Predigt zur Konfirmation 2015 Psalm 27,11a-b.14b

Predigt zur Konfirmation 2015
Psalm 27,11a-b.14b-c: Glauben und Fahrrad Fahren
Liebe Konfirmanden,
zur Konfirmation nehme ich immer ein Symbol mit auf die Kanzel. Im letzten Jahr war es ein
großer Wanderrucksack, vor zwei Jahren waren es die Schuhe des Lebens… In diesem Jahr ist
der Gegenstand allerdings so groß ausgefallen, dass er nicht auf die Kanzel passt…
Ein Vorkonfirmand schiebt sein Fahrrad in die Kirche.
„Herr, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn.
Ich bin getrost und unverzagt, ich vertraue auf dich.“
(Ps 27,11a-b.14b-c; Übrs. M.L.)
Das Fahrrad: Es ist wohl das Symbol für unseren Kurs. Fahrradfahren und Glauben hat einige
Gemeinsamkeiten. Anhand von sechs Vergleichen möchte ich das heute deutlich machen.
(1) Erstens: Ehe ich losfahren kann, muss ich mein Rad erstmal aus dem Keller holen. Jeder
von uns hat in seinem Keller oder in seiner Garage so ein Fahrrad stehen. Manche holen ihr
Fahrrad jeden Morgen raus und fahren damit zur Schule oder zur Arbeit. Andere nutzen es am
Wochenende, um sich zu entspannen. Und wieder anderen genügt es, das Fahrrad einmal im
Jahr für einen Sommerausflug herauszuholen.
Mit dem Glauben ist es ähnlich wie mit unserer Fahrradnutzung: Manche nutzen ihren Glauben
jeden Tag, andere vielleicht einmal in der Woche, und wieder andere holen ihren Glauben
einmal im Jahr aus dem Keller, vielleicht bei einer Kirchenbesichtigung im Urlaub oder beim
Gottesdienst am Heiligabend.
Gibt es eine richtige und eine falsche Frequenz fürs Fahrradfahren? Gibt es eine richtige und
eine falsche Frequenz für Glaubensfragen?
Beim Fahrradfahren ist es sehr erstaunlich, dass man es nicht verlernt: Selbst wer sich nur
einmal im Jahr auf den Sattel setzt, nach 10 Metern klappt es wieder mit dem Fahren. Ist das
beim Glauben auch so? Einerseits ja: Man weiß ja, dass man ihn im Keller hat. Und ab und zu
wird er auch hervor geholt. Andererseits: Der Festtagsglaube oder die Kirchenbesichtigung im
Urlaub haben mit meinem Alltag wenig zu tun. Wenn der Glaube nur ab und zu hervorgeholt
wird, dann bleibt er weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.
(2) Zweitens: Das Fahrrad ist auch das Symbol der unterschätzten Möglichkeiten, deshalb
bleibt es bei so vielen oft im Keller stehen. Keiner von euch konnte sich vorstellen, 70
Kilometer mit dem Fahrrad zu fahren. Und plötzlich waren wir in Kassel und die Hälfte war
geschafft. Mit dem Glauben ist es ähnlich: Versuche ich tatsächlich, mit Gott zu leben, dann
komme ich schnell ins Staunen. Versuche ich mal eine Woche in der Bibel zu lesen, fünf
Minuten am Morgen, und versuche ich den Gedanken des Abschnitts am Tag umzusetzen,
dann komme ich ganz schnell ins Staunen. Ganz schnell hat die alte Bibel etwas mit meinem
Alltagsleben zu tun.
„Herr, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn.
Ich bin getrost und unverzagt, ich vertraue auf dich.“
(3) Drittens: Wer Freude am Fahrradfahren findet, der fährt nicht nur in seinem Dorf im Kreis.
Mit dem Glauben ist es ähnlich: Wer anfängt, mit Gott zu leben, der geht nicht immer nur in
seinem Dorf zur Kirche. So wie begeisterte Fahrradfahrer ständig Neues entdecken, so
entdecken auch begeisterte Christen ständig Neues. Vor Ort gibt es vielleicht einen
Fahrradclub. Aber der Fahrradclub Hann. Münden fährt nicht nur in Hann. Münden im Kreis
herum. Vor Ort in Gimte gibt es eure Kirchengemeinde. Wir machen euch Angebote vor Ort –
für Kinder, für Jugendliche, für Erwachsene. Wir haben alle Generationen im Blick. Aber das
Abenteuer des Glaubens wartet nicht in Gimte auf euch. Neues entdecken werden wir z.B. auf
dem Kirchentag. 100.000 Besucher – und einige von euch als Helfer mittendrin. Wer anfängt,
mit Gott zu leben, der geht nicht immer nur in seinem Dorf zur Kirche. Auch die Erwachsenen
können Neuland entdecken. In den Osterferien 2016 werden wir, meine Frau und ich, zu einer
Erwachsenenfreizeit ins Sauerland einladen. Dort trifft sich ein Kirchentag im Kleinen, also
„nur“ 3.000 Teilnehmer, dafür gibt es aber auch Programm für alle Generationen und man
kann zeitgleich die Urlaubsangebote in der Stadt Willingen nutzen. Glaube ist immer viel mehr
als die Kirche im eigenen Dorf.
