Diätetik bei unter-/mangelernährten Patienten im

VDD aktuell
Diätetik bei unter-/mangelernährten
Patienten im Krankenhaus ist kosteneffektiv
Ein neuer niederländischer SEO-Bericht belegt: Die individuelle Behandlung von unter-/mangelernährten Patienten durch
Diätassistenten im Krankenhaus kann zu Einsparungen in Millionenhöhe führen.
I
n Krankenhäusern behandeln Diätassistenten (im interdisziplinären Kontext) unter anderem unter-/mangelernährte Patienten mit einer auf die Person
zugeschnittenen Ernährungstherapie.
Die Finanzierung von Diätassistenten
in Krankenhäusern steht jedoch unter
einem hohen Kostendruck. Deshalb initiierten der Gesprächskreis Leitender
Diätassistenten der niederländischen
Universitätskliniken (OHDAZ: „Overleg
Hoofden Diëtetiek Academische Ziekenhuizen“) und der Niederländische
Verband der Diätassistenten (NVD) eine
Untersuchung zum volkswirtschaftlichen Nutzen der Tätigkeiten von Diätassistenten in Krankenhäusern. Die Studie
wurde durch SEO Economisch Onderzoek (SEO) ausgeführt, eine Stiftung, die
im Auftrag der niederländischen Regierung und der Wirtschaft unabhängige
Wirtschaftsforschung betreibt und die
eng mit der Universität von Amsterdam
verbunden ist.1 Die Studie bezog sich
auf Patientenpopulationen mit Unter-/
Mangelernährung und umfasste eine Literaturrecherche (Ergebnis: 195 Studien,
wovon 25 Studien den Untersuchungskriterien entsprachen) sowie zwei Kosten-Nutzen-Analysen. Im Fokus stand
die Frage:
Wie hoch sind die Kosten und wie groß
ist der Nutzen der Diätetik bzw. welchen
Nutzen hat die Diätetik für die niederländische Volkswirtschaft
π bei mangelernährten Patienten mit
Krebs im Magen-Darm-Trakt, in den
Lungen oder im Kopf-Halsbereich?
π bei unter-/mangelernährten älteren
Krankenhauspatienten (≥ 65 Jahren)?
Einsparungen von
20 bis 123 Millionen Euro
Die SEO-Analyse beziffert, dass jeder
Euro, der für die Diätetik bei unter-/man-
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gelernährten Patienten ausgegeben wird,
vielfach höhere Einsparungen zur Folge
hat: 3,08 € bis 22,60 € bei Patienten mit
Magen-Darmkrebs oder Lungenkrebs,
2,40 € bis 4,50 € bei Patienten mit KopfHals-Krebs und 1,20 € bis 1,90 € bei älteren Krankenhauspatienten.
Wenn alle unter-/mangelernährten Patienten dieser Patientenpopulationen
behandelt werden würden, würde der
Netto-Nutzen (totaler Nutzen minus Kosten) pro Jahr 20,5 bis 123,8 Millionen €
betragen: 4 bis 42 Millionen € bei Patienten mit Tumoren im Magen-Darm-Trakt,
1,5 bis 3,8 Millionen € bei Patienten mit
Tumoren im Kopf-Halsbereich und 15
bis 78 Millionen € bei älteren Krankenhauspatienten.
Empfehlungen SEO-Bericht
Der gesamte Netto-Nutzen der Diätetik bei mangelernährten Patienten mit
Krebs und unter-/mangelernährten älteren Krankenhauspatienten ist also positiv. Kurzfristig gesehen ist der Nutzen
für ein Krankenhaus jedoch negativ. Die
Ursache dafür liegt im DRG-System, das
die Diätetik unzureichend berücksichtigt. Die Fallpauschale für einen Behandlungsfall/ein DRG-Versorgungsprodukt
steht für einen definierten Zeitraum
fest. Eine (intensive) Ernährungstherapie
durch einen Diätassistenten erhöht die
Fallpauschale nicht, obwohl das Krankenhaus die Tätigkeit des Diätassistenten bezahlt. Deshalb lautet die wichtigste
Empfehlung dieses Berichtes, das Entgeltsystem dahingehend weiterzuentwickeln, dass Krankenhäuser auch einen
finanziellen Anreiz haben, die Diätetik
klinisch und poliklinisch im ausreichenden Maß anzubieten.
