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EMK Rüti-Wald-Hombrechtikon
Stefan Zürcher, Pfarrer
Stabübergabe
5. Juli 2015
Predigttext: 1. Korinther 3,5-11
Stabübergabe
Ich habe hier einen
Staffelstab. Beim Lesen
von 1. Kor 3 ist mir der
Staffellauf in den Sinn
gekommen. Den Staffellauf gibt es über verschiedene
Distanzen:
von 4 x 100m, 4 x
200m bis 4 x 1500m.
Ein Team besteht i. d.
R. aus vier LäuferInnen.
Jeweils nachdem der
Erste seine Strecke gerannt ist, übergibt er dem Nächsten den
Stab, und dann läuft dieser. Nachdem
dieser sein Rennen gelaufen ist, übergibt
er den Staffelstab an den Dritten, dieser
schliesslich an den Vierten, den Schlussläufer, der dann ins Ziel einläuft.
Ein ganz wichtiger, aber auch heikler
Moment ist die Stabübergabe im sog.
Wechselraum (20m). Sie kann auch
schief gehen, wie wir spätestens seit dem
Missgeschick von Mujinga Kambundji an
der EM im letzten Sommer wissen. Darum trainieren die LäuferInnen die Stabübergabe besonders intensiv.
Das Bild von der Stabübergabe gefällt
mir. Es illustriert etwas von dem, was
Paulus in Korinth erlebt. Mich dünkt es,
Glaube und Gemeindesein haben manches mit einem Staffellauf gemeinsam.
Auch da geht es um ein Ziel und darum,
vorwärts zu gehen, immer mit diesem
Ziel vor Augen, auch da gibt es verschiedene Akteure, auch da gibt es Stabübergaben, und auch da sind die Stabübergaben wichtige Momente.
In Korinth ist offenbar nicht alles rund
gelaufen. Die Stabübergabe zwischen
Paulus und Apollos und den weiteren
Mannschaftsmitgliedern hat nicht optimal
geklappt. Es hat Missverständnisse geben. In diesem Abschnitt seines Briefes
geht Paulus mit der Gemeinde in Korinth
darum sozusagen wie ein
Trainer die Stabübergabe
noch einmal durch und
unterstreicht, was wichtig ist.
Der Predigttext könnte dann etwa so tönen:
Wer ist denn Apollos?
Und wer ist Paulus? Staffelläufer sind wir, die
euch den Staffelstab des
Glaubens
übergeben
haben. Und jeder von
uns ist die Strecke gelaufen, die der Herr
ihm aufgetragen hat. Ich habe den Anfang gemacht, dann hat Apollos den Staffelstab übernommen, Gott aber hat Gelingen geschenkt.
Auf wen kommt es denn nun an? Doch
nicht auf die Staffelläufer, sondern auf
den, der Gelingen schenkt, auf Gott. Und
was ist mit dem Startläufer, und mit dem,
der dann weiter rennt? Ihre Läufe, so
verschieden ihr Laufstil ist, dienen demselben Ziel, und beide werden von Gott
geehrt werden, wie es ihrem persönlichen
Einsatz entspricht.
Es ist also Gottes Staffellauf, den wir
gemeinsam laufen, und ihr seid Gottes
Staffelteam. Weil Gott mich in seiner
Gnade dazu befähigt hat, habe ich als ein
kluger und umsichtiger Startläufer das
Fundament gelegt; andere haben den
Staffelstab übernommen und bauen jetzt
darauf weiter. Aber jeder soll sich sorgfältig überlegen, wie er den Lauf fortführt.
Das Fundament ist bereits gelegt, und
niemand kann je ein anderes legen. Dieses Fundament ist Jesus Christus.
Gelt, was Paulus hier beschreibt, ist uns
nicht fremd. Die Korinther haben von
Paulus und Apollos den Staffelstab des
Glaubens erhalten. – Wir haben doch
auch von unsern Vorläufern den Staffelstab des Glaubens bekommen. Paulus
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übergab Apollos den Staffelstab der Gemeindeleitung. – Wir erlebten in Tann
bzw. werden in Hombi auch erleben, wie
der Stab der Gemeindeleitung weitergegeben wurde bzw. wird. Und heute gebe
ich den Stab der Verantwortung für den
Bezirk Rüti-Wald-Hombrechtikon weiter.
