B I LD E R D E S G LAUB E N S I N D E R ZE I T M A RT I N L U T H E RS Museum Otto Schäfer und Stadtarchiv Schweinfurt BILDER DES GLAUBENS IN DER ZEIT M A RT I N L U T H E R S Illustration und Einzelblattgraphik 1465-1565 Bearbeitet von Georg Drescher Veröffentlichungen des Stadtarchivs Schweinfurt 28 Herausgegeben von Uwe Müller Museum Otto Schäfer: Ausstellungskatalog / N.F. 7 Herausgegeben im Auftrag der Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e. V. von Georg Drescher Der Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung des Museums Otto Schäfer und des Stadtarchivs Schweinfurt BILDER DES GLAUBENS IN DER ZEIT MARTIN LUTHERS Illustrationen und Einzelblattgraphik 1465-1565 im Museum Otto Schäfer, Schweinfurt vom 27. September bis 29. November 2015 Die Ausstellung findet anläßlich der Lutherdekade 2008-2017 zum Motto des Jahres 2015 „Bild und Bibel“ statt. Sie zählt zur Ausstellungsreihe der 7 Schweinfurter Museen „Im Zeichen der Luther- Einleitung dekade: 16 – 19 – 21“, die in Zusammenarbeit mit 17 dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat Schweinfurt Katalog veranstaltet wird. 147 Künstler und Autoren in Auswahl 153 Abkürzungs- und Literaturverzeichnis Text: Georg Drescher Kataloggestaltung: Georg Drescher; Karl-Heinz Weppert Druck: Bonitas print, Würzburg ISBN: 978-3-926896-33-9 © 2015 Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. und Stadtarchiv Schweinfurt Umschlag: Titelblatt der Niederdeutschen Lutherbibel, Lübeck 1533/34 (Exp. 68) Frontispiz: Albrecht Dürer: Die Hure Babylon. Holzschnitt um 1496/98 (Exp. 24, Ausschnitt) Stadtarchiv und Stadtbibliothek EINLEITUNG „Bild und Bibel“ lautet das Motto für 2015 der Lutherdekade 2008-2017 der Evangelischen Kirche in Deutschland. Denn in diesem Jahr jährt sich der Geburtstag von Lucas Cranach d. J. (1515-1586) zum fünfhundertsten Mal. Vater wie Sohn Cranach gelten als künstlerische und mediale Propagandisten der Reformation. Das Museum Otto Schäfer und das Stadtarchiv Schweinfurt präsentieren unter dem Titel „Bilder des Glaubens in der Zeit Martin Luthers“ ein Jahrhundert religiöser Kunst von 1465 bis 1565. Die Schau zählt zur Ausstellungsreihe „Im Zeichen der Lutherdekade 16 – 19 – 21“,1 die die Schweinfurter Museen in Zusammenarbeit mit dem EvangelischLutherischen Dekanat Schweinfurt veranstalten. Die Ausstellung beschränkt sich dabei auf Buchillustration und Einzelblattgraphik und zeigt 76 Exponate, die weitgehend aus den lokalen Beständen des Museums Otto Schäfer, des Stadtarchivs Schweinfurt und der Sakristeibibliothek St. Johannis, Schweinfurt stammen. Neben Arbeiten der Cranachs und ihrer Werkstatt sind mit Albrecht Dürer, Hans Holbein d. J., dem Hauptmeister der Lübecker Bibel, Michael Wolgemut, Wilhelm Pleydenwurff, Hans Baldung Grien, dem Petrarcameister, Hans Schäufelein, Hans Springinklee, Wolf Traut, Hans Sebald Beham, Leonhard Beck, Jörg Breu d. Ä., Urs Graf, Heinrich Vogtherr d. Ä., Erhard Altdorfer, Georg Lemberger und Jost Amman ein Großteil der Künstler des ausgehenden 15. und der ersten beiden Drittel des 16. Jahrhunderts vertreten. 7 Während Dürer 1512 der festen Überzeugung war, die Kunst des Malens werde gebraucht im Dienst der Kirche, um das Leiden Christi anzuzeigen3, verwahrte sich Luther in seinem Sermon von der Betrachtung des Heiligen Leidens Christi sieben Jahre später gegen eine Frömmigkeit, die sich mit Hilfe von „bildelein und büchlein“4 in die Passion versenke. Dabei ging es weniger um die Bilder selbst – sie waren für Luther weder gut noch böse –, sondern um die Anbetung und Verehrung von Bildwerken oder ihrer Stiftung als gutem Werk oder um des Ablasses willen. Albrecht Dürer: Der Heilige Hieronymus im Gehäuse Hans Baldung Grien: Martin Luther als Augustinermönch in Monogrammierter und datierter Kupferstich, 1514 der Nische, Holzschnitt, 1520 Die Ausstellung beginnt mit dem Meisterstich Albrecht Dürers aus dem Jahr 1514 „Der Heilige Hieronymus im Gehäuse“. Der lateinische Kirchenvater genoss am Ausgang des Mittelalters größte Verehrung. In Nürnberg erreichte sie gerade im Jahr des Meisterstichs einen Höhepunkt, als der Ratsschreiber Lazarus Spengler höchstpersönlich die Vita des Heiligen ins Deutsche übertrug. Sein Freund Dürer steuerte hierfür den Holzschnitt „Der Heilige Hieronymus in der Felsengrotte“ bei. Breiten Volksschichten war der Kirchenvater als frommer, sich geißelnder Büßer in der Wüste herausragendes Vorbild für die Nachfolge Christi, als Gelehrter und Übersetzer der Bibel galt er humanistischen Kreisen als Ideal. Sein strahlender Nimbus und der anderer ‚Modeheiliger‘ verblasste aber zunehmend durch die große Popularität eines Wittenberger Mönches. Lucas Cranachs Kupferstich „Martin Luther als Augustinermönch in der Nische“ (1520) – vom sächsischen Hof zu Propagandazwecken eingesetzt – wurde zu einem überwältigenden medialen Erfolg, den die kurfürstliche Kanzlei nicht mehr zu steuern vermochte. In zahlreichen, häufig sakral aufgeladenen Nachschnitten kursierte das Porträt des Reformators im ganzen Reich. Und der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander meldete dem Heiligen Stuhl vom Wormser Reichstag 1521: „So hat man ihn (= Luther) denn auch neuerdings mit dem Sinnbild des Heiligen Geistes über dem Haupte und mit dem Kreuz oder auf einem anderen Blatt mit der Strahlenkrone dargestellt: und das kaufen sie, küssen es und tragen es selbst in die kaiserliche Pfalz“.2 8 In der Auseinandersetzung um das Sakrament des Abendmahls mit seinem aus Sachsen ausgewiesenen Doktor vater Andreas Karlstadt, der 1522 den Bildersturm in Wittenberg ausgelöst hatte, verurteilte Luther dann den Bildersturm entschieden und sprach sich für den didaktischen Einsatz von Bildern aus: „Nu° begeren wyr doch nicht mehr, denn das man uns ein crucifix odder heyligen Bilde lasse zum ansehen, zum zeugnis, zum gedechtnis, zum zeychen [...]“.5 Das Vorgehen der Bilderstürmer erkläre sich allein aus der Furcht vor der Macht der Bilder: „Das bilde stürmen habe ich also an gryffen, das ich sie [= die Bilder, d. A.] zu erst durchs wort Gottes aus den hertzen rysse und unwerd und veracht machte, wie es denn auch also schön geschehen ist, ehe denn D. Carlstadt vom bildestürmen trewmete. Denn wo sie aus dem hertzen sind, thun sie fur den augen keynen schaden. Aber D. Carlstadt, dem nichts gelegen ist an den hertzen, hat das umkeret und sie aus den augen gerissen und ym hertzen stehen lassen. [...] Denn wo die hertzen unterrichtet sind, das man alleyn durch den glauben Gott gefalle und durch bilde yhm keyn gefallen geschicht, sondern eyn verlorner dienst und kost ist, fallen die leute selbs williglich davon, verachten sie und lassen keyne machen“.6 Und er verwies auf seine Bibel, die auch von den Bilderstürmern eifrig gelesen werde, obwohl sie doch so viele Illustrationen enthalte. Was aber in den Büchern nicht schade, könne man für ein besseres Verständnis der Heiligen Schrift auch an die Wände malen: „So bitten wyr sie nu° gar freuntlich, wollten uns doch auch gonnen zu thun, das sie selber thun, Das wyr auch solche bilder mügen an die wende malen umb gedechtnis und besser verstands willen, Syntemal sie an den wenden ia so wenig schaden als ynn den büchern, Es ist yhe besser, man male an die wand, wie Gott die wellt schuff, wie Noe die arca bawet und was mehr guter historien sind, denn das man sonst yrgent welltlich unverschampt ding malet, Ja wollt Gott, ich kund die herrn und die reychen da hyn bereden, das sie die gantze Bibel ynnwendig und auswendig an den heusern fur ydermans augen malen liessen, das were eyn Christlich werck“.7 Luther denkt dabei vor allem an die Einfältigen und Kinder, die durch Bilder die göttliche Lehre besser begreifen könnten als durch das Wort. Er greift damit eine didaktische Idee Papst Gregors auf, nämlich die der Armenbibel. Er widerspricht damit Karlstadt, der von der Nutzlosig- und Schädlichkeit der Bilder fest überzeugt war: „Aber Gregorius spricht. Die Leyhen sollen bilder gebrauchen/ fur bucher. Sage mhyr lieber Gregori/ oder laß mirs ymand sagen. Was kunden doch leyhen auß bildern guts lernen? Du must ye spreche[n]/ das man eytel fleyschlich leben vn[d] leyden darauß lernet/ vn[d] das sie nit weider furen dan 9 yns fleisch/ ferner mogen sie nit brengen. Exemplum/ Auß dem bild des gecreuzigten Christi lernestu nicht/ dan das fleischlich leyden Christi. Wie Christus sein heubt geneigt/ vnd der gleiche[n]. Nhu sagt Christus/ das sein eygen fleisch nit nutz sey/ sondern dz der geist/ nutz sey vn[d] lebe[n]dig thun machen. Szo spricht auch Petrus. Das Christus/ worte hat gehabt/ des ewigen lebens vnd gaistes. Dieweil nun dye bilder stum/ vnd taub seind/ konden weder sehen noch horen. weder lerne[n] oder leren. vn[d] deuten/ auff nichs anders dan vff lauter vnd blos fleisch/ das nicht nutz ist“.8 Bilderjahr der Reformation – erhält Luthers Betbüchlein ein illustriertes Passional, seine Evangelienpostillen erscheinen erstmals mit zahlreichen Holzschnitten und Großer und Kleiner Katechismus werden mit Bildern ausgestattet. Aber auch die zwinglianische Zürcher Bibel von 1531 (Exp. 10) enthält eine Holzschnittfolge, die gemessen an der Zahl der Bilder alle bisherigen deutschsprachigen Bibeldrucke übertrifft. Im Buch ist also wenig von protestantischer „Bilderfeindlichkeit“ zu finden, aber auch wenn alte Bildmotive wieder aufgegriffen werden, stehen sie doch in neuem Kontext und neuer Funktionalität. Luthers Sicht auf die Bilder – bei zunehmend positiverer Bewertung derselben – wechselt so nach Adressat, an den er sich wendet: Ein radikaler Ikonoklast gegenüber altgläubiger Bildpraxis und -verehrung, ein vehementer Verteidiger der Kunstwerke gegenüber den Bilderstürmern und ihrer Bekämpfung der Idolatrie. Geprägt ist die „via media“9 Luthers aber auch von Zweifeln in der Bilderfrage. Denn „alles, was Luther zum Bild sagt,“ ist „gekennzeichnet von Unsicherheit und Zaudern, von Zurücknahme des früher Gesagten und fehlendem Zusammenhang“.10 Eine Bedingung ist für Luther aber unumstößlich: Das Bild hat sich dem Wort unterzuordnen. So beraubt er es weitgehend seiner Ausdruckskraft. Ein Beispiel dafür sind die Holzschnittfolgen zur Apokalypse von Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. Den Illustrationen von Cranach und seiner Werkstatt bescheinigt man im Vergleich „nüchterne Lehrhaftigkeit“.11 In der Bibel gibt es dabei prinzipiell die wenigsten Veränderungen. Für die zahlreichen vorreformatorischen deutschsprachigen Bibeldrucke wie für die Lutherbibeln gilt: Evangelien und Episteln werden im besten Fall nur mit einem Bild des jeweiligen Autors ausgestattet, die Apostelgeschichte mit Maria im Kreis der Jünger. Im Neuen Testament bedarf allein die Apokalypse einer umfangreichen Illustrierung, weil ihr schwer verständlicher Inhalt so besser begriffen werden kann. Für Luther schon deshalb kein Problem, weil er die Offenbarung des Johannes nicht für ein authentisches Buch der Heiligen Schrift hielt. Gottesdarstellungen finden sich – neben der Apokalypse – nur im Alten Testament. Der Schöpfer der Welt und Überbringer der Gesetzestafeln blickt zudem aus dem Himmel auf viele alttestamentarische Szenen herab. Gegen dieses unausgesprochene Verbot verstößt nur Jodokus Pflanzmann in seinem Augsburger Bibeldruck um 1475. Er wagt im Matthäusevangelium die Kreuzigung darzustellen. Einen Platz für das Bild Christi In der gebundenen Graphik werden Luthers Vorschläge bald aufgenommen. 1529 – im 10 Kreuzigung, Holzschnitt aus der Pflanzmann-Bibel, Augsburg um 1475/76 gibt es ansonsten nur auf dem Titelblatt, meist in Form eines antithetischen oder typologischen Titelblattes, das Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments gegenüberstellt (Exp. 17, 68). Als Jost Amman für das Frankfurter Verlegerkonsortium Georg Rab, Sigmund Feyerabend und die Erben von Weigand Han eine neue umfangreichere Bildfolge für die Lutherbibel schafft, der auch behutsam neue Illustrationen für die Evangelien vorsieht, stößt das in Wittenberg auf Kritik: „Der ehrwirdige Herr Doctor Martinus Luther hat die Figuren in der wittenbergischen Biblia zum Teil selber angegeben [...] und wollt nicht leiden, daß man uberlei und unnütz Ding, daß zum Text nicht dienet, sollt dazu schmieren, wie jetzt die Nachdrücker in ihren Biblien getan haben. Die Figuren in 11 ihren Biblien sind klein und was den Text belanget, fast unkenntlich. Um die Figuren herum haben sie viel Narrenwerk, Puppenwerk und Teufelswerk lassen malen. Denn sie haben etliche Leisten um die Figuren lassen machen, weil die Figuren so klein sind, darauf stehet so närrische Fantasey von teuflischen Angesichten, Uhu und andern, unflätigen, gräßlichen Angesichten und Monstris. Und haben solche Leisten um die Figuren geschlossen und gesatzt, welche viel besser im Marcolfo [=Salomon und Markolf, ein drastisches Volksbuch der Zeit], denn in der Biblia neben Gottes Wort stehen sollten“.12 Die Apokalypse bedarf besonderer Erwähnung. Sie wird zum Ort der konfessionellen Polemik. Lucas Cranach d. Ä. erweitert für das Septembertestament 1522 die berühmte Holzschnittfolge Dürers aus dem Jahr 1498 auf 21 Bilder. Die Hure Babylon und das Untier aus dem Untergrund tragen die päpstliche Tiara, und Babylon erscheint in Gestalt der Heiligen Stadt. Der Papst wird in diesen Bildern zum Antichristen stilisiert. Zahlreiche Nachdrucke übernehmen diese Bilder, in den Wittenberger Ausgaben müssen auf Einspruch des sächsischen Herzogs Georg des Bärtigen zumindest die Papstkronen entfernt werden. Die zensierten Holzschnitte, die aber immer noch Rom als Babel zeigen, dienen auch Emsers katholischer Ausgabe des Neuen Testaments von 1527 zum Schmuck (Exp. 27). Wenn Luther im Alten Testament die Zahl der Bilder gegenüber etlichen vorreformatorischen Drucken reduziert, nimmt er dennoch neue Illustrationen auf, die bislang nur in gelehrten lateinischen Editionen zu fin12 Hatte Hans Baldung Grien noch 1516 – wie meist üblich – die Gebote durch ihre Übertretung in einem zeitgenössischen Umfeld ins Bild gesetzt, bemüht Cranach allein biblische Geschichten für die Darstellung des göttlichen Gesetzes. Für das zehnte Gebot wird etwa ein positives Beispiel gewählt, nämlich die Flucht Josephs vor dem Weib Potiphars. Das vierte Gebot erhält ein ambivalentes Bild: die Trunkenheit Noahs. Während Ham den gebührenden Respekt vor seinem trunkenen und entblößten Vater vermissen lässt, bedecken Sem und Jafet seine Scham, ohne ihn dabei anzusehen (Exp. 61, 63-64). Die Dekalogbilder werden „Cranachs einziger Holzschnittzyklus zu einem speziellen Stück protestantischer Kirchenlehre“13 bleiben. Lucas Cranach d. Ä.: Die Hure Babylon Holzschnitt aus dem Septembertestament, 1522 den waren: Rekonstruktionen des Ornats des Hohenpriesters, der Stiftshütte, des salomonischen Tempels und des Tempelgerätes. Denn auch Theologen sollen statt der Vulgata seine deutsche Bibel verwenden. Zahlreiche Bilder zur Kindheit, zum Leben und Leiden Christi finden sich außerhalb der Bibel. Dort verpönt, illustrieren sie um so häufiger Evangelienharmonien, Marienleben, Passionare, Plenarien, Postillen, Evangelienauslegungen und Gebetbücher. Vielfach greift reformatorisches Schrifttum tradierte Bildmotive nach einer kurzen Phase der Bilderlosigkeit wieder auf. Für Luthers Katechismus aber wird Lucas Cranach d. Ä. den Dekalog in neue Bilder umsetzen. In der zahllosen Passionsliteratur um 1500 spiegelt sich die Frömmigkeit und die Orientierung auf Christus in dieser krisengeschüttelten Umbruchszeit, die sich „nach festen Gnaden- und Heilsgarantien“14 sehnt. „Frömmigkeit wird als tiefpersönliche Erfahrung von Religiosität verstanden, die eine eigene enge Beziehung und Bindung zwischen dem Gläubigen und Gott herstellt. Sich in die Situationen des christlichen Heilsgeschehens hineinzuversetzen, sie nachzuempfinden, wird eine wichtige Voraussetzung der Andachtspraxis [...]“.15 Bilder erleichtern dabei die Meditation über die Leiden Christi. Die zeitgenössischen Drucke der Passionare sind vielfältig. Die Texte können noch aus dem 14. Jahrhundert stammen, der Frömmigkeitsbewegung der Devotio moderna nahestehen oder neulateinischer, humanistischer Bibelepik angehören. Ein künstlerischer Höhepunkt sind sicher Die Große und Kleine Passion Albrecht Dü- rers, aber auch der überbordende Schrein oder Schatzbehalter der waren Reichtümer des Hails vnd der ewigen Seligkeit des Nürnberger Predigers Stephan Fridolin aus dem Jahr 1491. Der Christus der Passion ist für ihn „der punct, das centrum, das mytelst stetlein unßer hoffnung“16. Dem hätte Luther sofort zustimmen können: „Christus finis omnium et centrum“17; aber auch Erasmus von Rotterdam zeigt dasselbe Verständnis für Christus in seinem Enchirdion militis christiani. Er ermahnt den Leser, „daß du in Christus das einzige Ziel deines Lebens siehst und auf ihn allen deinen Eifer, alle Bemühungen, jede Muße und Beschäftigung richtest“.18 Die Reformation „mit ihrer christozentrischen, passionsorientierten, gnaden- und vertrauenszentrierten Theologie“19 wird diesen Strang der Frömmigkeit aufnehmen. Es bleibt aber im Gegensatz zum Spätmittelalter wenig Platz für die Muttergottes, die zweite „Zentralgestalt der göttlichen Barmherzigkeit“20 jener Zeit, und für die Heiligen. Das Titelblatt der Reformationszeit beschließt die Ausstellung. Es wird zum Träger christlicher Botschaft. Noch bevor Lucas Cranach d. Ä. in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre von der rein ornamentalen Renaissancebordüre zu einer szenisch gestalteten Titelrahmung übergeht21, hat Hans Holbein d. J. in Basel bereits programmatische Entwürfe für das Titelblatt gestaltet (Exp. 70). Zu den komplexesten Lösungen zählt das Motiv von „Gesetz und Gnade“, das auch als Gemälde weite Verbreitung fand. Es stellt antithetisch bzw. typologisch Szenen des Alten Testaments unter dem Motto Ge13 setz und des Neuen Testaments unter dem Motto Gnade gegenüber (Exp. 68). Es ist immer wieder als rein protestantisches Lehrbild aufgefasst worden, war aber durchaus überkonfessionell beliebt. Lucas Cranach d. J. setzt den Schlusspunkt der Ausstellung mit einer Titelrahmung aus dem Jahr 1545 für Luthers lateinische Werkausgabe (Exp. 76). Sie zeigt den Reformator und den sächsischen Kurfürsten kniend und betend unter dem Kreuz: Für Altgläubige ein Beleg, dass Luther nun Bildwerke anbete. Für den Reformator selbst wird das nebensächlich gewesen sein. Denn ihm selbst ging es in erster Linie um eine missbräuchliche Bildpraxis, gegen die er sich durch seinen Glauben gut gewappnet sah. 1 2 der Oktav-Ausgaben des Neuen Testaments in hunderte, deren Kunst die jeweilige Ausstellung Mittel-, Nord- und Westdeutschland). Straßburg behandelt. 