Export- und Zollpraxis kompakt Entstehung und Abzug der Einfuhrumsatzsteuer Hinweise zur korrekten Vorgehensweise Jedes Unternehmen, das Waren aus dem Drittland in das Zoll- und Steuergebiet der EU einführt, muss nicht nur zollrechtliche Bestimmungen beachten. Denn die Einfuhr von Gegenständen im Inland unterliegt u. U. auch der Umsatzsteuer. Daher sollten bei Einfuhrvorgängen immer beide Rechtsgebiete betrachtet werden. D Beachte: Im Gegensatz zum innergemeinschaftlichen Erwerb (der Gegenstand gelangt von einem anderen Mitgliedsstaat in das Inland) setzt die Einfuhr keine unternehmerische Tätigkeit voraus, sondern kann auch von Privatpersonen verwirklicht werden. Zudem erfordert die Einfuhr keinen Leistungsaustausch, sodass auch das bloße Verbringen eines Gegenstands aus dem Drittlandgebiet in das Inland oder die genannten österreichischen Gebiete grundsätzlich als Einfuhr besteuert wird. Abgabenrechtlich zählt die Einfuhrumsatzsteuer nicht zur Umsatzsteuer (§ 21 AO), sondern zu den Verbrauchsteuern (§ 21 Abs. 1 UStG). Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Einfuhrabgabe i. S. d. Zollrechts (Art. 4 Nr. 10 ZK, § 1 Abs. 1 ZollVG) und wird von den Zollbehörden verwaltet und erhoben. Nach § 21 Abs. 2 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle „sinngemäß“. Einfuhr Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG erfordert 18 ©Phoenixpix ‒ fotolia.com ie Einfuhrumsatzsteuer wird nach den Vorschriften des Zollrechts in einem Zollverfahren erhoben. Die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittland in das Inland oder in die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg (diese gehören nicht zum Inland i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG) unterliegt der Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG). Solange sich ein Gegenstand unter zollamtlicher Überwachung beindet, liegt keine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor. ô die Einfuhr ô von Gegenständen ô in das Inland oder in die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg. Als Einfuhr gilt das physische Verbringen eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr befindet, in die Gemeinschaft. Als im freien Verkehr eines Mitgliedsstaats befindlich, gelten diejenigen Waren aus Drittländern, für die in dem betreffenden Mitgliedsstaat die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind. Die Einfuhr von Gegenständen erfolgt in dem Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Gemeinschaft verbracht wird. Beachte: Für den Einfuhrtatbestand ist es jedoch nicht nur entscheidend, dass der Gegenstand aus dem Drittland in das Inland oder in die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg gelangt, sondern auch, dass der Gegenstand grundsätzlich der Besteuerung unterliegt. Mit dem Verbringen von Gegenständen aus dem Drittland (sog. Nichtgemeinschaftsware) unterliegen diese zunächst der zollamtli- Zoll.Export 06/15 Export- und Zollpraxis kompakt chen Überwachung und befinden sich – solange sie ihren zollrechtlichen Status nicht wechseln – nicht im zollrechtlich freien Verkehr. Eine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne liegt folglich nicht vor, solange sich ein Gegenstand unter zollamtlicher Überwachung befindet. Die Überführung in den freien Verkehr ist Voraussetzung für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer. Zum Drittland zählen alle Gebiete, die nicht zum Gemeinschaftsgebiet gehören. Die Hoheitsgebiete anderer Mitgliedsstaaten, die nicht zum jeweiligen Inland des Mitgliedsstaates gehören, sind somit auch Drittlandgebiet. Schließlich gehören auch die internationalen Gewässer und der Luftraum darüber zum Drittlandgebiet. Bemessungsgrundlage Das kann jedoch auch durch ein vorschriftswidriges Verbringen dieser Gegenstände über die Zollgrenze der Union in den räumlichen Anwendungsbereich geschehen. Der Umsatz wird nach dem Wert des eingeführten Gegenstands nach den jeweiligen Vorschriften über den Zollwert bemessen. Der so ermittelte Wert ist um folgende Beträge zu erhöhen, soweit diese nicht bereits im Zollwert enthalten sind (§ 11 UStG): Gegenstände ô Im Ausland geschuldete Einfuhrabgaben, Steuern und sonstige Abgaben. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG besteuert die Einfuhr von Gegenständen. Unter dem Begriff „Gegenstände“ sind körperliche Gegenstände zu verstehen. Darüber hinaus umfasst er auch solche Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie Sachen umgesetzt werden, insbesondere Wasser, Gas, elektrischer Strom, Wärme und Dampf. Dienstleistungen können demnach grundsätzlich nicht Gegenstand einer Einfuhr sein. sich auf den eingeführten Gegenstand beziehen und die im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer feststehen. Hinweis: Da der Zollwert die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ist, sind z. B. auch Werkzeugkosten zu berücksichtigen. Beachte: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt eine Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer