Das unbekannte Wesen - Pharmazeutische Gehaltskasse

POLITIK WIRTSCHAFT RECHT
Der Reservefonds der Pharmazeutischen Gehaltskasse
Das unbekannte Wesen
Zumindest seit 1959 führt die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich
auf gesetzlicher Basis einen sogenannten Reservefonds. Dieser sichert die
Bezahlung der pharmazeutischen Fachkräfte durch die Pharmazeutische Gehaltskasse ab. Er ist das Sicherheitsnetz der Gehälter.
Wolfgang Nowatschek
B
ei der Festsetzung der Gehaltskassenumlage wird immer wieder
standespolitisch die Dotierung des
Reservefonds aus den Mitteln der Umlagenkasse diskutiert und hinterfragt.
Aus diesem Grund möchte ich den
Zweck des Reservefonds, seine gesetzliche Konstruktion und damit letztlich
die Frage seiner Dotierung einmal
genauer beleuchten. Bis einschließlich
Im Notfall schützt der
Rerservefonds die Gehälter.
Bisher musste er noch nicht
eingreifen.
des Jahres 2001 fand das Gehaltskassengesetz 1959 Anwendung, ab dem
Jahr 2002 dann das Gehaltskassengesetz 2002, das eine entscheidende
Zäsur brachte. Das Gehaltskassengesetz 2002 enthält bezüglich des
Reservefonds deutliche Abweichungen
gegenüber dem vorherigen Gehaltskassengesetz.
Zweck des Reservefonds
Der Reservefonds ist dazu da, um
die Bezahlung der pharmazeutischen
Fachkräfte nach dem Gehaltskassengesetz sicherzustellen. Dieser Zweck
des Fonds ist mit jeweils geringfügig
unterschiedlichem Wortlaut sowohl
im GKG 1959 als auch im GKG 2002
gleich definiert. Der Fonds ist also ein
„Sicherheitsnetz“ für den Fall, dass
die Gehaltskasse aus irgendwelchen
Gründen in einem Monat keine oder
zu wenige Einnahmen an Gehaltskassenumlagen erzielt, um die gesetzlich
vorgesehene Bezahlung der pharmazeutischen Fachkräfte vorzunehmen.
Der Reservefonds springt also dann
ein, wenn aus irgendwelchen Gründen
in der Umlagenkasse der Gehaltskasse
nicht genug Kapital vorhanden ist, um
die Besoldung der pharmazeutischen
Fachkräfte gesetzeskonform vorzunehmen. Ein solcher Fall ist bisher –
soweit ersichtlich – noch nie eingetreten, kann jedoch nicht vollkommen
ausgeschlossen werden.
Die Regelungen des
GKG 1959
Die Regelungen des GKG 1959 ließen
bezüglich der Dotierung des Reservefonds keine Spielräume offen. Bei
der Festsetzung der Gehaltskassen50 ÖAZ 5 | 29. Februar 2016 | www.apoverlag.at
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umlage musste jährlich berücksichtigt
werden, dass 1 % der Einnahmen an
Gehaltskassenumlagen an den Reservefonds abgeführt werden muss.
Diese Zuführung an den Reservefonds
erfolgte daher von Jahr zu Jahr bei der
Umlagenberechnung immer in gleicher
Höhe und hat daher keine relevanten
Auswirkungen auf den Steigerungsprozentsatz der Gehaltskassenumlage
von einem Jahr auf das andere.
Die im Gehaltskassengesetz 1959
vorgesehene Höchstgrenze für den
Reservefonds in Höhe der Hälfte des
Betrages, der im abgelaufenen Geschäftsjahr an Gehaltskassenumlagen
eingenommen wurde, wurde nie auch
nur annähernd erreicht. Für diesen
Fall hätten dann Überschüsse des
Reservefonds in den Wohlfahrts- und
Unterstützungsfonds übergeführt
werden müssen.
Der Reservefonds wurde während der
Geltung des GKG 1959 nicht extern
veranlagt. Vielmehr wurde das Geld
des Reservefonds am Monatsanfang immer zur Vorfinanzierung der
Rezepterlöse durch die Gehaltskasse
verwendet und der Reservefonds hat
dadurch die Höhe der notwendigen
Kreditaufnahmen für diese Vorfinanzierung reduziert.
Die Veränderungen im
GKG 2002
Die Regelungen des GKG 2002 unterscheiden sich in mehreren entscheidenden Punkten vom Vorgängergesetz.