1924. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 226), S. 4 Hofmann, S. 153 3 Dürer I, S. 15 4 WA II (1884), S. 136 5 12 Drescher, Georg: Die Bibelillustration im gedruckten Buch. In: Wort, S. 13-18, S. 16 Luther, Martin: Wider die himmlischen Prophe- 13 Cranach I, S. 368; s. S. 366-369 und Nr. 255 ten, von den Bildern und Sakrament. 1525. In: 14 Hamm, S. 6 WA XVIII (1908), S. 37-214, S. 80 15 Lipowski, Katrin und Claudia Wiener: pia carmina 6 Ebd., S. 67 cum figuris. Dürers Zusammenarbeit mit dem 7 Ebd., S. 82 Dichter Benedictus Chelidonius. In: Marienleben, 8 Karlstadt, Andreas: Von Abthuhung der Bylder, 9 Lucas Cranach der Jüngere: Titelholzschnitt mit Luther und dem Kurfürsten betend unter dem Kreuz für eine Ausgabe des Neuen Testaments 1546, die deutsche Werkausgabe Luthers und andere Schriften; hier aus dem Dritten Teil der deutschen Werkausgabe 10 11 14 Die Zahlen 16, 19 und 21 verweisen auf die Jahr- S. 39-57, S. 48 vnd das keyn Betdler vnther den Christen seyn 16 Hamm, S. 12 sollen. Wittenberg 1522, Bl. B1r-B1v 17 Ebd. Cottin, Jérôme: Das Wort Gottes im Bild. Eine 18 Erasmus, Desiderius: Enchirdion militis christiani. Herausforderung für die protestantische Theolo- In: Ders.: Ausgewählte Schriften. Herausgegeben gie, Göttingen 2001, S. 251 von Werner Welzig. 8 Bde., Darmstadt 1968, Bd. 1., S. 55-375, S. 169 Ebd., s. S. 251-273 Zimmermann, Hildegard: Beiträge zur Bibelillus- 19 Hamm, S. 37 tration des 16. Jahrhunderts. (Illustrationen und 20 Ebd., S. 12 Illustratoren des ersten Luther-Testamentes und 21 Cranach I, S. 352-358 15 Übersicht über den Katalog Exp. 1-2 KATALOG Auftakt: Hieronymus und Luther Exp. 3-5 Memnotechnische Bildsysteme Exp. 6-7 Evangelienharmonien Exp. 8-28 Bibel Exp. 8-10 Schöpfung Exp. 11-15 Altes Testament Exp. 16-19 Neues Testament Exp. 20 Tendenzen des Titelblattes Exp. 21-28 Apokalypse Exp. 29-32 Marienverehrung Exp. 33-38 Heiligenlegenden Exp. 39-53 Passionsliteratur Exp. 54-57 Plenar, Postille und Exp. 58-60 Gebetbuch Exp. 61-64 Dekalog und Katechismus Exp. 65-67 Apostel Exp. 68-76 Das Titelblatt der Reformationszeit Evangelienauslegung 16 17 1 ALBRECHT DÜRER Der Heilige Hieronymus im Gehäuse Monogrammierter und datierter Kupferstich, 1514 MOS, D-59 Allein in seinem druckgraphischen Werk hat Im selben Jahr publizierte der Freund Dürers und Albrecht Dürer den Kirchenvater Hieronymus Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler seine sechs Mal ins Bild gesetzt. Das berühmteste Blatt ist Übersetzung der Vita des Kirchenvaters, für die der sicherlich sein Meisterstich „Der Heilige Hieronymus Künstler bereits zwei Jahre zuvor den Holzschnitt im Gehäuse“ aus dem Jahr 1514. Hier wird allein „Der Heilige Hieronymus in der Felsengrotte“ der gelehrte Bibelübersetzer und Theologe darge- geschaffen hatte (s. Exp. 35). Hierfür verband man stellt, dessen Übersetzung der Heiligen Schrift aus das Motiv des Gelehrten mit dem des Büßers und den Ursprachen ins Lateinische als Vulgata lange Eremiten. In Nürnberg galt der Kreis um den Zeit als einzig maßgebliche Fassung galt. Der be- Augustiner Johannes von Staupitz als „Kern eines reits von Dürer verwendete Begriff Gehäus, mit humanistischen Hieronymus-Kultes [...] im zweiten dem der Künstler den Kupferstich wohl nur von sei- Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts“ (SMS I, S. 176). nen Darstellungen des Hieronymus als Büßer und Auch Dürer gehörte zu diesem Kreis. Matthias Eremit in der ‚Wüste‘ abgrenzen wollte, evoziert Mende hat angeregt, in dem Meisterstich im über- Gemütlichkeit, die sich aber immer wieder als frag- tragenen Sinne ein Portrait des Erasmus von Rotter- würdig erweist. Rückwand und Decke sind nach- dam als ‚neuen‘ Hieronymus zu sehen. träglich aus Holz eingezogen: Sollen sie die Studierstube des Kirchenvaters von einem größeren, zugi- Lit.: Sander, S. 260; SMS I, Nr. 70, S. 174-178; Dürer III, gen Raum abtrennen, oder hat man marode Nr. 8; Dürer I, Nr. 48 Bausubstanz provisorisch saniert? Der in seine Arbeit versunkene Greis ist von Todes- und Vanitassymbolen umstellt: der Totenkopf auf der Fensterbank, das Tischkreuz, die Sanduhr an der Wand und der an der Decke aufgehängte, getrocknete Flaschenkürbis. Ist er sich dieser Bedrohung bewusst? Er scheint sich zumindest dadurch nicht von seiner Arbeit abhalten zu lassen. Im Vordergrund döst der Löwe, dem Hieronymus einst einen Dorn aus der Pfote gezogen hat und der zu den klassischen Attributen des Kirchenvaters gehört. Der neben ihm schlafende Hund entspringt einer anderen ikonographischen Tradition, dem aus Italien stammenden Motiv des Gelehrten im Studiolo. Der kostbare Kupferstich Dürers belegt die große Verehrung, die der gelehrte Heilige gerade bei Humanisten genoss. 18 19 2 MARTIN LUTHER De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium Straßburg: Johann Schott, 1520. 4° Aufgeschlagen: Martin Luther, Holzschnitt von Hans Baldung Grien MOS, OS 1206 In seiner zweiten Programmschrift Von der babyloni- seret iratos impia terra Deos“. (Gottheiten haben schen Gefangenschaft der Kirche wandte sich Luther uns den himmlischen Luther hervorgebracht, lange der eigentlichen Theologie, vor allem der Sakramen- haben unsere Zeiten nichts Größeres gesehen. tenlehre zu. Daher wurde sie auch in Latein ver- Wenn ihn der grausame Irrtum der Päpste nieder- öffentlicht. Zudem sah er in seinem Werk für den drückt, wird das frevlerische Land keine zornigen „gemeinen Haufen“ eine „noch zu starke Speise“ Götter hervorbringen) (Übers. nach Ritter! Tod! (WA VI, S. 487). Kernpunkt war die Abendmahls- Teufel?, S. 171). In der vorliegenden Straßburger lehre, die ihm durch drei „Gefangenschaften der Ausgabe des Druckers Schott hat Hans Baldung Kirche“ verdunkelt erschien: Zum einen durch die Grien das Portrait nach dem bekannten Kupferstich Verweigerung des Laienkelchs, zum zweiten die Lucas Cranachs Martin Luther als Augustinermönch Transsubstantiationslehre, nach der die Substanz in der Nische (1520) entworfen. Dabei hält er in der von Wein und Brot in das Blut und den Leib Christi Rechten ein Buch – wohl die Bibel –, „der linke verwandelt wird, und zum dritten durch die Lehre Arm erhebt sich im Sprachgestus“ (Ritter! Tod! von der Messe als gutem Werk und Opfer. Luther Teufel?, S. 173). Im Jahr darauf wird Baldung den erkannte in der Schrift nur Abendmahl und Taufe, Holzschnitt variieren. Über dem Reformator eventuell noch die Buße als Sakramente an. schwebt nun der Heilige Geist, dessen Aureole auch das Haupt Luthers umfängt. Diese oder ähnliche De captivitate Babylonica ecclesiae erschien erstmals Holzschnitte wird Aleander im Sinne gehabt haben, am 6. Oktober 1520 in Wittenberg. Die Programm- als er vom Wormser Reichstag aus 1521 nach Rom schrift wurde noch im selben Jahr in Straßburg und meldete: „In Augsburg verkaufte man vor einiger Augsburg, in Wien und Basel, in Leiden und Ant- Zeit das Bild Luthers mit dem Heiligenscheine, hier werpen nachgedruckt. Der päpstliche Nuntius wurde es ohne denselben feilgeboten und zwar Hieronymus Aleander (1480-1542) brandmarkte unter so großem Zudrang, daß im Nu alle Exem- sie als gotteslästerlich. Die Straßburger Ausgaben plare verkauft waren, ehe ich mir noch eines ver- erweckten bei ihm weiteren Unmut, da in diesen schaffen konnte“ (Ritter! Tod! Teufel?, S. 171). „zuletzt zwei Hunde gedruckt, die sich mit einander beißen, welche die Pfaffen und Laien bedeuten“ Lit.: Ritter! Tod! Teufel?, S. 171-173, Nr. 3.14 a-c; Holm, Bo (zit. nach WA VI, S. 493). In den Nachdrucken Christian: De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium. In: wurde der Rückseite des Titelblattes häufig ein Luther-Lexikon, S. 153-154; Hofmann, S. 153-154, Nr. 27; Portrait Luthers mit einem lateinischen Vierzeiler Mende, Nr. 436; WA VI (1888), S. 484-496 eingedruckt: „Numina coelestem nobis pepere Lutherum, / Nostra diu maius saecla videre nihil. / Quem si Pontificum crudelis deprimit error, / Non 20 21 3 Biblia pauperum [Niederrhein?, ca. 1460; Druck um 1465-70]. 2° Fragment mit den Doppelblättern 17r-18s, 19t-20v Ausgestellt: Judas erhält seinen Lohn, Fußwaschung, Abendmahl (Abb.), Gefangennahme Christi MOS, OS 461 Die Biblia pauperum oder Armenbibel, vermittelt Das Fragment enthält vier von einst 40 Blättern mit die zentralen Inhalte der Bibel durch ein ausgeklü- den Motiven Judas erhält die 30 Silberlinge (r), geltes, typologisches Bildsystem. Auf vierzig Seiten Abendmahl (s), Fußwaschung (t) und Gefangen- wird in der Mitte eine Station des Lebens und Lei- nahme Christi (v). Das Bild der Gefangennahme dens Christi (Antitypus) vorgestellt, seitlich flankiert zeigt den Moment, als die Juden zu Boden fallen. von zwei Darstellungen aus dem Alten Testament (Typus), die auf die neutestamentliche Szene ver- Dem Bild des Abendmahls werden folgende alt- weisen. Eine ist dabei aus der Zeit vor der Gesetz- testamentarische Begebenheiten gegenübergestellt: gebung Mose, die andere aus der Zeit danach. zum einen Melchisedek, der dem siegreichen Abra- Dieses Bildsystem schafft somit Verknüpfungen zwi- ham Brot und Wein anbietet, zum anderen die schen Altem und Neuem Testament, zwischen Mannalese. Das Brot, das der Priester Melchisedek Heilsverheißung und Heilserfüllung. Am oberen Abraham präsentiert, hat bereits die Form einer und unteren Rand jeder Seite erscheinen je zwei alt- Hostie angenommen. Oben rechts erscheint König testamentarische Personen, häufig Propheten, als David mit Vers 25 des 78. (77.) Psalms: „Das Brot Halbfiguren hinter Fensterbrüstungen. Sie werden der Starken durfte essen der Mensch, Speise sandte mit Versen, die sich ebenfalls auf die zentrale Szene er ihnen in Fülle“, ihm gegenüber fordert Salomo beziehen, auf den seitlichen Spruchbändern zitiert. auf: „Kommt! Esset von meinem Brot und trinkt An den beiden Seiten oben werden die beiden Text- von dem Wein, den ich gemischt!“ (Spr IX,5). stellen für die alttestamentarischen Bilder ausführ- Unten links mahnt der Prophet Jesaja: „Warum lich angegeben. Die Szene aus dem Neuen Testa- wägt ihr Silber dar für das, was kein Brot ist, und ment hingegen wird als bekannt vorausgesetzt. gebt euer mühsam Erworbenes für das, was nicht sättigt. Höret doch auf mich, und ihr sollt das Beste Die Biblia pauperum ist Mitte oder Ende des 13. essen und eure Seele wird sich am Fett laben“ (Js Jahrhunderts entstanden und in zahlreichen Bilder- LV,2). Unten rechts wird aus dem apokryphen Buch handschriften und wohl ab 1430/40 auch in Form der Weisheit zitiert: „Statt dessen nährtest du dein von Blockbüchern verbreitet worden. Während die Volk mit Engelsspeise und reichtest ihnen unermüd- Manuskripte ihren Ausgang von Österreich und lich fertiges Brot vom Himmel“ (Weish XVI,20). Bayern genommen haben, ist die Urausgabe des Schrift und eine zumindest rudimentäre Beherr- Lit.: Riedel-Bierschwale: Biblia pauperum. In: Vom ABC bis schung des Lateinischen voraus. Sie könnte dem zur Apokalypse, Nr. 4, S. 46-53; Wendland, Henning: Biblia Blockbuches in den Niederlanden zu lokalisieren. Die Biblia pauperum – der Name entstand erst in „didaktischen Zweck der Veranschaulichung und pauperum. In: LgB2 I (1987), S. 363-364; Henry, Avril: Das ausgestellte Fragment gehört der vierten Block- späterer Zeit – ist weder eine Bibel für völlig Mittel- Memorierbarkeit typologischer Zusammenhänge“ Biblia pauperum. A facsimile edition. 1. publ., Aldershot 1987, buchausgabe an. Die Druckstöcke dürften um lose, noch für die Armen im Geiste, denn sie setzte oder auch „privater Andacht“ (Riedel-Bierschwale, bes. S. 78-87 1460, die Abzüge um 1465/70 entstanden sein. Lesefähigkeit, eine gewisse Kenntnis der Heiligen S. 47) gedient haben. 22 23 4 PETRUS VON ROSENHEIM Hexastichon Sebastiani Brant in memorabiles euangelistar[um] figuras. Bearbeitet von Sebastian Brant. [Pforzheim]: Thomas Anshelm, 1502. 4° Aufgeschlagen: Tafel 5 zum Matthäusevangelium MOS, OS 646 5 PETRUS VON ROSENHEIM Hexastichon Sebastiani Brant in memorabiles euangelistar[um] figuras. Bearbeitet von Sebastian Brant. [Pforzheim]: Thomas Anshelm 1504. 4° Aufgeschlagen: Tafel 1 zum Johannesevangelium MOS, OS 510 Sebastian Brant (1457/58-1521) hat das Hexasti- zum Evangelium des Johannes, fünf zu Matthäus, chon in memorabiles evangelistarum figuras aus zwei drei zu Markus und vier zu Lukas – bietet sie eine Quellen biblischer Mnemonik zusammengestellt, Übersicht über die Kapitel der vier kanonischen dem Roseum memoriale divinorum eloquiorum des Evangelien. Die Illustrationen zeigen als zentrales Petrus von Rosenheim (um 1380-1433) und dem Motiv das Evangelistensymbol, also für Matthäus Blockbuch Ars memorandi per figuras evangelista- den Mensch bzw. Engel, für Marcus den Löwen, für rum. Petrus von Rosenheim, der Organisator der Lukas den Stier und für Johannes den Adler. Dem Melker Klosterreform, hatte von 1418 bis 1423 als Symbol werden Gegenstände zugeordnet, die ein Prior und anschließend bis 1426 als Cursor biblicus Kapitel charakterisieren und mit der entsprechenden und Magister studentium in Melk gewirkt. In den Zahl versehen sind. Die Bilder werden von einem letzteren Ämtern war er für die Bibellesung zustän- Prosatext begleitet, der die bedeutendsten Inhalte dig, wie für die Unterrichtung der Novizen in gemäß den Bildern aufführt. Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Zu dieser Zeit erstellte er im Auftrag des Kardinals Giulio Brandi Diese Bilder werden für das Hexastichon in memora- di Castiglione das Roseum memoriale, das in jeweils biles evangelistarum figuras übernommen, aber der einem Distichon je ein Kapitel aller biblischen Bü- Prosatext wird stark gekürzt und darunter die Verse cher – mit Ausnahme des Psalters – charakterisierte. des Petrus von Rosenheim gesetzt. Daher kann der Bibelschüler sollten so einen schnellen Überblick Text auch Begebenheiten anführen, die im Bild über die Heilige Schrift erhalten und sich deren In- nicht symbolisiert werden. Auch für diese Schrift halt besser merken können. Um 1470 kam Brants gilt wie für die Biblia pauperum (Exp. Nr. 3): Der zweite Quelle, die Ars memorandi per figuras evan- Leser muss bereits mit der Bibel vertraut sein, um gelistarum, auf. Mit fünfzehn Holzschnitten – drei Text und Bild zu begreifen. 24 25 Der erste Holzschnitt thematisiert Kapitel 1-6 des das Brot des Lebens“ (Jo VI,35). Beide Zeichen Johannesevangeliums. Über dem Kopf des Adlers repräsentieren das sechste Kapitel. erscheint der Heilige Geist, seitlich das Haupt Christi bzw. Gottvaters als Zeichen der Trinität und Das fünfte Bild zum Matthäusevangelium symboli- der Fleischwerdung Gottes für das erste Kapitel. Vor siert mit den fünf Öllampen der klugen Jungfrauen dem Körper des Adlers erscheint für Kapitel 2 eine das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (25. Kapi- Laute (Hochzeit zu Kanaa) und drei Geldbeutel tel). Sie umgeben den Kopf des Engels gleich einem (Vertreibung der Händler aus dem Tempel). Kapitel Heiligenschein. Die Hostie vor der Brust des Evan- 3 symbolisiert eine Vagina, die die Frage des Niko- gelistensymbols steht für das Abendmahl und die demus aufgreift: „Wie kann ein Mensch geboren Einsetzung der Eucharistie (26. Kapitel). Aus den werden, wenn er ein Greis ist? Kann er etwa zum Knien des Engels scheinen gleichsam zwei Köpfe zu zweitenmal in den Schoß seiner Mutter eingehen erwachsen. Sie stehen für die Hohenpriester und die und geboren werden?“ (Jo III,4). Das vierte Kapitel Ältesten, die Christi Tod beschlossen haben (27. wird wiederum in zwei Zeichen am Ende des Adler- Kapitel). Das letzte und 28. Kapitel wird durch drei schwanzes angezeigt: mit einem Eimer für die Be- Salbgefäße und die Fahne des Auferstandenen ge- gegnung mit der Samariterin am Brunnen und einer kennzeichnet. Krone für die Heilung des Sohnes des königlichen 26 Beamten. Der Fisch über dem linken Flügel ver- Lit.: Bacher, Rahel: Ars memorandi per figuras evangelistarum. weist auf die Heilung am See Bethesda im fünften In: Vom ABC bis zur Apokalypse, Nr. 7, S. 68-73; Rosenfeld, Kapitel. Über dem rechten Flügel stehen zwei Fi- Hellmut: Petrus von Rosenheim. In: Verfasserlexikon VII sche und fünf Brote für die Speisung der Fünf- (1989), Sp. 518-521; Rosenfeld, Hellmut: Ars memorandi. In: tausend sowie eine Hostie für Christi Wort: „Ich bin LgB2 I (1987), S. 144-145; Schreiber IV, S. 134-145 27 6 JOHANNES GEILER VON KAYSERSBERG Passio Christi Straßburg: Johann Knobloch, [1506]. 2° Aufgeschlagen: Ecce homo, Holzschnitt von Urs Graf MOS, OS 1041 Evangelienharmonien bieten das Leben und Leiden fehlt, während die Schaustellung Christi mit „Ecce Christi in einem Erzählstrang gemäß den vier homo“ und „Pilatus wäscht sich die Hände“ über Evangelien. Johannes Geiler von Kaysersbergs zwei Holzschnitte verfügt. Die letzte Illustration Evangelienharmonie beschränkt sich auf die Passion. zeigt Christus mit den Leidenswerkzeugen, die Einbezogen werden auch alttestamentarische Stellen dem Schlussgedicht des Herausgebers Matthias und die Evangelienharmonie Montessaron des fran- Ringmann (1482-1511) an Geilers Freund Jakob zösischen Mystikers Johannes Gerson (1363-1429). Wimpfeling (1450-1528) gegenübergestellt ist. In Am Rand werden die entsprechenden Bibelstellen der Evangelienharmonie selbst können die seiten- und die Hauptbegebenheiten angeführt. Geilers großen Holzschnitte wegen der Kürze etlicher Kapi- Darstellung gliedert sich in 24 respektive 25 Kapi- tel nicht immer dem zugehörigen Text beigesellt tel, da der Abschnitt XIII doppelt gezählt ist. Die werden. Mehrmals entsteht dabei die Situation, dass Passio setzt beim Tempelweihfest ein, auf dem sich sich zwei Illustrationen ohne jeglichen Text gegen- Jesus als Sohn Gottes bezeichnet und die Juden überstehen. Den Holzschnitten von Urs Graf sind ihn zu steinigen trachten, und endet mit der Auf- nicht wie in Beringers Evangelienharmonie (Exp. erstehung. Nr. 7) die entsprechenden Bibelstellen eingeschnitten, häufig werden aber Orte bzw. Personen ange- Bei den Holzschnitten zu dieser ersten Ausgabe geben oder Schriftbänder eingefügt. Bei der Schau- handelt es sich um ein Frühwerk des Schweizer stellung Christi umgibt Pilatus ein Band mit der Künstlers Urs Graf (um 1485-1527/28). Die 25 Aufschrift: „Ecce homo“, während die Juden Stöcke umfassende Folge könnte schon seit 1503 „crucifig[e eum]“ schreien. Im Palast des Pilatus ist entstanden sein, als Graf während seiner Wander- als vorausgegangene Begebenheit das Verhör Christi schaft als Goldschmiedegeselle in Straßburg tätig zu sehen. war. Anregungen von Schongauer und Holzschnitten der Straßburger Offizin Grüninger sind ebenso Lit.: 50 Jahre, Nr. 17; Buchillustration, Nr. 62; Oldenbourg, deutlich wahrzunehmen, wie die Schwierigkeiten, Maria Consuelo: Die Holzschnitte des Vrs Graf zur Passion die der Künstler noch bei der Zeichnung der Perso- und die des Johann Wechtlin zum Leben Jesu. In: Geck, nen, der Anordnung der Gruppen und der perspek- Elisabeth (Hg.): Festschrift für Josef Benzing. Wiesbaden, tivischen Wiedergabe hat. Jedem Kapitel ist ein 1964, S. 291 – 310 Holzschnitt zugeordnet, aber bei den beiden letzten wird der Holzschnitt mit den drei Marien am Grab wiederholt. Eine Illustration zur Dornenkrönung 28 29 7 Das Neue Testament kurz und gründlich in eine Ordnung und Text geführt Evangelienharmonie des Jacob Beringer nach der Übersetzung Martin Luthers Straßburg: Johann Grüninger für Jacob Beringer, 24. Dez. 1527 [i.e. 1526?]