PI-Symposium „Spuren hinterlassen...“, 27. & 28.10.2015

Bildung und Sport
PI-Symposium „Spuren hinterlassen...“, 27. & 28.10.2015
Schriftliche Workshopdokumentation
Workshop Nr.: 14
Thema:
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
Bildungsarbeit unterstützt durch didaktisches Zeichnen
Referierende: Andreas Holzinger
Diese Dokumentation ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts des Pädagogischen Instituts
mit der KSFH München und der LMU München entstanden.
Die nachfolgenden Aufzeichnungen geben den Eindruck der AutorInnen wieder
und sind nicht mit den Referierenden der Workshops abgestimmt.
AutorInnen:
Malena Schulte-Spechtel
Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
1. Wissenschaftlicher Hintergrund zum Workshop
Andreas Holzinger geht bei seiner Arbeit als Zeichner und Prozessbegleiter davon aus, dass die
meisten Menschen in Bildern denken und über den visuellen Sinneskanal die meisten
Informationen aufgenommen werden (vgl. Holzinger o.A., S.2).
Um die besondere Wirksamkeit von Bildern zu verdeutlichen, beruft Andreas Holzinger sich auf
Erklärungen der Hirnforschung. Einfach ausgedrückt sei die linke Gehirnhälfte zuständig für Worte,
Sprache, Logik, Zahlen, Analysieren, Ordnung und Abfolgen. Die rechte dagegen für Rhythmus,
Musik, Denkmuster, Vorstellungskraft, Darstellung und Wertschätzung. Aufgrund vorgegebener
Gehirndominanz würden Menschen verstärkt eine der beiden Gehirnhälften einsetzen. Die
effektivste langfristige Lernform wäre aber die Kombination beider Gehirnhälften. Eben dieses
würde durch den Einsatz von Bildern gefördert (vgl. Holzinger o.A., S. 4).
Im Vergleich zu Texten können Bilder sehr schnell wahrgenommen und verarbeitet werden, dies
geschieht fast automatisch. Durch den Abgleich des visuellen Reizes (u.a. anhand externer
Merkmale wie Farben, Formen oder Linien) in einem bestimmten Wahrnehmungskontext mit
mentalem Vorwissen wird eine Identifikation und Einordnung der Informationen möglich. Anders
als Text werden visuelle Informationen im Parallel Processing System als „holistische Entität in
größeren Sinneinheiten“ (Müller & Geise 2015, S. 93) wahrgenommen. Das heißt, ein Bild wird
nicht wie Text analytisch sequentiell und in kleinteiligen Schritten rezipiert, sondern auf Basis von
Assoziationen. Die angeregten Assoziationsketten werden dabei kaum kontrolliert und selten
analytisch reflektiert. Dadurch wird eine wesentlich schnellere Aufnahme und Identifikation (im
Bereich von 100 bis 200 Millisekunden) möglich, als bei Textelementen (vgl. Müller & Geise 2015,
S. 93f.).
Bildliche Darstellungen werden nicht nur anders wahrgenommen als Text, sondern erzielen auch
einen höheren Aufmerksamkeitswert sowie ein erhöhtes Aktivierungspotential. Bildelemente
werden schneller und länger betrachtet als Textelemente, wie sich in verschiedenen EyetrackingAnalysen zeigte. Dieser Effekt wird als Picture Superiority Effect oder als Bildüberlegenheitseffekt
bezeichnet. Bezogen auf die Bildwirkung bedeutet dies unter anderem, Bilder werden nachhaltiger
erinnert und wiedererkannt, sie erzeugen eine höhere Akzeptanz beim Rezipierenden, können
emotionale Inhalte transportieren und beim Rezipierenden Emotionen auslösen (vgl. Müller &
Geise 2015, S. 94ff.). Dies bedeutet aber nicht, dass Bild und Text in Konkurrenz zu einander
stehen, vielmehr ergänzen sie sich wechselseitig (vgl. Müller & Geise 2015, S. 109).
2. Wesentliche Thesen und Ergebnisse des Workshops
Vor dem eben dargestellten Hintergrund lässt sich Visualisierung vielfältig in den verschiedensten
pädagogischen Situationen mit unterschiedlichsten Zielgruppen einsetzen. Diese reichen von
Planungsund
VisionsKlausuren
über
Marketing-Meetings,
Mediationsoder
Konfliktmanagementsitzungen bis hin zu Seminaren und Lehrveranstaltungen. Kurz gesagt,
Visualisierung lässt sich immer dann einsetzen, wenn es darum geht, in Gruppen Dinge zu
besprechen, zu erarbeiten und zu planen.
