760_802_BIOsp_0715_- 05.11.15 13:28 Seite 792 792 KA R R IE R E , KÖP FE & KON Z EPTE Fördergelder Wie schreibt man einen ERC-Antrag? RAINER MECKENSTOCK BIOFILM CENTRE, UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN © Springer-Verlag 2015 ó Das European Research Council (ERC) ist eine relativ junge Förderorganisation der EU (seit 2007), die exzellente Möglichkeiten gerade für junge Antragsteller bietet. Die ERCGrants haben sich zu Prestigeprojekten entwickelt, die von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen heiß begehrt sind und den Preisträgern gute Karrieremöglichkeiten versprechen. So gelangt man an manchen Unis mit einem ERC-Grant direkt auf Tenure-Track-Positionen oder gar Professorenstellen. Anträge können als „Starter“ (bis 6 Jahre nach Dissertation; 1,5 Mio. Euro), „Consolidator“ (bis 12 Jahre; 2 Mio. Euro), oder „Advanced“ (ab 12 Jahre; 2,5 Mio. Euro) gestellt werden. Dem Antragsteller muss allerdings bewusst sein, dass ERC-Anträge sehr speziell sind, weil der ERC einzelne Personen und ihre Ideen fördert, was jeweils zur Hälfte in die Bewertung einfließt. Er sollte selbstkritisch überlegen, ob er mit seinem bisherigen wissenschaftlichen Werdegang überhaupt in Frage kommt. Er muss in den Top-Journalen des jeweiligen Fachgebiets publiziert und erfolgreich Drittmittel eingeworben haben. Leider sind auch ERC-Gutachter durch die schiere Anzahl von Publikationen und Impact-Faktoren zu beeindrucken. Aber in Ausnahmefällen haben durchaus junge Leute ohne allzu viele Publikationen mit einer überragenden Idee gepunktet. Das Wichtigste in einem ERC-Antrag ist die wissenschaftliche Exzellenz und vor allem die Idee. Dankenswerter Weise kann man sich deshalb alle gesellschafts- oder forschungspolitischen Sprechblasen sparen, mit denen man ansonsten Gutachter von EU- oder BMBFAnträgen beglücken muss. Auch die wirtschaftliche Verwertung ist völlig irrelevant. Dank des Gründungs-Generalsekretärs, dem ehemaligen DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker, ist der ERC zusammen mit der DFG noch eine Insel der Glückseligen, auf der ausschließlich wissenschaftliche Qualität und Grundlagenforschung zählen. Der wesentliche Unterschied zu einem DFG-Antrag ist, dass zwar Expertise im wissenschaftlichen Gebiet des Antrags gefragt ist, man aber auf keinen Fall den alten Stiefel der letzten Jahre weiter machen sollte. Das wird als incremental (Erweiterung) angesehen und umgehend aussortiert. Wichtigstes Kriterium für einen ERCAntrag ist die innovative Idee – in der ERCDefinition ground-breaking (bahnbrechend). Man sollte ein kleines, aber unbedingt neues wissenschaftliches Gebiet aufstoßen, und das muss die Gutachter sofort fesseln. Als Test empfehle ich, die Projektidee einigen Kollegen (auch Fachfremden) vorzustellen – sie sollten begeistert sein! Betritt der Antragsteller ein neues Gebiet? Öffnet er Türen, hinter denen Spektakuläres zu erwarten ist? Hilfreich ist die Etablierung eines neuen Paradigmas oder Prinzip bzw. die Revision eines alten. Idealerweise ist der Antrag nicht nur spannend, sondern weist auch wissenschaftliche Relevanz auf. High risk, high gain wird vom ERC als Gutachterkriterium gefordert und ist ein weiterer Unterschied zum bekannten DFG-Antrag. Während beim DFG-Antrag die nachvollziehbare Machbarkeit ein wesentliches Kriterium ist, sollte man sich beim ERC bis an den Rand des Machbaren bewegen. Dieser Teil sollte so außergewöhnlich sein, dass er eventuell nicht funktioniert (high risk). Sollte es aber trotz- dem funktionieren, dann muss der erwartete Erfolg wirklich spektakulär sein (high gain). Eine weitere