. 2° Aufgeschlagen: 24. Figur, Jesus vor Hannas und Kaiphas und die Verleugnung des Petrus, Holzschnitt von Heinrich Vogtherr d. Ä. Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. Die Evangelienharmonie des Speyrer Domvikars Aufgeschlagen ist die 24. Figur mit den vier Statio- Jacob Beringer (ca. 1. H. 16. Jh.) stützt sich auf den nen Jesus vor Hannas (A) und Kaiphas (B), Verspot- Text von Luthers Neuem Testament. Die Evange- tung Jesu (C) und Verleugnung des Petrus (D). Im lien fasst er in 29 Abschnitten zusammen, denen Hintergrund ist noch die Wegführung Jesu aus jeweils eine Figur, d. h. eine Merktafel vorangeht. Gethsemane zu sehen, der Kelch steht verlassen Auf ihr sind die wichtigsten Szenen des Abschnitts auf dem Ölberg. Direkt darunter die Vorführung abgebildet. Sie werden mit durchlaufenden Buch- Christi vor Hannas in dessen Haus. Links davon der staben versehen, die auch den kurzen Versen über Palast des Kaiphas, dem Jesus ebenfalls vorgeführt der Tafel und dem nachfolgenden Evangelientext wird. Hier hat der Künstler versäumt, den Buch- beigegeben sind. Im Bild und im Text werden dazu staben B anzubringen. Im selben Gebäude die Ver- die passenden Kapitel angegeben, M für Matthäus, spottung Jesu durch die Schergen, die ihm die R für Markus, L für Lukas und I für Johannes. Nach Augen verbunden haben, damit er weissage, wer der eigentlichen Evangelienharmonie gibt Beringer von ihnen ihn gerade schlage. Unterhalb des Hauses den Text der Apostelgeschichte, der Episteln und ein ummauerter Garten, in dem Petrus dreimal der Apokalypse wieder und setzt Merktafeln in sel- Christus verleugnet, unten mittig ein kleines Ge- ber Art dazu. Da in Volkssprache gehalten, haben bäude, in dem der beschämte Apostel über seine Tat die insgesamt 64 Figuren und die biblischen Texte bitterlich weint. Bei Station A ist allein Johannes 18 tatsächlich ein lesefähiges Laienpublikum angespro- (und fälschlich auch 11), bei Station D sind die Ka- chen – im Gegensatz zu den früheren lateinischen pitel M 26, R 14, L 22 und I 18 angegeben, die mnemotechnischen Bildsystemen (s. Exp. Nr. 3-5). auch für die beiden vorherigen Ereignisse stehen. Die Bildtafeln hat Heinrich Vogtherr d. Ä. (1490- 30 1556) und seine Werkstatt ausgeführt. Beringer, der Lit.: Wort, Nr. 14; WLB E 167; Muller, Frank: Heinrich Vogt- auch den Druck seiner Evangelienharmonie selbst herr der Ältere (1490-1556). Aspekte seines Lebens und Wer- finanzierte, dürfte aber das Bildsystem zusammen- kes. Dillingen 1990 (Sonderdruck des Historischen Vereins gestellt haben. Dillingen), S. 19 31 8 Biblia, deutsch Augsburg: [Günther Zainer, ca. 1475-1476]. 2° Aufgeschlagen: Schöpfung, Bildinitiale I zum 1. Buch Mose, Holzschnitt AvS, 3728 Mit der Bibel Zainers von ca. 1475/76 beginnt die geschichtlichen Büchern ist eine Darstellung Gottes Bibelillustration im deutschsprachigen Buchdruck. kaum anzutreffen. Neben seiner Darstellung als Nach den beiden Straßburger Drucken von 1466 Schöpfer (Genesis) übergibt er nur zu Beginn des und 1470 „versuchte Zainer nun den Text gründ- Buches Deuteronomium Moses die Gesetzestafeln. lich nach der Vulgata zu bessern und sprachlich zu Häufig ist er auf den Illustrationen zu den propheti- modernisieren, an der von der kaiserlichen Kanzlei schen Büchern zu sehen, aber auch zu Beginn der gepflegten Schriftsprache auszurichten und (erst- Evangelien. In der Initiale zu Markus ist die Aufer- mals in einer deutschsprachigen Bibel) durch Bild- stehung, in der zu Lukas die Darstellung und Be- initialen am Textanfang der biblischen Bücher schneidung Christi zu sehen. Die rechte Hälfte der durchgehend zu illustrieren“ (Reinitzer, S. 66). In Initiale I zum Johannes-Evangelium wird von einer der Regel wird Zainers Bibeldruck Priorität vor dem Darstellung der Trinität eingenommen. Diese drei seines Augsburger Konkurrenten Jodokus Pflanz- Initialen charakterisieren damit Schwerpunkte des mann (s. Exp. 16) eingeräumt. Er ist nach Reinitzer entsprechenden Evangeliums. wegen seiner Textredaktion und seines Buchschmucks eine „eigene und geschlossene Leistung“ Die Initiale I zu Beginn der Genesis zeigt Gottvater (S. 69). als Schöpfer. Die Linke hat er auf die Erdscheibe gelegt, die Rechte segnend erhoben. Gezeigt wird Nach einem sorgfältigen Programm hat der Augs- die Weltschöpfung und in einem ummauerten Gar- burger Drucker siebzig Initialen anfertigen lassen, ten der Sündenfall. Eine befestigte Ortschaft ver- von denen er nur zwei ein zweites Mal einsetzt. Sie weist wohl bereits auf die Zeit nach dem Sündenfall. zeigen eine oder mehrere bedeutende Begebenheiten des jeweiligen biblischen Buches. Vor allem bei Lit.: Wort, Nr. 5; Ehe, Nr. 1; Doumit, S. 73-99; Reinitzer, den Propheten, Evangelisten und Verfassern der S. 66-69; Eichenberger/Wendland, S. 29-38; Landgraf/ Episteln wird die szenische Darstellung mit einem Wendland, S. 33, 62-64; WLB E 7; Schramm I (1920), Autorenbild kombiniert. Reine Autorenbilder sind S. 29-21, Nr. 609-681 selten. In den Initialen zum Pentateuch und den 32 33 9 Biblia, deutsch Bd. 1. Nürnberg: Anton Koberger, 17. Februar 1483. 2° Aufgeschlagen: Schöpfung, Holzschnitt zum 1. Buch Mose, um 1478 Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. In Köln wurden um 1478/1479 zwei niederdeut- Gottvater ist in den Bildern zum Pentateuch fast sche Bibeln mit 113 bzw. 123 Holzschnitten her- immer präsent. Dasselbe gilt auch für die Apoka- ausgegeben. Die Finanzierung dieser beiden auf- lypse. Die Holzschnitte zum Markus-, Lukas- und wendigen Ausgaben wurde durch ein Konsortium Johannes-Evangelium lehnen sich an die Initialen getragen, dem auch der Nürnberger Drucker Anton Zainers an und zeigen daher wiederum Auferste- Koberger angehört haben dürfte. Wohl deshalb hung, Weihnachtsgeschichte und Trinität. stand ihm der größte Teil der Kölner Holzschnitte 1483 für seine oberdeutsche Bibelausgabe zur Ver- Das Schöpfungsbild der Koberger-Bibel unter- fügung. Die Holzschnitte sind erstmals als durch- scheidet sich stark von der Bildlösung Zainers. Der gängig großformatige, zweispaltige Illustrationen quadratische Holzschnitt präsentiert die Welt in vier angelegt und stehen gleichberechtigt neben dem konzentrischen Kreisen. Der äußere steht für die Text. Die meisten Motive gehen – mittel- oder un- himmlische Sphäre mit Gott und den Engelscharen. mittelbar – auf eine handschriftliche Historienbibel Der Atem Gottes fließt auf die innere Scheibe, die zurück, die um 1460 in Köln entstanden ist. Die Erde, wo wir Gott nochmals erblicken, wie er gerade Vorbilder zu den zehn Holzschnitten für die Apoka- Eva aus der Rippe Adams erschafft. „Die doppelte lypse dürften in den Miniaturen niederländischer Darstellung Gottvaters zeigt diesen nicht nur als Handschriften zu suchen sein. Mit der weiten Ver- den Schöpfer und Herren aller seiner handgetat, breitung der Koberger-Bibel in einer Auflage von sondern macht deutlich, daß die Schöpfung aus 1.500 Exemplaren wurden die Kölner Holzschnitte dem Wort Gottes mit dem Odem seines Mundes zu den maßgeblichen vorreformatorischen Bibelillu- hervorgeht“ (Reinitzer, S. 69). Im zweiten Kreis strationen. Im Original wurden sie nochmals in der ist das Meer mit seinen Bewohnern eingezeichnet, Halberstädter Bibel von 1522 eingesetzt. Für die im dritten das Firmament mit Sonne, Mond und Ausgaben von Grüninger (Straßburg), Schönsperger Sternen. und Otmar (beide Augsburg) wurden sie kopiert. Auch die eigenständigen Illustrationen der Lübecker Lit.: Wort, Nr. 6; WLB E 22; Doumit, S. 121-1991; Reinitzer, Bibel (Exp. Nr. 11) nahmen Anregungen der Kölner S. 68-70; Landgraf/Wendland, S. 71-78; Eichberger/Wend- Holzschnitte auf. Die Rezeption der Bilder zur land, S. 65-86, 91-96; Wendland, S. 355; Schramm XVII Apokalypse reicht durch die berühmte Holzschnitt- (1934), S. 3, 8, Schramm VIII (1924), Nr. 357-473 folge Dürers, der die Kölner Illustrationen sicherlich bei seinem Paten Anton Koberger gesehen hat, weit darüber hinaus (s. Exp. 21). 34 35 10 Die ganze Bibel der ursprünglichen hebräischen und griechischen Wahrheit Zürich: Christoph Froschauer d. Ä., 1531. 2° Aufgeschlagen: Schöpfung, Holzschnitt zum 1. Buch Mose Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. Noch bevor Martin Luther eine vollständige Bibel- Die Zürcher Bibel wählt für den Schöpfungsholz- übersetzung vorlegen konnte, erschien in Zürich schnitt, der vielleicht von Hans Asper (1499-1571) 1531 eine Gesamtbibel reformierter Prägung. Man entworfen wurde, ein besonders großes Format. übernahm weitgehend Luthers Übersetzungen, so- Bereits die Sensenschmidt-Bibel (um 1477/78) weit sie schon vorlagen. Die fehlenden Schriften oder die Kölner Holzschnitte hatten sich für ein übertrugen Zürcher Theologen ins Deutsche, wobei Sonderformat entschieden. Die Zürcher Illustration Ulrich Zwingli (1484-1531) sich des Psalters an- beschränkt sich auf den letzten Schöpfungsakt Got- nahm. tes, auf die Erschaffung der Eva. Sie scheint aus der Seite des schlafenden Adams herauszuwachsen, wäh- Obwohl im zwinglianischen Zürich seit 1524 keine rend Gottvater ihr die Linke auflegt und sie mit der Bilder mehr in den Kirchen geduldet wurden, über- Rechten segnet. Das Bild zeigt nicht mehr die Erde trifft Froschauers Bibel mit knapp 200 Holzschnit- als Scheibe oder die Welt in konzentrischen Kreisen, ten und 216 Bildinitialen die Illustrationszyklen sondern einen Landschaftsausschnitt. Mit Land und aller früheren Drucke. Die 21 Holzschnitte zur Wasser, Himmel und Gestirnen, Pflanzen und Tie- Apokalypse gehen auf Hans Holbein d. J. zurück ren repräsentiert er aber die gesamte, noch friedlich und waren bereits 1523 in Basel verwendet worden. vereinte Schöpfung. Die Initiale A zu Textbeginn Sie setzten den Zyklus Cranachs für das September- der Genesis stellt hingegen schon den Sündenfall testament (s. Exp. 27) unzensiert in kleinformatige dar. Bilder um. 36 weitere Illustrationen stammen aus früheren Bibelausgaben Froschauers. Neu sind 118 Lit.: Wort, Nr. 16; 50 Jahre, Nr. 10; WLB E 252 Holzschnitte zum Alten Testament, die wohl von Veit Specklin (†1550) ausgeführt wurden. Mindestens 69 von ihnen liegen Zeichnungen Holbeins zugrunde. Denn deren Motive finden sich neu geschnitten in Holbeins Bilderbibel von 1538. Die Illustrationen gelten als schlicht, schrift- und situationsgerecht. Mit einfachen Mitteln und strenger Beschränkung werden dramatische Szenen vorgestellt. Holbeins Folge setzte neue Maßstäbe für die Bibelillustration (s. Exp. 13). 36 37 11 Biblia, niederdeutsch Lübeck: Steffen Arndes, 19. Nov. 1494. 2° Aufgeschlagen: Moses schlägt Wasser aus dem Felsen, Holzschnitt Die Schlacht mit den Amalekitern, Holzschnitt Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. Die Lübecker Bibel von 1494, die dritte nieder- Die restlichen Schnitte eines zweiten, noch einem deutsche Bibelausgabe, ist ein Meisterwerk der älteren Illustrationsstil verhafteten Künstlers sind Buchillustration. Ihre 152 Holzschnitte von 100 weit stärker dem Bilderzyklus der Kölner Bibelaus- Stöcken gelten als die bedeutendsten Bibelillustra- gaben verhaftet. Vier Holzschnitte hat der Drucker tionen der Inkunabelzeit. Die Bilder zu den fünf Steffen Arndes seinem Plenarium von 1485 ent- Büchern Mose und sechs weitere Schnitte werden nommen. dem Hauptmeister der Lübecker Bibel zugeschrieben, der mitunter mit dem lübischen Maler und Aufgeschlagen sind zwei Holzschnitte des Haupt- Bildhauer Bernt Notke (um 1440-1509) oder mit meisters: „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“ verschiedenen niederländischen Wanderkünstlern und „Die Schlacht mit den Amalekitern“. identifiziert worden ist. Seine eigenständigen Illustrationen zählen zu den kunstgeschichtlich bedeut- Die niederdeutschen Bibeln stehen der Frömmig- samsten jener Zeit. Die realistische und deutliche keitsbewegung der Devotio moderna sehr nahe. Charakteristik der Personen mit ihren bildbestim- Anders als die vorausgehenden Kölner Ausgaben, menden, ausdrucksvollen Gesichtern und die be- die in ihrer Einleitung eine deutsche Übersetzung achtliche perspektivische Beherrschung des Raums rechtfertigen, erhebt die Lübecker Bibel die selbst- heben diese Holzschnitte weit über das Niveau der bewusste Forderung, alle sollten die Bibel lesen. Die Buchillustration im 15. Jahrhundert, wenn man von Texterläuterungen wurden vorwiegend der Postille Dürers Apokalypse absieht. Die doppelte Rahmung des Nicolaus von Lyra (um 1270/75-1349) ent- der Bilder verstärkt ihren perspektivischen Eindruck. nommen und direkt in den Bibeltext einbezogen. Die feine Schraffur und Binnenzeichnung vervoll- Der Glossator zeigt dabei große Vertrautheit mit kommnete die Holzschnitte, so dass sie keiner der zeitgenössischen Erbauungsliteratur. Kolorierung mehr bedurften. Lit.: 50 Jahre, Nr. 7; Wort, Nr. 7; Buchillustration, Nr. 52; Doumit, S. 215-251; Landgraf/Wendland, S. 80-81; Eichenberger/Wendland, S. 199-134; Schramm XI (1928), S. 10-12, Nr. 948-1047 38 39 12 Der dritte Teil des Alten Testaments Wittenberg: [Christian Döring und Lucas Cranach d. Ä.], 1524. 2° Aufgeschlagen: Die Verspottung des Hiob, Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. 1523/24 gab Martin Luther die ersten drei Teile Der dritte Teil ist am sparsamsten illustriert. Das seiner Übersetzung des Alten Testamentes heraus. Titelblatt zeigt die Anschlagung Christi ans Kreuz. Der erste Teil enthielt den Pentateuch, der zweite Auch hier zeigt sich bereits, dass die Darstellung des die historischen Bücher (Josua bis Ester), der dritte Gottessohnes in der Bibel vor allem ein Thema des Teil die poetischen Bücher (Hiob, Psalter, die Titelblattes ist. Von hoher Balustrade aus betrachten Sprüche und den Prediger Salomonis, Hoheslied). Moses, David und zahlreiche Propheten das Ge- Die im Register bereits aufgeführten prophetischen schehen. Damit wird klargestellt, dass es sich nicht Bücher sind erst später in Einzeldrucken erschienen um das historische Ereignis selbst handelt, sondern (vgl. Exp. 20). die Titelrahmung auf die Weissagung des kommenden Messias im Alten Testament verweist. Während Mit der Illustrierung beauftragte er wie beim Neuen dieser Holzschnitt als Werkstattarbeit gilt, hat der Testament Lucas Cranach d. Ä. und seine Werkstatt. Meister selbst den einzigen Textholzschnitt entwor- Mit 38 Holzschnitten – die drei Titelblätter einge- fen. Die „Verspottung des Hiob“ zeigt den Aussät- rechnet – bleibt die Bebilderung sparsam. Im zwei- zigen, den seine Frau und Freunde verhöhnen. Im ten Buch Mose und im ersten Buch der Könige fal- Hintergrund ist der Tod seiner Kinder und der len zahlreiche Sachillustrationen zum Ornat des Raub seiner Herden zu sehen. Hohenpriesters, zum Tempel in Jerusalem und zu seiner Ausstattung auf. Die meisten Illustrationen Lit.: Wort, Nr. 10; Cranach I, S. 334-335, S. 343, Nr. 230; weist der zweite Teil mit Holzschnitten zur Ge- WLB E 99 schichte Samsons, Davids und Salomons auf, von denen einige – vor allem zu Samson – auf Luthers persönlichen Wunsch entstanden sind. 40 41 13 Die ganze Bibel, das ist alle Bücher alten und neuen Testaments, den ursprünglichen Sprachen nach Zürich: Christoph Froschauer d. Ä., 1539/1540. 2° Aufgeschlagen: Illustration zu Psalm 52 (53), Holzschnitt von Hans Holbein d. J. AvS, 3616 Die Zürcher Bibel (s. Exp. 10) wurde mehrmals in die ersten Verse des Psalms wieder. Im Holzschnitt kurzen Abständen aufgelegt. Die Ausgabe von Holbeins ist ein Tor zu sehen, den ein Windrad und 1539/1540 verwendet den originalen Bildschmuck ein Steckenpferd als kindisch ausweisen. Sein merk- von 1531 wieder, darunter die 118 Holzschnitte würdiger Kopfputz mag im ersten Augenblick als zum Alten Testament. Mindestens 69 von ihnen lie- indianisch erscheinen. Dieses Motiv findet sich aber gen Zeichnungen Holbeins zugrunde. Denn deren bereits vor der Entdeckung Amerikas in einer Aus- Motive finden sich neu geschnitten in Holbeins gabe der Malermi-Bibel, die 1490 in Venedig er- Bilderbibel von 1538. Die Illustrationen gelten als schienen ist. Holbein wird dieses Bild aber wohl schlicht, schrift- und situationsgerecht. Mit ein- durch Lyoner Bibeln des frühen 16. Jahrhunderts fachen Mitteln und strenger Beschränkung werden kennengelernt haben, die seiner Komposition näher dramatische Szenen vorgestellt. Holbeins Folge stehen. In Holbeins Icones von 1538 erscheint das setzte neue Maßstäbe für die Bibelillustration. Motiv in Seitenverkehrung. Der Künstler hat zudem Illustrationen zu biblischen Lit.: Wort, Nr. 16; 50 Jahre, Nr. 10; WLB E 312; Kästner, Büchern geschaffen – etwa dem Psalter –, die zuvor Manfred: Die Icones Hans Holbeins des Jüngeren. Ein Beitrag im deutschen Buchdruck kaum bebildert wurden. zum graphischen Werk des Künstlers und zur Bibelillustration Der Holzschnitt zu Psalm 52 (heutige Zählung 53) Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. zeigt ein außergewöhnliches Motiv, das ohne Kon- Bd. 1-2, Heidelberg 1985, Bd. 2, S. 469, 469A, 469B, S. 894, text nicht als Bibelillustration zu identifizieren wäre: Abb. 668-670; Wüthrich, Lucas: Windrädchenlanze und „DJe leychtfertigen toren sprechend in jren Steckenpferd: Kinderturnier und Kampfspielzeug um 1500. In: hertze[n] / Es ist kein Gott: Dann sy sind in boß- Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte heit alle zerbrochen und greüwlich worden/ es ist 38 (1981), H. 4, S. 279-289, bes. Nr. 24 und 35 keiner der gutes thüye“. So gibt die Zürcher Bibel 42 43 14 15 Textus bibliae Biblia, Das ist: Die ganze Heilige Schrift, deutsch Bd. 1-7, Basel: [Johann Froben und Johann Frankfurt, Main: Kilian Han für Weigand Hans Petri für Johann Amerbach, 1506?