Aber vor allem, wir erfahren Gott doch
auch als den, der Gelingen schenkt, und
Christus als unser Fundament!
Das ist Grund zur Dankbarkeit und
zum Feiern! Das wollen wir heute, unsere
Dankbarkeit Gott gegenüber ausdrücken
und Jesus Christus feiern.
Wir haben auch immer wieder den
Stab weiterzugeben. Darum lohnt es sich,
genauer hinzusehen und zu fragen: Was
ist eigentlich wichtig bei so einer Stabübergabe – sei es bei der Übergabe des
Stabes des Glaubens oder der Leitungsverantwortung in der Gemeinde oder der
Geschäftsleitung oder was für ein Stab
auch immer? Worauf müssen wir achten,
damit die Stabübergabe gelingt?
Versöhnung
Den Stab übergeben – wie gesagt, das ist
ein wichtiger, aber auch heikler Moment.
Zwei Dinge sind entscheidend. Die will ich
euch demonstrieren.
Im Staffellauf gibt es den Wechselraum, der 20 m lang ist. Auf dieser Strecke rennen beide gemeinsam, der Vorläufer und der nachfolgende Läufer. Und
eine kurze Zeit lang bei der Übergabe
halten beide den Stab. Das ist eine ganz
wichtige Phase – auch im richtigen Leben,
bei der Übergabe des Stabes z. B. des
Glaubens oder der Gemeindeleitung. Es
ist der Moment der Versöhnung zwischen
dem Jüngeren und dem Älteren, dem
nachfolgenden Läufer und dem Vorläufer.
Nicht selten ist es doch so, dass wir
Jüngeren die Haltung haben – und es die
Älteren manchmal auch spüren lassen:
‚Wir wissen doch, wie es geht. Wir wissen
alles besser, wir können alles besser. Die
Älteren sind von gestern, nicht mehr am
Puls der Zeit, zu lau, zu wenig entscheidungsfreudig, zu wenig klar, zu wenig
leidenschaftlich und begeistert… Wenn es
nach uns ginge, dann wäre alles anders
und besser. Wenn man uns nur machen
liesse.‘ –
Kennt ihr solche Gedanken und Gefühle auch? – Nicht dass die jugendliche Radikalität schlecht wäre, im Gegenteil. Wir
brauchen sie ganz dringend! Aber gelt,
nicht alles, was aus einem brennenden
Herz kommt an Worten und Taten, ist
gut. Wir können ganz schön verletzend
sein.
Paulus schreibt: Staffelläufer sind wir,
die euch den Staffelstab des Glaubens
übergeben haben. Von wem habt ihr den
Staffelstab des Glaubens erhalten? –
In der Regel sind es Menschen, die
schon ein gutes Stück vor uns im Staffellauf des Glaubens gestartet sind. Für
mich waren es vor allem meine Eltern
und mein Grossvater, der bei uns lebte.
Aber natürlich gab es noch weitere Personen, die bei dieser Stabübergabe beteiligt waren: ältere Menschen aus der Gemeinde, die nach mir fragten, Sonntagsschullehrer, Jugendgruppen-Leiter, Pfarrer u. a. –
Alles Menschen, die mir im Leben und
Glauben voraus waren, Menschen, die
schon vor mir im Staffellauf gestartet
sind. Nein, ihr Glaube hat sich nicht so
spontan und radikal gezeigt wie mein
Glaube. Aber es war erprobter, tragfähiger Glaube, weil er schon durch manche
schwere Zeit gegangen ist. Er hatte auf
dem Staffellauf auch schon Durststrecken
erlebt, aber ist drangeblieben und hat
durchgehalten.
Ich bin für diese Menschen sehr dankbar. Ich bin dankbar auch für ihre Barmherzigkeit und Geduld mir Jüngerem gegenüber. Gott sei Dank wissen viele Ältere gut damit umzugehen. Das ist ein
grosses Geschenk Gottes an uns Jüngere.
