the decline in coverage provided by Science Citation Index)
Annähern auf mehreren Ebenen
Ein Überblick über Formen und Wege des
Austausches zwischen den Disziplinen.
Interdisziplinarität: Kombinieren von Ansätzen,
Denkweisen und Methoden verschiedener Fachrichtungen.
Transdisziplinarität: Einbeziehen von nichtwissenschaftlichen AkteurInnen in die Forschung, z. B. von Pflegeund medizinischem Personal in der Altersforschung.
Multidisziplinarität: Bearbeiten einer wissenschaftlichen
Fragestellung durch mehrere Disziplinen, wobei zwischen
diesen kein nennenswerter Austausch stattfindet.
Einheitswissenschaft: zu Beginn des 20. Jahrhunderts
ein Ziel des „Wiener Kreises“, eine erkenntnistheoretisch und
methodisch einheitliche Sicht der Wissenschaft auf Basis einer
physikalischen Sprache zu finden.
Quellen: Wikipedia, science.orf.at, www.uni-protokolle.de und Dressel et.al. (Hg.),
Interdisziplinär und transdisziplinär forschen.
Fortsetzung auf Seite 16
15
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
heit und Vielfalt der Disziplinen aus, was die
interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr fördert.
Zudem haben wir mehrere Veranstaltungsformate, die den Austausch unterstützen.“ Dazu
gehört zum Beispiel ein Forschungs-Chill-out,
bei dem WissenschaftlerInnen ihre Projekte vorstellen und diskutieren, oder eine Projektvernissage, bei der Studierende ihre Arbeiten präsentieren. Durch solch informelle Treffen können
Ideen für gemeinsame Arbeiten entstehen. „Es
gibt viele kleine Schritte und Kontaktmöglichkeiten, mit denen sich Interdisziplinarität entwickeln kann. Das ist mitunter besser als ein
verordnetes Programm“, so Vyslouzil. Gezielt gesucht wird der Austausch auch von Lehrenden,
die ihren Unterricht durch KollegInnen im Zuge
von Hospitationen beurteilen und verbessern lassen. „Hier laden Lehrende oft bewusst KollegInnen aus einem anderen Fachgebiet ein, weil deren Blick dann mehr auf dem Didaktischen als
auf dem Fachlichen liegt“, sagt Vyslouzil.
Unterschiedliche Blickwinkel und Reflexivität.
Fächerübergreifender Austausch führt auch zur
Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit.
Diese Erfahrung hat man am Institut für Interdisziplinäres Lernen an der Hochschule Lands-
Interdisziplinäre
Forschungsprojekte
an der FH St. Pölten
(Auswahl):
Bridging gaps:
Projekt mit Schulen
zum Thema technischer Brückenbau
und dem Überwinden
sozialer Brücken
(Mobilität und Soziales)
fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
TraeX: Gendersensible Entwicklung
von Medienformaten
für Kinder (Medienwirtschaft und
Medientechnik)
CARMA:
Center for Applied
Research in Media
Assisted Health
Care for Motion and
Activity (an der
Schnittstelle von
Medientechnik und
Gesundheit)
Smartphone Security:
Erforschen neuer Verfahren zur
biometrischen BenutzerInnenauthentifizierung und zum
kryptografischen Zugriffs- und
Malwareschutz (Informatik und
Medienwirtschaft)
TransCoding:
Projekt zur Partizipation
in der Kunst
(Medientechnik und
Medienwirtschaft)
16
hut gemacht. Das Institut bündelt interdisziplinär ausgerichtete Angebote wie die Studiengänge
Ingenieurspädagogik und Gebärdensprachendolmetschen sowie Sprachkurse und das Studium
generale. Letzteres gibt den Studierenden die
Möglichkeit, personenbezogene soziale, reflexive, kreative, interkulturelle und fremdsprachliche Kompetenz zu erwerben. Disziplingrenzen
versteht man als Erkenntnisgrenzen, die geweitet werden sollen. Das Studium generale fördert
einen fächerübergreifenden Austausch unter den
Studierenden und das Gewinnen neuer Sichtweisen, denn hier treffen sich Studierende aus
allen Fakultäten: Drei Lehrveranstaltungen müssen Bachelorstudierende aller Fachrichtungen
der Hochschule Landshut im Studium generale
belegen. „In einer komplexen, von permanentem Wandel geprägten Welt geht es darum, übergreifende oder weitergehende Fähigkeiten und
Kompetenzen zu erwerben und systematisch
Wissensbezüge herzustellen“, sagt Karin E. Müller, die Leiterin des Instituts.
Zu weiteren Projekten an der Schnittstelle von Gesundheit und Medientechnik siehe Artikel „Die Therapie mit
dem Pieps“ auf Seite 20.
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Wissenschaft als Orchesterwerk. Dass das Ver-
binden zweier Welten bereichernd ist, berichtet
auch Hannes Raffaseder. Er hat mehrere Jahre den
Studiengang Digitale Medientechnologien und
das Institut für Creative\Media/Technologies an
der FH St. Pölten geleitet und auch als Komponist
und Medienkünstler gearbeitet. „Wissenschaft,
Forschung und künstlerisches Schaffen waren für
mich nie getrennte Welten, sondern sich gegenseitig befruchtende Aspekte meiner Arbeit. Vom
Komponieren für Orchester lässt sich auch einiges
für interdisziplinäre Lehre und Forschung ableiten: Es ist völlig selbstverständlich, dass exzellente MusikerInnen benötigt werden, um den
charakteristischen Klang der individuellen Instrumente einzubringen. Es ist aber auch klar, dass
sich die volle Kraft, das einzigartige Volumen des
Orchesterklangs, nur im perfekten Zusammenspiel all dieser unterschiedlichen Instrumente erzielen lässt“, sagt Raffaseder. Und Forschung
funktioniere ähnlich wie das Schaffen eines
Kunstwerks: Zunächst kommen zufällige Eingebung und gute Einfälle, dann das Handwerk. „Ich
bin überzeugt, dass sowohl die Wissenschaft als
auch die Kunst durch Inspiration und Intuition
ihre größten Fortschritte gemacht haben.“ Kunst
und Wissenschaft verbindet zum Beispiel auch
das Programm zur Entwicklung und Erschließung
der Künste (PEEK) des Wissenschaftsfonds FWF, in
dessen Rahmen die FH St. Pölten auch das Projekt
„TransCoding“ durchführt, in dem Partizipation
in der Kunst gefördert und erforscht wird. „Es ist
erfreulich, dass die Erforschung von künstlerischem Schaffen mit wissenschaftlichen Methoden seit einigen Jahren auch in Österreich gefördert wird. Wir sollten umgekehrt aber auch stärker
darüber nachdenken, wie man Kreativitätsprozesse im wissenschaftlichen Bereich forcieren kann“,
so Raffaseder.
Buch- und Linktipps:
Gert Dressel, Wilhelm Berger, Katharina Heimerl,
Verena Winiwarter (Hg.). Interdisziplinär und
transdisziplinär forschen. Praktiken und Methoden.
transcript Verlag, Bielefeld, 2014.