-1508?]. 2° Erben, 1574. 2° Aufgeschlagen: Bd. 2, [1506], Bl. 138r, Aufgeschlagen: Der Tempel und der Palast Salomos, Grund- und Aufriss des Tempels, Holzschnitt Holzschnitte von Jost Amman, um 1564 AvS, 3761-3767 AvS, B 70 Diese siebenbändige lateinische Vulgata war für ein Die Frankfurter Verlegergemeinschaft Sigmund Fey- gebildetes Publikum bestimmt. Der Kommentar ist erabend, Georg Rab und Weigand Hans Erben gab bei weitem umfangreicher als der biblische Text. 1564 eine deutschsprachige Luther-Bibel mit einer Die Postilla des Nicolaus von Lyra (um 1270/75- umfangreichen Illustrationsfolge von Jost Amman 1349) spielte bei der Schriftauslegung eine heraus- heraus (s. Exp. 18 und 19). Auch hier hielt man an ragende Rolle. Ihr entnahm man häufig auch Bilder den von Luther eingeführten Sachillustrationen fest. christlicher Archäologie, nämlich Rekonstruktionen Aufgeschlagen ist in einer späteren Ausgabe von Ki- des Ornats des Hohenpriesters, des Tempelgerätes lian Han mit demselben Bildzyklus der Tempel Sa- und des Tempels Salomos in Jerusalem, die man lomos. Der Betrachter blickt in Vogelperspektive auf dem Buch Exodus wie dem ersten Buch der Könige die Ostfassade des Tempels. In einem Geviert davor beigab. Auch Luther benutzte die Schrift des Nico- stehen die beiden ehernen Säulen, in dem Hof laus von Lyra und übernahm diese Bilder erstmals in davor mittig ein Brandopferaltar und die zehn eher- deutschsprachige Bibelausgaben (vgl. Exp. 12). Auf- nen Gestelle mit den Kesseln, fünf an der Nord- geschlagen sind Grund- und Aufriss des salomoni- und fünf an der Südseite. Das eherne Meer – getra- schen Tempels im sechsten Kapitel des ersten Buchs gen von zwölf Rindern – ist im Südosten des Hofes der Könige, das wegen der Zusammenziehung mit platziert. Trotz einiger künstlerischer Freiheiten bei den beiden Büchern Samuel hier als drittes Buch architektonischen Details – vor allem den Toren – der Könige bezeichnet wird. Im Mauerwerk sind folgt die Gesamtanlage dem biblischen Text. Auf deutlich die im Text erwähnten vergitterten Fenster der Seite gegenüber ist der Palast Salomos zu sehen, mit Rahmen zu erkennen. der fast gänzlich zeitgenössischer Idealarchitektur entspricht. Lit.: Wort, Nr. 3 Lit.: Wort, Nr. 27; New Hollstein, Amman book illustrations I, S. 20-103, Nr. 6 und V, S. 62-71, Nr. 102 44 45 16 Biblia, deutsch [Augsburg: Jodocus Pflanzmann, um 1475]. 2° Aufgeschlagen: Beginn des Matthäusevangeliums mit den Holzschnitten Kreuzigung und Ecclesia auf dem Tetramorph Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. Zu den frühesten deutschsprachigen Bibeldrucken gehört die ausgestellte Schrift, die der Augsburger Jurist Jodocus Pflanzmann um 1475 besorgt und vor Juni 1477 beendet hat. Etwa gleichzeitig, vermutlich mit einem zeitlichen Vorsprung, gab auch der Augsburger Erstdrucker Günther Zainer seine deutsche Bibel aus. Zainer schmückte seinen Druck mit Bildinitialen (Exp. 8). Pflanzmann aber setzte zeigt so das Ende des Alten Bundes an. Dem steht erstmals eigenständige Illustrationen für den volks- zu Beginn des Matthäus-Evangeliums der Holz- sprachlichen Bibeldruck ein, auch wenn er sie fast schnitt mit der siegreichen Ecclesia gegenüber. Sie immer noch wie eine Initiale an den Textanfang reitet auf dem Tetramorph, einem Mischwesen, das stellt. 57 spaltenbreite Holzschnitte von 21 Stöcken aus den vier Evangelistensymbolen zusammenge- finden sich in seinem Druck. Durch die vielfache setzt ist, und steht für den Neuen Bund. In der Verwendung des Typenbildes eines Propheten am Rechten hält sie eine (Kreuzes)Fahne, in der Linken Schreibpult und eines thronenden Heiligen domi- den Kelch als Zeichen des Opfertods Christi. Dieses niert das Autorenbild. Die qualitativ sehr unter- ist in der Kreuzigungsszene gegenwärtig, mit der schiedlichen Holzschnitte werden bis zu vier Rei- Pflanzmann nicht nur das Matthäus-Evangelium ßern zugeschrieben, darunter der Zamorensis- und einleitet, sondern auch den Schlusspunkt unter die der Sorg-Meister. Während Zainer fast für jedes Apokalypse setzt. Eine solche direkte Darstellung biblische Buch eine eigenständige Bildinitiale ent- Christi in den Evangelien lässt sich in keiner ande- werfen ließ, fehlt in der Pflanzmann-Bibel ein solch ren vorreformatorischen deutschsprachigen Bibel ausgereiftes Bildprogramm. Ob das den Schluss zu- finden. lässt, die Holzschnitte seien ursprünglich für andere, heute nicht mehr nachweisbare Drucke gedacht Für die siebente deutsche Bibel, datiert 20. Juni gewesen, muss aber dahingestellt bleiben. Die Bilder 1477, verwendete Anton Sorg siebzehn der Holz- der Pflanzmann-Bibel sind durchaus geeignet, das stöcke, vermehrt um einige Neuschnitte. Dabei ver- jeweilige Buch zu repräsentieren. Die zahlreichen zichtete er u. a. auf die unübliche Kreuzigungsszene. Wiederholungen einzelner Druckstöcke und der ungleichmäßige Satz lassen aber auf große Eile bei Lit.: 50 Jahre, Nr. 6; Wort, Nr. 4; Buchillustration, Nr. 8; der Drucklegung schließen. Doumit, S. 100-112; Landgraf/Wendland, S. 65-66; Eichenberger/Wendland, S. 39-44; WLB E6; Schramm XXIII (1943), 46 Drei Holzschnitte fallen aus dem Rahmen. Das Alte S. 16f., 21, Abb. 410-413 und IV Abb. 285-288, 296-298, Testament endet mit dem Sturz der Synagoge und 300, 302, 307, 309, 315, 317-319 47 17 Im oberen Teil der Rahmung thront Gottvater mit Biblia, Altes und Neues Testament den Gesetzestafeln in der einen und dem Abend- Frankfurt, Main: Christian Egenolff d. Ä., 1. und mahlkelch in der anderen Hand. In dieses Bild ist 26. März 1534. 2° links der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Aufgeschlagen: Titelblatt mit Holzschnittrahmung Paradies und rechts der kreuztragende Gottessohn von Hans Sebald Beham und die Kreuzigung mit aufgenommen. Die Bilder Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. darunter sind antithetisch aufgebaut und ihrem Sinn nach dem Motiv „Gesetz und Gnade“ verwandt Zusammen mit Hans Holbein d. J. ist Hans Sebald (s. Exp. 68, 69). Auf der linken Seite die Bilder des Beham (1500-1550) der erste Künstler, der eine Alten Testaments: Eva mit Kain und Abel sowie umfangreiche Folge zur Bibel geschaffen hat, die Adam bei der Feldarbeit, Gottvater erscheint Abra- zugleich als Bilderbibel erschien und zum Schmuck ham und Moses empfängt die Gesetzestafeln. Ein von Vollbibeln diente. Holbeins Serie zum Alten weiterer Holzschnitt zeigt eine Beschneidung, bei Testament erschien zwar erst 1538 in Lyon als Bil- der Moses die Tafeln präsentiert. Rechts davon sind derbibel, viele seiner Entwürfe hatten aber bereits Juden um das Passahlamm versammelt, links davon den Holzschnitten der Zürcher Bibel von 1531 (s. stehen zwei Priester an einen Brandopferaltar. Aus Exp. 10 und 13) als Vorlage gedient. Auch Hans dem Marienleben ist zudem die Zurückweisung des Sebald Beham konzentrierte sich auf das Alte Testa- Opfers von Joachim aufgenommen. Diese Bilder ment und schuf für das Neue Testament nur fünf stehen für den Alten Bund und seine überkomme- Autorenbilder mit den vier Evangelisten und dem nen Riten. Auf der anderen Seite finden sich die An- Apostel Paulus. Der Vorabdruck seiner Bibelholz- betung Christi durch die Hirten, die Beschneidung schnitte, nur mit einem kurzen Vermerk auf die je- Christi, der predigende Johannes der Täufer, die weilige Textstelle, erschien 1533 in Frankfurt am Taufe Christi, die Fußwaschung der Apostel und das Main bei Christian Egenolff d. Ä unter dem Titel Abendmahl. Dazu tritt ein Holzschnitt, der Christus Biblisch Historien, Figürlich fürgebildet. Am 26. bei einem Besuch im Gefängnis zeigt, während ein März 1534 verließ bei demselben Drucker auch eine alter Mann einen Nackten bekleidet. Dabei handelt Bibel mit den Illustrationen Behams die Presse. Sie es sich um eine Darstellung der Werke der Barmher- ist die letzte, die vor der ersten vollständigen Wit- zigkeit. Sie werden hier als Nachfolge Christi, nicht tenberger Lutherbibel (September 1534) erschien. als gutes Werk propagiert. Diese Bilder stehen für Sie fußte zwar weitgehend auf der Übersetzung des den Neuen Bund und die Gnade Gottes. Reformators, musste aber für die Apokryphen und die Makkabäerbücher noch auf die Übertragungen Lit.: Merian, Nr. 14, 15; Wort, S. 16-17; Buchillustration, Nr. von Leo Jud und Melanchthon zurückgreifen. 82; Hofmann, S. 222, Nr. 96; Pauli, Gustav: Hans Sebald Beham. Ein kritisches Verzeichnis seiner Kupferstiche, Radie- Die 80 kleinen, meist querformatigen Holzschnitte rungen und Holzschnitte. Straßburg 1901. (Studien zur deut- Behams entsprechen genau einer Spaltenbreite der schen Kunstgeschichte 33), S. 258-260; Rosenthal, Ludwig: Egenolffschen Bibel. Sie wurden nicht nur im Text Hans Sebald Beham’s alttestamentarische Holzschnitte und eingesetzt, sondern auch als Rahmung für die Zwi- deren Verwendung zur Bücher-Illustration. 1529 - 1612. In: schentitelblätter verwendet. Für das Titelblatt kom- Repertorium für Kunstwissenschaft 5 (1882), S. 379-405 binierte Beham etliche alt- und neutestamentarische Szenen, die im Bibeltext selbst nicht erscheinen. 48 49 18 Biblia, Das ist: Die ganze Heilige Schrift, deutsch. Frankfurt, Main: Georg Rab, Sigmund Feyerabend und Weigand Hans Erben, 1564. 2° Aufgeschlagen: Das Gleichnis vom guten Hirten, Holzschnitt von Jost Amman AvS, B 69 19 Biblia Das ist: Die ganze Heilige Schrift, deutsch. Frankfurt, Main: Georg Rab, Sigmund Feyerabend und Weigand Hans Erben, 1564. 2° Aufgeschlagen: Der Evangelist Lukas, Holzschnitt von Jost Amman SakrB, B 1 Die Frankfurter Verlegergemeinschaft Sigmund Neben die üblichen Bilder zum Alten Testament Feyerabend, Georg Rab und Weigand Hans Erben und zur Apokalypse, Sachillustrationen und Auto- gab 1564 eine deutschsprachige Luther-Bibel mit renbilder treten einige wenige Illustrationen in den einer umfangreichen Illustrationsfolge von Jost Evangelien: Die Enthauptung des Täufers und die Amman heraus (vgl. Exp. 15). Die Holzschnitte Gleichnisse vom reichen Mann und armen Lazarus, dieses Druckes erschienen im selben Jahr ebenfalls vom barmherzigen Samariter und vom guten Hir- bei Sigmund Feyerabend als Bilderbibel. Deren ten. Das letzte Gleichnis beruht auf Jo X,1-19. Der Titel nennt Johann Melchior Bocksberger als Zeich- erste Vers lautet: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: ner und Jost Amman als Reißer der von mehreren Wer nicht durch die Türe in den Schafstall hinein- Formschneidern ausgeführten Schnitte. In der Bibel geht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb selbst wird nur die Neuheit der Illustrationen her- und ein Räuber.“ Der Eindringling auf der Leiter ist vorgehoben: „So haben wir erstlich/ so vil die Figu- von Philipp Schmidt als reformierter, zwingliani- ren belangt/ ... gantz neuwe/ schoene/ kuenstliche scher Geistlicher bestimmt worden, unter der Leiter (wie denn ein so edel theuwer Werck desselben wol bricht gerade ein feister Mönch ein Brett aus dem wehrt) zurichten lassen.“ Die Vorzeichnungen Stall heraus. Konfessionelle Bildpolemik ist damit Bocksbergers lassen sich heute nicht nachweisen. vom üblichen Ort der Apokalypse in die Evangelien Seine Beteiligung erscheint inzwischen zweifelhaft. selbst verlagert worden. Hält man Schmidts Identifizierung des einen Eindringlings als reformierten Geistlichen für richtig, werden nicht mehr nur die Altgläubigen angegriffen. 50 51 20 JONA <PROPHET> Der Prophet Jona Ausgelegt durch Martin Luther Erfurt: Melchior Sachse d. Ä., 1526. 8° AvS, 2649 Nach 1524 stockte die Arbeit Luthers an der Übersetzung des Alten Testaments. Etliche prophetische Bücher erschienen daher ab 1526 in Einzeldrucken, so auch das Buch Jona. Zur selben Zeit rückte Cranach von rein ornamentalen Titelbordüren für die Drucklegung von Luthers Schriften ab. Diese weisen nun immer häufiger eine szenische Gestaltung auf. Bei der Titelrahmung der Cranachwerkstatt für das Buch Jona wurde das Titelfeld verkleinert und ganz nach oben verschoben, um mehrere Ereignisse aus dem Leben des Propheten in einem Landschaftsraum darstellen zu können. Noch im Jahr der Erstausgabe 1526 erschienen ein Dutzend Nachdrucke, darunter die hier vorliegende Ausgabe aus der Offizin des Melchior Sachse in Erfurt. Er verzichtete bei seinem Nachschnitt der Cranachschen Auch das Autorenbild des Evangelisten Lukas war- Jost Amman zeigt den Evangelisten beim Nieder- Titelrahmung ganz auf ein Schriftfeld, so dass ein tet mit einem außergewöhnlichen Detail auf. Der schreiben seines Evangeliums, begleitet vom Stier. Titelholzschnitt entstand, über dem separat der Evangelist gilt der Legende nach auch als Maler, Die Muttergottes, häufig als seine Inspirationsquelle Titel eingedruckt ist. Ansonsten hielt er sich genau dem die Muttergottes öfter, mit und ohne Kind in das Bild aufgenommen, ist abwesend. Statt ihres an die Wittenberger Vorlage. Unten links wird Jona Modell gestanden habe. So tritt im 15. Jahrhundert Bildes steht auf der Staffelei ein Gemälde mit dem über Bord geworfen und vom Walfisch verschlungen, als zusätzliches Attribut neben Stier und Buch ein Antlitz Gottes. rechts unten spuckt dieser den Propheten wieder aus. Darüber erscheint Jona dreimal im Disput mit Mariengemälde. Lukas im Atelier wird zudem ein eigenständiges Bildmotiv. Das neue Attribut wird Lit.: Wort, Nr. 27; WLB E 436; New Hollstein, Amman book Gott, oben rechts wohl seine Berufung, in der Mitte auch als Beleg seiner Autorschaft der Kindheits- illustrations I, S. 20-103, Nr. 6; Lechner, Gregor Martin: Lukas Jona vor einer Stadt (Ninive?) und oben links der geschichte Jesu im Lukas-Evangelium gewertet. Evangelist. In: LCI VII, Sp. 448-464 Prophet unter der Staude. Da Sachse auf das Titelfeld verzichtet hatte, war es ihm möglich, den Holzschnitt am Ende des Buches nochmals einzudrucken. Lit.: Cranach I, S. 352-358 und Nr. 244; Benzing, Nr. 22682280, bes. 2279; WLB E 152 52 53 Exp. 21 21 23 Biblia, deutsch ALBRECHT DÜRER Bd. 2. Nürnberg: Anton Koberger, Johannes verschlingt das Buch 17. Febr. 1483. 2° Holzschnitt, um 1496/98 Aufgeschlagen: Bl. CCCCCLXXVIIr, Die vier Aus: apokalyptischen Reiter, Holzschnitt, um 1478 Apocalypsis cum figuris Bilder zur Apokalypse waren im Mittelalter in hoher Folge angeregt. Da er aber auch die bei Koberger Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. Nürnberg: [Anton Koberger] für Albrecht Dürer, Zahl aus Handschriften und Blockbüchern bekannt. ausgelassene Illustration heranzieht, wird er zudem 1498. 2° Im Buchdruck warten erst die Kölner Bibeln von auf die Straßburger Grüninger-Bibel von 1485 zu- MOS, D-172 (1498, lat.) 1478/79 (vgl. Exp. Nr. 9) mit einer Illustrations- rückgegriffen haben, die eine vollständige Kopie der folge für die Offenbarung des Johannes auf. Auf Kölner Folge enthält. 22 ALBRECHT DÜRER Exp. 23 Apocalypsis cum figuris 24 neun Holzschnitten werden 23 Szenen dargestellt. Nürnberg: [Hieronymus Höltzel] für Albrecht ALBRECHT DÜRER Mit Ausnahme des einen Bildes zu den Posaunen- Dürer dürfte mit seinen Illustrationen zur Apoka- Dürer, 1511. 2° Die Hure Babylon engeln (Schramm VIII, Nr. 467) verwendete auch lypse um 1496 begonnen haben, 1498 publizierte Ausgestellt: Titelblatt mit dem Titelholzschnitt Holzschnitt, um 1496/98, Separatdruck Anton Koberger für seine Bibel von 1483 die Köl- er sie im Eigenverlag in einer lateinischen und einer Johannes erblickt die Muttergottes MOS, D-177 ner Druckstöcke. Bei seinem Paten Koberger mag deutschen Fassung. Sie sind mit dem Typenmaterial der junge Albrecht Dürer diese Bilder zum ersten und mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf einer Mal gesehen haben. Nicht nur die eigentlichen der Pressen Kobergers gedruckt worden. Seine sei- Illustrationen zur Apokalypse, sondern auch alt- tengroßen Holzschnitte in dem riesigen Format von testamentarische Szenen haben ihn zu seiner eigenen ca. 39 x 28 cm stehen dabei immer auf der rechten, MOS, D-163 (1511, lat., 1. Ex.) 54 55 der biblische Text auf der linken Seite. Neben die mache[n] bitter zewerden deinen bauch aber es wirt vierzehn Textholzschnitte, die häufig mehrere Sze- in deinem mund süß als das hönig. vnd ich nam das nen vereinen, tritt noch das Blatt mit dem Marty- buch von der hand des engels vnd verschland es vnd rium des Johannes. Die lateinische Ausgabe ent- es was in meinem mund süß als hönig. vnd da ich es nimmt ihren Text der Vulgata, für die deutsche het verschlunden. mein bauch erbittert. vnd er Ausgabe übernimmt Dürer ihn aus der Koberger- sprach zu mir. Du must widerumb weissagen den Bibel. Dürer kann in diesen Holzschnitten den ma- heyden. vnd den volckern. vnd den zungen. vnd lerischen Holzschnittstil seines Lehrherrn Michael vielen künigen.“ (Dürer, Apokalypse, Bl. [6]v). An Wolgemut nochmals übertreffen und orientiert sich diesem Blatt wird immer die stringente Umsetzung dabei völlig an der Technik des Kupferstichs. Mit der Vision des Johannes gerühmt: „Niemals zuvor diesen Illustrationen wird der Holzschnitt endgültig war der visionäre Charakter der Engelserscheinung zu einem autonomen Bildmedium, das auch nicht so überzeugend dargestellt worden“. (SMS II, S. mehr der Kolorierung bedarf. Sie bescheren dem 90). jungen Dürer den internationalen Durchbruch als Künstler und dürfen als die künstlerisch bedeutend- Das Blatt „Die Hure Babylon“ setzt sich aus vielen sten Bibelillustrationen ihrer Zeit gelten. An Dürers Bildelementen zusammen, die über mehrere Kapitel Apokalypse führt in der Folge kein Weg vorbei, der Apokalypse verstreut sind (XVII-XIX). Von auch wenn die Künstler seiner Zeit die visionäre rechts reitet als Protagonistin die Hure Babylon auf Endzeitstimmung seiner Holzschnitte nicht mehr einem scharlachroten Untier mit sieben Köpfen und erreichen werden oder wollen. zehn Hörnern heran. Den Pokal, der „vol vnmenschlicher sünde“ (Dürer, Apokalypse, Bl. [10]v, Exp. 24 56 Aufgeschlagen sind in der Koberger-Bibel die vier Kap. XVII) ist, hebt sie hoch gen Himmel. Die Aus- apokalyptischen Reiter. Bei diesem Bild ist die Über- führung, die „siben haubt sind sieben berg auff den nahme der Grundstruktur der Komposition durch das weib sitzet“ (ebd.), gilt als eine „deutliche An- Dürer deutlich wahrzunehmen. Aus Dürers Folge spielung auf das Dominitianische [sic!] Rom. Die sind die Holzschnitte „Johannes verschlingt das Identifizierung der babylonischen Hure mit dem Buch“ und „Die Hure Babylon“ ausgestellt. Das päpstlichen Rom war zur Dürerzeit so geläufig, daß erste Blatt stellt einen Wendepunkt dar. Das Straf- dieser Bedeutungsaspekt wohl auch hier angenom- gericht gegen die Menschen ist in Dürers Zyklus men werden kann“ (SMS II, S. 103). Die sieben damit abgeschlossen, Kapitel XV und XVI wird er Häupter können aber auch als die sieben Todsün- nicht für seine Illustrationen heranziehen. Das Kapi- den aufgefasst werden. Der Hure gegenüber steht tel X, auf dem das Blatt „Johannes verschlingt das eine abwartende Menge Bürger und Kaufleute, die Buch“ beruht, lautet in der deutschen Ausgabe von einst um sie gebuhlt haben. Ein Engel verkündet 1498: „vNd ich sahe einen andern starcken engel den Fall der bereits brennenden Stadt. Ein weiterer herabsteigen vom himel bekleidet mit den wolcken Engel wirft symbolisch für den Untergang Babylons vn[d] ein regenbog auff seim haubt. Vnd sein ant- einen Mühlstein in das Meer. Links oben sprengt litz war als die sun. vnd sein füß als die seul des fe- eine himmlische Heerschar heran, die vom Ritter wers. vnd het ein auffgethans buch in seiner hande. ‚Treu und Wahr’ angeführt wird. Sie entstammt vnd er setzt sein gerechten fuß auf das mere aber schon dem Kapitel XIX mit dem himmlischen Jubel den lincken auff die erde [...] vn[d] er sprach zu über das gefallene Babylon und der Vernichtung der mir. Nim das buch vn[d] verschlind es. vn[d] es wirt Heidenvölker. 