auch dann vor, wenn die Einfuhrumsatzsteuer bei der Umsatzsteuer wieder als Vorsteuer abgezogen werden kann (BGH, v. 04.09.2013 - 1 StR 374/13). ô Vermittlungs- und Beförderungskosten sowie andere Leistungen bis zum Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet. Denn die Einfuhrumsatzsteuer wird nicht im Besteuerungsverfahren nach § 18 UStG festgesetzt, sondern nach den Vorschriften des Zollrechts in einem Zollverfahren. Betroffen sind damit unterschiedliche Besteuerungsverfahren, die i. d. R. auch zeitlich auseinanderfallen. Hinzu komme, so der BGH, dass die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer und das Recht zum Vorsteuerabzug von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen. Nicht zur Bemessungsgrundlage gehören Preisermäßigungen und Vergütungen, die Das Urteil hat zur Folge, dass eine zu niedrig angemeldete Bemessungsgrund- ô Bei der Einfuhr anfallende Zölle, Abschöpfungen und Verbrauchsteuern. Beachte: Lizenzrechte oder Rechte an einer Software und Ähnliches, die in einer Einfuhrware (z. B. einem Computer) verkörpert werden, können als Teil der Steuerbemessungsgrundlage der Einfuhrbesteuerung unterworfen werden. Der Begriff „Inland“ umfasst das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Zollverwaltungsgesetzes (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. www.zoll-export.de ©pil76 ‒ fotolia.com Inland Rechte an einer Software, die in einer Einfuhrware (z. B. einem Computer) verkörpert werden, können der Einfuhrbesteuerung unterliegen. 19 Export- und Zollpraxis kompakt lage (z. B., weil Werkzeugkosten nicht berücksichtigt wurden) zu unerwünschten steuerstrafrechtlichen Konsequenzen führen kann, selbst wenn der Einführer grundsätzlich zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer Die Einfuhrumsatzsteuer entsteht regelmäßig im Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld (§ 13 Abs. 2 UStG und § 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 201 ff. ZK), also üblicherweise in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird (Art. 201 Abs. 2 ZK). Die Einfuhrumsatzsteuer entsteht zudem unabhängig davon, ob Zölle zu erheben sind oder nicht. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer Wer „Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer“ ist, ist nach den Zollvorschriften zu bestimmen. Im Regelfall, d. h. bei Überführung der Waren in den freien Verkehr, wird der Anmelder der Waren Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Anmelder ist die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen – Vollmacht vorausgesetzt – eine Zollerklärung abgegeben wird (Art. 4 Nr. 18 ZK). Derjenige, der das Einfuhrumsatzgut der Zollstelle gestellt, kann danach auch in Vertretung für eine andere Person handeln. wicklung mithin von einem Stellvertreter direkt vertreten, so wird der Vertretene als Anmelder Einfuhrumsatzsteuerschuldner. Wird eine in einem Drittland ansässige Person hingegen von einem in der Gemeinschaft ansässigen Stellvertreter indirekt vertreten, so wird der Dienstleister Einfuhrumsatzsteuerschuldner, der Vertretene weiterer Einfuhrumsatzsteuerschuldner, Art. 213 ZK. Soweit er im Namen und für Rechnung des Vertretenen handelt (direkte Vertretung, Art. 5 Abs. 2 1. Alt. ZK), ist der Vertretene der Anmelder. Der Anmelder muss grundsätzlich in der Gemeinschaft ansässig sein. Im Normalfall wird z. B. der Spediteur, der nicht in eigenem Namen handelt, sondern im Namen des Verkäufers auftritt, nicht zum Zollschuldner (Fall der direkten Vertretung). Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist (§ 21 Abs. 2 UStG): ô der Anmelder und im Falle der indirekten Vertretung auch die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird (Art. 201 ZK), Beachte: Anders jedoch, wenn eine indirekte Vertretung nach Art. 5 Abs. 2 ZK vorliegt, bei der der Vertreter in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung handelt und damit selbst zum Anmelder wird. Nach ausdrücklicher Regelung in Art. 201 Abs. 3 Satz 2 ZK wird in diesem Fall auch der Vertretene Zollschuldner, auf dessen Rechnung der Vertreter in eigenem Namen gehandelt hat. ô der Verbringer, Beteiligter, Erwerber oder Besitzer bei vorschriftswidrigem Verbringen (Art. 202 ZK), ô der Handelnde, Beteiligte, Erwerber, Pflichteninhaber bei Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 203 ZK), ô die Person, welche gegen die ihr obliegenden Verpflichtungen verstoßen hat bei bestimmten Pflichtverletzungen oder Verfehlungen (Art. 204 ZK). Lässt sich somit eine in der Gemeinschaft ansässige Person im Zuge der Zollab- Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ©ldprod ‒ fotolia.com Die Einfuhrumsatzsteuer kann vom Unternehmer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, wenn sie entstanden ist und die Gegenstände für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Der Unternehmer hat die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer nachzuweisen. Der Vorsteuerabzug ist damit an drei Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen: Werden z. B. Werkzeugkosten bei der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt, kann diese zu niedrig sein und daraus steuerstrafrechtliche Konsequenzen enstehen. 