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und
Fortbildung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt,
Graz und Wien: www.aau.at/iff
Institut für Wissenschafts- und Technikforschung
der Universität Wien: https://sts.univie.ac.at
Forschungsplattformen der Universität Wien:
Viele kleine
Schritte zu Buntheit und Vielfalt
Mit unseren sechs Departments
zeichnen wir uns durch ein großes Maß an Buntheit und Vielfalt
der Disziplinen aus, was die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr
fördert. Zudem haben wir mehrere
Veranstaltungsformate, die den
Austausch unterstützen. Es gibt
viele kleine Schritte und Kontaktmöglichkeiten, mit denen sich
Interdisziplinarität entwickeln
kann. Das ist mitunter besser als
ein verordnetes Programm.
FH-Prof. Mag. Dr. Monika Vyslouzil, Leiterin
des FH-Kollegiums und des Ilse Arlt Instituts
für Soziale Inklusionsforschung an der
FH St. Pölten
Was verstehen Sie
unter „Donau“?
Es geht zunächst darum, sich zu
verständigen. Nehmen Sie ein
Projekt zur Geschichte der Donau
in Wien: Da muss man sich erst
mal einigen, was die Donau ist.
Für FlussmorphologInnen sind es
der Flussverlauf, geologische und
klimatische Prozesse. Für HistorikerInnen kann die Donau all das
sein, was KomponistInnen, LandschaftsmalerInnen und andere in
den vergangenen Jahrhunderten
zur Donau geschaffen haben,
quasi „die schöne blaue Donau“.
Mag. phil. Dr. phil. Gert Dressel, Institut für
Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung (IFF) der AlpenAdria-Universität Klagenfurt, Wien und Graz
„Wellentäler“ – ein
interdisziplinäres Filmprojekt
„Wellentäler“ thematisiert Vorurteile und Barrieren der Gesellschaft gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Drei Studierende der FH St. Pölten aus den Fachrichtungen
Medientechnik und Soziale Arbeit starteten die Produktion im
Zuge ihrer Ausbildung und schlossen das Projekt unabhängig
davon ab. 2015 hatte der Film seine Premiere im St. Pöltener
Cinema Paradiso. Er ist für die Diagonale 2016 eingereicht.
„Wellentäler“, Ö 2014/2015: Eine Produktion von Daniel Dajakaj, Alexander Topf
(Redwire Media Production) und Katharina Heller, ca. 45 Minuten.
https://rektorat.univie.ac.at/forschungsplattformen-verbuende
17
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Alles wächst zusammen
Die Welt der Medien macht es vor: Hier existieren
D i s z i p l i n e n , G a t t u n g e n u n d K a n ä l e n i c h t n u r n e b e n e i n a n d e r,
sondern werden immer enger verknüpft.
V O N
M I T R A
Wird der Buchdruck auch heute noch mit der
Reformation in Verbindung gebracht, wurde
­
dem Weiterbestehen des Hörfunks gedanklich
mit dem Aufkommen des TVs ein jähes Ende
­be­reitet. Wie sich jedoch herausstellte, führen
­Medien, ob analog oder digital, ein gelungenes
paralleles Dasein. Kein Neuaufkommen eines
Mediums löste, wie vielfach befürchtet, das andere ab. Interdisziplinäre Schnittstellen sind bei
Radio, TV oder in der Kunst keine nennenswerte
Besonderheit, sondern erwünschte Realität.
Die Neuverortung der Technik zeigt sich in der
derzeit bestimmenden Funktionalitätsannäherung von Radio, Fernsehen und Computer. Medienzweige konvergieren und entlang dieser Wertschöpfungskette entsteht eine perspektivische
Vielzahl durch ihre Anwendung in der Praxis.
Nicht mehr weit zur Zukunft. Die Campus Medien der FH St. Pölten wie das Freie und Ausbildungsradio Campus & City Radio 94.4, das Forschungsfernsehen c-tv und fhSPACEtv – eine
Initiative der Studiengänge Medientechnik und
Digitale Medientechnologien – entwickeln unter
dem Siegel der Interdisziplinarität völlig neue zukunftsweisende Formate. Selbst im alltäglichen
Tun bleibt die Nutzung anderer Medienkanäle
oft unverzichtbar: „Sich auf eine Mediengattung
zu beschränken reicht für junge Medienschaffende heute nicht mehr aus. Vorbei sind die Zeiten, in denen RadiosprecherInnen sich um nichts
als ihren Text kümmern mussten. Heute muss
ein/e RadioredakteurIn den Beitrag auch in einer
Onlineversion für die Homepage aufbereiten.
Selbst für Social-Media-Kanäle braucht es eine/n
VideoredakteurIn, um die Beiträge visuell erleb18 fu t u r e · n ov ember 2 01 5
O S H I D A R I
bar zu machen. Das hat natürlich negative Seiten,
weil Jobs für SpezialistInnen vernichtet werden“,
so der Kommentar der Programmintendantin des
CR94.4, Anna Michalski.
Interdisziplinäres Limit. „Das Medium selbst –
ein multidisziplinäres Konglomerat aus Bild, Ton,
Bewegung, Sprache, Rhythmus und Zeit – erfordert die bestmögliche Zusammenarbeit von Spe­
zialistInnen der unterschiedlichen Disziplinen“,
sagt Markus Wintersberger, FH-Professor für experimentelle Medien. Die bestimmenden Grenzen
kommen aus den jeweiligen Disziplinen selbst,
weswegen Interdisziplinarität „ohne die Bereitschaft, sich auf andere Disziplinen einzulassen,
nicht gelingen kann“.
Sich auf eine Mediengattung zu beschränken,
reicht für junge Medienschaffende heute
nicht mehr aus. Vorbei sind die Zeiten, in denen
RadiosprecherInnen sich um nichts als ihren Text
kümmern mussten.
Neue Formate sind auch der digitalen Entwicklung geschuldet. Hier gilt es besonders, andere
Disziplinen hinzuzuziehen: „In unseren Film­
und TV-Laboren arbeiten wir seit Beginn mit den
Herausforderungen der digitalen Bewegtbild-­
Welt. An der Schnittstelle von Innovationshype,
neuen Nutzungsszenarien und der kreativen Anwendung von Technologien samt deren Fortschritt
sind es die forschenden Fragen, die den Weg für
neue Lösungen frei machen. Und diese Fragen
kommen eben nicht ausschließlich aus jener Disziplin, in der eine Lösung gebraucht wird“, sagt
die Leiterin des Ausbildungsfernsehens c-tv, FHProf. Rosa von Suess.
WARUM
INTERDISZIPLINÄR
FORSCHEN?
01
Frank Michelberger
Nicht nur der Wissensaustausch macht ein interdisziplinäres
Projekt interessant, sondern genauso das Aufeinandertreffen von
u n t e r s c h i e d l i c h e n D e n k w e i s e n . Vo r a l l e m a b e r a r b e i t e t m a n m i t
M e n s c h e n z u s a m m e n , d i e o f f e n s i n d f ü r A u s t a u s c h u n d d a f ü r,
v o n e i n a n d e r z u l e r n e n – i n S u m m e o p t i m a l e Vo r a u s s e t z u n g e n f ü r
ein Forschungsprojekt.