Andreas Holzinger unterscheidet dabei zwischen Visual Facilitation und Graphic Recording.
Ersteres meint die visuelle Begleitung von Prozessen sowohl durch vorbereitete als auch live
gezeichnete Graphiken, Zahlen, Symbole und Texte. Graphic Recording bezeichnet die
Anfertigung eines graphischen Verlaufsprotokolls während einer Veranstaltung (vgl. Holzinger o.A.,
S. 3ff.).
Ziel des Workshops war es, Einsatzmöglichkeiten des didaktischen Zeichnens kennen und
einfache Formen, Symbole und Figuren zeichnen zu lernen sowie ein zeichnerisches
Grundrepertoire zu erarbeiten.
2
Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
Grundsätzlich gehe es, so Herr Holzinger, um den Inhalt und die Aussage des Dargestellten und
nicht um „Schönheit“ und detailgenaues Zeichnen. Denn ein Bild bzw. eine Grafik stünde bei
dieser Form des Visualisierens nicht für sich allein, sondern immer in einem bestimmten Kontext.
Anhand dieses könnten Menschen Symbolen und (stilisierten) Formen eine Bedeutung zu
schreiben.
Um didaktisches Zeichnen einsetzen zu können, muss man kein Künstler sein. Jede_r kann sich
mit ein paar Tricks und Übung ein Grundrepertoire aneignen, um Symbole und Formen schnell
zeichnen und didaktisch einsetzten zu können. Dabei entwickelt jede_r seinen/ihren eigenen Stil.
Um diesen zu finden und um die Zeichnungen sicher zu beherrschen, lohnt es sich, viel
auszuprobieren und zu üben.
Andreas Holzinger stellte in dem Workshop vor, was zu diesem Grundrepertoire gehört. Runde
Formen werden u.a. als Basis für verschiedenen Symbole und Gegenstände verwendet, wie z.B.
einem Apfel oder einer Uhr. Eckige Formen und Flächen finden vielerorts Verwendung. Von
Rahmen für Überschriften bis hin zu schematischer Darstellung von Häusern oder anderen
Symbolen. Für die Einrahmung einer Überschrift empfiehlt es sich zuerst, den Text zu schreiben
und dann mit zwei liegenden „L“ eine Umrandung zu zeichnen, damit genug Platz für die Schrift ist.
Ein solcher Rahmen kann zusätzlich mit einem Schatten versehen werden. Dabei ist darauf zu
achten, dass sich der Schatten an den richtigen Kanten (je nach vorgestelltem Lichteinfall) befindet
und dass insgesamt nicht zu viel Schatten eingesetzt wird, damit die Gesamtdarstellung nicht
überladen wirkt.
Pfeile können mit Hilfe einfacher Linien oder als Blockpfeile in verschiedensten Variationen (z.B.
von der Seite) dargestellt werden. Damit ein Pfeil gleichmäßig wird, sollte er nicht in einem Strich
durchgezeichnet werden. Zuerst werden die Begrenzungslinien und die „Seitenarme“ und zuletzt
die Spitze mittig vorne daran gezeichnet. Soll im Inneren des Pfeils ein Text stehen, empfiehlt es
sich diesen zuerst zu schreiben und dann den Pfeil darum herum zu zeichnen.
Symbole sind einfache Zeichen, die eine Sache, einen Sachverhalt repräsentieren. Wie
beispielsweise eine Glühbirne als Zeichen für eine gute Idee, einen Einfall oder einen Wecker/ eine
Sanduhr für ein Zeitlimit. Wichtig bei diesen Symbolen ist, dass der eigene Stil gefunden wird. Nur
durch Üben und Ausprobieren gelingt es, eine solche Zeichnung schnell und gekonnt einzusetzen.
Figuren eignen sich besonders gut, um Bewegungen, Interaktionen oder Szenen darzustellen.
Einfach lassen sich Figuren als „Bogenmännchen“1 oder „Strichmännchen“ darstellen. Dabei gibt
es die unterschiedlichsten Variationsmöglichkeiten, wie z.B. den Rumpf nicht als einfache Linie,
sondern als Spirale oder als dicke Linie mit einem Wachsmalblock darzustellen. Unter anderem
durch die Armhaltung (z.B. verschränkt oder jubelnd in die Luft gereckt), lassen sich auch
Emotionen darstellen.