Einerseits wurde eine Untergrenze
für den Reservefonds neu eingeführt,
nämlich zwei „Monatsbeträge“. Die
Höchstgrenze des GKG 2002 wurde
mit vier Monatsbeträgen festgesetzt
und ist damit deutlich niedriger als die
Höchstgrenze des GKG 1959.
Im Unterschied zum alten Gesetz wäre
ein allfälliger Überschuss des Reservefonds an die Umlagenkasse abzuführen und nicht an den Wohlfahrts- und
Unterstützungsfonds. Im Gegenzug
dazu ist es auch die Umlagenkasse,
EinBlick.
Die Zuführungen an den Reservefonds schwanken seit der
Umstellung im Jahr 2002 deutlich. In den ersten Jahren war keine Zuführung notwendig, da der Reservefonds eben noch über der Mindestgrenze lag. In Summe zeigt sich, dass sich die Umlagenkasse seit dem Jahr
2002 einen Betrag in der Höhe von rund 10,5 Mio. Euro gespart hat,
im Vergleich zur Weitergeltung des alten Systems. Insgesamt hat die
Umlagenkasse in diesen 15 Jahren Zuführungen an den Reservefonds in
der Höhe von 5,1 Mio. Euro vorgenommen.
die durch Zuführungen „einspringen
muss“, wenn der Reservefonds unter
die gesetzliche Untergrenze fällt.
Zum Zeitpunkt der Gesetzwerdung
des GKG 2002 hatte der Reservefonds
ungefähr eine Höhe von 2,4 „Monatsbeträgen“. Er lag also eher im unteren
Bereich der gesetzlich festgelegten
Größe.
Dieser „Monatsbetrag“ steigt von Jahr
zu Jahr. Dies resultiert einerseits aus
der steigenden Gesamtbeschäftigung,
andererseits aus den jährlichen Valorisierungen des Gehaltsschemas.
Geänderte
Veranlagungsstrategie
Eine weitere einschneidende Änderung ist, dass der Reservefonds seit
dem Inkrafttreten des GKG 2002
extern, unter Beachtung der Veranlagungsrichtlinie der Pharmazeutischen
Gehaltskasse, veranlagt wird. Somit
wird er nicht mehr für die Vorfinanzierung der Rezepterlöse verwendet.
Damals bestand die durchaus realistische Hoffnung, dass der Fonds durch
das Erzielen entsprechender Veranlagungserträge derart wachsen würde,
dass er von selbst auf Dauer über der
gesetzlichen Mindestgrenze bleiben
würde und daher auf Dauer keine Zuführungen seitens der Umlagenkasse
notwendig sein würden.
Die Ergebnisse der
Änderungen des GKG
Seit 2002 sind die durchschnittlich
erzielbaren Kapitalerträge bei einer
konservativen Veranlagung an den Kapitalmärkten jedoch deutlich gesunken.
Ganz allgemein und weltweit musste
zur Kenntnis genommen werden, dass
die Ende des vergangenen Jahrtausends bzw. Anfang dieses Jahrtausends
vorherrschenden Prognosen und
Erwartungen für realistischerweise zu
erzielende Veranlagungserträge in der
Zwischenzeit deutlich gesenkt werden
mussten. Das ist eine Entwicklung,
die naturgemäß nicht nur den Reservefonds der Pharmazeutischen Gehaltskasse trifft, sondern vielmehr alle
„Finanzprodukte“ im weiteren Sinn,
die auf langfristiger Kapitalveranlagung beruhen, sei es die Abfertigung
neu, eine private Pensionsvorsorge,
selbst Lebensversicherungen etc.
Diese allgemeine Verschlechterung der
durchschnittlich zu erzielenden Veranlagungserträge bei Kapitalveranlagungen hat schlussendlich dazu geführt,
dass erstmals zum Jahresabschluss
2006 der Reservefonds unter die gesetzliche Mindestgrenze gesunken ist,
sodass im Laufe des Jahres 2007 eine
Zuführung von der Umlagenkasse an
den Reservefonds vorgenommen werden musste. Die Frage, ob der Reservefonds die gesetzliche Mindesthöhe
erreicht, wird jährlich nach Vorliegen
der endgültigen Zahlen zum Jahresabschluss per 31.12. überprüft und für
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den Fall, dass die Mindestgrenze nicht
erreicht wird, wird nach Vorliegen der
endgültigen Zahlen Anfang des Folgejahres die entsprechende Zuführung an
den Reservefonds vorgenommen.