FH-Prof. Dipl.-Ing. (FH) Dipl.-Ing. Frank Michelberger, EURAIL-Ing., leitet das Carl Ritter von Ghega Institut für integrierte Mobilitätsforschung
der FH St. Pölten, das mehrere interdisziplinäre Projekte koordiniert, in denen in unterschiedlicher Kombination alle sechs Departments der
Fachhochschule zusammenarbeiten und viele externe Unternehmen beteiligt sind.
02
Tassilo Pellegrini
Interdisziplinarität ist Bedingung und Konsequenz einer
heterogenen, arbeitsteiligen, durch Komplexität gezeichneten
Gesellschaft. Daraus entstehende Herausforderungen können nur
durch die funktionale und synergetische Kopplung von Wissen,
Kompetenzen und Ressourcen bewältigt werden.
FH-Prof. Mag. Dr. Tassilo Pellegrini ist FH-Dozent am Department Medien und Wirtschaft der FH St. Pölten. Er forscht an der Schnittstelle von
Medienökonomie, Informatik und Recht (z. B. zu Implikationen neuer Formen der Datenbewirtschaftung). Im Projekt „Smartphone Security“
des Departments Informatik und Security zur IT-Sicherheit von Handys führt er eine Technikfolgenabschätzung durch und untersucht rechtliche
und ethische Implikationen biometrischer Datenerfassung.
03
Sabine Sommer
Das Auseinandersetzen mit sozialen Herausforderungen unserer
Zeit bedarf der theoretischen wie methodischen Expertise
unterschiedlicher Disziplinen, um passgenaue und nachhaltige
Lösungen zu erforschen und zu entwickeln.
Mag. (FH) Sabine Sommer forscht am Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung der FH St. Pölten. Im Projekt BRELOMATE
(Breaking Loneliness with Mobile Interaction and Communication Technology for Elderly) untersucht sie den sozialwissenschaftlichen Teil
zum Entwickeln eines Second-Screen-Spiele- und Kommunikationsportals für ältere Menschen. In dem Projekt arbeiten ForscherInnen
aus den Bereichen Soziales, Medien-, Informations- und Kommunikationstechnologien, IT Security sowie Didaktik zusammen.
01
02
03
19
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Die Therapie mit dem Pieps
Innovationen von heute sind das Gerüst für
das Gesundheitswesen von morgen: Im Studiengang
Digital Healthcare und im Forschungsprojekt CARMA
entstehen an der FH St. Pölten Prototypen für die technische
Gesundheitsvorsorge – von Apps für die Reanimation bis zu
Sohlen, die den Gang hörbar machen.
V O N
M A R K
Eine Herzdruckmassage im Falle einer Reani­
mation ist keine leichte Aufgabe. Der letzte Erste-Hilfe-Kurs liegt oft schon lange zurück, doch
die Hilfe muss rasch erfolgen. In Zukunft könnte
eine App Menschen in dieser Situation unterstützen. Der Ersthelfer oder die Ersthelferin ruft die
Notrufzentrale an und startet den mobilen
Dienst. Das Handy liegt auf der Brust der bewusstlosen Person und misst Frequenz und
Drucktiefe der Massage durch die integrierte
Sensorik. Diese Information wird in der Notrufleitstelle in Echtzeit visualisiert und ExpertInnen
geben von dort mit multimedialen Mitteln über
das Smartphone Anweisungen, wie die Reanimation besser funktioniert. Studierende des Studiengangs Digital Healthcare der FH St. Pölten
haben gemeinsam mit dem Medientechniker
und FH-Dozenten Jakob Doppler und in Kooperation mit Notruf 144 den Prototyp namens „LifeStream“ für eine solche App ausgearbeitet, der
Das Projekt SoniGAIT
entwickelt eine
Schuhsohle, die Fehl­
stellungen beim Gang
hörbar macht.
20 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
H A M M E R
derzeit verbessert wird und in ein Forschungsprojekt münden soll.
Gesundheit durch Medientechnik. Mit dem
Studium Digital Healthcare bietet die FH St. Pölten seit 2014 eine interdisziplinäre Ausbildung
an der Schnittstelle von Gesundheit und Medientechnik. Die Studierenden kommen aus Fach­
gebieten wie Gesundheits- und Krankenpflege,
Diätologie, Ergotherapie, Logopädie, Radiologietechnologie und Physiotherapie sowie Medieninformatik, Mechatronik und Elektrotechnik. Im
Studium lernen TechnikerInnen die Strukturen
und Prozesse im Gesundheitswesen verstehen.
GesundheitsexpertInnen erlangen Wissen über
die optimale technische Entwicklung. Gemeinsam arbeiten sie über vier Semester praktisch an
einem konkreten Problem und entwickeln Prototypen. „Das Interessante sind die Offenheit und
der Austausch zwischen Berufsgruppen und
Denkschulen. Das Konzept ist, miteinander und
voneinander zu lernen. Das erfolgt ab dem ersten
Semester in interdisziplinären Kleingruppen“,
sagt Studiengangsleiter Helmut Ritschl.
Unterstützung für TherapeutInnen. In mehreren Projekten entwerfen Studierende und ForscherInnen der FH St. Pölten Techniken, die
Menschen in der Rehabilitation unterstützen
oder MedizinerInnen und TherapeutInnen ihre
Arbeit erleichtern sollen. So wird etwa im Projekt
­SoniGAIT eine Schuhsohle entwickelt, die den
Gang hörbar macht. Über Kopfhörer erhalten
Menschen die Information, ob sie gleichmäßig
ab­rollen oder die Füße unterschiedlich belasten.
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Dies könnte in der Rehabilitation nach Ver­
letzungen und Schlaganfällen eingesetzt werden. Das Projekt „Children’s KNEEs“ untersucht
mit medientechnischen Analyseverfahren, wie
sich Übergewicht bei Kindern auf Gelenke und
Bewe­
­
gungsmuster auswirkt. Die Projektreihe
GAIT-Score testet, wie eine interaktive Lernsoftware PhysiotherapeutInnen bei der Beurteilung
von Gangbildern unterstützen kann. „Die interdisziplinäre Vernetzung der Diätologie, Physiotherapie und Gesundheits- und Krankenpflege
mit den Bereichen Technik und Soziales ver­
bessert die Versorgung und Behandlung von Patientinnen und Patienten“, sagt Tanja Stamm,
Leiterin des Departments Gesundheit an der
FH St. Pölten. Um den Studierenden und ForscherInnen die nötige Infrastruktur zu bieten, hat die
FH heuer ein Digital Health Lab eingerichtet.
Roboter, bitte kommen. All diese Projekte sind
Teil des Forschungsvorhabens CARMA (Center for
Applied Research in Media Assisted Health Care
for Motion and Activity) an der FH St. Pölten. Unter diesem Namen entsteht seit 2013 ein Zentrum
für angewandte Forschung für medienunterstützte Gesundheitsvorsorge. Jakob Doppler vom
Department Medien und Digitale Technologien
und Brian Horsak vom Studiengang Physio­
therapie leiten das Projekt gemeinsam. CARMA
ent­wickelt unter anderem Assistenzsysteme, die
Selbstständigkeit und Aktivität bis ins hohe Alter
ermöglichen sollen. Dazu gehört das Projekt
BRELOMATE (Breaking Loneliness with Mobile
Interaction and Communication Technology for
Elderly), das eine Multi-Screen-Version zum Online-Kartenspielen (Schnapsen) für ältere Menschen entwickelt, die das Haus kaum verlassen
können. Wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht,
dass Telefone kleine Computer sind, die Sprach­
erkennung beherrschen, oder dass Roboter Rasen mähen? Neue Assistenzsysteme mit künstlicher Intelligenz werden also kommen, warum
nicht auch Roboter, die ältere Menschen im
Haushalt unterstützen.