Hochwertige wissenschaftliche Studien,
die zum Beispiel den Effekt der Diätetik
bei Patienten mit Tumoren im Magen-
Darm-Trakt oder in den Lungen auf
die Inanspruchnahme von Versorgung
durch andere Gesundheitsberufe oder
den Effekt der Diätetik auf die Sterberate bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren
untersuchen, fehlen. Diese möglichen
Effekte wurden deshalb nicht bei dem
berechneten Nutzen der Diätetik berücksichtigt. Wünschenswert wäre eine vermehrte Forschung, die die Effektivität
der Diätetik untersucht.
Hintergrund: Kosten-Nutzen-Analyse
Eine „maatschappelijke“, das heißt eine
auf die Gesellschaft bezogene KostenNutzen-Analyse, gibt eine umfassende
Einsicht in die Vor- und Nachteile, sowohl
aus der Perspektive verschiedener Akteure als auch aus der Perspektive der Gesellschaft als Ganzes. Die Methodik der SEOKosten-Nutzen-Analyse entspricht einer
2013 vom niederländischen „Centraal
Planbureau“ und vom „Planbureau voor
de Leefomgeving“ entwickelten Leitlinie.2
Deren Anwendung ist für diese Analysen von der niederländischen Regierung2
vorgeschrieben. Wichtig dabei ist die
Bestimmung (anhand der recherchierten Literatur, der nationalen Prävalenz-,
Krankenversicherungs-, Krankenhausdaten sowie anderer wirtschaftlicher Daten)
einer Projekt- und einer Null-Alternative,
eines Zeithorizonts, der Akteure und der
Kosten- und Nutzenfaktoren:
Eine Kosten-Nutzen-Analyse vergleicht
eine Projektalternative (die Intervention
bzw. hier die Standardversorgung mit
Behandlung durch den Diätassistenten)
mit einer Null-Alternative (hier Standardversorgung ohne Behandlung durch den
Diätassistenten). Durch den Vergleich der
Ergebnisse der Projektalternative mit den
Ergebnissen der Null-Alternative kann
die Effektivität der Diätetik festgestellt
werden.
VDD aktuell
π Als Zeithorizont für die Berechnung der Kos-
ten und Nutzen wurde ein Quartal (12 Wochen) gewählt.
π Nur eine von drei inkludierten Studien zur
Kosten-Nutzen-Analyse bei Krebspatienten lieferte Informationen über die längerfristige (bis
maximal acht Jahre) Effektivität der Diätetik.3-5
Nur in dieser Studie bei Patienten mit Darmkrebs wurde auch ein Effekt auf die Sterberate festgestellt.3 Der Nutzen der Diätetik in der
Form einer niedrigeren Sterberate wurde für
das restliche Leben des Patienten durchgerechnet. Dafür wurde ein gewogener Durchschnitt
der drei Studien bei Patienten mit Tumoren
im Magen-Darm-Trakt oder in den Lungen ermittelt: 0,08 Jahre Lebensverlängerung durch
individuelle Beratung der Diätetik gegenüber
einer Standardversorgung, die bis zu zweimal
täglich eine eiweißreiche Trinknahrung (20 g
Eiweiß pro 200 ml) neben der normalen Ernährung enthielt.
Wichtige Akteure in der Analyse:
π Der Patient erfährt möglicherweise eine bessere Gesundheit/Lebensqualität und Lebensverlängerung durch die Diätetik;
π der Diätassistent führt die Behandlung durch
und empfängt vom Krankenhaus den Lohn für
die ausgeführten Leistungen. Er führt Versicherungsbeiträge und Einkommensteuer ab;
π die Apotheke erhält von der Krankenversicherung für die medizinische Ernährung eine entsprechende Vergütung;
π das Krankenhaus, denn die Leistungen der
Diätetik in (Poli-) Kliniken werden innerhalb
der DRG(Diagnosis Related Groups)-Versorgungsprodukte registriert. Viele Krankenhäuser registrieren auch Leistungscodes für die
Diätetik, die an DRG-Versorgungsprodukte
gekoppelt sind. Das Krankenhaus bezahlt den
Diätassistenten, erhält jedoch keine direkte
Vergütung für die geleistete ernährungstherapeutische Versorgung von den Krankenversicherungen. Das Krankenhaus erhält von den
Krankenversicherungen nur eine standardisierte Fallpauschale für das gesamte DRG-Versorgungsprodukt;
π die Krankenversicherung, denn die Diätetik
verursacht einerseits Kosten, führt aber andererseits zu Einsparungen bei den übrigen
Versorgungskosten, beispielsweise durch eine
kürzere Liegedauer im Krankenhaus. Die
Krankenversicherungsbeiträge werden letztendlich an höhere oder niedrigere Kosten angepasst;
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π der Patient als Beitragszahler, denn Kostenunterschiede zwischen
Krankenhäusern und Krankenversicherungen werden letztendlich allen Beitragszahlern in Rechnung gestellt.