Grundsätzlich können all diese Formen, Symbole und Figuren mit unterschiedlichen Stiften und
Farben variiert und effektvoll gestaltet werden. Durch Farben werden Zeichnungen oft
ansprechender. Damit der Betrachtende nicht überreizt wird, sollten maximal zwei verschiedene
Farben verwendet werden (außer es passt zum Thema) und diese wiederum sollten in der
Farbskala benachbart sein (z.B. rot und orange oder grün und blau). Diese Beschränkung gilt nicht
für schwarze Linien und graue Schattierungen. Insgesamt ist darauf zu achten, dass die
Zeichnungen sich auf das Nötigste beschränken und nicht zu viele Details enthalten.
Neben dem vielen Üben und Ausprobieren gab Herr Holzinger zudem den Tipp, im Internet nach
Vorlagen und Anregungen für neue Symbole oder Graphiken zu suchen.
1
Der Kopf ist ein Kreis/ eine Ellipse, der Körper ein Bogen (ein umgedrehtes „U“) an dessen unterem Ende
mit drei Strichen Beine gezeichnet werden können.
3
Pädagogisches Institut • Symposium 2015 • Dokumentation • Workshop Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
3. Erlebte Wirksamkeitsfaktoren im Workshop
Zu Beginn wurden die Teilnehmenden aufgefordert, sich anonym auf einer Skala auf einer
Flipchart einzutragen, inwieweit sie in der Lage sind, didaktisches Zeichnen im Unterricht oder
ähnlichen Situationen einzusetzen. Diese Selbsteinschätzung sollte nicht nur die aktuelle
Einschätzung der Teilnehmenden zeigen, sondern auch eine Basis für einen Vorher-NachherVergleich schaffen. So wurde schließlich deutlich, dass sich die Teilnehmenden nach dem
Workshop wesentlich stärker in der Lage sahen, didaktisches Zeichnen wirkungsvoll einzusetzen
als zuvor.
Ebenso wurde in einer Vorstellungsrunde danach gefragt, in welchen beruflichen Bereichen die
Teilnehmenden das Visualisieren gerne einsetzen würden. Dies verdeutlichte nicht nur die
unterschiedlichsten Anwendungsfelder des Visualisierens, sondern bot auch eine erste
Gelegenheit, miteinander in den Austausch zu kommen.
Entsprechend der Selbsteinschätzung der Teilnehmenden konzentrierte sich Andreas Holzinger
auf ausgewählte grundlegende Aspekte des Visualisierens. So ging er auf wichtige einfache
Formen aber auch auf Zeichenmaterialien ein. Insgesamt war der Workshop sehr praxisorientiert.
Nach jedem Input des Referenten hatten die Teilnehmenden unmittelbar die Möglichkeit, das
Erklärte selbst auszuprobieren und zu üben. Die praktischen Übungen und der theoretische Input
waren nicht nur bezüglich des Erlernens von Zeichnungen hilfreich, sondern regten auch zur
Metakognition und somit zur Reflexion des eigenen Lernens und der eigenen Wahrnehmung von
zeichnerisch aufbereiteten Inhalten an.
Neben dem Vorher-Nachher-Vergleich bot Herr Holzinger auch während des Workshops Raum für
Fragen und Feedback.
4. Offene Fragen
Gegen Ende des Workshops wurden noch einige Fragen laut bezüglich Stifthaltung und Schrift.
Herr Holzinger verwies darauf, dass es keine festen Regeln für eine bestimmte Hand- oder
Stifthaltung gebe. Vielmehr müsse jede_r für sich herausfinden, wie es ihm/ ihr am ehesten liegt.
Zur Gestaltung von Text und Schrift verwies er darauf, dass dies leider zu umfangreich für den
Workshop gewesen wäre, es aber auch hierfür einige Tipps und Tricks gibt.
5. Weiterführende Literatur
Haussmann, M.; Scholz, H. (2009): Bikablo 2.0: Neue Bilder für Meetings, Training & Learning/
New Visuals for Meetings, Training & Learning. Neuland GmbH & Co.KG.
Haussmann, M. (2014): UMZO - Denken mit dem Stift. Red Line Press.
Holzinger, A. (o.A.): Visual Facilitation. URL: http://www.andreasholzinger.de/mediapool/94/948044/data/visual_facilitation.pdf (Stand: 17.12.15)
Müller, G. M.; Geise, S. (2015): Grundlagen der Visuellen Kommunikation. UVK
Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz und München). 2. Auflage
Sibbet, D. (2010): Visual Meetings. John Wiley & Sons.
4