Das Gesundheitswesen ist mit grundlegenden Veränderungen konfrontiert,
von denen auch die professionelle
Gesundheits- und Krankenpflege
betroffen ist. Künftige Versorgungsstrukturen eröffnen den Pflege­
personen vermehrte Handlungs­
autonomie und es werden neue
Handlungsfelder entstehen. Unser
wissenschaftlich fundiertes und
­praxisorientiertes Bachelorstudium
Gesundheits- und Krankenpflege
nimmt darauf Bezug und bereitet
die Absolventinnen und Absolventen
auf das komplexe Feld der Gesundheits- und Krankenpflege vor.
Mag. Petra Ganaus, MSc
Leiterin des Bachelor­studiums Gesundheits- und
Krankenpflege an der FH St. Pölten
Bei lebensbedrohlichen Verletzungen
und Erkrankungen zählt bekanntermaßen jede Sekunde. Der Zusammenhang zwischen lebenserhaltender Erster Hilfe und dem Überleben
betroffener Menschen ist wiederholt
Gegenstand notfallmedizinischer
­Forschung. Die NotrufexpertInnen
von 144 Notruf NÖ haben allein im
Jahr 2014 bei 2.031 Notrufen
­Reani­mations­maßnahmen telefonisch
angeleitet. Gemeinsam mit der
FH St. Pölten wollen wir deshalb im
Projekt Life-Stream technologische
Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung dieser Reanimationsanleitungen
erforschen.
Ing. Christof Chwojka
Geschäftsführer Notruf NÖ GmbH
Linktipps:
Studien Gesundheit: www.fhstp.ac.at/dge
Studien Medien und digitale Technologien: www.fhstp.ac.at/dmdt
Forschung: www.fhstp.ac.at/de/forschung
Projekt CARMA: www.fhstp.ac.at/carma
21
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Wildes Denken
B r ü c k e n b a u e r u n d F a h n e n t r ä g e r : d i e Vo r z ü g e
mangelnder Diszipliniertheit.
V O N
M I T R A
Was steht eigentlich hinter dem Schlagwort
Inter­
­
disziplinarität, das so häufig in Mission
­Statements gleich dem Begriff der Internationa­
lität so streng auf den Fuß folgt? Interdisziplinär
zu handeln, denken und forschen bedeutet
gleicher­
maßen „undiszipliniert“ zu sein. Den
Worten des Universitätsprofessors Roland Fischer
der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt folgend,
nimmt sich das so aus: „Für mich bedeutet Interdisziplinarität das Außerkraftsetzen von diszi­
plinären Strukturen (und Zwängen) zugunsten
‚wilden Denkens‘, Forschens, Auslotens von Problemen, Findens von Lösungen, Entwickelns
alter­nativer Sichtweisen. So etwas findet selbstverständlich auch innerhalb von Disziplinen
statt. Zum Teil werden dann auch deren Grenzen
überschritten und damit wird die Angelegenheit
interdisziplinär.“
So weit, so gut. Im Laufe der Menschheit sammelten sich enorme Mengen von Wissen und Erkenntnissen an. Man erkannte, dass sich spezialisiertes
und in die Tiefe gehendes Wissen auch auf andere
Bereiche und Disziplinen ausdehnen lässt. Mehr
noch: dass interdisziplinäres Denken und Handeln auch sehr ertragreich und fruchtbringend
sein kann. Aber wie sieht das in der Praxis aus?
Hände weg vom Sinn! „Nur nicht über Sinn re-
den!“, sagt der promovierte Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer in einem Interview in
der Wochen­zeitung „Die Zeit“: „Interdisziplinäre
Forschung kann kein Kurs in nachholender Spezialisierung sein, aber praktische Aufklärung darüber, was die jeweils anderen tun und warum.
Dass man dabei lernt, dass die auch nur mit Wasser kochen, ist ein erfreulicher Nebeneffekt. Die
22 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
O S H I D A R I
Grundregel, die vor dem gemeinsamen Be­treten
eines Forschungsfeldes strikt beherzigt werden
muss, lautet: Nie über Grundsätzliches sprechen
– keine erkenntnistheoretischen, begrifflichen,
keine im weitesten Sinn philosophischen Probleme aufwerfen. Interdisziplinarität funktioniert
nur pragmatisch, in der exakten Definition eines
gemeinsam erschließbaren Gegenstandsbereichs
und in der Abstimmung erprobter Instrumente
und Methoden.“
Praktische Ratschläge für interdisziplinäres
Arbeiten gibt Harald Welzer: „Nie über
Grundsätzliches sprechen! Keine philosophischen
Probleme aufwerfen!“
Sinnstiftend wird der Fahnenträger Interdisziplinarität, wenn bestimmte Punkte in der Prozesskette festgelegt werden, an denen Wissen „hinzugeholt“ wird. Und hier liegt des Pudels Kern.
Argumente warten nicht an der Haustür. Wenn
WissenschaftlerInnen ihren beheimateten Kompetenzbereich verlassen, jenes Feld, das sie wirklich gut kennen, wieso sollen dann durch eine
interdisziplinäre Vermischung noch „bessere“
Produkte entstehen? Der deutsche Philosoph
Andreas Bartels von der Universität Bonn nennt
– neben aller Phrasendrescherei – drei gute Gründe: „Erstens: Wissenschaftliche Probleme halten
sich nicht an Fachgrenzen. Warum sollten dann
WissenschaftlerInnen dies tun? Zweitens: WissenschaftlerInnen können sich Strategien der
Problemlösung bei ihren KollegInnen aus anderen Fächern abschauen. Und drittens: Grundlagenkritische Argumente warten nicht immer an
der eigenen Haustür.“
IHRE
MEINUNG
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Doppeltes Studium,
doppelte Freude?
02
Interdisziplinarität kann schon während des Studiums
beginnen – etwa mit einem Doppelstudium oder der
Kombination zweier Fächer in Serie. „future“ hat sich bei
Studierenden mit Doppelstudium erkundigt, was sie dazu
motiviert hat, welche Vorteile sie darin sehen und ob sie den
Blick über den Tellerrand weiterempfehlen.
01
03
01
Philipp Pötz
Motivation: Schon während
des Geschichtestudiums hatte ich
mich mit Medien und Kommunikation beschäftigt. Danach wollte ich
etwas „Praktischeres“. Das Studium
an der FH St. Pölten war die ideale
Ergänzung zum „theoretischen“
Fundament.
Vorteile: Das Unistudium übte
mich in kritischem Denken und
brachte mir eine breite „humanistische“ Bildung. Durch das FH-Studium erwarb ich eine anwendungs­
orientierte Ausbildung für die Mediaund Kommunikationsbranche. Das
hat mir das Beste beider Welten –
Bildung und Ausbildung – beschert.