57 25 Das Neue Testament deutsch Wittenberg: [Melchior Lotter d. J. für Lucas Cranach d. Ä. und Christian Döring, September 1522]. 2° Aufgeschlagen: Johannes erblickt die sieben Leuchter, Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. Olim Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V. 26 ALBRECHT DÜRER Johannes erblickt die sieben Leuchter Holzschnitt, um 1496/1498 Aus: Apocalypsis cum figuris Nürnberg: [Anton Koberger] für Albrecht Dürer, 1498. 2° MOS, D-165 (1498, lat.) Unter dem Titel Das Newe Testament Deutsch. so dass bereits drei Monate später die zweite Auf- Vuittenberg erschien im September 1522 Martin lage erschien (Dezembertestament). Das September- Luthers Übersetzung des Neuen Testaments, das testament gilt nicht nur als Meilenstein in der sogenannte Septembertestament. Auf Drängen Geschichte der Bibelübersetzung, sondern förderte seiner Wittenberger Freunde, vor allem Philipp maßgeblich die Verbreitung der reformatorischen Melanchthons (1497-1560), hatte Luther während Lehre und die Entwicklung der deutschen Hoch- der letzten elf Wochen seines Aufenthaltes auf der sprache. Wartburg das Neue Testament ins Deutsche überExp. 22 setzt. Als Grundlage für seine Übersetzung be- Nur für die Apokalypse hat Luther erzählende Bil- nutzte er vor allem die zweite Auflage (1519) des der zugelassen, obwohl er in der Vorrede seine Ab- griechisch-lateinischen Neuen Testaments des Eras- lehnung des Buches deutlich zum Ausdruck bringt. mus von Rotterdam (1466/69-1536), daneben Der Reformator argumentiert, Apostel würden sich Für die Erstausgabe schuf Dürer je einen deutschen Lit. : SMS II, S. 59-66, Nr. 111, S. 69, Nr. 120, S. 90-91, Nr. auch die Vulgata. Der Reihenfolge der biblischen „nicht mit gesichten vmbgeben, sondern mit klaren und einen lateinischen, in Holz geschnittenen Zier- 125, S. 101-103; Dürer II, Nr. 8, Nr. 10; Wort, Nr. 6; WLB E Bücher im Urtext entsprechend, stellte Luther die vnd durren wortten weyssagen“, und stellt für seine titel. Für die zweite Auflage 1511 gab er dem Titel 22, E 34b; Doumit, S. 121-191; Reinitzer, S. 135-141; Hof- Apostelgeschichte unmittelbar hinter die Evangelien. Person fest, „meyn geyst kann sich yn[n] das buch einen Holzschnitt bei. Er zeigt Johannes bei der mann, S. 172, Nr. 44; Dürer, Albrecht / Johannes <Aposto- Hebräerbrief, Jakobusbrief, Judasbrief und Offen- nicht schicken“ (Bl. aa1r). Niederschrift der Apokalypse auf Patmos mit seinem lus>: Die Apokalypse. Faksimile der deutschen Urausgabe von barung des Johannes stehen als nichtapostolische Symbol, dem Adler. Er erblickt in einer Vision 1498 „Die heimliche Offenbarung Johannis“. Herausgegeben Schriften am Schluss. Maria als apokalyptisches Weib mit Sternenkrone. von Ludwig Grote. München, 1970. (Germanisches National- Sie ist mit dem Jesusknaben als Halbfigur auf einer museum Nürnberg: Jahresgabe 1971); Schramm VIII (1924), Nach mehrmonatiger Drucklegung erschien Luthers Folge von 1498 zum Vorbild. Hatte Dürer jedoch Mondsichel dargestellt. Nr. 464-473; Landgraf/Wendland, S. 71-78; Eichberger/ Übersetzung rechtzeitig zur Leipziger Herbstmesse. autonome Bilder geschaffen, ordneten sich die Wendland, S. 65-86, 91-96 Das Septembertestament fand begeisterte Aufnahme, Illustrationen Cranachs dem biblischen Text unter. 58 Die 21 Holzschnitte zur Apokalypse von Lucas Cranach d. Ä. und seiner Werkstatt nahmen Dürers 59 Exp. 25 60 Exp. 26 61 „Denn bei Dürers über Buchgröße hinausgehenden 1527 erwarb Herzog Georg von Sachsen die Bildschöpfungen, die sowohl als Einzeldrucke wie Druckstöcke der Apokalypse um 40 Gulden von in Buchform erschienen, ist der Text das absolut Se- Lucas Cranach d. Ä. Sie dienten zur Illustration kundäre; Cranachs Zyklus, obwohl ebenfalls blatt- einer von ihm veranlassten und gegen Luther ge- groß, ist begleitende und dienende Illustration für richteten Ausgabe des Neuen Testaments von Hie- den neugeschaffenen und sofort als kanonisch emp- ronymus Emser (1478-1527). Neunzehn der 21 fundenen biblischen Text“ (Cranach I, S. 332). Die Holzschnitte wurden dabei wieder verwendet. Nur vierzehn Blätter Dürers mussten daher um sieben die fünfte und sechste Illustration wurden durch erweitert werden, um sie eindeutig einer Textstelle Holzschnitte Georg Lembergers ersetzt, der auch zuweisen zu können. Diese Holzschnitte erregten für den restlichen Buchschmuck sorgte. Die Holz- aufgrund ihrer offensichtlichen antirömischen Pole- schnitte Cranachs liegen in der bereinigten Fassung mik bald die Gemüter der Altgläubigen: Das Unge- des Dezembertestaments vor, so dass das Unge- heuer aus dem Abgrund sowie die Babylonische heuer und die Babylonische Hure nicht mehr mit Hure tragen eine Tiara, und die Stadt Babylon ist der päpstlichen Tiara gekrönt sind. Die Gleichset- deutlich als Rom gekennzeichnet. Für das Dezember- zung Roms mit Babylon blieb aber erhalten (vgl. testament wurden daher auf Protest Herzog Georgs Exp. 25). Für die Vorreden zu den Evangelien schuf von Sachsen (1471-1539) die Papstkronen getilgt. Lemberger zusätzlich zu den Bildinitialen mit den Autoren neue Illustrationen, die mit den Argumenta Aufgeschlagen ist der von Lucas Cranach d. Ä. Emsers korrespondieren: zu Matthäus die Heilige selbst entworfene Holzschnitt „Johannes erblickt Familie umgeben von Vertretern des Alten Bundes, die sieben Leuchter“. Cranach orientiert sich schon Lucas Cranach d. Ä.: Die Hure Babylon bei diesem ersten Blatt stärker am biblischen Text Holzschnitt aus dem Septembertestament, Exp. 25 als Dürer. Hatte dieser Johannes kniend vor Gott zu Marcus den Auferstandenen mit dem Löwen, zu Lukas den Jesuknaben vor dem Priester und zu 27 Johannes eine Trinitätsdarstellung. Damit sprengte Das Neue Testament nach Laut der christlichen die herzogliche Bibelausgabe biblische Bildtradition. Boden. „Vnd als ich yhn sahe, fiel ich zu seynen wahrte er seine künstlerische Selbständigkeit, mitun- Kirche bewährtem Text Vergleichbare Darstellungen waren etwa bei den fussen als eyn todter“ (Bl. aa2v). Gott steht „mit ter um den Preis „nüchterne[r] Lehrhaftigkeit“ Dresden: Wolfgang Stöckel, 1527. 2° Illustrationen der Kölner Bibeln 1478/79 in die fordernder Gestik“ (Cranach I, S. 332) aufrecht vor (Zimmermann, S. 4). Allerdings gelten nur neun Aufgeschlagen: Die Hure Babylon, Holzschnitt von Autorenbilder der Evangelisten eingebunden, aber Johannes, während er bei Dürer auf einem Bogen- Illustrationen als seine Schöpfung, die restlichen Lucas Cranach d. Ä., 2. Zustand mit den heraus- nicht als autonome Darstellungen Christi, sondern thron Platz genommen hat. Blätter als Werkstattarbeit. geschnittenen oberen Kronreifen der Tiara als eine Art innerer Schau der Evangelienverfasser. Auch neue Motive lassen sich in Cranachs Folge fin- Lit.: 50 Jahre, Nr. 8; Kaiser Karl V., Nr. 18; Wort, Nr. 9; WLB Aufgeschlagen ist der Holzschnitt mit der Hure den, etwa das Blatt „Die zwei Zeugen und das Un- E 71; Cranach I, S.331-340; einitzer, S. 130-134; Martin, Babylon von Lucas Cranach d. Ä. Dieser übernimmt tier aus dem Abgrund“. Diese Illustration geht Peter: Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse. Die Iko- von Dürer nur das Hauptmotiv. Die beim Nürnber- ebenfalls auf einen eigenhändigen Entwurf Cranachs nographie der Illustrationen zur Offenbarung des Johannes in ger Künstler eher abwartende Menge wendet sich zurück. Nicht bei Dürer vertreten sind zudem die der Lutherbibel 1522 bis 1546. Hamburg 1983 (Vestigia hier dem Weib aktiv zu. dargestellt , liegt er bei jenem flach ausgestreckt am AvS, 3646 Blätter „Ernte und Weinlese der Engel“ oder „Der bibliae 5), S. 19-120; Zimmermann, Hildegard: Beiträge zur Brunnen des Abgrundes öffnet sich“. Cranach ver- Bibelillustration des 16. Jahrhunderts. (Illustrationen und zichtet im Gegenzug auf den „Lobgesang der Aus- Illustratoren des ersten Luther-Testamentes und der Oktav- erwählten im Himmel“ und den „Kampf des Heili- Ausgaben des Neuen Testaments in Mittel-, Nord- und West- gen Michael“ und wählt aus der Folge Dürers nur deutschland). Straßburg, 1924. (Studien zur deutschen Kunst- einzelne Szenen eines Holzschnittes aus. Damit geschichte 226); S. 1-20 62 Lit.: Wort, Nr. 15; WLB E 177 63 28 Das Buch des Neuen Testaments deutsch Augsburg: Johann Schönsperger d. J., [1523]. 2° Aufgeschlagen: Die Versiegelung der Hundertvierundvierzigtausend, Holzschnitt von Hans Schäufelein AvS, B 94 Die Nachdrucke des Septembertestaments orien- Aufgeschlagen ist der Holzschnitts Schäufeleins tieren sich bei der Apokalypse meist an der Holz- mit der Versiegelung der Hundertvierundvierzig- schnittfolge Cranachs. In dem Neuen Testament, tausend, also der Auserwählten Gottes. Es sind je das Johann Schönsperger d. J. 1523 in Augsburg zwölftausend aus den zwölf Stämmen Israels: auflegt, werden die Bilder zur Offenbarung meist „Danach sah ich vier Engel an den vier Ecken der von einem unbekannten Künstler seitengroß und Erde stehen; sie hielten die vier Winde der Erde detailgetreu kopiert. Dabei wird das Blatt „Die vier fest, auf daß kein Wind wehe über das Land noch Euphratengel töten ein Dritteil der Menschen“ über das Meer noch über irgendeinen Baum. Und ausgelassen. Nur die fünf Holzschnitte, die Hans ich sah einen andern Engel von Sonnenaufgang Schäufelein beigesteuert hat, erlauben sich gewisse heraufkommen; der hatte das Siegel des lebendigen Freiheiten gegenüber dem Vorbild Cranach und ste- Gottes [...] Er rief: ,Schädigt nicht das Land noch hen stilistisch Schäufeleins einstigem Meister Dürer das Meer noch die Bäume, bis wir den Knechten sehr nahe. unseres Gottes das Siegel auf ihre Stirn gedrückt haben.‘ Und ich hörte die Zahl der Gesiegelten: hundertvíerundvierzigtausend Gesiegelte aus allen Stämmen der Söhne Israels.“ (Apk VII,1-4) Lit.: Wort, Nr. 11; Schreyl I, Nr. 870-879, S. 147-148; WLB E 86 64 65 29 ALBRECHT DÜRER Die Heilige Familie mit der Libelle Monogrammierter Kupferstich, um 1495 MOS, D-42 30 ALBRECHT DÜRER Maria mit der Meerkatze Monogrammierter Kupferstich, um 1498 MOS, D-30 Das Motiv der Muttergottes in der Landschaft hat Etwa drei Jahre später greift Dürer das Motiv der Albrecht Dürer immer wieder aufgegriffen. Bereits Muttergottes auf der Rasenbank mit dem Kupfer- kurz nach den Lehr- und Wanderjahren entstand stich Maria mit der Meerkatze wieder auf. Beide das Blatt „Die Heilige Familie mit der Libelle“. Blätter sind häufig verglichen worden. Das ältere Maria sitzt mit dem Christuskind im Arm auf einer wurde dabei als ‚spätgotisch‘ bezeichnet und die Rasenbank. Der Nährvater Joseph hat sich hinter disparate Räumlichkeit der Landschaft bemängelt, der Rasenbank niedergelassen und ist eingeschlafen. das jüngere als ‚klassisch‘ charakterisiert und die Vom Himmel herab blickt Gottvater mit dem Hei- Harmonie von Raum und Körper gerühmt. Maria ligen Geist auf die idyllische Szene herab. Der Gar- mit der Meerkatze steht damit beispielhaft für die ten, in dem die Rasenbank steht, ist von einer künstlerische Entwicklung Dürers, die ohne das Mauer umfangen und durch ein hohes, hölzernes Vorbild italienischer Kunst nicht vorstellbar ist. Der Tor verschlossen. Als hortus conclusus verweist er Nürnberger Künstler kontrastiert seine italienisch damit auf die Jungfräulichkeit Mariens. Der Dorn- anmutende Madonna mit einem Nürnberger Wei- busch im Garten, der Turm in der nahegelegenen herhäuschen im Mittelgrund. Mit diesem turmähn- Siedlung, das Meer, das Schiff, all das kann als lichen Bauwerk, mit Flusslandschaft und der Stadt marianisches Symbol aufgefasst werden – genauso im Hintergrund lassen sich ähnliche marianische wie das Insekt, das heute überwiegend als Libelle Symbole wie auf dem Blatt mit der Heiligen Familie identifiziert wird. Das um Joseph erweiterte Motiv finden. Schoch sieht aber durch den „Naturalismus“ beruht auf Legenden und apokryphen Texten zur der Darstellung „die traditionelle Bildsymbolik Kindheit Jesu. Es „verbindet Motive der ‚Geburt überlagert“ (SMS I, S. 72). Christi‘ mit der ‚Ruhe auf der Flucht‘ und appelliert an Empfindungen und Werte eines ‚bürgerlichen‘ Der Bildgehalt des jüngeren Blattes weist aber noch Publikums. An seiner Ausbildung zum selbständi- weitere Facetten auf. An die Rasenbank ist die na- gen Andachtsbild im späten 15. Jahrhundert hatte mensgebende Meerkatze angekettet. Der Affe er- Dürer wesentlichen Anteil.“ (SMS I, S. 29). scheint „in der christlichen Ikonographie häufig in Exp. 29 66 67 Begleitung der Eva oder der Synagoge und verkör- In Dürers Gemälde „Die sieben Schmerzen Mari- pert das Laster, das Böse, sogar den Teufel. Der ens“ (um 1494) erscheint die Meerkatze als Attribut Singvogel, mit dem der Jesusknabe spielt, symboli- der Schriftgelehrten bei dem Motiv „Der zwölfjäh- siert dagegen die befreite Seele“ (SMS I, S. 72). rige Jesus im Tempel“. Die Meerkatze als Repräsen- Insgesamt kann man dann die Szene „als Symbol tantin falscher Schriftauslegung ist damit möglicher- des durch Christi Kreuzestod überwundenen weise auch ein Gegenpol zu dem Buch, auf dessen Bösen“ (Dürer I, S. 32) verstehen. Rücken Mariens Linke ruht. Lit.: SMS I, Nr. 2 und Nr. 20; Dürer I, Nr. 4 und Nr. 5 Exp. 30 68 69 31 ALBRECHT DÜRER Maria als Königin der Engel (Maria von zwei Engeln gekrönt) Monogrammierter und datierter Holzschnitt, 1518 MOS, D-211 1518 griff Albrecht Dürer das Motiv der Marien- reift und deren gekelterter Saft auf seine Passion krönung zweimal auf: in einem Kupferstich, der nur verweist. Die Maiglöckchen und Lilien in der Vase, die Muttergottes mit dem Kind und die beiden die ein Putto zu Maria hochhebt, sind als Symbole Engel mit der Krone zeigt, und in einem vielfiguri- ihrer Reinheit und Demut zu verstehen. Man darf gen Holzschnitt „Maria als Königin der Engel“. in dem Bild einen „Höhepunkt der Marienverherr- Beide Male findet die Krönung auf Erden durch lichung“ (SMS II, S. 446) sehen. Für Knappe klingt Engel statt und nicht im Himmel durch den drei- in dem Holzschnitt auch die Begeisterung humani- einigen Gott. stischer Marienhymnen nach, wie der des Nürnberger Karthäuser-Priors Georg Pirckheimer († 1505): Die Muttergottes thront majestätisch in einer fest- „Dich beten die Himmel an, Dir dienen die Teufel; lichen Engelschar. Der Saum ihres voluminösen Du drehst den Erdkreis, erleuchtest die Sonne, Gewandes wird durch musizierende und Geschenke regierst die Welt, bändigst die Hölle ...“ (Knappe, darbringende Putten verdeckt. Rechts sind Engel S. 31). mit Trommel und Flöte herangetreten, auf der anderen Seite präsentiert ein Engelpaar Weintrauben. Der Holzschnitt ist in der dekorativen bzw. höfi- Darüber schweben zwei Engel, die die Krone über schen Phase Dürers entstanden, in der er zahlreiche ihrem mit einem Blütenkranz geschmückten Haupt Aufträge für Kaiser Maximilian I. auszuführen hatte. halten. Ein Wolkenband trennt sie von zahlreichen Putten, die vom Himmel aus das Geschehen verfol- Lit.: SMS II, Nr. 248; SMS I, Nr. 84, Dürer III, Nr. 18; gen. Der Apfel in der Rechten weist Maria als neue Knappe, Karl-Adolf (Hg.): Dürer – Das graphische Werk. Eva aus. Die Weintrauben stehen für das Gleichnis Wien, München, 1964, S. 31 von Maria als Weinrebe, an der Christus als Traube 70 71 32 ALBRECHT DÜRER Joachim und Anna unter der goldenen Pforte Monogrammierter und datierter Holzschnitt, 1504 Separatdruck aus der Folge des Marienlebens MOS, D-191 Dürer begann mit seinen Arbeiten an der Folge des Scham flieht Joachim zu seinen Herden aufs Land, Marienlebens um 1501/1502. Bereits 1505 lagen wo ihm ein Engel die Geburt Mariens verkündet fast alle Holzschnitte vor, die er mit auf seine Italien- und befiehlt, seine Frau Anna unter der Goldenen reise nahm. Dort erregten sie großes Interesse und Pforte zu treffen. Das dritte, hier ausgestellte Blatt wurden sofort kopiert. Erst um 1510/11 schuf er zeigt diese Begegnung. Das Paar umarmt sich, und die restlichen Blätter, die er 1511 zusammen mit in diesem Moment empfängt Anna Maria. Seit der Großen Passion und der zweiten Auflage der 1439, seit dem Dekret des Basler Konzils, galt die Apokalypse als die drei großen Bücher veröffent- unbefleckte Empfängnis Mariens als unumstößlich, lichte. Den Text zum Marienleben stellte der Nürn- jegliche Hinterfragung dieser Lehrmeinung war ver- berger Benediktiner und Humanist Benedictus boten. Das Bild von der Begegnung unter der Gol- Chelidonius zusammen. Es handelt sich dabei um denen Pforte avancierte zum Symbol dieser Lehre, eine Kurzfassung des Marien-Epos’ Parthenice prima die auch von humanistischen Kreisen vehement pro- des Karmeliters Giovanni Baptista Mantuanus pagiert wurde. Auch die Verse des Chelidonius’ (1447-1516), das 1488 erstmals veröffentlicht wur- bzw. Mantuanus’ betonen diesen Aspekt: de und als das am weitesten verbreitete Marienleben „Anna schließt Joachim an der Goldenen Pforte seiner Zeit galt. Chelidonius musste nur dort stärker wieder in ihre Arme und empfängt Maria. in dessen Text eingreifen, wo Ereignisse nur kurz Zum Eingang des besagten Tores, welches die Gol- oder gar nicht beschrieben werden. Für den bei dene Pforte heißt, kamen beide, am Ziel ihrer Wün- Mantuanus fehlenden „Abschied Christi von seiner sche. Sogleich warf sich die gesegnete Anna in die Mutter“ überarbeitete Chelidonius dessen Klage Arme ihres Mannes und beide frohlockten über die Mariens unter dem Kreuz. Chelidonius hat daher Auszeichnung ihrer künftigen Tochter, die, wie sie nicht – wie meist angenommen – im Auftrag Dürers von der Verkündigung des himmlischen Botens einen Text für die fertigen Bilder erstellt. Mit der wußten, eine mächtige Königin im Himmel und auf Textwahl präsentiert sich Dürers Marienleben als Erden werden sollte, Mutter des Königs, dessen er- ausgesprochen modern, aber auch untypisch für ein habene Majestät von Ewigkeit her war, ist und sein neulateinisches, humanistisches Epos, denn dieses wird, der in menschlichem Leib das Menschenge- verzichtete in der Regel auf Illustrationen. In der schlecht vom Makel der Erbsünde reinwaschen Folge Dürers wird die Passion Christi ausgespart, da sollte. Sie zweifelten also nicht, daß eine solche diese bereits in der gleichzeitig erschienenen Großen Tochter mit dieser Bestimmung nicht auf gewöhnli- Passion thematisiert war. che Weise zur Welt kommen könne, [...]