Wer als deutscher Radiologe etwas auf sich hält, kommt nach Chicago

„Wer als deutscher
Radiologe etwas
auf sich hält,
kommt nach Chicago“
RSNA 2009: unklare Teilnehmerzahlen,
von Michael Reiter
Schlüsselrolle behauptet
Kaum waren Radiologen, IT-Leiter und
Aussteller vom RSNA-Jahreskongress
nach Hause zurückgekehrt, schon erstickten Chicago und sein Umland im
Schnee … gutes Timing in klimatischer
Hinsicht, wird so mancher angesichts der
„Cancelled“-Fluglisten in O'Hare resümieren. Was haben die Heimkehrer in
ihren Abteilungen zu erzählen, abgesehen von den unvergesslichen Networking-Parties in der „Windy City“?
„Was wir nicht messen können, das wissen wir auch nicht. Wer nichts weiß,
kann nicht besser werden“ – Dr. Gary
J. Becker ging mit seinen Standeskollegen hart ins Gericht. Bei der Eröffnung des RSNA am 29. November beschrieb der Kongresspräsident die veränderten Rahmenbedingungen der Disziplin: In den USA, wie andernorts, hat
die Bevölkerung ein starkes Bewusstsein für Qualität und Fehler in der
medizinischen Versorgung entwickelt,
und die Akzeptanz für Verschwendung macht dem Ruf nach nachhaltigem Umgang mit Ressourcen Platz.
„Qualität und
Transparenz bestimmen
Zukunft der Radiologie“
„Die Menschen sind unzufrieden mit einem Gesundheitssystem, das ihren Ansprüchen nicht gerecht wird und mitunter
eher vorteilhaft für Leistungserbringer –
anstatt Patienten – ist“, so der Kongresspräsident. „Die Öffentlichkeit hat Besseres
von uns verdient.“
Leistung verbessern und transparent machen – hierin liegt laut Dr. Becker die einzige Möglichkeit für die Radiologen, unter heutigen Rahmenbedingungen einen relevanten
Grad an Selbstbestimmung zu bewahren.
Längst zeigen nämlich in den USA Rating-Organisationen wie HealthGrades oder Angie's
List mit dem Finger auf vermeintlich minder
performante Kollegen in der Disziplin ...
eine Entwicklung, die den deutschsprachigen Raum nicht unberührt lassen wird – der
Kostendruck schafft allerdings Hürden für
eine Qualitätsinitiative.
Der Blick auf Disziplinen wie die Innere
Medizin, so Dr. Beckers Hinweis, zeigt den
Bedarf an einer Veränderung im Mediziner-
Bewusstsein. US-amerikanische Fachgesellschaften deckten im Rahmen eines Zertifizierungsprogramms signifikante Qualifikations- und Leistungslücken auf, die in Umfragen Bestätigung fanden.
IT ist nach Ansicht des Kongresspräsidenten ein wichtiges Werkzeug auf dem
Weg zu besserer Qualität. Computerized
Physician Order Entry (CPOE, elektronische
Auftragserteilung) und Unterstützung klinischer Entscheidungen sowie die gemeinsame Nutzung elektronisch verfügbarer Patientenbilder spielen hier eine herausragende Rolle. Das Programm des diesjährigen Kongresses, unterstrich Dr. Becker, ermöglicht Radiologen deutliche Schritte auf
dem Weg in eine Zukunft, in der Radiologen verantwortungsvoll die Gesundheitsversorgung weiter mit bestimmen.
Rahmenbedingungen in USA
Zu den herausragenden Themen des Kongresses zählte die Rücknahme der Empfehlung der U.S. Preventive Services Task
Force (USPSTF): Seit Mitte November unterstützt diese Organisation nicht mehr den
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Ausgabe 1/2010
RSNA
lymorphismen die größte Bedeutung für
Bildgebung und Therapie mit sich bringen.
Medizinische Applikationen für iPhone
und andere Smartphones – etwa zur raschen
Diagnose akuter Appendizitis, von vielen Medizinern als Spielerei betrachtet – und 3DSoftware zur Erkennung von Alzheimer waren weitere Technologie-Diskussionshighlights … neben den vielleicht weniger spektakulären, aber nachhaltigen Fortschritten
bei Verfahren und Geräten, auch in Bereichen wie Neuroradiologie und Kardiologie.