Weiterempfehlen: Auf alle
Fälle. Es eröffnet neue Perspektiven
und fördert vernetztes Denken. Insbesondere empfehle ich, ein Uniund FH-Studium zu kombinieren.
Beide Systeme vermitteln spezifische Herangehensweisen, die sich
hervorragend ergänzen.
Philipp Pötz hat an der Universität Wien das
Bachelorstudium Geschichte (Wahlfach Cultural
Studies) und an der FH St. Pölten das
Masterstudium Media- und Kommunikations­
beratung (Wahlfach PR und Eventmanagement)
absolviert und arbeitet als Junior PR- &
Communications-Manager beim HumanResources-Start-up firstbird.
02
Lisa Hadinger
Motivation: Nach meinem ersten
Studium habe ich in der Erwachsenenbildung als Sprachtrainerin sowie
im organisatorisch-administrativen
Bereich gearbeitet und unter anderem Live-Onlinekurse abgehalten und
technisch unterstützt. Coden wurde
zu meinem Hobby und schließlich
habe ich beschlossen, dass ich
interaktive Lösungen im E-LearningBereich nicht nur betreuen, sondern
selbst „bauen“ will.
Vorteile: Den größten Vorteil sehe
ich in der Kombination aus einem
eher theoretisch-wissenschaftlichen
und einem sehr praxis­orientierten
Studium. Mein erstes Studium hat
analytisches Denken, das Erkennen
von Zusammenhängen sowie selbstständiges Arbeiten gefördert. Mein
zweites Studium vermittelt konkrete
Fähigkeiten in einer praxisnahen
Hands-on-Mentalität.
Weiterempfehlen: Unbedingt.
Erfahrung aus verschiedenen Bereichen und Blickwinkeln ist beruflich
von Vorteil, da man zwischen verschiedenen Welten vermitteln kann.
Lisa Hadinger hat das Diplomstudium Tschechisch
an der Universität Wien absolviert und studiert seit
dem Wintersemester 2014 das Bachelorstudium
Medientechnik an der FH St. Pölten.
03
Jakub Pasikowski
Motivation: Banal gesagt, die
ökonomische Situation. TheaterwissenschaftlerInnen sind kaum
gefragt. Die Situation ist bei allen
Geisteswissenschaften dieselbe –
daher nun ein Studium mit Zukunft
und Verdienstmöglichkeiten.
Vorteile: Auf den ersten Blick
keine, aber wenn man tiefer geht,
stellt man fest, dass ein humanistisches Studium vor allem für die persönliche Entwicklung hilfreich ist.
Mein erstes Studium hat mir vermittelt, wie man Gedanken zu Papier
bringt, sich mit komplexen Problemen auseinandersetzt und Hintergründe hinterfragt, mein derzeitiges
Studium wird mich an die vorderste
Front einer unglaublich spannenden
Branche versetzen.
Weiterempfehlen: Absolut.
Dadurch lernt man Leute kennen,
die prinzipiell dasselbe interessiert,
z. B. Film, aber deren Passionen
ganz woanders liegen. Das erweitert
den eigenen Horizont unglaublich.
Jakub Pasikowski hat das Diplomstudium der
Theater,- Film- und Medienwissenschaft an der
Universität Wien abgeschlossen und studiert seit
dem Wintersemester 2015 im Bachelorstudium
IT Security an der FH St. Pölten.
23
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
Andere Sprachen,
andere Fächer
In Zusammenarbeit mit KollegInnen, die Deutsch
als Fremdsprache an der Penn State University in
Altoona lehren, entstand das „Network for Telecollaborative Learning“, im Zuge dessen Studierende
aus den Bereichen Diätologie, IT Security und
Bahntechnologie und Mobilität mit amerikanischen
Studierenden in Kontakt treten. Sie bilden interdisziplinäre Sprachentandems bestehend aus zwei bis
drei Personen, die nach einem vorgegebenen
Semesterplan virtuell per E-Mail, Skype oder GoogleHangout in der jeweiligen Zielsprache miteinander
kommunizieren.
Im Rahmen der interdisziplinären
­Sprachen­lehre trainieren Studierende der
FH St. Pölten nicht nur mit neuen Methoden
ihr Englisch, sondern auch den Austausch
zwischen Disziplinen.
N
E
T
W O R
F
C
Was die
Studierenden
hier üben, hilft bei
der zukünftigen
Zusammenarbeit
in der Berufspraxis.
O
Für das kommende Semester ist eine neue Form
des interaktiven Lernens geplant: Studierende
bereiten in der jeweiligen Zielsprache zu einem
gewählten Thema einen Videoclip vor und stellen
diesen für ihre TandempartnerInnen online. Die Clips
dienen als Ausgangsbasis für die weitere Kommunikation. „Durch den interaktiven und interdisziplinären Lernprozess werden die Studierenden praxisnahe auf die Anforderungen einer zunehmend
internationalen und technologieunterstützten
Arbeitswelt vorbereitet“, sagt Sprachtrainerin und
FH-Dozentin Dawn Kremslehner-Haas, die das Projekt gemeinsam mit der Diätologin Alexandra Kolm
entwickelt hat.
K
O R
T
E
L
E
L
L
A
B
O R
A
T
L
E
A
R
I
N G
N
I
V
E
Wie YouTube, nur
„interprofessionell“
Im Projekt „X-Site – student interprofessional
teaching experience“ erstellen Studierende
der Physiotherapie und Diätologie an der
FH St. Pölten Lehrvideos für Studierende des
jeweils anderen Studiengangs.
Die Studierenden tragen physiotherapeutische und
diätologische Grundlagen – etwa zu den Themen
Diabetes und Adipositas – für den jeweils anderen
Studiengang zusammen, um das Wissen auf Basis
dieser interprofessionellen Zusammenarbeit zu
erweitern. Ziel der Lehrvideos ist ein zusätzlicher
Informationsgewinn im Rahmen der jeweiligen Lehrveranstaltung der einzelnen Studiengänge. Betreut
wird das Projekt von einer Dozentin jedes Studiengangs: von der Physiotherapeutin Anita Kiselka und
der Diätologin Alexandra Kolm.
24 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
Studierende der
FH St. Pölten
lernen gemeinsam
mit US-KollegInnen.
„Was die Studierenden hier üben, hilft später im
Beruf. Die erworbenen Kenntnisse stellen eine wichtige Basis für zukünftige interprofessionelle Zusammenarbeit in der Berufspraxis dar“, erklärt Kiselka.
Im Unterricht wird zudem das innovative Lehrmodell
Inverted Classroom eingesetzt. Das Service- und
Kompetenzzentrum für Innovatives Lehren & Lernen
(SKILL) der FH St. Pölten begleitet und unterstützt
die beiden Dozentinnen und die Studierenden in
dem Projekt.