Zurück zur Stabübergabe. Jetzt, wenn
beide einen Moment lang den Stab halten, ist Zeit der Versöhnung. Wo wir unseren Vorläufern Unrecht getan haben, ist
es der Moment, um Vergebung zu bitten.
Und es ist Zeit anzuerkennen, was sie
getan haben. Jetzt ist der Moment, danke
zu sagen für die Etappe, die sie gelaufen
sind. Und dann, dann können wir den
Stab übernehmen, als Versöhnte.
Ein ganz wichtiger Moment! Ohne Versöhnung gelingt die Stabübernahme
nicht, und es geht uns wie Mujinga Kambundji, die den Stab verloren hat. Das gilt
zwischen Eltern und Kindern, das gilt in
der Gemeinde, das gilt in der Politik, das
gilt überall.
Loslassen
Jetzt habe also ich den Stab und renne
meine Runden. Irgendwann kommt dann
der Moment, in dem ich den Staffelstab
weitergebe. Wieder gibt es einen kurzen
Moment, in dem beide den Stab festhalten, ich als Vorläufer und der nachfolgende Läufer. Entscheidend ist, wenn der
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nachfolgende Läufer den Stab gefasst
hat, dass ich ihn loslasse! Sonst misslingt
die Stabübergabe gründlich. Er verliert
ihn oder kommt nicht weg. Ich muss loslassen!
Nicht nur im Staffellauf auf der Rennbahn, sondern auch im Blick auf meine
Kinder, die nun ihren Glaubensweg gehen, gehen wollen, müssen und können.
Loslassen müssen wir bei Übergabe der
Leitung in der Gemeinde und auch an
anderen Orten. Ich lasse die Verantwortung los, aber ich gebe auch die Menschen frei und vor allem, ich lasse meine
Vorstellungen der Zukunft los!! Ich halte
meine Ideen, und wie ich es gemacht
hätte, nicht fest. Ich lasse sie los.
Ich bin dankbar, dass die Stabübergaben auf unserem Bezirk in den letzten
Jahren recht gut gelungen sind. Ich habe
erlebt, dass die Gemeindeleitungen mit
dem Staffelstab wirklich losziehen und
ihre Strecke laufen durften. Und ich glaube, auch jetzt mit den neuen Gemeindeleitungen sind wir auf einem guten Weg.
In der Verantwortung vor Gott und den
Menschen unserer Gemeinden – macht
euren Lauf!
Im Blick auf meine Stabübergabe: Ich
muss und will jetzt auch loslassen. Ich
war am Donnerstag noch einmal in unseren drei Kapellen, habe Erinnerungen
bewegt, für die Menschen und die Gemeinden gedankt, gebittet, sie gesegnet.
Und dann im Gebet gesagt: ‚Und jetzt,
Herr Jesus Christus, lasse ich die Gemeinde und die Menschen, die hier einund ausgehen los. Sie sind dein. Halte du
sie ganz fest. Ich lasse sie jetzt los.‘ Natürlich, mein Herz wird noch einige Zeit
brauchen, bis es wirklich losgelassen hat.
Aber dass ihr Gottes seid, macht mir es
leichter. So übergebe ich diesen Stab
jetzt dir, Thomas, und dem BeVo. Tragt
ihn weiter, bis ihr ihn meinem Nachfolger
übergeben könnt.
Apropos loslassen, es können auch die
sein, die zurückbleiben, die die, die gegangen sind, nicht loslassen und denken,
in ihrem Geist handeln zu müssen. Lasst
mich gehen, lasst mich und meine Vorstellungen, meine Art Gemeinde zu leiten
los, damit ihr frei seid und offen für das
Neue und im Hören auf Gott euren eigenen Laufstil findet.
Zurück zum Staffellauf. Was machen
die Läufer, die ihre Strecke gerannt sind
und den Stab übergeben haben? Hocken
die sich gemütlich an den Rand und trinken ein Feierabendbier? Oder gehen sie
schon mal duschen? Nein! Die feuern die
nachfolgenden Läufer doch an. Sie sind
immer noch Teil des Rennens, es ist doch
ihre Mannschaft, es sind doch ihre Leute.