Die Gehaltskassenumlage für ein
Kalenderjahr wird üblicherweise gegen
Ende des Vorjahres auf Basis der zwischen den Kollektivvertragspartnern
erreichten Einigung über die Höhe
der Valorisierung des Gehaltsschemas berechnet. Zum Zeitpunkt der
Berechnung der Gehaltskassenumlage für das kommende Jahr sind die
endgültigen Zahlen zum 31.12. noch
nicht bekannt. In die Berechnung der
Umlage fließt daher eine Prognose dahingehend ein, wie hoch eine allfällige
Zuführung von der Umlagenkasse an
den Reservefonds im darauffolgenden
Jahr notwendig sein wird. Die tatsächliche Zuführung erfolgt dann auf Basis
der Berechnungen zum Jahresabschluss
und unabhängig von der Höhe der
Prognose, die ihrerseits in die Umlagenberechnung eingeflossen ist.
Auswirkungen auf die
Umlagenberechnung
Das neue System der Dotierung des
Reservefonds führt dazu, dass in die
Umlagenberechnung für ein Kalenderjahr eine Zuführung an den Reservefonds mitberücksichtigt werden
muss, die zwischen 0 % und 1 % liegen
kann. Die Praxis seit 2002 zeigt, dass
ab 2007 auch tatsächlich Zuführungen
an den Reservefonds erfolgt sind, die
zwischen 0,03 % und 1 % schwanken.
Die Zuführung an den Reservefonds
hat damit eine maßgebliche Auswirkung auf den Steigerungsprozentsatz
der Gehaltskassenumlage. Dieser
Steigerungsprozentsatz resultiert
einerseits natürlich aus der Höhe
der zwischen den Kollektivvertragspartnern vereinbarten Erhöhung des
Gehaltsschemas, aber es fließen dort
auch noch andere Parameter ein. So
wirkt sich in der jährlichen Berechnung auch die durch die Vorrückung
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der besoldeten Apothekerinnen und
Apotheker stattfindende Verschiebung
in höhere Gehaltsstufen aus. Weiters
müssen auch Veränderungen in der
Gesamthöhe jener Vergütungsleistungen berücksichtigt werden, die aus der
Umlagenkasse getragen werden. Das
sind die Krankheits-, Urlaubs-, Abfertigungs- sowie Wochengeldvergütung.
Auch die EU-rechtlich verpflichtende
Anrechnung von Dienstzeiten im
EWR-Ausland wirken sich aus. Zusätzlich fließt dann eben auch noch die
prognostizierte Höhe der notwendigen
Zuführung an den Reservefonds ein.
Wenn demnach in einem Jahr keine Zuführung an den Reservefonds
notwendig ist und im Folgejahr dann
angenommen eine Zuführung in Höhe
von 0,8 % als notwendig prognostiziert
wird, so führt alleine diese Tatsache zu
einer Umlagensteigerung im Ausmaß
von 0,8 %.
damit für die Abteilung der Dienstgeber in der überwiegenden Anzahl
aller Jahre eine Ersparnis gegenüber
dem alten System. Finanztechnisch
gesprochen bringt das neue System
eine Erhöhung der Volatilität der
Umlagensteigerung und führt damit
zu einem erhöhten Erklärungsaufwand
für die Pharmazeutische Gehaltskasse
bzw. zu vermehrten standespolitischen
Diskussionen. Nicht weiter verwunderlich ist, dass die Diskussionen dann
immer heftiger ausfallen, wenn bei der
Berechnung einer Gehaltskassenumlage eine höhere Zuführung an den
Reservefonds notwendig ist als bei der
davorliegenden Umlage und daher der
Steigerungsprozentsatz der Umlage in
Richtung einer Erhöhung beeinflusst
wird. Die umgekehrten Fälle, die es
natürlich auch gab und gibt, werden in
der Regel ohne viel Diskussionsbedarf
akzeptiert.
Ein Vergleich der beiden
Systeme aus Sicht der
Umlagenkasse
Der Jahreswechsel
2015/2016
Im alten System des GKG 1959 musste die Umlagenkasse jährlich 1 % ihrer
Einnahmen an den Reservefonds abführen. Unter dem neuen System zeigt
die Praxis seit dem Jahr 2002, dass seit
damals nur in zwei Jahren eine Zuführung in der Höhe von 1 % der Umlage
notwendig war. In allen anderen Jahren
erfolgte entweder keine Zuführung
oder es erfolgte eine Zuführung, die
geringer war als 1 %. Das neue System
„kostet“ die Umlagenkasse – und
damit die Apothekenbetriebe – daher
im schlechtesten Fall so viel wie das
alte System. In den meisten Jahren
ist es jedoch für die Umlagenkasse
deutlich „billiger“ als das alte System.