(4) Viertens: Ein Fahrrad ist kein Auto. Beim Fahrradfahren muss ich mich selbst bewegen, es
funktioniert nicht auf Knopfdruck. Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Fahrräder im
Keller stehen. Mit dem Glauben ist es genauso: Für meinen Glauben muss ich mich selbst
bewegen. Den Glauben kann ich nicht anstellen, wenn ich ihn brauche. Ich muss mich
bewegen, wenn ich mehr aus meinem Glauben machen will. Und es liegt auch nicht am Pastor
oder an der Kirche, dass mein Glaube im Keller steht. Mein Glaube ist mein Glaube, und für
den bin ich selbst verantwortlich.
(5) Fünftens: Fahrradfahren ist manchmal nicht nur anstrengend, weil ich mich bewegen muss,
es ist grundsätzlich auch gefährlich. Selbst beim Schieben durch einen Bahnhofstunnel
entstehen gefährliche Situationen, die mit Rettungswagen und Blaulicht enden. Wie gut, wenn
eine Erste-Hilfe-Tasche in der Nähe ist und wenn sich jemand mit der Versorgung auskennt.
Auch das Leben mit Gott ist gefährlich. Wer seinen Glauben aus dem Keller holt, der erlebt
auch Misserfolge und Unfälle. Vielleicht erinnert ihr euch an den Film, den wir auf der
Sommerfreizeit gesehen haben: „To save a life“. Als Jake zur Jugendgruppe der
Kirchengemeinde kommt, will er seinen neuen Glauben ernst nehmen. Doch plötzlich bricht
alles um ihn auseinander: seine Eltern trennen sich, Amy ist schwanger und die Hälfte der
Jugendlichen in der Kirchengemeinde sind Kiffer. Sieht so das Leben aus, das er sich als Christ
erhofft hatte? Hätte er die Sache mit dem Glauben lieber doch im Keller stehen lassen sollen?
Kratzer und Schrammen, Misserfolge und Unfälle gibt es in der Kirche genauso wie außerhalb
der Kirche. Jake stellt sein Glaubensfahrrad aber nicht zurück in den Keller, er bleibt am Ball.
Letztlich findet er die Hilfe, die er sucht, indem er selbst zum Helfer wird. Jake sagt nicht zu
Chris, dem Pastor: „Du musst das und das tun.“ Er sagt: „Ich will das und das tun, ich will
mich mit denen, die es ernst meinen, in den großen Pausen treffen. Wir machen ein offenes
Picknick in der Schule. Wir schauen nicht, wer cool ist und wer nicht, wir sind für jeden da, der
kommen will.“ Jake schnappt sich sozusagen die Erste-Hilfe-Tasche und hilft anderen. Er
übernimmt Verantwortung, eben weil er seinen Glauben ernst nimmt.
(6) Und der letzte Vergleich: Fahrradfahren ist kreativ. Mit dem Auto sind meine Wege genau
vorgegeben. Mit dem Fahrrad kann ich auf den Feldweg abbiegen, sogar Waldwege sind
möglich, ich kann bergauf und bergab fahren. Ja, manchmal geht es bergauf, unser Schloss lag
auf einem Berg. Aber das Runterfahren war umso besser… Eingefahrene Wege verlassen, das
macht das Leben erst lebenswert. Nicht alles so zu machen, wie es eure Eltern machen. Nicht
Tischler werden, weil eure Eltern Tischler sind. Nicht Lehrer werden, weil eure Eltern Lehrer
sind. Sondern immer wieder die kreative Frage: Welchen Weg will ich fahren? Manchmal
können das die Wege eurer Eltern sein, wenn sie euch einleuchten und überzeugt haben. Zum
kreativen Fahrradfahren gehört natürlich auch das Verfahren: Nach unserer schönen
Mittagspause in Kassel haben wir uns kräftig verfahren: drei Mal sind wir um die Baggerseen
herum gekurvt. Es war natürlich sehr praktisch, dass beide Gruppen dem falschen Schild
gefolgt sind, sodass wir uns am Ende wiedergetroffen haben. Das Leben ist keine
Erfolgsgeschichte, die immer nur bergauf geht. Der Glaube ist keine Erfolgsgeschichte, die
immer nur bergauf geht. Doch nur, wer nichts tut, begeht keine Fehler. Nur, wer an nichts
glaubt, kann auch nicht enttäuscht werden.
„Herr, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn.
Ich bin getrost und unverzagt, ich vertraue auf dich.“
Die große Linie eures Lebens kann Gott sein, wenn ihr ihn nicht im Keller stehen lasst. Mit Gott
könnt ihr getrost und unverzagt ins Leben gehen. Keine Sorge vor dem Streit in der Familie,
keine Sorge vor dem Schulabschluss, keine Sorge vor der Berufswahl. Das Leben ist gefährlich,
Schrammen und Kratzer gehören dazu. Aber mit Gott an eurer Seite habt ihr jemanden, der zu
euch hält – alle Tage eures Lebens und darüber hinaus.
„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle [unsere] Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus“ (Phil 4,7). Amen.