wichtige Frage für die Schlagwort-geplagten ERC-Gutachter ist die Verwendung innovativer Technologien. Bestenfalls entwickelt man diese Technologien noch selbst weiter. Der nachvollziehbare Grund ist, dass man mit neuen Techniken Erkenntnisse gewinnen kann, die andere Forscher ohne diese Technologie gar nicht erst gewinnen konnten, auch wenn ihre Hypothese oder Idee noch so gut war. In der deutschen, DFG-geprägten Antragswelt sind wir mit einer bescheidenen, nüchternen Art zu schreiben aufgewachsen, in der man möglichst nicht zu dick aufträgt und eher indirekt auf die vermeintliche, eigene Genialität hinweist. In der angelsächsisch geprägten internationalen Wissenschaftswelt ist das kontraproduktiv. Der ERC-Antrag sollte eindeutig und klar herausstellen, warum man diesen angesehenen Forschungspreis verdient. Keine falsche Bescheidenheit! Ein ERC-Grant zeichnet eine Person aus – und die Gutachter wollen erfahren, warum Antrag und Antragsteller exzellent sind. Die Gutachterkriterien sollten genau gelesen und erfüllt werden. Der Antrag muss klar, eindeutig und unmissverständlich formuliert sein. Diese Klarheit beginnt schon im Abstract. Manche ERC-Gutachter lesen in der ersten Runde des zweistufigen Auswahlprozesses 20–30 Anträge. Um dabei bestehen zu können, sollten schon die ersten zehn Zeilen des Abstracts die innovative Idee kristallklar rüberbringen, um den Gutachter zu fesseln. Das Schreiben eines ERC-Antrags verlangt viel Zeit und Mühe – schätzungsweise drei Monate mit mehreren Korrekturrunden. Ein bis zwei befreundete Kollegen sollten einbezogen und um schonungslose Kritik gebeten werden. Das fängt bei der Ideenformulierung an und zieht sich über mehrere Korrekturphasen des Textes. Die Konkurrenz im ERC ist sehr groß, darunter die besten Wissenschaftler Europas. Für eine überragende Idee sind BIOspektrum | 07.15 | 21. Jahrgang 760_802_BIOsp_0715_- 05.11.15 13:28 Seite 793 793 die Förderchancen sehr gut, weil es wirklich „nur“ um Exzellenz geht. Sollte man einen ERC-Grant bekommen, ist die Belohnung nicht nur finanziell fürstlich – sei es die Chance auf eine Professur für junge Wissenschaftler oder fünf komfortable Jahre mit unkomplizierter, extrem guter Förderung für etablierte Forscher. Eine wunderbare Erfahrung, die die Welt eines Wissenschaftlers eindeutig zum Positiven verändert. Letztes Jahr ging etwa jeder zehnte ERCGrant nach Deutschland. Was zuerst wie ein schönes Ergebnis aussieht, relativiert sich angesichts des Bevölkerungsanteils in Europa (ca. 20 %) und der überdurchschnittlich starken Position der deutschen Forschung. BIOspektrum | 07.15 | 21. Jahrgang Rainer Meckenstock leitet den Lehrstuhl für Aquatische Mikrobiologie an der Universität Duisburg-Essen und ist Sprecher der Fachgruppe Umweltmikrobiologie der VAAM. Seit einigen Jahren ist Meckenstock Gutachter für den ERC und erhielt 2015 selbst einen ERC-advanced Grant für die Untersuchung fundamentaler Prinzipien der mikrobiellen Ökologie am Beispiel von MiniÖkosystemen im Erdöl. Der Grund ist, dass sehr wenige ERC-Anträge aus Deutschland gestellt werden, die aber trotzdem überdurchschnittlich erfolgreich sind. Insofern kann ich den vielen exzellen- ten Wissenschaftlern in Deutschland nur wärmstens empfehlen, einen ERC-Antrag zu stellen. Es ist noch Platz für euren Antrag – und es lohnt sich! ó Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Rainer Meckenstock Universität Duisburg-Essen Biofilm Centre Raum S05 V03 F26 Universitätsstraße 5 D-45141 Essen Tel.: 0201-183-6601 [email protected] www.uni-due.de/biofilmcentre
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