Die lassen sie doch nicht allein da draussen. Die brauchen weiterhin ihre Unterstützung. Das Rennen ist erst zu Ende,
wenn der Schlussläufer die Ziellinie überschritten hat. Erst dann lässt die Anspannung nach und sinkt der Puls. Bis es soweit ist, sind die Vorläufer noch voll dabei, einfach nicht mehr auf der Rennbahn. Aber unmittelbar an der Bahn. Vielleicht rennen sie sogar noch ein Stück
nebenher.
Was das für die Übergabe des Stabs
des Glaubens oder der Gemeindeleitung
heisst? Loslassen, ganz – unbedingt! Aber
Ruhestand, Feierabend, vorzeitiger Rückzug in die Wellnessoase, solange das Ziel
nicht erreicht ist, gibt es nicht, für niemanden. Es braucht alle bis zuletzt. Darum, seid da für einander! Unterstützt die
Rennenden, wo es nur geht und so gut
ihr könnt! Bleibt alle miteinander dran!
Gottes Staffellauf
Bis jetzt haben wir vor allem von den
Staffelläufern und Stabübergaben gesprochen. – Verständlich in diesen Monaten, in denen wir gerade mehrere Stabübergaben erleben. Die wollen gut vorbereitet und trainiert sein. Da ist Konzentration nötig, die Fokussierung der Gedanken, die richtige mentale Einstellung –
wie auf der Rennbahn auch.
Aber Paulus erinnert uns: Ich habe den
Anfang gemacht, dann hat Apollos den
Stab übernommen, Gott aber hat Gelingen geschenkt. Auf wen kommt es denn
nun an? Doch nicht auf die Staffelläufer,
sondern auf den, der Gelingen schenkt,
auf Gott... Es ist also Gottes Staffellauf,
den wir gemeinsam laufen.
Wie gut, dass Paulus unser Engagement in die richtigen Relationen rückt:
Letztlich kommt es doch gar nicht auf die
Staffelläufer an, sondern auf Gott. Denn
er schenkt Gelingen. Es ist sein Staffellauf! Natürlich, wir sind nicht überflüssig.
Wir rennen. Wir sind Gottes Mannschaft.
Gott will es mit uns machen. In dem Sinn
geht es nicht ohne uns. Aber ohne Gott
eben noch viel weniger. Ohne ihn geht es
gar nicht. Denn er schenkt Gelingen. Allein dank ihm erreichen wir das Ziel. Was,
wenn uns der ‚Schnauf‘ ausgeht? Was,
wenn wir atemlos auf der Strecke liegen
bleiben? Ausgepowert, k.o.
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Das würde ohne Gott passieren, ganz
schnell sogar: k.o. in der ersten Runde.
Aber Gott gibt uns ‚Schnauf‘. Sein Geist
ist Atem. „Da nahm Gott, der Herr, Staub
von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in
die Nase.“ Das tut er in jedem Augenblick. Wir leben von seinem Atem, durch
Gottes Geist leben wir. Ohne ihn ginge
uns der Schnauf schnell aus. Da könnten
wir lange trainieren. Auf diesen Geist mit
seinem langen ‚Schnauf‘ und seiner Kraft
sind wir in unserem Staffellauf des Glaubens und der Gemeindearbeit total angewiesen.
Wir sollen rennen. Wir sollen alles tun,
dass die Stabübergaben klappen. Wir
sollen das Ziel nicht aus den Augen ver-
lieren. Wir sollen unser Bestes geben.
Natürlich. Aber den Schnauf dazu, den
langen Atem, kann uns nur Gott geben.
Von ihm allein erbitten und erwarten wir
ihn.
Ich habe den Anfang gemacht,
schreibt Paulus, dann hat Apollos den
Stab übernommen, Gott aber hat Gelingen geschenkt. Auf wen kommt es denn
nun an? Doch nicht auf die Staffelläufer,
sondern auf den, der Gelingen schenkt,
auf Gott... Es ist also Gottes Staffellauf,
den wir gemeinsam laufen.
Das motiviert mich: Es ist Gottes Staffellauf, den wir gemeinsam laufen. Wie
gut, dass er uns den langen Schnauf dazu
gibt! Amen.
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