“ (Marienleben, S. 107; Übersetzung Claudia Wiener). Die Folge beginnt mit der Zurückweisung des Op- 72 fers von Joachim und Anna im Tempel, da das Paar Lit.: Marienleben, S. 29-35, 107; SMS II, S. 214-221 und S. bis ins hohe Alter unfruchtbar geblieben war. Aus 232-234, Nr. 169 73 33 34 FRATER PETRUS BONAVENTURA <SANCTUS> Nova legenda sanctae Catherinae Die Legende des heiligen Vaters Franciscus [Straßburg]: Johann Grüninger, 6. April 1500. 4° Nürnberg: Hieronymus Höltzel für Caspar Rosen- Aufgeschlagen: thaler in Schwaz, 7. April 1512. 4° Das Martyrium der Hl. Katharina, Holzschnitt Aufgeschlagen: Stigmatisierung des Heiligen MOS, OS 484 Franziskus, Holzschnitt von Wolf Traut MOS, OS 254 Neben Barbara, Dorothea und Margareta gehört die Heilige Katharina von Alexandrien zu den vier Evangelium leben‘“ wollte, ist die Theologie Bona- Hauptjungfrauen, mit Barbara und Dorothea seit venturas auf Christus als „Ausgang und Mitte“ dem 14. Jahrhundert zu den vierzehn Nothelfern. (Dettlof S. 51) konzentriert. Bonaventura hat eine Katharina, Tochter des Königs von Cypern, „galt im Legenda maior und eine Legenda minor des Or- Mittelalter als die nach Maria ranghöchste Heilige“ densgründers Franziskus hinterlassen. Mit seinen (http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/Aus- Biographien, die frühere Viten weitgehend ablösten, gabe_P-371.html). Aufgrund ihrer hohen Bildung sollten Auseinandersetzungen um die Armutspraxis ist sie die Patronin der Gelehrten, der Theologen und die Strenge der Ordensregeln beigelegt wer- und Juristen, der Schüler und Studenten, der Schu- den. Im vorliegenden Druck liegt die ausführlichere len, Universitäten, Bibliotheken und der Buchdruk- Vita des Heiligen Franz vor. Sie ist mit über fünfzig ker, aber auch der Mädchen und Jungfrauen, sowie Holzschnitten des Nürnberger Künstlers Wolf Traut aller Berufe die mit Klingen und Rädern zu tun (um 1490-1520) geschmückt, die als dessen Haupt- haben. Unter Kaiser Maxentius erlitt sie 306 ihr Die vorliegende Nova legenda hat ein Frater Petrus werk gelten. Der Holzschnitt mit der Stigmatisie- Martyrium in Alexandrien. Nachdem sie sich dem aus Italien im 14. Jahrhundert aus sechs früheren rung des Heiligen Franz wird als Titelbild und auch kaiserlichen Befehl verweigert hatte, heidnische Fassungen kompiliert. Aufgeschlagen ist der Holz- als Illustration zu den Kapiteln „Von seinen heyli- Götzen anzubeten, und auch eine Disputation mit schnitt mit dem Martyrium der Heiligen. Am rech- gen wunden“ und „Die Wunderzaychen“ verwen- fünfzig Philosophen sie nicht zum Abfall vom ten Bildrand ist das durch himmlisches Feuer zer- det und ist das zentrale Motiv der Holzschnittfolge. christlichen Glauben bewegen konnte, wurde sie störte Rad zu sehen. Zentral ist der Scharfrichter Sie ist Beleg und Auszeichnung für die konsequente zum Tod durch Rädern verurteilt. Engel zerstörten mit dem Schwert postiert, vor ihm die kniende und Nachfolge Christi durch den Heiligen Franziskus. aber das Rad durch Feuer, wobei viertausend betende Heilige. Die Stigmatisierung des Heiligen Franz und ihre Ungläubige umgekommen sein sollen. Schließlich bildliche Darstellung hat Luther entschieden abge- wurde Katharina mit dem Schwert hingerichtet. Die Lit.: Kreis und Kugel, Nr. 37; Dürer I, Nr. 45; Assion, Peter: Legende überlieferte zuerst allein ihr Martyrium, im Katharina von Alexandrien. In: LCI VII (1974), Sp. 289-297; Der Heilige Bonaventura (um 1217-1274) wurde lehnt: „Daß man also S. Francisci Werk des Herrn Westen entstand daneben die Geschichte von ihrer http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/Ausgabe_P- als Kind auf die Fürbitte des Franziskus von Assisi Christi Wunderwerken und Leiden gleich gerechnet Bekehrung und Frömmigkeit. Ihr vorangestellt 371.html von schwerer Krankheit geheilt. Er schloss sich wäh- und geachtet hat; welches eine große Gottesläste- kann auch von Geburt und Kindheit der Königs- rend seines Studiums der Theologie in Paris dem rung ist gewesen“ (Hofmann, S. 153) tochter berichtet werden. Zentraler Bestandteil der Franziskanerorden an. 1257 wählte ihn der Orden Bekehrungslegende ist die Vermählung Katharinas zum Generalminister, 1273 wurde er zum Kardinal Lit.: Dettlof, Werner: Bonaventura. In: TRE VII, S. 48-55; mit Christus durch die Muttergottes selbst. ernannt. Im Jahr darauf starb er in Lyon während Hofmann, S. 153, Nr. 128; Meister um Dürer, S. 217, Nr. 390 des Konzils. Wie Franziskus „einfach ,nach dem 74 75 35 [PSEUDO-]EUSEBIUS VON CREMONA Vom Leben und Sterben des heiligsten Hieronymus Nürnberg: Hieronymus Höltzel, 14. Febr. 1514. 4° Aufgeschlagen: Der heilige Hieronymus in der Felsengrotte, monogrammierter und datierter Holzschnitt von Albrecht Dürer, 1512 MOS, OS 272 Der Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler geschlagenes Buch balanciert. Er scheint im Schrei- (1479-1534) gab seine Übersetzung der Vita des ben innegehalten zu haben, um das Kruzifix auf Heiligen Hieronymus 1514 heraus. Er widmete sie dem Felsen vor ihm zu betrachten. Sein Attribut, dem einflussreichen Ratsherrn Hieronymus Ebner der Löwe, ruht friedlich hinter ihm. Hieronymus (1477-1532), der im Jahr der Drucklegung zum 2. trägt ein einfaches Gewand, Kardinalsmantel und - Losunger der Reichsstadt bestellt worden war, und hut hat er abgelegt. Wie in der Kaltnadelradierung entbot ihm dabei seinen ungeteilten Dienst. Seine „Der Heilige Hieronymus neben dem Weidenbaum“ „lieb vnd hertzlich zunaygung […] zu dem glori- aus demselben Jahr kombiniert Dürer das Motiv des wirdigen grossen heyligen Hieronymo, als meinen Buch- und Bibelgelehrten mit dem des frommen sonderlich erwelten vn[d] furgeliebten patron“ Büßers. Damit werden die beiden Hauptaspekte aus (Bl. A1r) habe ihn zu diesem Werk veranlasst. Die der Vita des Hieronymus in einem Bild vereint. Furcht vor Kritikern, die ihm eine solche Übersetzung „auß mangel billichs verstands“ nicht zutrau- Lazarus Spenglers Übersetzung fußt auf einem ten, habe ihn bewogen, die „angefangen vbung vermeintlichen Brief des Eusebius von Cremona solichs wercks, ain zeytlang in rwe [= Ruhe, d. A.] († 423), einem Schüler des Hieronymus’, den dieser zestellen“ (ebd.). nach dem Tod des Kirchenvaters verfasst haben soll. Er ist aber – wie zwei weitere Briefe über das Leben 76 Die Rückseite des Titelblattes ziert der Holzschnitt und Wirken des Hieronymus – Werk eines unbe- „Der Heiligen Hieronymus in der Felsengrotte“, kannten Autors um 1300. Mit ihnen setzt eine Ver- den Albrecht Dürer bereits 1512 geschaffen hat. ehrung des Kirchenvaters ein, die ihn weit über den Trotz früherer Vermarktung als Einblattdruck und Rang der anderen drei lateinischen Kirchenväter durch Einzelabzüge darf man vermuten, dass der erheben und ihn mit Johannes dem Täufer und Holzschnitt von Anfang an als Illustration für die den Aposteln gleichsetzen sollte. Spenglers Schrift Übersetzung seines Freundes Spengler gedacht war, markiert „die Kulmination der Nürnberger Hiero- deren Drucklegung sich – wie aus der Vorrede her- nymus-Begeisterung unmittelbar vor der Reforma- vorgeht – verzögert hatte. Dafür sprechen auch die tion“ (Hamm, S. 173). Sowohl Spengler wie Ebner Maße des Holzschnittes, die dem Quartformat eines sollten eine Dekade später zu den bedeutendsten Buches angepasst, für einen Einblattdruck mit seit- Befürwortern einer Einführung der Reformation in lichen Textbeigaben aber eher zu breit sind. der Reichsstadt zählen. Der Heilige sitzt mit übereinandergeschlagenen Lit.: Schauerte, S. 86, Nr. 26; Hamm, S. 170-183; SMS II, Beinen in einer Felsengrotte, auf denen er ein auf- Nr. 232; Dürer II, Nr. 7 77 36 Die Historie des Lebens, Sterbens und der Wunderwerke Sankt Sebalds Nürnberg: Hieronymus Höltzel, 1514. 4° Aufgeschlagen: Der heilige Sebald, Holzschnitt von Hans Springinklee MOS, OS 1046 Die hystori des lebens: sterbens und wunderwerck des Sebald soll ein Königssohn aus Dänemark gewesen heyligen Peichtigers und grossen nothelffers Sant sein, der seine Verlobung mit einer französischen Sebalds, der von gepurt ain konig auß Tenmarck und Prinzessin gelöst hatte, um als Einsiedler zu leben. ain sonnierlicher Löblicher Patron und furbitter ist Nach einer Wallfahrt nach Rom zog er sich wie- der Stat Nüremberg, Alda er leibhafftig gar gnedigk- derum als Einsiedler in die Nürnberger Gegend lich Rastet erschien 1514 bei Hieronymus Höltzel zurück, wo er auch als Künder des Glaubens wirkte. in Nürnberg. Die fränkische Reichsstadt förderte Über seinem Grab in der Peterskapelle wurde im den Kult ihres historisch nicht belegbaren Stadthei- 13. Jahrhundert die Sebalduskirche errichtet. ligen um so tatkräftiger, je bedeutender ihre Stellung im Reich wurde. Dessen Heiligsprechung im Üblicherweise wird er daher als Pilger dargestellt, in Jahr 1425 durch Papst Martin V. erreichte eine der einen Hand einen Stab, in der anderen das Mo- Nürnberger Delegation mit dem Verweis auf die dell der Sebalduskirche. Sein Bild wird häufig mit jahrhundertelange Verehrung Sebalds in ihrer Stadt heraldischen Beigaben geschmückt, den Wappen und dessen dort vollbrachten Wundertaten. Dies von Dänemark, Frankreich und der Reichsstadt legte „den Grundstein für eine Wallfahrt zum Grab Nürnberg. Diese finden sich auch auf dem Holz- in der Nürnberger Sebalduskirche“ (SMS III, S. schnitt in Höltzels Druck aus dem Jahr 1514. 529), die mit Einführung der Reformation zu Ende Früher Dürer zugeschrieben, gilt er heute als Werk gehen sollte. Nürnberger Drucke seiner Ende des von Hans Springinklee. 14. Jahrhunderts kanonisierten Legenden dienten daher wohl in erster Linie als Andenken für Pilger. 78 Lit.: SMS III, S. 529-530, A 42 79 37 LEONHARD BECK Images de saints et saintes issus de la famille de l'empereur Maximilien I. Wien: Franz Xaver Stöckl, 1799. 2° Aufgeschlagen: Der heilige Sebald, Holzschnitt von Leonhard Beck MOS, OS 189 Zu den Buchprojekten Kaiser Maximilians I. zählt Druck der Blätter wird noch um 1518 stattgefun- dele sich um einen Hinweis auf die wunderbare auch eine Fürstliche Chronik, die in vier Bänden die den haben. Ein einziges Exemplar hat sich im Bene- Speisung der Heiligen Willibald, Wunebald und Genealogie des Habsburgers darlegen sollte. Sie diktinerstift St. Paul in Kärnten erhalten. Dionysius, des Evangeliers. Diesen war Sebald in reichte zurück über die Franken und Merowinger der Wüste begegnet, und sie hatten ihm ihren gro- bis zum antiken Helden Hektor. Ergänzend sollte in 1522 gab Mennel eine Kurzfassung der Heiligenvi- ßen Hunger geklagt. In einem Bittgebet an Gott, zwei weiteren Büchern der Heiligen gedacht werden, ten in Freiburg im Breisgau heraus. Danach erschien das Sebald abseits verrichtete, spendete der Himmel die mit seinem Geschlecht verwandt sind. Eine erste ein zweiter Abzug der Holzschnitte mit den Texten Brot und füllte ein Fass Wein, das Dionysius bereits von Jakob Mennel 1513 zusammengestellte Fas- aus seinem Seel unnd heiligen buch, Keiser Maximili- geleert hatte. Braun deutet den Gegenstand in der sung stieß beim Kaiser auf keine positive Resonanz. ans altfordern. Hier trägt das Bildnis Sankt Sebalds Rechten Sebalds als einen Aschenkuchen, also einen Die Überarbeitung des Werkes dauerte bis Anfang folgende Unterschrift: „Sant Sebaldus / künigs sun Fladen, der in heißer Asche ausgebacken wird. des Jahres 1518 und wurde nicht mehr publiziert. von Dennmarckt / wirt mit grosser solennitet zuo Nur Handschriften in der Österreichischen Natio- Nueremberg gehalten / vnd ift fein heiliger tag / Laschitzer schließt bei diesem Holzschnitt auch eine nalbibliothek können heute über das Ausmaß der auff den. XIX. tag. Augusti“ (Laschitzer, 1887, S. Fehlinterpretation des Formschneiders nicht aus, Fürstlichen Chronik und der Heiligen aus der „Sipp-, 212). Dieser Druck muss vor 1551 erfolgt sein. der mit dem Heiligen Sebald und seinen Attributen Mag- und Schwägerschaft“ Maximilians informie- nicht vertraut gewesen sei. Dazu muss aber ange- ren. Ursprünglich auf genau hundert Heilige festge- Erst 1799 verlegte Adam von Bartsch (1757-1821) merkt werden, dass der ,Staatsheilige‘ vielleicht legt, beschrieb Mennel 1518 123 Heilige und 47 in Wien unter dem Titel Images de saints et saintes nicht in derselben Art wie der Nürnberger Stadthei- Selige. Mit den Bildnissen der Heiligen im Holz- issus de la famille de l'empereur Maximilien I. eine lige dargestellt werden sollte. Das genaue Verwandt- schnitt wurde noch im Jahr 1516 begonnen. Denn dritte Ausgabe. Sie ist am weitesten verbreitet und schaftsverhältnis des Heiligen Sebald zu den Habs- auf den erhaltenen Druckstöcken finden sich Prä- wird hier ausgestellt. Bartsch war noch der Ansicht, burgern ist nicht zu ersehen; es könnte sich um eine sentationsvermerke von November 1516 bis Sep- Hans Burgkmair d. Ä. sei Schöpfer der Holzschnitte Verbindung zum dänischen Königshaus handeln, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. tember 1518, die aber nur die Namen der Form- gewesen. die hier in Anspruch genommen wurde. Stuttgart, 1943, Sp. 640-642; Laschitzer, Simon: Die Heiligen Beck anerkannt, nur ein Holzschnitt wird ihm abge- Die Darstellung des Heiligen Sebalds weicht in Lit.: Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit. Ausstel- lian I. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Al- schrieben. einem Punkt von der üblichen Ikonographie ab (s. lung in der Albertina, Wien, 14. September 2012 bis 6. Januar lerhöchsten Kaiserhauses IV (1886), S. 70-288 und V (1887), Exp. 36). Statt des Modells der Sebalduskirche hebt 2013. Hrsg. von Eva Michel und Maria Luise Sternath. Mün- S. 117-262 Eine erste Publikation der Heiligenbilder erfolgte er in der Rechten eine hostienartige Scheibe empor, chen, 2012, S. 165, 172-173; Hispania – Austria. Die Katholi- wohl in Nürnberg. Dabei wurden den Abzügen nur die er ehrfürchtig mit einem Tuch ergriffen hat. schen Könige, Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Au- die Namen der Heiligen im Buchdruck beigegeben. Dieses Attribut lässt sich in seiner Vita nicht defini- stria in Spanien. Kunst um 1492. Innsbruck, Schloß Ambras, Allein beim Nürnberger Stadtheiligen Sebald er- tiv belegen. Joseph Braun übernimmt eine Vermu- 3. Juli – 20. September 1992. Wissenschaftliche Gesamtleitung: scheint zusätzlich die Bitte „Ora pro nobis“. Der tung Laschitzers als feststehendes Faktum, es han- Artur Rosenauer. Milano, 1992, S. 315-323; Braun, Joseph: schneider nennen. Als Zeichner ist heute Leonhard 80 aus der „Sipp-, Mag- und Schwägerschaft“ des Kaisers Maximi- 81 38 Gloriosorum christi confessorum Uldarici & Symperti: necnon beatissimae martyris Aphrae, Augustanae sedis patronorum quam fidelissimorum historiae [Augsburg]: Silvan Otmar, 14. April 1516. 4° Aufgeschlagen: Das Martyrum der heiligen Afra, Holzschnitt von Leonhard Beck MOS, OS 783 Im Spätmittelalter entstanden zunehmend Nahwall- fig als Dirne bezeichnet wird. Im Traum ermahnt, fahrten, die Heiligen einer Region galten. Neben St. dass ein ewiges Königreich in Augsburg auf sie Sebald in Nürnberg (vgl. Exp. Nr. 36) zogen die warte, zieht sie dorthin. Vom legendären Augs- Stadt- und Bistumsheiligen von Augsburg, Ulrich, burger Bischof Narcissus bekehrt, erleidet sie um Afra und Simpert, die Pilger in Südostdeutschland 304 das Martyrium durch den Feuertod. an. Die schwäbische Diözese genoss seit 1451 sogar das Privileg, den römischen Ablass, der den Besu- Die Heilige Afra wird in der Regel in prächtigen chern der sieben Hauptkirchen der Heiligen Stadt Kleidern an einen Baum gefesselt dargestellt, neben erteilt wurde, ebenfalls spenden zu dürfen. Der vor- oder unter ihren Füßen ein Stoß brennendes Holz. liegende Druck wurde vom Klerus der Augsburger Die Krone kann sowohl ihre königliche Herkunft, Kirche Sankt Ulrich und Afra in Auftrag gegeben aber auch ihren Status als Märtyrerin anzeigen. und enthält die Legenden aller drei Stadtpatrone. Leonhard Beck hat in seinem Holzschnitt die Der Heilige Ulrich (790-873) leitete das Bistum zypriotische Prinzessin in eine aufwendige Architek- Augsburg für fünfzig Jahre und hatte maßgeblichen turrahmung im Stil der Renaissance gestellt und Anteil am Sieg auf dem Lechfeld. Der beliebte Bi- damit den repräsentativen Charakter des Bildes ge- schof zog sich immer mehr aus der Politik zurück, steigert. Auch ein fiktives königliches Wappen gibt um spirituell und seelsorgerisch wirken zu können. er der Heiligen bei. Dies dürfte im Sinne seiner Auf- Bereits zwanzig Jahre nach seinem Tod soll er heilig traggeber gewesen sein, die den Kult der Stadt- gesprochen worden sein. patrone, aber auch die Identifikation der Gläubigen mit ,ihren‘ Heiligen fördern wollten. Neben der Auch der Heilige Simpert (um 750-807) gilt als be- vorliegenden lateinischen Fassung der Legenden- deutender Bischof von Augsburg. Während Ulrich, sammlung gab es natürlich auch einen deutsch- aber auch Afra Heilige der katholischen Kirche sind, sprachigen Druck. blieb Simpert ein reiner Ortsheiliger. Seine Verehrung wurde 1450 für das Kloster St. Ulrich und Lit.: Hamm, S. 274-275; Bigelmair, Andreas: Afra. In: LThK I, Afra und 1622 für das Bistum erlaubt. Sp. 169-170; Zoepfl, Friedrich: Ulrich (Udalrich). In: LThK X, Sp. 454-456; Zoepfl, Friedrich: Sintpert. In: LThK IX, Sp. 82 Afra ist in der vorliegenden Legende in der Bearbei- 789-790, Zoepfl., Friedrich: Afra von Augsburg. In: LCI V, Sp. tung des Augsburger Benediktiners Albertus (um 38-41; Das leben: verdienen: und wunderwerck der hailigen, 1200) eine Königstochter aus Zypern, die nach dem Augspurger Bisthumbs bischoffen, sant Ulrichs, und Sym- Tod ihres Vaters nach Rom flieht. Ihre Mutter weiht prechts, auch der säligen martrerin