Präsidentin des „Board of
Directors“ der RSNA gewählt
Dr. Gary J. Becker, RSNA-Kongresspräsident
(Foto: RSNA)
Beginn des Mammographie-Screenings ab
dem Alter von 40. Gerade mal zwei Wochen nach dieser Mitteilung schlugen die
Wellen auf der Radiologenveranstaltung
in Chicago natürlich hoch. Das Thema
Brustkrebs verliert dadurch nicht an Stellenwert – so drängte Bruce G. Haffty, M. D.
seine Kollegen, mit dem Ziel der Therapieoptimierung neue Wege der Kollaboration zwischen Diagnostik und Therapie in
der Radiologie zu finden; aktuell verfügbare
genetische Informationen, unterstrich der
Professor und Chefarzt für Strahlentherapie an der New Jersey Robert Wood Johnson Medical School, können hier einen
wichtigen Beitrag leisten. Während bislang
der Schwerpunkt auf gering frequente Gene mit hoher Penetranz – insbesondere
BRCA1 and BRCA2 – die Forschung
dominierte, dürften niedrig penetrante Po-
Deutscher
Gemeinschaftsstand
Viele Besucher aus „D-A-CH“, insgesamt eine geringere Teilnehmerzahl, jedoch höhere
Qualität der Gespräche:Am deutschen RSNAGemeinschaftsstand waren die 15 Aussteller und 4 Unteraussteller sehr zufrieden. Erste Zusagen haben die Organisatoren bereits
für das kommende Jahr erhalten. „Made in
Germany“, so Antje Brannekämper vom ZVEI,
„wird bei Angeboten in Bildgebung und IT
sehr gut angenommen.“
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Ein neues Gesicht prägt das Board of Directors der Radiological Society of North
America (RSNA): Hedvig Hricak, M. D.,
Ph. D., Dr. h. c., wurde zur Präsidentin gewählt. Sie leitet die Radiologie am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New
York City, hält eine Radiologie-Professur
am Cornell University Medical College und
arbeitet als Radiologin am Memorial Hospital in New York City. Als Ziel hat sich
die Expertin, die ursprünglich aus Zagreb
stammt, gesetzt, die Nutzung der integrierten Diagnostik in der personalisierten
Medizin voranzubringen. Radiologie ist eine Schlüsseldisziplin für die Gesundheitsversorgung der Zukunft – „als Präsidentin
der RSNA werde ich diese Botschaft weltweit verbreiten.“
Teilnehmerzahlen – gern genutzt als
Gradmesser für den Zustand der Gesundheitswirtschaft – hatte die Redaktion bei Redaktionsschluss Ende Januar von den Organisatoren noch nicht erhalten. An den Hotel-Rezeptionen hieß es jedenfalls, „the congress appears to be somewhat slower“, also
weniger gut besucht; und die Gänge in den
Ausstellungshallen waren breiter und auch
leerer als gewohnt. Der Anteil an Teilnehmern aus dem Ausland, insbesondere aus
Europa, lag wohl höher als in den Vorjahren – so auch die Einschätzung von TwitterKongressbeobachter „The EHR Guy“: „I have no idea of the real numbers but the international visitors seem to be majority this
year. Attendance seems to be huge.“ Der gute Dollar-Wechselkurs trug sicher hierzu bei,
aber auch die unbestrittene wissenschaftliche Attraktivität der Veranstaltung – so Dr.
Uwe Engelmann von Chili: „Wer in der (deutschen) Radiologie etwas auf sich hält, geht
auf den RSNA“ … auch in diesem Jahr, vom
28. November bis 3. Dezember.
Jahreskongress RSNA –
„ein Muss“
Fast 60.000 Teilnehmer verzeichnet alljährlich die weltweit größte Veranstaltung im Bereich Radiologie. Zum 95. Mal lud 2009 die
Radiological Society of North America nach
Chicago ein – vom 29. November bis 4. Dezember wurde das McCormick Center zum
Treffpunkt für alle, die sich mit Bildgebung
und Diagnostik, mit Methoden und Arbeitsabläufen in der Radiologie beschäftigen. Eine umfangreiche Industrieausstellung mit
Lösungen zu sämtlichen Bereichen begleitet
alljährlich die Veranstaltung; in Chicago erfolgen die weltweiten Produktvorstellungen:
www.rsna.org