Der interdisziplinäre Blick wird an der FH St. Pölten
auch bei Prüfungen geschärft, etwa im Fach Clinical
Reasoning im Studiengang Diätologie. Dort werden
die Studierenden von Diätologin Kolm und dem
Internisten, Endokrinologen und FH-Lektor Harald
Kritz gemeinsam statt wie bisher parallel befragt –
damit das interdisziplinäre Verständnis nicht zu kurz
kommt.
www.fhstp.ac.at/x-site
HINTER
DEN
KULISSEN
I N T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T
„AK 28300“ hilft
auch nicht weiter
Ich habe nachgeschlagen. Die Antwort ist eindeutig: „AK 28300“
– vorausgesetzt, die Bücher-Kategorisierung erfolgt nach der
Regensburger Verbundklassifikation.
Für die Ordnung in Bibliotheksregalen sind zumeist unüber­
sichtliche Regelwerke verantwortlich. Diese ermöglichen, jedes
beliebige Buch – ohne es gelesen zu haben – einem Fachgebiet
zuzuordnen. Gemeint sind konkrete Fächer, die mit einer Buch­
staben- und Zahlen-Kombination ausgewiesen sind. In diesen
dürfen unsere NutzerInnen auch andere Titel zum gleichen Thema
erwarten.
Karl Rathmanner
ist Bibliothekar an
der FH St. Pölten.
Mit Klassifikationssystemen unterteilen wir das gesamte mensch­
liche Wissen in eine Vielzahl von hierarchisch gegliederten Schub­
laden. Diese Systematiken reduzieren alle bisher gewonnenen
Erkenntnisse auf eine einzige Dimension (von A bis Z), die wir
bequem in unsere Regale falten. Dadurch entsteht eine tatsäch­
liche, räumliche Distanz zwischen den Publikationen unterschied­
licher Disziplinen. Das schützt vor der frustrierenden Erfahrung,
sich bei jedem zweiten Griff ins Regal ein neues domänen­
spezifisches Vokabular aneignen zu müssen, um den Klappentext
deuten zu können.
Nun kommt es aber vor, dass ein Buch inhaltlich in mehrere
Schubladen passt, weil AutorInnen sich nicht um vorgefasste
Notationsgruppen kümmern. In dem Fall stellen wir es dort hin,
wo mehr Platz ist. Wer sich bei seiner Recherche also darauf
verlässt, alle Antworten an einer Stelle gebündelt vorzufinden,
geht mitunter leer aus.
Mit dieser forcierten Parabel will ich nicht sagen, dass es ein
­Fehler wäre, sich auf das eigene Kompetenzfeld zu beschränken,
um sein Wissen zu vertiefen. Immerhin hat sich das Konzept
„Arbeitsteilung“ im Laufe der Menschheitsgeschichte durchaus
bewährt. Spezialisierung erlaubt uns, Ziele effizienter zu erreichen
und Techniken zu perfektionieren.
Man sollte sich aber vergegenwärtigen, dass Notations­systeme
mit klar abgegrenzten Fachwissenschaften – obwohl sie unbedingt nützlich und notwendig sind – nicht die Zusammenhänge
der Realität widerspiegeln. Wer aufrichtige Forschung betreibt,
muss ganz selbstverständlich immer auch die Grenzen der eigenen Methoden und Perspektiven hinterfragen und bereit sein, sie
zu überschreiten.
25
Z U
G A S T
I N
Hohe Schule
der Kinderbetreuung
Vo n K i n d e r g ä r t e n b i s K i d s - B o x e n :
Studiengangssekretärin Erika Marschalek hat
sich angesehen, wie die FH Augsburg ihre
Familienfreundlichkeit zu erhöhen versucht.
V O N
M I T R A
O S H I D A R I
In der Maßnahmen-Entwicklung zur Familienfreundlichkeit an Hochschulen gibt es zum Teil
noch erheblichen Bedarf. Ein familiengerechtes
und soziales Arbeitsumfeld hat entscheidenden
Einfluss bei der Studien- und Berufswahl, zumal
gerade Frauen individuelle Betreuungspflichten
– gegenüber zu pflegenden Angehörigen beispielsweise – verstärkt wahrnehmen. Zusätzliche Unterstützungsprogramme sind notwendig.
Gut ist, was dem Bedarf entspricht. Erika Marschalek, Sekretärin der Studiengänge Digitale
Medientechnologien und Smart Engineering an
der FH St. Pölten, hat sich im Rahmen der „Staff
Week“ in Bayern an der FH Augsburg umgesehen
und nahm neue Ansichten hinsichtlich der Organisationsstruktur mit.
Eltern-Kind-Büro. 5.000 Studierende aus 65 Na-
Erika Marschalek ist
Sekretärin der Studiengänge Digitale Medientechnologien und Smart
Engineering.
tionen studieren hier in den Bereichen Archi­
tektur und Design, Ingenieurwesen, Informatik,
Multimedia sowie Wirtschaftswissenschaften.
Familienfreundliche Gestaltungsmöglichkeiten
gibt es ob der größtenteils technischen Studiengänge zuhauf: „Für Kinder, welche kurzfristig
mit an den Arbeitsplatz mitgenommen werden
müssen, leihen sich die Betreuungspersonen sogenannte ‚Kids-Boxen‘ aus. Für die Kleineren ist
diese Box als Schlafplatz groß genug. Sogar ein
eigenes Eltern-Kind-Büro gibt es“, erzählt Marschalek.
Um Arbeit bzw. Studium und Kinderbetreuung
zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen, bietet Augsburg eine Betreuung für Kinder
im Alter zwischen neun Monaten und zweieinhalb Jahren an. Die monatliche finanzielle Belastung hält sich mit dem Selbstkostenanteil von
200 Euro im Rahmen. Den Rest übernimmt die
Fachhochschule.
26 fu t u r e · n ov ember 2 01 5
Weniger Frauen in der Informatik. Den Auflistungen des Statistischen Taschenbuchs des österreichischen Bundesministeriums für Bildung
und Frauen (Neuauflage alle zwei Jahre) folgend,
ergaben sich für Studienanfängerinnen im Studienjahr 2012/2013 ernüchternde Zahlen. Bei den
Technik- und Ingenieurwissenschaften liegt der
Frauenanteil bei 21 Prozent. Die Bundesrepublik
Deutschland offeriert ebenso wenig erbauliche
Zahlen, Marschalek weiß über Augsburg Fol­
gendes: „Der Kindergarten als Frauenförderungsmaßnahme trägt dazu bei, den Anteil weiblicher
Studierender zu erhöhen. In den technischen Bereichen ist der Mädchenanteil eher bescheiden
bzw. der Frauenanteil bei den AbsolventInnen
eines Informatikstudiums sogar von 17,5 Prozent
auf 12,3 Prozent gefallen. Anstrengungen, den
Anteil weiblicher Studierender in der Technik zu
erhöhen, laufen. So gibt es einen Girls’ Day,
Schnupper- und Projekttage, die den Mädchen
die Scheu vor der Technik nehmen sollen.
14 Hochschulmit­arbeiterInnen aus zwölf Nationen nahmen an der ‚Staff Week‘ in Augsburg
teil. Wir alle haben Hoffnung, dass sich die eine
oder andere Maßnahme auch an unserer Heimat-Fachhochschule umsetzen lässt.“
S T .
P Ö L T E N
U N D
D I E
W E L T
Christian Plaichner
vor der San Jose
City Hall – im Herzen
des Silicon Valley.