sant Aphre. Augsburg, sie hier dem Dienst der Venus, weswegen Afra häu- 1516 83 39 HEINRICH VON FRIEMAR D. Ä. Passio domini litteraliter et moraliter ab Henrico de Firmatia explanata Landshut: Johann Weißenburger, [um 1516] Aufgeschlagen Bl. B4v, C1r mit den Holzschnitten Geißelung, Jesus vor Pilatus und Kreuztragung MOS, OS 1317 Der Theologe Heinrich von Friemar d. Ä. Der Erstdruck der Passion soll nach Panzers Anna- (um 1245-1340) erhielt seine erste theologische len 1514 in Paris erschienen sein, lässt sich aber Ausbildung bereits vor 1265 in Bologna. Von 1290 nicht nachweisen. Die vorliegende Ausgabe druckte bis 1299 war er Provinzial der deutschen Augusti- Johann Weißenburger um 1516 in Landshut. Sie ist ner. Danach ging er zum weiteren Studium an die mit einer Folge von 14 kleinformatigen Holzschnit- Universität Paris, wo er um 1305 den Magistergrad ten zur Passion – vom Abendmahl bis zur Grable- erwarb und anschließend auf einen theologischen gung – geschmückt. Der Künstler ist unbekannt. Lehrstuhl berufen wurde. Seit spätestens 1315 Der Titelholzschnitt zeigt in vier kreisrunden Me- unterrichtete er Theologie am Augustinerkloster daillons in den Ecken die vier Evangelisten am Erfurt bis zu seinem Tod. Hier verfasste er wohl Schreibpult mit ihren Symbolen. In der Mitte hält den Großteil seiner zahlreichen Schriften. Sie wur- der sitzende Jesusknabe die Leidenswerkzeuge. den auch ins Deutsche übersetzt und „haben einen Diese Arbeit wird Wolf Traut zugeschrieben. spürbaren Einfluß auf das religiöse Leben des deut- Johann Weißenburger verwendete diesen Holz- schen Spätmittelalters ausgeübt“. (Zumkeller, schnitt seit 1509 für kleinformatigere theologische S. 408) Drucke. Auch die Passionsfolge dürfte bereits früher entstanden sein. Obwohl seinen Predigten nahestehend richtet sich Friemars Passio domini litteraliter et moraliter expla- Lit.: Warnock, Robert G.: Heinrich von Friemar d. Ä. In: Ver- nata an eine Leserschaft. Das belegt das Incipit so- fasserlexikon III (1981), Sp. 731-737, bes. Sp. 731-732; Zum- wohl der lateinischen Fassung wie der deutschen keller, Adolar: Heinrich von Friemar (auch de Alemania). In: Übersetzung: „Es beginnt die Erklärung des Lei- NDB VIII (1969), S. 408; Meister um Dürer, Nr. 388; Stroick, dens des Herrn durch den Magister Heinrich von Clemens: Heinrich von Friemar. Leben, Werke, philosophisch- Friemar zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Le- theologische Stellung in der Scholastik. Freiburg, Breisgau, senden nach der Erklärung der vier Evangelien nach 1954. (Freiburger theologische Studien 68), S. 42-45; Panzer dem doppelten Sinn, dem buchstäblichen und dem VIII, S. 20, Nr. 763 moralischen“ (Stroick, S. 44). In den Erzählstrang der Leidensgeschichte Jesu nach den Evangelien werden daher Erläuterungen historischer und moralischer Art eingeflochten, sowie Hinweise zu den Verhältnissen im Palästina der Zeitenwende. Der Autor arbeitet auch mit eingestreuten Fragen und deren schulmäßiger Beantwortung. 84 85 40 41 JORDANUS DE QUEDLINBURG BRUDER BERTHOLD Meditationes de vita et passione Jesu Christi Horologium devotionis circa vitam Christi [Magdeburg: Moritz Brandis, um 1498]. 16° [Köln: Ulrich Zell, um 1488]. 16° Aufgeschlagen: Christus am Ölberg. Holzschnitt, Aufgeschlagen: Bethlehemitischer Kindermord und um 1498 zum 2. Artikel die Flucht nach Ägypten, altkolorierter Metall- MOS, OS 1209 schnitt MOS, OS 156 Der Augustiner Jordanus de Quedlinburg (um 1300-1370/80) gilt als einer der bedeutendsten geistlichen Autoren seiner Zeit. Mit seinem Liber 42 Vitasfratrum hat er seinem Orden ein bis heute BRUDER BERTHOLD beachtetes Denkmal gesetzt. Zu den beliebten Horologium devotionis circa vitam Christi Schriften seiner Feder gehören die Meditationes de Nürnberg: Friedrich Creussner, 11. Mai 1489. 8° passione Jesu Christi, die nicht nur in mehr als 110 Aufgeschlagen: Vertreibung der Händler aus dem Handschriften überliefert sind, sondern im Spät- Tempel, Holzschnitt mittelalter auch in zahlreiche Gebetbücher und MOS, OS 96 Passionspredigten eingeflossen sind und so die Frömmigkeit ihrer Zeit stark beeinflusst haben. Der Verfasser des Horologium devotionis nennt sich hundert in illustrierten Handschriften weite Verbrei- Neben der lateinischen Fassung kursierten zahlrei- Bruder Berthold und bezeichnet sich als Mitglied tung. Die Beigabe von Bildern war bereits von Bert- che niederländische und niederdeutsche Überset- des Predigerordens. Vieles spricht dafür, dass er hold gefordert worden. Mit zehn gedruckten Aus- zungen. Der Hauptteil des Textes gliedert sich in 65 auch jener Bruder Berthold ist, der eine deutsche gaben zwischen 1488 und 1510 wurde das Horolo- kurze Artikel, vier davon mit längeren Einschüben. Bearbeitung der Rechtssumme des Johannes von gium zu einem der populärsten Erbauungsbücher Freiburg vorgelegt hat. Dies ist allerdings nur dann um 1500. Ulrich Zells Kölner und Friedrich Creuss- Von den Meditationes existierten neun Ausgaben möglich, wenn man ihn nicht mit dem um 1304 be- ners Nürnberger Druck von 1488 bzw. 1489 zählen der Inkunabelzeit. Sie sind vor allem von Gerard zeugten Freiburger Dominikanerlektor Berthold zu den frühesten Ausgaben. Der große Erfolg Leeu in Antwerpen aufgelegt worden. Der Magde- identifiziert. Denn das Horologium, das das Leben führte auch zu einer Rückübertragung von Bert- burger Drucker Moritz Brandis nutzte deren ikono- und die Leiden Christi „von dem anbeginne seiner holds Schrift ins Deutsche, die aber nicht auf die ur- graphisches Programm als Vorlage für die Holz- enpfencknüs bis an das ende“ (Steer, S. 4*) in 24 sprüngliche Fassung zurückgriff. Als Andächtiges schnitte seiner hier vorliegenden Ausgabe. Neben Kapiteln – analog den Stunden eines Tages – abhan- Zeitglöcklein des Lebens und Leidens Christi erlebte dem Titelholzschnitt ließ er 42 weitere Holzschnitte delt, wird erst in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts sie zwischen 1491 und 1495 sechs deutschsprachige entstanden sein. Mit der Titelwahl und der Stunden- Editionen. Das Horologium des Bruders Berthold ist Illustrationen wurden mehrfach eingesetzt, so dass Lit.: Adolar Zumkeller: Jordan von Quedlinburg. In: Verfasser- einteilung, nicht aber inhaltlich, lehnt es sich an das öfter gemeinsam mit den Meditationes de vita et die Meditationes insgesamt über 75 Illustrationen lexikon IV (1983), Sp. 853-861; Arnim, Nr. 198 nach den Antwerpener Drucken fertigen. Etliche Horologium sapientiae des Mystikers Seusse an. beneficiis salvatoris Jesu Christi des Thomas von verfügen. Sie reichen von der Ölbergszene bis zur Ursprünglich hatte Bertholdus seine Schrift, die er Kempen und De spiritualibus ascensionibus des Auferstehung. Eingestreut sind zudem Darstellun- aus mehreren lateinischen Quellen kompilierte, auf Gerardus de Zuthpania hergestellt und vertrieben gen des Todes, des Jüngsten Gerichts, der Höllen- Deutsch verfasst und als Sager oder mircker der worden. Der Kölner Drucker Ulrich Zell hat eben- strafen, des Sündenfalls, des Gnadenstuhls, der tugent bezeichnet. Für ein gebildetes Publikum falls alle drei Drucke um 1488 aufgelegt. Dem vor- Gregorsmesse sowie Christus mit den Leidens- übertrug er seine Erbauungsschrift ins Lateinische. liegenden Exemplar seines Horologiums sind zumin- werkzeugen. In dieser Fassung fand das Horologium im 15. Jahr- dest die Meditationes (vgl. Exp. 43) beigebunden. 86 87 Das Horologium Creussners beschränkt sich – der 43 Stundeneinteilung entsprechend – auf vierundzwan- THOMAS VON KEMPEN zig Holzschnitte. Nichtsdestotrotz reicht die Band- Devotissimae Meditationes de vita, beneficiis, breite der Illustrationen hier sogar von der Verkün- et passione salvatoris Jesu Christi digung bis zum Jüngsten Gericht. Die letzten drei Augsburg: Sigismund Grimm und Marx Wirsung, Holzschnitte in Creussners Druck fallen gegenüber 5. April 1520. 8° den ersten 21 deutlich zurück. Diese Bilder betonen MOS, OS 434 die Körperlichkeit der Figuren, die in klarer räumlicher Beziehung zueinander stehen und durch Thomas von Kempen (1379/80-1471) wird die Andeutung von Schatten über einen festen Stand Schrift Meditationes de vita, beneficiis et passione sal- verfügen. Die hohe Qualität der Illustrationen, die vatoris Jesu Christi zugeschrieben. Seine Autorschaft sich auch in den plastisch herausgearbeiteten Land- ist wie bei allen 38 schon 1488 für ihn aufgeführten schaftsformen, der differenzierten Darstellung der Schriften umstritten. Nur für die Imitatio Christi, Bäume und den schrägen Fluchtlinien der Innen- dem bekanntesten und erfolgreichsten Werk, wird räume widerspiegelt, hat zu vielen Vermutungen der bedeutende Vertreter der Devotio moderna ge- über den Künstler geführt: Vorgeschlagen wurden meinhin als Verfasser anerkannt. Die Devotio mo- Michael Wolgemut, Albrecht Dürer, aber auch der derna ist eine spätmittelalterliche religiöse Bewe- damals in Nürnberg wirkende Meister des Ulmer gung, die sich um 1400 in den Niederlanden ent- Terenz. Aufgeschlagen ist die „Vertreibung der wickelt und bei der die Nachfolge Christi, eine Händler aus dem Tempel“. verinnerlichte Frömmigkeit und Weltverachtung im Zentrum steht. Meditationen über das Leben und Johannes Oecolampadius verwendet worden. Die Lit.: Marienleben Nr. 7; Steer, Georg [u.a.] (Hg.): Die Leiden Christi sind in der religiösen Praxis dieser Motive der Illustrationen reichen von der Erschaf- ‚Rechtssumme‘ Bruder Bertholds. Eine deutsche abecedarische Frömmigkeitsbewegung unerlässlich. fung Evas bis zur Grablegung, daneben präsentieren vier Holzschnitte das Monogramm Christi, die Die Kölner Ausgabe verwendet zur Illustrierung 24 Bearbeitung der „Summa Confessorum“ des Johannes von Holz- und 14 Metallschnitte, von denen sie einige Freiburg. Bd. 1, Tübingen 1987, S. 1*-6*; Stadler, S. 118- Die Meditationes sind um 1500 öfter gemeinsam Kreuzesinschrift, die Wundmale und die schmerz- zweimal verwendet. Sie reichen von der Verkündi- 121; Buchillustration, Nr. 33, 36; GW 4166-4177; Index Au- mit dem Horologium des Bruders Berthold (vgl. hafte Muttergottes. Obwohl die Folge nicht ohne gung bis zum Pfingstwunder. Aufgeschlagen ist der reliensis 118.027-118.030 Exp. Nr. 41-42) und der Schrift De spiritualibus gelegentliche Anleihen bei der Kleinen Passion und Metallschnitt mit dem Bethlehemitischen Kinder- ascensionibus des Gerardus de Zuthpania hergestellt dem Marienleben Dürers auskommt, bleibt sie im mord, im Hintergrund ist die Flucht der Heiligen und vertrieben worden. Großen und Ganzen eine eigenständige Leistung dieses bis heute nicht identifizierten Meisters. Aus- Familie nach Ägypten zu erblicken. Für die vorliegende Augsburger Ausgabe aus dem gestellt ist ein Holzschnitt, der sowohl die Vorfüh- Jahr 1520 schuf der Petrarcameister, einer der rung bei Annas wie die Ankunft vor dem Palast des fruchtbarsten und herausragendsten Buchillustrato- Herodes illustriert. Die Bordüre weist als bestim- ren der Dürerzeit, eine neue, 35 Holzschnitte um- mendes Element einen Putto mit Peitsche auf, der fassende Folge. Neun Illustration, die nur etwas einen Pfau vor sich her treibt. mehr als die halbe Seite des Büchleins füllen, weisen 88 eine eigene kleine Rahmung auf, die 26 fast blatt- Lit.: Ruh, Kurt: Die niederländische Mystik des 14. bis 16. großen Holzschnitte werden in separate Rahmun- Jahrhunderts. München, 1999. (Geschichte der abendländi- gen gesetzt, die von Bordüren illuminierter Stun- schen Mystik 4), S. 187-188; Köpf, Ulrich: Thomas von Kem- denbücher angeregt zu sein scheinen. Sie sind zum pem. In: TRE XXXIII, S. 480-483; Musper, L 63, Nr. 320- Großteil bereits im Jahr zuvor für eine Schrift des 354, 603-622, 628 89 44 STEPHAN FRIDOLIN Schatzbehalter Nürnberg: Anton Koberger, 8. November 1491. 2° Aufgeschlagen: Kreuzigung, Holzschnitt von Wilhelm Pleydenwurff MOS, OS 5 45 MICHAEL WOLGEMUT Gefangennahme Christi Probeabzug des Holzschnittes für Fridolins Schatzbehalter, um 1491 MOS, OS 1660 Am 8. November 1491 erschien bei Anton Koberger zugleich als umfangreiche Auslegung der zweiten anonym das Erbauungsbuch der schrein oder schatz- Kyrie-Bitte zu verstehen, während der dritte und behalter der waren reichtümer des hails vnd der letzte Teil des Schatzbehalters die Worte Christi ewigen seligkeit. Ein handschriftlicher Eintrag im während der Passion und am Kreuz heranzieht, um Exemplar des Klosters Rebdorf benennt den Fran- die neunfache Anrufung Gottes im Kyrie zu behan- ziskaner Stephan Fridolin als Verfasser. Fridolin deln und in vorbildliche Gebete umzusetzen. wurde um 1430 geboren und ist erstmals im August 1460 als Prediger in Bamberg fassbar. Seit 1479 Allein der zweite Teil des Schatzbehalters ist aufwen- übte er verschiedene Ordensämter in Nürnberg aus, dig bebildert. Michael Wolgemut, sein Stiefsohn unter anderem war er bis zu seinem Tode 1498 als Wilhelm Pleydenwurff und ein unbekannter Geselle Prediger und Beichtvater der Nürnberger Klarissin- ihrer gemeinsamen Werkstatt zeichnen für die Ent- nen tätig. Auf Wunsch der Klarissinnen und ihrer würfe und Risse der 91 ganzseitigen Holzschnitte Äbtissin Caritas Pirckheimer soll der Schatzbehalter verantwortlich. Durch die mehrfache Verwendung entstanden sein. Petra Seegets hat zuletzt vermutet, einiger Druckstöcke erhöht sich die Zahl der Bilder bedeutende Teile des Schatzbehalters habe Fridolin auf 96. Die Illustrationen des Schatzbehalters gelten bereits in Bamberg verfasst. Auf alle Fälle aber ent- als ein Hauptwerk des malerischen Holzschnittes. stand das Werk auf „bitt etlicher andechtiger per- Dodgson hat in ihnen – in strengem Sinn – den son“ (Bl. G6r). Später geht Fridolin genauer auf ersten bedeutenden, eigenständigen Beitrag Nürn- diese Bitte ein: „eyn edel fraw“ habe zu wissen be- bergs zur Buchillustration gesehen. Erstaunlich ist gehrt, „wye man yn den kyrieleyson. die drey per- auch das große Format der Holzschnitte Wolgemuts son in der heyligen drifeltigkeit vmb die barmhert- mit ca. 25 zu 17,5 cm. zigkeit anrüffen solt“ (Bl. Z5v). Die Schrift gliedert 90 sich in drei Teile. Der erste ist als allgemeine Einlei- Vier der Holzschnitte dienen der Memorierung des tung aufzufassen, der zweite und Hauptteil behan- Inhalts. Da sich Fridolin mit seinem Werk vor allem delt in einhundert Abschnitten, die Fridolin als an Laien wenden möchte, werden die hundert Ab- „Gegenwürfe“ bezeichnet, die Leiden Christi. Er ist schnitte des zweiten Teils den Gliedern und Gelen91 ken der rechten und der linken Hand eingeschrie- Michael Wolgemut werden von Bellm 33 Entwürfe ben. So kann der Leser sich den Aufbau des Buches zugeschrieben, darunter auch der für die in einem einprägen und den wahren Schatz der Passion Chri- Probedruck vorliegenden 57. Figur mit der Gefan- sti behalten. Auch für den dritten Teil wurden zwei gennahme Christi. Die auf Wolgemut zurückgehen- solche mnemotechnischen Bilder geschaffen. Die den Holzschnitte sind als zart, ruhig und ausgewo- restlichen 87 Holzschnitte illustrieren die Mehrheit gen, aber auch als steif und kraftlos im Vergleich zu der Abschnitte, aber nicht alle hundert Gegenwürfe den lebendigeren, dramatischeren und derberen des zweiten Teils. Dabei verzichtete Fridolin vor Entwürfen Pleydenwurffs charakterisiert worden. allem bei abstrakt-theoretischen Erwägungen auf Im Schatzbehalter selbst ist mit Christus am Kreuz Bilder. Neben zahlreichen Illustrationen zum Leben ein Holzschnitt nach einer Vorlage Pleydenwurffs und den Leiden Christi finden sich viele alttesta- aufgeschlagen. mentarische Begebenheiten, die als Verweise auf die Passion gelten. Fünfzehn Motive gehen auf die Lit.: Seegets, Petra: Passionstheologie und Passionsfrömmigkeit Capistrantafel in Bamberg zurück, deren Szenen im ausgehenden Mittelalter. Der Nürnberger Franziskaner Ste- Wolgemut in seinem Skizzenbuch festgehalten hat. phan Fridolin (gest. 1498) zwischen Kloster und Stadt, S. 169313; Bellm, Richard (Hg.): Stephan Fridolin: Der Schatzbehalter. Ein Andachts- und Erbauungsbuch aus dem Jahr 1491. Bd. 1-2, Wiesbaden, 1962, Bd. 2; Stadler, S. 2-28; Dodgson I, S. 240-242 92 93 46 GIROLAMO DELLA VALLE Jesuida [Ingolstadt: Georg Wirffel d. J. und Marx Ayer, 1497]. 4° Aufgeschlagen: Kreuzigung, Holzschnitt MOS, OS 1225 Girolamo della Valle (um 1420?-um 1494?) war ein Erstmals hat der Augsburger Drucker Günther Zai- Arzt, Humanist, Diplomat und Schriftsteller aus ner die Jesuida um 1473 aufgelegt. Die ausgestellte Padua. Sein berühmtestes Werk ist die Jesuida, ein Ausgabe ist in Ingolstadt 1497 bei den Wandedruk- biblisches Epyllion (Kleinepos). Sie blieb auch seine kern Georg Wirffel d. J. und Marx Ayer erschienen. einzige Schrift, die als gedrucktes Buch Verbreitung Der schmale Druck enthält nur eine einzige Illustra- fand. Sein Epos von der Auferstehung des Herrn tion, Maria und Johannes unter dem Kreuz. Zum blieb ungedruckt. Nach Vedova soll della Valle die einen kam das humanistische, neulateinische Bibel- Jesuida dem Humanisten und Bischof seiner Vater- epos in der Regel ohne Bilder aus. Zum anderen stadt, Pietro Donato (1380-1447) gewidmet haben. dürfte der Werkstattfundus der Wanderdrucker Wenn die neuesten angenommenen Lebensdaten zu nicht übermäßig groß gewesen sein. Das traditio- Girolamo della Valle und die Angabe Vedovas rich- nelle Bild mag hier als bildliche Inhaltsanzeige ver- tig sind, dann kann es sich nur um ein Frühwerk standen werden, was für die Verwendung der Je- handeln. Della Valle war Mitglied der medizinischen suida als Schullektüre durchaus von Bedeutung ge- Fakultät der Universität Padua und nach Vedova wesen sein kann. Sonderbotschafter Venedigs am Heiligen Stuhl. Della Valles Schrift war eines der fünf Werke, die Die Jesuida wählt als Auftakt eine Versammlung in Benedictus Chelidonius für den Text zur Großen der Unterwelt, auf der Pluto den Tod Jesu ankün- Passion Dürers heranzog. digt. Darauf folgt die Passionsgeschichte, bevor der Dichter über Sterben und Leiden Christi meditiert. Lit.: Czapla, Ralf Georg: Das Bibelepos in der Frühen Neuzeit. Die Jesuida war gerade in Deutschland weit verbrei- Zur deutschen Geschichte einer europäischen Gattung. Berlin, tet, bevor sie von biblischen Großepen wie der Par- 2013, S. 125-130; http://www.mirabileweb.it/author/hiero- thenice Mariana des Baptista Mantuanus (1447- nymus-de-vallibus-n-1420-ca-m-1494-ca-/23017; Vedova, 1516) abgelöst wird. Sie war auch als Schullektüre Giuseppe: Biografia degli scrittori padovani. Bd. 2, Padua, aufgrund der „Verbindung von erbaulichem Inhalt 1836, S. 383-385; Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines und stilistischer Eleganz“ (Czapla, S. 129) beliebt. Gelehr ten-Lexicon. Bd. 4: S-Z. Leipzig 1751, Sp. 1430 94 95 47 ULRICH PINDER Speculum passionis domini nostri Jesu Christi Nürnberg, [Privatdruckerei des Ulrich Pinder], 30. August 1507. 