WER HAT ANGST VOR DEM BÖSEN MANN

14 |
LEIPZIG
DONNERSTAG, 8. OKTOBER 2015 | NR. 234
Lichtfestbühne wird Nachrichtenstudio
AM LESERTELEFON
VON
TATJANA KULPA
Leipzig erinnert an die Friedliche Revolution vor 26 Jahren / Freiluftgalerie auf dem Augustusplatz
Kartoffelkäfer und
Klassenfeind
VON MATHIAS ORBECK
D
er Kartoffelkäfer hatte nicht 1935
seinen letzten Auftritt auf der Bühne
der Weltpolitik „Auch zu Beginn der
50er-Jahre, wurden wir Kinder zum
Kartoffelkäfer sammeln auf die Felder
geschickt“, erinnert sich die 79-jährige
Frau Koch. Unter dem Motto „Der böse
Klassenfeind, der Amerikaner hat sie auf
uns geworfen“, galt es alle Käfer einzusammeln. „Ich hatte nur immer Angst, dass
mir mal ein Käfer auf den Kopf fällt.“
Klaus Tennhardt aus Markkleeberg
macht sich Sorgen um den Weihnachtsmarkt und die Höfe am Brühl. „Wenn die
Flüchtlinge im Interpelz-Gebäude untergebracht sind, wird da einiges los sein.“
Edith Baumann aus Leutzsch sieht die
Aufnahme der vielen Flüchtlinge auch mit
Sorge, kann aber verstehen, dass Deutschland den Menschen Hilfe anbietet. „Mir
machen nur die Veränderungen durch die
Zuwanderung Sorge“, sagt die 74-Jährige.
Peter Matté hält die Anhebung der
Müllgebühren für „dummen und verlogenen Schwachsinn“. Das Argument, die
Erhöhung sei durchs Bevölkerungswachstum nötig, zieht bei ihm nicht. „Fixkosten
sind Fixkosten. Die bleiben gleich, ob man
100 oder 120 Tonnen leert.“
Heute von 11–13 Uhr am Lesertelefon
Kostas Kipuros: 2181-1224
Leipzig feilt am Asyl-Konzept
für Interpelz-Hochhaus
2.
Özdemir: „Legida belastet
die Stadt“
3.
Lichtfest Leipzig mit ARD-Star
und Freiluftgalerie
4.
Vier Verletzte nach Schlägerei
in der Grube-Halle
5.
Sachsen führt Reanimations-Unterricht ein
Stand: Gestern 20 Uhr
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„Bildung ist das höchste Gut, daran darf
nicht gespart werden“
WER HAT
ANGST
VOR
DEM
BÖSEN
MANN
Felix Englisch ist der neue Stadtschülersprecher / Vorstand will gegen Rassismus vorgehen
Der Stadtschülerrat Leipzig hat jetzt einen
neuen Vorstand gewählt. Bei der ersten
Vollversammlung des Schuljahres 2015/
2016 im Neuen Rathaus wurde der 17-jährige Felix Englisch zum Vorstandsvorsitzenden gekürt. Er folgt Luka Meloian nach. Gymnasiast Englisch besucht
die Max-Klinger-Schule in Grünau. Er hat
sich einiges vorgenommen: „Wir haben
von konkreten Problemen durch Rassismus
an Leipziger Schulen erfahren. Dem müssen wir entgegenwirken.“ Das solle beispielsweise in Workshops oder durch Kampagnen geschehen, die die Verständigung
zwischen Schülern verschiedener Herkunft und Sprache verbessern sollen.
Weitere wichtige Themen, mit denen
sich der neue Stadtschülersprecher und
sein Vorstandsteam befassen wollen: die
Krisen-Dauerbrenner Lehrermangel und
der Renovierungsstau in vielen Schulge-
Neuer Vorstandsvorsitzender des Stadtschülerrates: Felix Englisch von der
Max-Klinger-Schule.