Fußball spielen
am Google-Feld
Als er sein Software-Unternehmen
in die USA verkaufte, zog FH-Absolvent
Christian Plaichner nach Chicago – und lebt
m i t t l e r w e i l e i m S i l i c o n Va l l e y .
V O N
M I T R A
O S H I D A R I
Mit Apple, Facebook und Google in der Nachbarschaft lebt Christian Plaichner, FH-Absolvent der
ersten Stunde. Im damaligen allerersten Jahrgang des Studiengangs Telekommunikation und
Medien verfasste er im Jahr 2000 seine Diplom­
arbeit zum Thema „Information Security Policy,
Network Security Policy and Firewall Redesign
(ONE – Connect Austria)“.
Job angenommen, Freundin geheiratet. Die
USA waren nicht vorrangig oberstes Lebensziel:
„Ich habe darüber immer wieder mal nachgedacht, weil ich ja mehrere Software-Firmen und
auch immer wieder geschäftlich in den USA zu
tun hatte. Aber wie so vieles im Leben hat es sich
zur richtigen Zeit mit dem richtigen Setup er­
geben. Ich verkaufte 2009 meine Software-Firma
SENACTIVE an den Software-Entwickler/-Hersteller Automic GmbH, der mich für die Integration meiner Firma gleich mit übernahm. Durch
ein Strategie- und Repositionierungsprojekt bei
Automic wurde ich gefragt, ob ich den Bereich
Global Accounts & Solutions in den USA übernehmen will. Job angenommen, meine Freundin
noch schnell geheiratet und 2011 nach Chicago
gezogen. Dort waren wir zwei Jahre – Downtown,
supertolle Stadt, sehr unterschätzt ... aber
richtig kalt im Winter! Seit über zwei Jahren
­
wohnen wir im Silicon Valley, in Santa Clara.
Einmal pro Woche spiele ich Fußball am Google-Feld. Beruflich bin ich noch bei Automic, im
letzten Jahr übernahm ich die Consulting-Abteilung für die Americas Region (USA, Kanada und
Lateinamerika).“
„Die Europäer sind
selbstständiger“
Firmen gründen und aufbauen
in den USA vs. Europa?
„Da ich mehrere Firmen aufgebaut
und auch Risikofinanzierungen (Venture Capital) geleistet habe, kenne ich
den europäischen Markt sehr gut. In
Europa hat sich in den letzten fünf bis
sieben Jahren viel getan, an allen
Ecken sprießen Start-ups, Shared
spaces und Inkubatoren. Dennoch ist
die Finanzierungslandschaft noch
sehr überschaubar und sind die Mittel
begrenzt. Mit meiner letzten europäischen Firma brauchte ich eineinhalb
Jahre, um die Mindestfinanzierung
aufzustellen. Vor ein paar Wochen war
ich bei einem Pitch-Event in Palo Alto.
Dort präsentieren sich Mini-App-Unternehmen schon in der Seed-Phase
mit drei bis vier Millionen. Das wirft
natürlich die Frage auf, ob man nicht
ein neues Unternehmen in der Bay
Area gründet.“
Arbeitsbedingungen
in den USA vs. Europa?
„Der größte Unterschied ist – und
das hat mich einige Zeit gekostet, bis
ich das verstanden habe: In den USA
ist es nötig, Dinge genau zu definieren und zu erklären, damit das
gewünschte Ergebnis erzielt wird,
während in Europa die Leute doch
etwas selbstständiger sind. In Europa
hingegen glaubt jeder, bei Entscheidungen mitreden zu müssen, während in den USA MitarbeiterInnen viel
flexibler auf Veränderungen reagieren.
Verkaufen ist einfacher in den USA.
Der Markt, die Firmen und damit ihr
Budget sind so viel größer. Die AmerikanerInnen sind darauf fokussiert,
akut anstehende Probleme zu lösen,
während in Österreich gleich immer
nachhaltige Dauerlösungen gesucht
werden.“
In Europa hat sich
viel getan, an
allen Ecken sprießen
Start-ups, Shared
spaces und Inkubatoren.
27
B L I T Z L I C H T
Internationale
Vortragende
unter anderem
von Yahoo
und NASA.
Wissens­
transfer
gehört
diskutiert.
SEMANTiCS-Konferenz
Maschinen, die uns
verstehen
wissen.vorsprung
Wissen gehört ausgetauscht
Mitte September fand der erste Termin der
neuen Veranstaltungsreihe wissen.vorsprung der
FH St. Pölten statt. Interessierte diskutierten im
Hotel Intercontinental in Wien zum Thema Wissens­
transfer an der Schnittstelle zwischen Hochschulen,
Unternehmen und Gesellschaft.
www.semantics.cc
Karrieremesse
Firmenmesse
Auf zu den Jobs
Zug-Luft schnuppern
Zum dritten Mal fand im Oktober die Job- und
Karrieremesse karriere.netzwerk der FH St. Pölten
statt. 59 ausstellende Unternehmen und 700 interessierte Studierende und AbsolventInnen trafen
aufeinander.
Kontakte knüpfen und neue Arbeitswelten kennen­
lernen konnten die TeilnehmerInnen der ersten
Firmenmesse der Bahnindustrie an der FH St. Pölten,
die im Zuge des Semester-Openings des Departments Bahntechnologie und Mobilität stattfand.
www.fhstp.ac.at/knw
28 Die internationale Semantic-Web-Community traf
sich im September 2015 bei der 11. SEMANTiCSKonferenz an der WU Wien. Vorgetragen haben
unter anderen ExpertInnen von Yahoo und NASA.
Organisiert haben die diesjährige Tagung die
Semantic Web Company, die Wirtschaftsuniversität
Wien und das Department Medien und Wirtschaft
der FH St. Pölten.
fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
B L I T Z L I C H T
Technik und
Alltag der Zukunft:
die European
Researchers’ Night.
European Researchers’ Night
Virtuelle Fallschirme
Vom virtuellen Fallschirmsprung und von einer durch Hand­
bewegungen steuerbaren Drohne über einen Rundgang durch
die Stadt in digitalen 3D-Panoramen bis zu neuen Kommunikationsmöglichkeiten für ältere Menschen bot die European
­Researchers’ Night Ende September Einblicke in Technik und
Alltag der Zukunft. Mehr als 2.500 Menschen besuchten die
von der FH St. Pölten und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft organisierte Veranstaltung.
www.fit-for-future.at
Tag der Lehre
MEDIAcon
Spielend besser
unterrichten
Konzentration auf
UserInnen
Einmal im Jahr befasst sich der „Tag der Lehre“
des Service- und Kompetenzzentrums für Inno­
vatives Lehren & Lernen (SKILL) der FH St. Pölten
mit ­innovativen Lehrmethoden. Thema der Fach­
tagung war heuer „Game Based Learning“.
Mit aktuellen Entwicklungen in der Mediaplanung
befasst sich die Veranstaltungsreihe MEDIAcon des
Departments Medien & Wirtschaft der FH St. Pölten.