Folgende Kosten- und Nutzenfaktoren wurden berücksichtigt:
π Die Kosten für die Diätetik wurden anhand der wissenschaftlichen Lite-
ratur und Daten verschiedener Krankenhäuser auf folgende Kostenniveaus (inklusive „Overhead“-Kosten wie Raummiete und Putzkosten der
Räume) beziffert: 45 € für eine telefonische Beratung von circa 30 Minuten und 80 € für eine „Face-to-Face“-Beratung von circa 60 Minuten.
π Für die medizinische Ernährung der Standardversorgung (extra Vitamine/Mineralstoffe und zweimal täglich Trinknahrung) wurden 4,50 € pro
Tag kalkuliert;
π die Kosten, die dem Krankenhaus für die Diätetik entstehen. In der SEOAnalyse wird angenommen, dass, längerfristig gesehen, die Diätetik in
Krankenhäusern kein Netto-Kostenfaktor ist, weil zukünftig die Diätetik (im ausreichenden Maß) in teureren DRG-Versorgungsprodukten
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kostendeckend und permanent aufgenommen
sein wird. Kurzfristig kann die Diätetik jedoch ein
Netto-Kostenfaktor sein, da sie im DRG-Versorgungsprodukt noch nicht (genügend) berücksichtigt wird.
Der Preis, der von der Krankenversicherung für
die medizinische Ernährung des Patienten an die
Apotheke gezahlt wird.
In der SEO-Analyse wird davon ausgegangen, dass
in einem gut funktionierenden konkurrierenden
Markt Diätassistenten, Krankenhäuser und Apotheker längerfristig gegenüber den Krankenversicherungen keinen Gewinn mit der Diätetik erzielen können: Der Nutzen ist damit gleich hoch wie
die Kosten.
Die Lebensqualität, beziffert in QALYs (QualityAdjusted Life Year) und ausgedrückt mit einem
Faktor zwischen 0 (überleben) und 1 (ein Jahr in
völliger Gesundheit).
Ein QALY mit einem Faktor 1 wurde von SEO
mit einem Wert von 100.000 € belegt. Bei den
Sensitivitätsanalysen wurde mit einem Wert von
50.000 € pro QALY gerechnet;
eine mögliche Einsparung von übrigen Versorgungskosten, die kurzfristig einen Nutzen für das
Krankenhaus und/oder für die Krankenversicherung darstellen.
In den Niederlanden haben Patienten mit einer
Unter-/Mangelernährung eine um den Faktor 1,3
längere Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (Standardkosten für einen Tag: 457 €). Die zusätzlich
durch Unter-/Mangelernährung nötigen Behandlungskosten im Krankenhaus verursachen jährlich Kosten von 1,1 Milliarden €;
eine niedrigere Sterberate. Ein längeres Leben
ist ein immaterieller Nutzen für den Patienten.
Dieser Nutzen wurde berechnet auf der Basis eines durchschnittlichen QALY-Werts bei unter-/
mangelernährten Patienten von circa 64.000 € 1,6.
Wirtschaftlich gesehen, bezahlt der Patient länger
Beiträge und Steuern, empfängt aber auch mehr
Rente und Versorgung, die letztendlich von den
übrigen Beitrags-/Steuerzahlern aufgebracht werden. Je älter eine Person ist, desto höher sind die
Versorgungskosten.
Der SEO-Bericht „De waarde van diëtetiek bij ondervoede patiënten in het ziekenhuis“ und eine
deutsche Übersetzung der Zusammenfassung dieses
Berichtes stehen ebenso wie die Literaturliste auf der
VDD-Website zum Herunterladen zur Verfügung.
Marleen Meteling-Eeken
Diëtist (NL), Diätassistentin (Zert. VDD)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin VDD