Foto: André Kempner
bäuden der Messestadt. Ein Problem hat
das Gremium auch mit den Finanzen. „Die
Stadt bezahlt den Schülern an Gymnasien
grafische Taschenrechner mit geringeren
Funktionen, als für manche Rechenaufgabe nötig ist“, erläuterte Englisch. „Bildung
ist das höchste Gut, daran darf nicht
gespart werden.“
Eine neue Idee des Neuen ist
das Schüler-Nachhilfe-Programm. Hierbei
bieten junge Leute lernschwachen Mitschülern Nachhilfe an – das Ganze gegen
eine kleine Aufwandsentschädigung. „So
profitieren beide Seiten von dem Programm.“ Die Kosten pro Unterrichtsstunde
seien dabei geringer als bei anderen Nachhilfe-Instituten. An der Max-Klinger Schule wird das Konzept seit diesem Schuljahr
bereits umgesetzt. „Wenn sich auch andere
Schulen beteiligen, kann ein übergreifendes Nachhilfe-Netzwerk entstehen.“ kul
Zwei Historiker auf Liste für Uni­Rektorwahl
Bewerber sind die Professoren Eduard Mühle aus Münster und Tassilo Schmitt aus Bremen
VON MARIO BECK
Auch der zweite vom Hochschulrat der
Leipziger Uni für die Rektorwahl vorgesehene Kandidat ist Historiker: Auf LVZ-Anfrage bestätigte gestern Professor Tassilo
Schmitt von der Universität Bremen, dass
er sich für den Spitzenposten beworben
und vom Ratsvorsitzenden Professor Reinhold Grimm eine positive Rückmeldung
bekommen hat. Schmitt hat in Bremen
den Lehrstuhl für Alte Geschichte inne,
wirkt zudem als Dekan des Fachbereiches
Sozialwissenschaften an der dortigen Uni
und ist derzeit Vorsitzender des philosophischen Fakultätentages. Der 53-Jährige
stammt aus Würzburg und studierte dort
Geschichte und klassische Philologie, promovierte 1989 an der Uni Heidelberg und
habilitierte sich 1998 an der Uni Bielefeld.
Wie berichtet, hat der Hochschulrat
auch Eduard Mühle (57), der an der Uni in
Du warst im Leben so bescheiden,
wie schlicht und einfach lebtest Du.
Mit allem warst Du stets zufrieden,
nun schlafe wohl in stiller Ruh.
Nach langer schwerer Krankheit
verließ uns meine liebe Mutter
und Oma
Margot Schäfer
geb. Thate
geb. 13.9.1934 verst. 5.10.2015
In tiefer Trauer
Dein lieber Sohn Veit und Birgit
Dein lieber Enkel Christian
sowie alle Angehörigen
Die Beerdigung findet am Samstag,
dem 10. Oktober 2015, 10.00 Uhr
auf dem Friedhof Zitzschen statt.
Münster als Professor
für die Geschichte Ostmitteleuropas und Osteuropas tätig ist, auf
die Vorschlagsliste zur
Besetzung des Spitzenpostens an der Alma
mater gesetzt. Offiziell
äußerte sich Grimm
bisher nicht zu den Professor
Personalien,
die Tassilo Schmitt
eigentlich bis nächste
Woche geheim bleiben sollten. Denn für
nächsten Dienstag ist eine Sondersitzung
des Senates angesetzt, bei der Grimm die
Kandidaten vorstellen und auch begründen will, warum die zwei Uni-internen
Bewerber vom Hochschulrat abgelehnt
wurden. Amtsinhaberin Professorin Beate
Schücking (59), die der Uni seit Februar
2011 vorsteht, und Physik-Professor Jürgen Haase (57), sollen nach dem Vo-
tum des Hochschulrates nicht zum Zuge
kommen.
Seitdem sich Schücking im Juli öffentlich
„fassungslos“ zeigte,
dass ihr der Hochschulrat keine Chance
auf Wiederwahl einProfessor
räumen will, obwohl
Eduard Mühle
es nach dem Vorstellungsgespräch
zunächst ein positives Feedback gegeben
habe, kocht die Debatte. Grimm erklärte,
dass Auswahlverfahren sei „vorurteilsfrei
und fair“ verlaufen. Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange
(SPD) ließ durchblicken, dass sie Schücking gerne auf der Kandidatenliste gesehen hätte, auf der bis zu drei Bewerber
benannt werden können. Auch der UniSenat forderte einen Listenplatz für SchüFoto: Universität Münster
1.
Foto: Universität Bremen
Top-Klicks
Für das Lichtfest am Freitag wird eine große Bühne vor dem Gewandhaus aufgebaut. So emotional war es im vergangenen Jahr –
sehen Sie einen Video-Rückblick.
Foto: André Kempner
Auf dem Augustusplatz ist mit Blick zum
Gewandhaus ein Nachrichtenstudio aufgebaut. TV-Moderatorin Pinar Atalay verliest dort aktuelle Nachrichten. Florian
Lukas, der gerade in der ARD-Erfolgsserie
„Weissensee“ um eine Stasi-Familie mitwirkte, rezitiert Texte aus „Das Prinzip
Hoffnung“ von Ernst Bloch. Auf die Zitate
antwortet der Chor der Oper. Er steht für
das „Wir“, die Gesellschaft. Das gehört
zum Programm des Lichtfestes, mit dem
morgen Abend an den 9. Oktober
1989 erinnert wird. „Freiheit –
Gleichheit – Brüderlichkeit?“ –
bewusst mit einem Fragezeichen
versehen – ist das Motto. Im 25.