20 ô Einfuhr in das Inland, ô für das Unternehmen des Abzugsberechtigten, ô Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer. Eine Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten liegt dann vor, wenn Zoll.Export 06/15 Export- und Zollpraxis kompakt »Die Lieferkondition DDP kann umsatzsteuerrechtliche Folgen haben, wenn es zur Verlagerung des Lieferortes kommt.« der Liefergegenstand nach der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr im Inland dazu bestimmt ist, in seinem im Inland gelegenen Unternehmensbereich zur Ausführung eigener Umsätze eingesetzt zu werden. Diese Voraussetzung ist nach derzeitiger deutscher Rechtsauffassung nur bei demjenigen Unternehmer erfüllt, der im Zeitpunkt der Einfuhr, die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand hat. Beachte: Dabei ist nicht entscheidend, wer Schuldner der entstandenen Einfuhrumsatzsteuer war, wer diese entrichtet hat, und wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat. Der Abzug der Einfuhrumsatzsteuer steht dann dem Lieferer zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung in das Inland verbringen lässt und erst im Anschluss an die Überführung in den zollund steuerrechtlich freien Verkehr an seinen Abnehmer liefert. Hatte der Abnehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht an den Liefergegenständen, ist er zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt. Personen, die an der Einfuhr lediglich als Beteiligte mitgewirkt haben, ohne über den Gegenstand verfügen zu können, sind nach derzeitiger Rechtsauffassung nicht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt. Ein typischer Beteiligter in diesem Sinne wäre der die Zollabwicklung durchführende Dienstleister. Diesem steht nach derzeitiger Rechtsauffassung selbst dann kein Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn er selbst Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer geworden ist. www.zoll-export.de Bedeutung von Lieferkonditionen Bei der Lieferkondition DDP („Delivered Duty Paid“/„Geliefert verzollt“) treffen sämtliche Lieferpflichten und damit auch die „Verzollung“ den Verkäufer (soweit dies auch in der Zollanmeldung entsprechend umgesetzt wird). Die Lieferkondition DDP kann zu unerwünschten umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen führen, indem es zur Verlagerung des Ortes einer Lieferung vom Drittland in das Inland kommt. Dazu bestimmt § 3 Abs. 8 UStG, dass, wenn der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandgebiet in das Inland gelangt, der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen gilt, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. Beispiel Unternehmer B aus Deutschland bestellt bei Unternehmer A aus den USA eine Maschine für sein Unternehmen. Die Ware wird dabei von den USA (Drittland) nach Deutschland zu D transportiert. Die Unternehmer A und B vereinbaren, dass A die Abfertigung zum freien Verkehr für seine Rechnung zu veranlassen hat (z. B. DDP Frankfurt). In diesem Fall schuldet Unternehmer A die Einfuhrumsatzsteuer. Die Schuldnerschaft des Unternehmers A für die Einfuhrumsatzsteuer hat aber zur Folge, dass der Besteuerungsort für die Lieferung der Ware in das Inland verlagert wird. Aus diesem Grund unterliegt auch der Verkauf der Ware der deutschen Umsatzsteuer. Dies führt grundsätzlich zu einer umsatzsteuerrechtlichen Registrierungsverpflich- tung des im Drittland ansässigen Unternehmers A in Deutschland. Die Frage, wer Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuldner ist, richtet sich ausschließlich nach dem Zoll- und Umsatzsteuerrecht. Aus der Tatsache, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer nach den Zollvorschriften zu bestimmen ist, ergibt sich, dass Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuldner stets personenidentisch sind. Es ist daher nicht möglich, durch eine Lieferkondition (z. B. „DDP ohne Umsatzsteuer“) die Übernahme der Zollschuld durch den Lieferanten bei Übernahme der Einfuhrumsatzsteuerschuld durch den Abnehmer wirksam im Außenverhältnis zu den Zollbehörden zu regeln. ite Se 8 3 Michael Connemann, LL.M., MBA ist Rechtsanwalt und Director in der Umsatzsteuer- und Zollgruppe der WTS AG, einer international tätigen Beratungsgruppe. Zuvor war er als Leiter Umsatzsteuer & Zölle bei der Unternehmensgruppe Freudenberg sowie als Rechtsanwalt bei Ernst & Young und PricewaterhouseCoopers im Bereich Indirect Tax beschäftigt. Jochen MeyerBurow, LL.M., M.R.F. ist Rechtsanwalt und Partner in der Umsatzsteuer- und Zollgruppe der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Baker&McKenzie. Er berät u. a. bei Betriebsprüfungen und Klageverfahren sowie in der internationalen Umsatzsteuerplanung und Compliance. 21
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