Ein Nachteil des neuen Systems –
jedenfalls in der standespolitischen
Diskussion – ist, dass es zu stärkeren
jährlichen Schwankungen der Steigerung der Gehaltskassenumlage führt.
Finanziell bringt das neue System für
die Umlagenkasse und wirtschaftlich
Die Ereignisse zum Jahreswechsel
2015/2016 waren insofern atypisch,
dass es erstmals nicht im Vorjahr zum
Beschluss eines neuen Gehaltsschemas
und einer neuberechneten Umlage
gekommen ist. Mangels Einigung
zwischen den Kollektivvertragspartnern konnte im Dezember 2015 keine
Umlage für das Jahr 2016 berechnet
und beschlossen werden. Erst am 12.
Jänner 2016 hatten die Kollektivvertragspartner in Verhandlungen eine
Einigung erzielt, die die Berechnung
einer Gehaltskassenumlage für das Jahr
2016 ermöglicht hat. Die Einigung
sah bekanntlich vor, dass das Gehaltsschema der Gehaltskasse unverändert
gleich bleibt und nicht erhöht werden
würde. Trotzdem war die Neuberechnung einer Gehaltskassenumlage ab
1.1.2016 notwendig, da sich die oben
erwähnten anderen Parameter deutlich geändert hatten. Am 12. Jänner
2016 lagen die Abschlusszahlen zum
31.12.2015 in den relevanten Berei-
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Reservefonds
Umlage für
Zuführung an
Reservefonds
Ersparnis gegenüber
1 % Zuführung
Zuführung
lt. Umlagenberechnung
tatsächlich
2002
0%
0%
716.000,-
2003
0%
0%
750.000,-
2004
0%
0%
786.000,-
2005
0%
0%
827.000,-
2006
0%
0%
865.000,-
2007
0%
0,13 %
800.000,-
2008
1%
1%
2009
1%
0,3 %
748.000,-
303.600,-
2010
1%
0,8 %
247.000,-
856.000,-
2011
1%
1%
2012
0,4 %
0,43 %
680.000,-
515.000,-
2013
0,5 %
0,4 %
640.000,-
515.000,-
2014
0,2 %
0,03 %
1,280.000,-
45.600,-
2015
0,2 %
0,1%
1,224.000,-
137.000,-
2016
0,36 %
0,36 %
874.000,-
529.000,-
10,437.000,-
5,151.200,-
chen bereits vor, sodass heuer erstmals
der Berechnung der Gehaltskassenumlage für das Jahr 2016 bezüglich der
Zuführung zum Reservefonds nicht
eine Prognose zugrunde gelegt werden
musste, sondern bereits die Echtzahlen
zum 31.12.2015 einfließen konnten. Diese ergaben eine notwendige
Zuführung an den Reservefonds in
der Höhe von 0,36 % der Umlageneinnahmen. Da bei der Berechnung
für die Umlage 2015 eine Zuführung
an den Reservefonds in der Höhe von
0,2 % berücksichtigt wurde, resultierte
daraus ein steigender Effekt für die
Gehaltskassenumlage im Ausmaß von
0,16 % – und das, obwohl sowohl 2015
als auch 2016 die Zuführung nur einen
Bruchteil dessen ausgemacht hat, was
unter dem alten System zuzuführen
gewesen wäre.
Resümee
Der Reservefonds wies zum
31.12.2001 einen Stand von rund
11,5 Mio. Euro auf. Nach der im Jahr
2016 notwendigen Zuführung von
Seiten der Umlagenkasse beträgt der
Reservefonds 19.850.000,- Euro. Der
Reservefonds ist daher im fraglichen
Zeitraum um 8.350.000,- Euro gestiegen.
Wie aus der Tabelle ersichtlich, resultieren 5,15 Mio. Euro aus Zuführungen seitens der Umlagenkasse,
die restliche Vermögenszunahme des
Reservefonds resultiert aus Veranlagungserträgen.
Wenn man im Vergleich dazu die Weitergeltung des Systems des GKG 1959
fingiert, so würden dann einerseits die
Veranlagungserträge wegfallen, andererseits wären die Zuführungen durch
die Umlagenkasse um jenen Betrag
120.000,990.000,-
1,140.000,-
höher ausgefallen, der in der unten stehenden Tabelle als Ersparnis angeführt
wird. Das sind rund 10,5 Mio. Euro.
Aus Sicht des Reservefonds hätte die
Weitergeltung des alten Systems des
GKG 1959 dazu geführt, dass der Reservefonds heute um ca. 7 Mio. Euro
höher wäre als er tatsächlich ist.
Dr. Wolfgang
Nowatschek
Direktor der
Pharmazeutischen
Gehaltskasse
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