Jahr nach der Wiedervereinigung
will das Lichtfest nicht nur auf
den Herbst 1989 zurückblicken,
sondern auch auf aktuelle Entwicklungen wie die Flüchtlingssituation schauen und Werte der
Zivilgesellschaft
hinterfragen.
Sprecher und Chor agieren vor
Leinwänden, auf die historische Szenen,
Live-Bilder vom Abend und aktuelle
Nachrichtenbeiträge projiziert werden.
„Wir befassen uns mit dem Fremd- und
Geborgensein im eigenen Land“, hatte
der künstlerische Leiter Jürgen Meier beispielsweise angekündigt. Den ganzen
Abend sind die Besucher des Lichtfestes
natürlich wie üblich eingeladen, aus Tausenden Kerzen eine leuchtende „89“ zu
bilden. Beginn des Lichtfestes ist um 20
Uhr, ab 19 Uhr erfolgt in Abhängigkeit
von der Besucheranzahl die Sperrung der
cking, ansonsten drohe womöglich eine
Konkurrentenklage und eine Lähmung
der Alma mater. Allerdings gab das Gremium seine Pro-Schücking-Bekundung
ab, als es noch in alter Zusammensetzung
tagte. Mittlerweile hat es sich neu konstituiert und personell stark verändert. Nach
LVZ-Informationen können die jetzigen
21 Senatoren am Freitag vertraulich alle
Bewerbungsunterlagen von Mühle,
Schmitt, Schücking und Haase einsehen,
um sich ein Bild zu machen.
Die Senatssitzung am kommenden
Dienstag hinter verschlossenen Türen
wird zeigen, ob Senat und Hochschulrat
einen gemeinsamen Nenner finden – sich
ins Benehmen setzen oder nicht. Ein
Vetorecht hat der Senat in der Kandidatenfrage nicht. Die eigentliche Wahl
obliegt dem erweiterten Senat. Wann sie
erfolgt, ist noch unklar. Zu besetzen ist
der Rektorposten per 1. März 2016.
Ein Haus für mehrere Generationen
Berliner Unternehmensgruppe saniert Kulturdenkmal in der Delitzscher Straße
VON ANGELIKA RAULIEN
Das ging fixer als geplant: Etwas
vorfristig konnte die Berliner AS
Unternehmensgruppe um Andreas
Schrobback ein weiteres Mehrgenerationen-Projekt in der Delitzscher Straße 7A vollenden. Die
Sanierung des fünfgeschossigen
Wohnhauses – wegen seiner kulturellen Bedeutung für die Nachwelt
als Kulturdenkmal eingestuft –
konnte jetzt an die Eigentümergemeinschaft übergeben werden, so
der Geschäftsführer.
Bei den Umbauarbeiten wurde
das Dachgeschoss zum Wohnraum.
Einen Personenaufzug gibt es und
eine großzügige Balkonanlage. Das
äußere Erscheinungsbild, die bau-
Mit schmucker Fassade denkmalgerecht fertigsaniert: die Delitzcher
Straße 7A.
Foto: André Kempner
Mittelfahrbahn Augustusplatz einschließlich der Goethestraße.
Der Auftakt zum Gedenken an den
„Tag der Entscheidung“ im Herbst ’89
wird mit einem Friedensgebet gestaltet,
bei dem ab 17 Uhr in der Nikolaikirche ein
„Band des Friedens“ gezogen wird. Ab
18.30 Uhr hält der Bürgerrechtler Wolfgang Templin in der Kirche die Rede zur
Demokratie. Bereits ab 16 Uhr ist auf dem
Augustusplatz „Deutschlands größte Freiluftgalerie“ mit 429 Fotografien mit bewegenden, persönlichen Momenten vieler
Sachsen zu sehen.
Die Gedenkstätte Museum in
der „Runden Ecke“ am Dittrichring wird am Freitagabend ebenfalls geöffnet sein – angeboten
werden Führungen mit originalem Filmmaterial vom 9. Oktober
1989. Die Außenstelle des Bundesbeauftragten für die StasiUnterlagen (BStU) ist ebenfalls
von 20 bis 23 Uhr zur langen
Nacht offen. An einer Hörstation
können Interessierte sich beispielsweise den Stasi-Mitschnitt eines
Friedensgebets anhören, den Sprechchören der Demonstranten lauschen oder den
couragierten Anruf einer Studentin vom 9.
Oktober 1989 bei der Stasi nacherleben.