Die diesjährige Tagung Ende Oktober widmete sich
dem Thema „User Centric Advertising“ und fand im
Hauptquartier von Microsoft Österreich in Wien statt.
http://skill.fhstp.ac.at
29
E M P F E H L E N S W E R T
Gemeine, fette Typen. Ein Nachschlag
zum Thema Schrift
Manuela Eichhorn, Jochen Gerald Elias, Isabella
Christiane Enigl, Denise Hebenstreit, Georg
Neubauer, Severin Schleps, Teresa Sposato
Eigenverlag, 2015
64 Seiten, € 25,00
ISBN 978-3-200-04064-9
Die Masterklasse Grafik-Design des Studiengangs
Digitale Medientechnologien hat ein Werk zum
Thema Schrift verfasst. Die AutorInnen haben ihre
Kapitel nicht nur geschrieben, sondern auch selbst
grafisch gestaltet. Das Buch versteht sich als Lehrbuch für Studierende, ist aber für alle an Schrift
Interessierten ein optisches und sprachliches Vergnügen. In ­sieben Kapiteln kann man eintauchen in
die Geschichte der Schrift, die Anatomie der Buchstaben und das Wirken von Texten durch Typografie.
Bestellungen: [email protected].
Cyber Attack Information System.
Erfahrungen und Erkenntnisse aus der
IKT-Sicherheitsforschung
Helmut Leopold, Thomas Bleier,
Florian Skopik (Hrsg.)
Springer Vieweg, 2015
208 Seiten, € 41,11 (gebunden), € 29,99 (eBook)
ISBN 978-3-662-44306-4
In den letzten Jahren hat sich das Internet zu
einem massiven wirtschaftlichen Betätigungsfeld
entwickelt, auch für illegale Unternehmungen. Das
Forschungsprojekt CAIS, an dem die FH St. Pölten
beteiligt war, beschäftigte sich mit dem Implementieren eines Cyber-Attack-Information-Systems auf
nationaler Ebene mit dem Ziel, die vernetzten
­Systeme widerstandsfähiger zu machen. Das Buch
versammelt Beiträge aus dem Forschungsprojekt.
30 Tage Sozialarbeit.
Berichte aus der Praxis
Peter Pantuček-Eisenbacher, Monika Vyslouzil (Hg.)
LIT Verlag, 2015
Reihe: Sozialpädagogik, Bd. 27
288 Seiten, € 30,80
ISBN 978-3-643-50680-1
30 Geschichten aus dem Berufsalltag von Sozial­
arbeiterInnen erzählen von Erfolg und Misserfolg,
verzwickten Beziehungen, rechtlichen Hürden und
Möglichkeiten und von den vielen Menschen, die
Hilfe in Anspruch nehmen wollen oder müssen. Es
entsteht das Panorama eines faszinierenden Berufs.
30 fu t u r e · n ov ember 2 0 1 5
Kofferkind
Althea Müller
Kindle Edition, 2015
270 Seiten, € 1,99 (Kindle Edition),
€ 8,56 (Taschenbuch)
Althea Müller, Absolventin des Studiengangs Mediaund Kommunikationsberatung, hat 2015 die Kurzgeschichtensammlung „Kofferkind“ veröffentlicht.
Ihre Geschichten drehen sich um Sinn-Suche,
­Single-Dasein, Snowboards, Schneekugeln und
die Band Slipknot.
Verity: Wahrheit ist eine Anomalie
Robert Luh
Kindle Edition, 2015
330 Seiten, € 2,99 (Kindle Edition),
€ 10,99 (Taschenbuch)
Robert Luh, Researcher am Josef-Ressel-Zentrum
für konsolidierte Erkennung gezielter Angriffe
­(TARGET), hat vor Kurzem seinen dritten Roman aus
der Welt der Cyber-Security herausgebracht: „Verity
– Wahrheit ist eine Anomalie“, eine Abrechnung mit
den Überwachungsprogrammen von NSA und Co.
Medien-Blog
Die digitale Mediaagentur „Mediabrands Audience
Platform“ (vormals „Fastbridge“) und der Studiengang Media- und Kommunikationsberatung der
FH St. Pölten haben ein Blog zur digitalen Welt
der Medien gestartet, in dem regelmäßig auch die
Studierenden Tobias Zehetner, Nicole Huber und
Lukas Klinser schreiben.
www.map-global.at
IMPRESSUM
Herausgeberin: Fachhochschule St. Pölten GmbH,
Matthias Corvinus-Straße 15, 3100 St. Pölten
Chefredaktion: Mag. Daniela Kaser, MAS
Redaktion: Mag. Mark Hammer, Mag. Mitra Oshidari
Mit Beiträgen von: Karl Rathmanner
Fotos und Illustrationen: Shutterstock/Ringlet (überarbeitet Egger &
Lerch: S. 1, 13, 15, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 24), Martin Lifka Photography
(S. 2, 4, 12), Foto Kraus (S. 2, 17, 19), Schascha Qiu (S. 5), FH St. Pölten/
Mario Ingerle (S. 6, 29), Michael Reiseneder Refos-Film (S. 7), Shutterstock/
PureSolution (S. 8), Isabella Enigl (S. 11), Gunther Blauensteiner (S. 12),
FH St. Pölten (S. 12, 26), privat (S. 17, 19, 27), Paul Pölleritzer (S. 19), Anna
Achleitner (S. 20, 25, 28), Fotostudio Koch (S. 21), NOTRUF NÖ GesmbH
(S. 21), Alexandra Moskovchuk (S. 23), Andrea Seemayer (S. 23), Jakub
Pasikowski (S. 23), Weigand/photocase.com (S. 26), Emil Bauer (S. 28, 29),
Semantic Web Company (S. 28), Maximilian Döringer (S. 28), Raphaela
Raggam (S. 29), Yannick Kurzweil (S. 31)
Grafik und Produktion: Egger & Lerch Ges.m.b.H., 1030 Wien
Druck: Ueberreuter Print GmbH, 2100 Korneuburg
AUCH
DA
STECKT
DRIN
Die FH bereichert das Leben
junger Menschen: Sie macht
Wissen, Forschung und
Lehre zugänglich. Dies ist
möglich, weil Menschen ein
Netzwerk bilden, das regen
Austausch hervorbringt und
die Zusammenarbeit fördert.
Die Medientechnikstudenten
Yannick Kurzweil und Jürgen
Haghofer haben das Bild
#network für einen Fotowett­
bewerb zum Thema „Auch da
steckt FH drin“ gestaltet. Modell
stand Isabella Starowicz.
31
„Die Soziale Arbeit kann viel
dazu beitragen, ankommenden
Menschen einen Platz in der
G e s e l l s c h a f t z u g e b e n . “ Seite 6
„ F r ü h e r g a l t b e i H a u s ­d u r c h ­
suchungen, dass man Computer
sofort vom Netz nimmt. Heute weiß
man, dass man besser zuerst
d e n A r b e i t s s p e i c h e r u n t e r s u c h t . “ Seite 9
„Das Handy liegt auf der
Brust der bewusstlosen Person
und misst Frequenz und
D r u c k t i e f e d e r M a s s a g e . “ Seite 20
„Für mich bedeutet
Interdisziplinarität das Außer­
kraftsetzen von disziplinären
Strukturen (und Zwängen)
z u g u n s t e n ‚ w i l d e n D e n k e n s ‘ . “ Seite 22
www.fhstp.ac.at
32 fu t u r e · n ov ember 2 01 5