Wer möchte, kann einen Streifzug durch
das geschichtsträchtige Gebäude mit seinen zahlreichen Archivräumen unternehmen, in denen neben 8,6 Kilometern StasiAkten auch 2300 Säcke mit Papierschnipseln lagern. Eine Power-Point-Präsentation zeigt kuriose Stilblüten aus dem
Aktenerbe.
zeitliche Ausstattung und die innere Raumstruktur, die noch aus dem
Entstehungsjahr des Gebäudes –
vermutlich 1893 – stammten, blieben weitestgehend erhalten“,
betont Schrobback. Trotzdem würden die Mieter nun ein modernes,
ansprechendes, energieeffizientes
und vor allem barrierearmes Wohnumfeld vorfinden. Zusätzlich seien
auf dem Grundstück Stellplätze
entstanden.
Die alte Pracht und die moderne
Wohnumgebung dieses herrschaftlichen
Mehrgenerationenhauses
hätten bereits viele Mietinteressenten in ihren Bann gezogen, so
Schrobback. Das Gebäude sei
schon einen Monat vor Übergabe
voll vermietet gewesen.
Wie berichtet, ist die AndreasSchrobback-Unternehmensgruppe
in Leipzig in puncto Mehrgenerationen-Wohnen aktuell mehrfach in
der Spur. In der Schirmerstraße sind
die Spezialisten für Modernisierung und Sanierung denkmalgeschützter Altbauten dabei, ein
1914/15 erbautes Jugendstil-Gebäude ebenfalls denkmalgerecht
zu sanieren. Im Sommer 2016 soll
das geschafft sein. Insgesamt sollen
dort elf Wohnungen entstehen,
darunter vier seniorenfreundliche
Domizile.
Bereits im Vorjahr hatten die
Berliner ein analoges Projekt in der
GutsMuthsstraße, in der Oststraße
sowie in der Erika-von-BrockdorffStraße hochgezogen.
Schauspiel
Leipzig
EXPERTENGESPRÄCH
ZU AISCHYLOS’ UND ELF RIEDE JELINEK S
„DIE SCHUTZF LEHENDEN /
DIE SCHUTZBEFOHLENEN“
PROF. DR. MED.
BORWIN BANDELOW
( K L I N I K F Ü R P S YC H I AT R I E U N D
P S YC H O T H E R A PI E D E R
U N I V E R S I TÄT S M E D I Z I N G Ö T T I N G E N )
M O D E R AT I O N :
DR. JENS BISKY
( SÜDDEUTSCHE ZEITUNG)
8. 10. 15 22ºº
K A R T E N : 0 3 41 12 6 8 16 8
W W W. S C H AU S PI E L - L E I P Z I G . D E
LESERBRIEFE
Schwimmhalle Südost
braucht Einstiegsleiter
Zum Beitrag „Leutzscher Schwimmhalle
wird flott gemacht“ vom 15. September:
Anzuerkennen, dass die Leutzscher
Schwimmhalle dank Investitionen in
Höhe von 400000 Euro wieder flott
gemacht wird. Nur wenige Euro würden
genügen, um für das Schwimmbecken
der Schwimmhalle Südost die Begehbarkeit über eine Leiter, auch für Ältere, gar
Behinderte, zu ermöglichen. Gegenwärtig existieren lediglich in die Beckenwand
eingearbeitete Einstiegshilfen. An die
Verantwortlichen sei appelliert, daran zu
denken, dass auch sie einmal älter werden.
Eberhard Lessig, 04299 Leipzig
Amt ist nur beim Verteilen
von Knöllchen engagiert
Zum Thema „Ärger mit Parkplätzen bei
Großveranstaltungen“:
Jede Großveranstaltung wie Konzerte,
Firmenlauf und Spiele von RB sorgen
regelmäßig dafür, dass der Parkplatz für
die Schwimmhalle in der Mainzer Straße
und der angrenzende Bereich zugeparkt
sind. Das einzige Engagement des Ordnungsamtes Leipzig besteht darin, in kürzester Zeit Knöllchen zu verteilen. Die
Damen warten scheinbar bis zum Beginn
der Veranstaltung hinter den Bäumen.
Dass die Nutzer der Schwimmhalle kaum
eine Möglichkeit haben zu parken – egal.
Diese Einnahmen scheinen fest eingeplant. Warum sonst sind nur an diesen
Tagen die Politessen dort unterwegs.
Und warum sollte das Ordnungsamt
etwas unternehmen, mit diesen Strafgebühren kann man rechnen. Schnell verdientes Geld, gratuliere.
Und die Nutzer der Schwimmhalle, die
an solchen Tagen gar nicht oder nur mit
Knöllchen parken können? Einzelschicksal. Soll das die nächsten Jahre so weitergehen?
Marina Arndt, per E-Mail
Leserbriefe zum Lokalteil an:
[email protected]