2° Aufgeschlagen: Dornenkrönung Christi, Holzschnitt von Hans Schäufelein MOS, OS 287 Der Mediziner, Autor, Verleger und Humanist Ul- Jüngste Gericht behandeln, bevor der eigentliche rich Pinder (†1519) wurde vermutlich in Nördlin- Schlussteil beginnt. Jeder dieser Stationen wird von gen geboren, wo er von 1484 bis 1489 als Arzt einem seitengroßen Holzschnitt eingeleitet, meist nachgewiesen ist, bis Friedrich der Weise ihn zum von der Hand Hans Schäufeleins. Drei weitere die- Leibarzt nach Sachsen berief. Letzte Lebensstation ser Illustrationen gelten als Werk des Hans Baldung ist Nürnberg, wo er von 1493 bis zu seinem Tod Grien, der auch für das eigentliche Passionsgesche- am 1. Januar 1519 als Stadtarzt wirkte. Er gründete hen eine zusätzliche Serie kleinerer Holzschnitte mit dem Typenmaterial der Sodalitas celtica eine entwarf. Sie sollen besonders bedeutsame Textstel- eigene Druckerei, die sein späterer Schwiegersohn len hervorheben. Formal greift Pinder damit die Friedrich Peypus führte. In dieser Offizin erschien Gestaltung des Schatzbehalters auf (Exp. 44). Auch 1507 das Speculum passionis. Als primäre Quelle bei Fridolins Schrift war vor allem der Hauptteil gibt Pinder Ludolf von Sachsens populäre und weit- illustriert worden. Waren aber beim Schatzbehalter verbreitete Evangelienharmonie an, sein Werk grün- nicht alle hundert Abschnitte des zweiten Buches det aber vielfach auf der 1501 in Nürnberg erschie- bebildert, andere hingegen mit zwei Illustrationen nenen Passio domini nostri Jesu Christi des Reform- versehen worden, so lässt Pinder konsequent für augustiners Reinhard von Laudenburg. jede Station des Passionsgeschehens einen großen Holzschnitt anfertigen und gibt dem Speculum be- Das Speculum teilt sich in drei Teile. „Die methodi- reits damit eine klare Struktur. Pinders Passionar gilt sche Einleitung, als meditatio fructuosa angekün- als eines der schönsten Holzschnittbücher des 16. digt, führt in die verschiedenen Stufen und Ziele Jahrhunderts und die Illustrationen als das Meister- der Andacht über die Leidensgeschichte ein“ (Mari- werk Schäufeleins. Der Dürerschüler konnte dabei enleben, S. 78). So soll der Leser auf den Hauptteil sicherlich auf den Fundus der Werkstatt zurückgrei- vorbereitet werden, der in einzelnen Abschnitten fen. Daneben sind aber auch starke Einflüsse des die Evangelientexte zur Passion vom Gang zum Öl- Kupferstichwerks Martin Schongauers und der Illlu- berg bis zur Grablegung predigtartig kommentiert. strationen zum Schatzbehalter spürbar. Im ersten Teil ist daher nach der Einführung bereits die Auslegung der Leidensgeschichte vom Einzug in Lit.: Marienleben, S. 18-19 und Nr. 10; Keunecke, Hans-Otto: Jerusalem bis zum Abendmahl beinhaltet. Auch der Pinder, Ulrich. In: LgB2 VI (2003), S. 14; Lassnig, Ewald: dritte und letzte Teil muss erst dem Weg Christi Dürers „Melencolia-I“ und die Erkenntnistheorie bei Ulrich vom Abstieg in das Reich des Todes bis zur Pinder. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 57 (2008), S. Himmelfahrt folgen und darüber hinaus noch das 51-95, S. 58 u. Anm. 42 Pfingstwunder, die Himmelfahrt Mariens und das 96 97 48 BENEDICTUS CHELIDONIUS UND ALBRECHT DÜRER Passio Christi Nürnberg: [Hieronymus Höltzel] für Albrecht Dürer, 1511. 4° Aufgeschlagen: Titelblatt mit dem Holzschnitt Der Schmerzensmann von Albrecht Dürer MOS, D-XVIII.1 Benedictus Chelidonius, Mönch im Nürnberger und Strophen nach dem Vorbild horazischer Oden Egidienkloster und bedeutender Vertreter des Klo- oder auch senecanische Chorlyrik auf den neuen sterhumanismus in der Reichsstadt, ließ seine Passio christlichen Inhalt thematisch angemessen über- Jesu Christi salvatoris mundi um 1508 in Straßburg trägt“ (Marienleben, S. 168). mit Holzschnitten von Hans Wechtlin drucken. Dies war für eine neulateinische Bibeldichtung zu Dürer entwirft für diese Dichtung 36 Text- und dieser Zeit immer noch eine Besonderheit. Aller- einen Titelholzschnitt. Bereits beim Titelholzschnitt dings waren die Illustrationen ursprünglich für eine mit dem Schmerzensmann fällt die genaue Abstim- Publikation zum Leben Jesu angefertigt worden. mung mit der Dichtung auf. Denn es scheint, Bald nach dem Erstdruck muss sich der Benedikti- Christus spreche „in effigie“ die Verse des Titel- ner entschlossen haben, eine zweite Ausgabe seiner epigramms: „Ach, der du Schuld an so großen Passio mit Albrecht Dürer zu veranstalten. Die lange Schmerzen bist, die ich als Gerechter erleiden muß, gehegte Vermutung, Dürer habe zuerst die Holz- ach, der du grausame Schuld am Kreuz, ach, an schnitte geschaffen, und der Mönch anschließend meinem Tod trägst, ach Mensch, es soll doch genü- die Texte zu ihnen verfasst, muss ad acta gelegt wer- gen, daß ich das einmal für dich ertragen habe: den. Als Dürer um 1509 mit den Arbeiten an der O laß doch ab, mich mit neuer Schuldenlast zu fol- Kleinen Passion beginnt, ist die Dichtung des Cheli- tern!“ (Marienleben, S. 48; Übersetzung: Claudia donius’ längst vorhanden. Es handelt sich dabei um Wiener). ein äußerst ambitioniertes Werk. „Nicht in die bibelepische Traditionslinie reiht sich Chelidonius Auch der Druck stimmt Bild und Verse genau ab: mit seiner Passio Jesu Christi salvatoris mundi ein, Der Holzschnitt steht immer auf der prominenten sondern er präsentiert sie als Folge von 37 Einzel- rechten Seite, der Text passgenau auf der linken gedichten in 18 verschiedenen Versmaßen. Wie im Seite gegenüber. Chelidonius’ Passio ist zwar 1526 Titel betont wird, ist die Leidensgeschichte als Tat in Köln und in den Jahren zwischen 1514 und 1586 des Erlösers in die Menschheitsgeschichte von der mehrfach in Krakau nachgedruckt worden. Nie aber Weltschöpfung über den Sündenfall bis zum Jüng- hat sich ein Drucker an der konsequenten Anord- sten Gericht eingeordnet. Dem Inhalt und der nung von Bild und Text, wie sie Dürer in der Klei- Stimmung der Einzelszenen nuanciert angepaßt, nen Passion angewandt hat, orientiert. Weitaus öfter kann er ein erstaunlich breites Spektrum antiker als die Dichtung des Chelidonius’ wurden die Bilder Verse zum Einsatz bringen, indem er für erzählende Dürers rezipiert. Coelen geht davon aus, dass Lu- Passagen und moralisch-tadelnde Kommentierung ther sie meinte, als er „das alte Passional büchlein“ den Hexameter vorzieht, dagegen äolische Verse (Coelen, S. 31) als Vorbild für die Illustrationen für 98 99 sein Passional von 1529 erwähnte. Allerdings sollte nicatio aus dem Jahr 1518. Der päpstliche Bann 49 diese Schrift erst ab 1538 tatsächlich mit Kopien sollte den Reformator dann 1521 tatsächlich treffen. MARTIN LUTHER Ein Sermon von der Betrachtung nach Holzschnitten Dürers geschmückt werden Lit.: Marienleben, S. 14, S. 168, Nr. 50; Lipowsky, Katrin und des heiligen Leidens Christi Claudia Wiener: Pia carmina cum figuris. Dürers Zusammenar- Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg, 1521. 4° Ein Motiv aus der Kleinen Passion findet sich schon beit mit dem Dichter Benedictus Chelidonius. In: Marienleben, Ausgestellt: Titelblatt mit Maria und Johannes unter frühzeitig in einem Lutherdruck: der Schmerzens- S. 39-55, S. 42-51; SMS II, S. 280-285, S. 286-287, Nr. 186; dem Kreuz, Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä.? mann. Der Leipziger Drucker Valentin Schumann Coelen, S. 21-63; Dürer III, Nr. 22; WA I (1883), S. 634-643, MOS, OS 1101 verwendete diesen als Titelholzschnitt für seinen bes. S. 636 (vgl. Exp. 50-53). Nachdruck von Luthers Sermo de virtute excommu- Der Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi, der 1519 erstmals erschien, beinhaltet eine scharfe „Kritik an der herkömmlichen Passionsfrömmigkeit“ (Mohr, S. 53). Zum einen wolle man sich unter zu Hilfenahme von „bildelein und büchlein, brieffen und creutzen“ (WA II, S. 136) bei der Versenkung in die Passion vor eigenem Leid schützen, zum anderen erregten sich andere allein über die Missetaten des Judas und der Juden: „Das mocht wol nit Christus leyden, sondern Judas und der Juden bösheyt bedacht heyßen“ (ebd.). Die wahre Frucht der Betrachtung der Leiden Christi könne nur in der „Selbst-, d. h. der Sündenerkenntnis“ (Mohr, S. 53) liegen. Der Mensch müsse darüber zutiefst erschrecken und verzagen, dass er es selbst sei, „der Christum alßo martert, dan deyn sund habens gewißlich than“ (WA II, S. 137). Nur durch Da Martin Luther damals zumindest keinen Nutzen die Gnade Gottes, nicht durch gute Werke oder Ab- darin sah, sich mit Hilfe von „bildelein“ in die Leiden lass könne er diese Erkenntnis erreichen und an- Christi zu versenken, ziert den schmalen Druck nur schließend frei werden, in dem er seine Sünden wie- auf dem Titelblatt ein Bild mit Maria und Johannes der Christus auflade: „Dan wirffestu deyn sunde unter dem Kreuz. Diesen Holzschnitt weisen alle von dir auf Christum, wan du festiglich gleubst, das Drucke des Sermons aus der Wittenberger Offizin seine wunden und leyden seyn deine sunde, das er Rhau-Grunenberg seit der Erstausgabe 1519 auf. sie trage und bezale ...“ (WA II, S. 140). Dodgson hat ihn zwar als „not very good“ (Dodgson II, S. 278, Nr. 10) klassifiziert, er habe aber so- Bis 1524 wurde diese Schrift in 25 deutschen viel von Cranachs eigenem Stil, dass er keine Werk- Drucken aufgelegt, nebst einer niederdeutschen, stattarbeit sein könne. Es müsse sich um eine sehr niederländischen und lateinischen Übertragung. frühe Arbeit des Meisters selbst handeln. Später sollte noch eine dänische Übersetzung 100 folgen. Dies gilt als Beleg, wie „sehr er [d.i. Luther] Lit.: WA II (1884), S. 131-142; Benzing Nr. 312-340; Mohr, damit dem geistlichen Bedürfnis des Volkes entge- Rudolf: Erbauungsliteratur III: Reformation- und Neuzeit. In: genkam“ (WA II, S. 131). TRE X, S. 51-80, S. 53f.; Dodgson II, S. 278, Nr. 10 101 50 52 1517 wird Johannes Bugenhagen das neu gegrün- auff der Cantzel, mit vielen vergeblichen worten, ALBRECHT DÜRER ALBRECHT DÜRER dete biblische Lektorat des Prämonstratenserstiftes wie sie möchten die zwietrechtigen Evangelisten Das Abendmahl Christus vor Kaiphas Belbuck bei Treptow an der Rega übertragen. Dort (wie sie meineten) vertragen. Solchs sahen und Monogrammierter Holzschnitt um 1508/1509 Monogrammierter Holzschnitt um 1508/1509 wurde er mit dem betrüblichen Umstand konfron- höreten guthertzige Menschen ungern, nemlich, aus der Kleinen Passion aus der Kleinen Passion tiert, dass zur Passionszeit Evangelienkonkordanzen das die heilige Schrifft sollte wider sich selbest sein, Separatdruck Separatdruck benutzt wurden, die keine einheitliche Darstellung und derwegen verdechtig, Die doch Gottes Wort MOS, D-133 MOS, D-138 der Leidensgeschichte ermöglichten: „In vorzeiten, ist, und bleibet war in ewigkeit“ (Exp. 53, Bl. A2r- da die Capelane unnd Terminarien, einmal des jars A3r). 51 53 musten die Passion Predigen, wurden Büchlein ge- JOHANNES BUGENHAGEN JOHANNES BUGENHAGEN schrieben und gedruckt, darinnen zusammen war Noch schlimmer stand es nach Bugenhagens Mei- Das Leiden und Aufferstehung unsers Herrn Jesu Das Leiden und Auferstehung unsers Herrn Jesu gezogen die Historia oder geschicht des leidens nung um die Auslegung der Auferstehung. „Dar- Christi, aus den vier Evangelisten fleißig zusammen Christi, aus den vier Evangelisten fleißig zusammen Christi aus den vier Evangelisten, welchs darumb umb verdros mich billich, das etlich wollten ... die gebracht. Auch die Verstörung Jerusalems und der gebracht. Auch die Verstörung Jerusalems und der hies Concordantia quatuor Evangelistarum de Pas- Schrifft verdechtig machen, besonders in dem orte, Juden Juden sione Christi. Es waren aber offt in solchen Concor- da unser höchster trost beschrieben ist“ (Exp. 53, Wittenberg: Georg Rhau, 1542. 8° Wittenberg: Johann Schwertel, 1575. 8° dantjis, das ist, in solchen vereinigungen, wie sie es Bl. A4v). Als bei seiner Bibellesung das Matthäus- Aufgeschlagen: Bl. E8r: Abendmahl, Holzschnitt in Aufgeschlagen: Bl. K2r: Christus vor Annas, seiten- nenneten, solche Discordantie, das ist Zwiespaltung evangelium an der Reihe war, beschloss Bugenhagen, Anlehnung an das Abendmahl Dürers aus der Klei- verkehrter Nachschnitt des Holzschnittes Christus [...] Das war mir kein wunder von den Leuten, weil die Geschichte vom Leiden und von der Auferste- nen Passion vor Kaiphas aus der Kleinen Passion Dürers sie auch viel zwietracht macheten zwischen den hung Christi gemäß den Evangelien für seine Hö- AvS, B 1608 AvS, 2976 Evanglisten, unnd marterten sich und die Zuhörer rerschaft neu zusammenzustellen. 1524 erschien Exp. 50 102 Exp. 51 Exp. 52 Exp. 53 103 seine lateinisch verfasste Leidensgeschichte Jesu un- anerkannt und 1529 eine Laienbibel – also eine Bil- 54 autorisiert in Nürnberg unter dem Titel Concordia derbibel – gefordert. In diesem Jahr erschien erst- Plenar evangelistarum de resurrectione et ascensione domini mals im Anhang seines Betbüchleins ein bebildertes [Augsburg: Günther Zainer], 4. April 1474. 2° im Druck. Mit Zustimmung Bugenhagens wurde Passional, dessen Vorbild laut Luther „das alte Pas- Aufgeschlagen: Gleichnis vom Pharisäer darauf der Wittenberger Diakon Johannes Mantellus sional büchlein“ (Coelen, S. 31) sei. Coelen hat es und Zöllner, Holzschnitt mit einer Übersetzung ins Deutsche beauftragt, die mit Dürers Kleiner Passion aus dem Jahr 1511 iden- MOS, OS 390 1526 im Druck vorlag: Die Historia des leydens und tifiziert. Nachschnitte und Adaptionen von der Aufferstehung unsers Herrn Jhesu Christi aus den Dürers Passionsfolge finden sich seit 1538 im Im Spätmittelalter verstand man unter einem Plenar vier Evangelisten. Lateinische wie deutsche Drucke Passional, aber auch in den beiden vorliegenden „eine nach dem Kirchenjahr geordnete Sammlung erschienen anfangs ohne Illustrationen. Erst die Ausgaben von Bugenhagens Leiden und Auferste- der biblischen Lesungen (Perikopen) für den Meß- Ausgabe des Wittenberger Druckers Peter Seitz aus hung unsers Herrn. Die Ausgabe von 1542, die bei gottesdienst der röm.-katholischen Kirche, also im dem Jahr 1534 weist eine Folge von 42 Holzschnit- Geisenhof nicht verzeichnet ist, variiert Dürers Grunde eine volkssprachliche Fassung des „lectiona- ten zu Passion und Auferstehung auf. In dieser Abendmahlsdarstellung mit der generellen Kompo- rum plenarium“ (Heinzer, S. 32). Häufig ist es er- Edition ist erstmals auch eine Abhandlung über die sition, dem rechteckigen Baldachin und dem Lieb- weitert – wie auch bei dem ausgestellten Druck – Zerstörung Jerusalems beigegeben, den spätere lingsjünger an der Brust Christi. In der Ausgabe von durch die Auslegung der Evangelientexte. So Ausgaben in der Regel übernehmen. Bereits seit 1575 finden sich neben älteren Holzschnitten sei- bezeugt es auch das Plenar selbst: „... ein plenari 1530 hatte man das 53. Kapitel des Propheten tenverkehrte, relativ getreue Nachschnitte, etwa nach ortenung der heilige[n] cristelichen kirchen Jn Jesaja aufgenommen. Christus vor Annas, wobei hier aber die Vorführung dem man hat epistel und ewangeli als die gesun- Christi vor Kaiphas als Vorlage diente. ge[n] und gelesen werden in dem ampt der heiligen Seit der Ausgabe von Peter Seitz wurde kaum auf messz/...“. Darüber hinaus wird betont, das es eine Illustrierung des äußerst populären Werkes ver- Lit.: Coelen, S. 21-63; Geisenhof, Georg: Bibliotheca Bugen- „Auff eyn jeglich ewangeli an dem suntag ein be- zichtet. Hatte doch Luther selbst bereits 1525 in hagiana. Bibliographie der Druckschriften des D. Joh. Bugen- sunder predigt“, (Bl. Ir) nämlich die Glossa enthält. seiner Schrift Wider die himmlischen Propheten, von hagen. Repr. of the ed. Leipzig 1908. Nieuwkoop, 1963. Den Druck des ausgestellten Plenars hat der Augs- den Bildern und Sakrament das Bedürfnis nach (Quellen und Darstellungen aus der Geschichte des Refor- burger Drucker Günther Zainer am 4. April 1474 sti auf. Sie werden auch nicht chronologisch einge- einer Illustration der Passion Christi als berechtigt mationsjahrhunderts 6), S. 102-173 beendet. Bereits im Jahr davor hatte das erste setzt, sondern ordnen sich der Abfolge der Lesun- deutschsprachige Plenar seine Presse verlassen. Für gen unter. diese Ausgabe hatte er eine Folge von 50 fast quadratischen Illustrationen in Holz schneiden lassen, Aufgeschlagen ist der Holzschnitt zum Gleichnis die jeweils beim Sonntagsevangelium eingerückt vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9-14). Die Illu- werden. Ein seitengroßer Titelholzschnitt zeigte stration aktualisiert die Geschichte, indem sie den zudem Jesus Christus. Auch das Plenar von 1474 selbstgerechten und heuchlerischen Pharisäer mit enthält diesen Buchschmuck bis auf eine Illustration, einer Mönchskutte bekleidet und den um Gnade deren Druckstock vielleicht schon verloren gegan- bittenden Zöllner in zeitgenössischer weltlicher gen oder beschädigt war. Die Illustrationsfolgen in Tracht zeigt. Beide verrichten ihr Gebet in einer den Plenarien, aber auch den Postillen und Evange- christlichen Kirche vor einem Flügelaltar. lienauslegungen sind meist umfangreicher als die 104 zur Vita Christi, nehmen sie doch auch zahlreiche Lit.: Heinzer, F.: Plenar. In: LgB2 VI (2003), S. 32-33; Gleichnisse, Heilungen und Unterweisungen Chri- Schramm II (1920), S. 11-12, Nr. 299-349 105 55 GUILLELMUS PARISIENSIS Postilla super epistolas et evangelia Basel: Michael Furter, 1511. 8° Aufgeschlagen: Der Sturm auf dem See Genezareth, Holzschnitt von Urs Graf AvS, B 1118 Die Postilla super epistolas et evangelia erschien allein Bereits 1509 hatte Urs Graf für eine Ausgabe des im 15. Jahrhundert in knapp hundert Ausgaben Basler Druckers Adam Petri eine noch umfassendere unter dem Namen des Dominikaners Guillelmus Folge für die Postilla geschaffen. Petri fügte seinem Parisiensis († um 1485/1486). Der Postille liegt Druck die erste Ausgabe der Passio domini nostri eine Schrift des Nürnberger Dominikaners Johannes Jesu Christi des Daniel Agricola (um 1490-um Herolt (um 1380?-1468) zugrunde, die Guillelmus 1540) bei. Für diese Passion schuf Urs Graf noch- nur überarbeitet hat. Das Originalmanuskript blieb mals 20 Holzschnitte. Auch Furter nimmt Agricolas ungedruckt, während die Bearbeitung erstmals Passio in seine Edition auf, bestellte aber bei Graf 1473 aufgelegt wurde. Herolt bezeichnete sich keine neuen Entwürfe, sondern ließ die alten Holz- selbst als discipulus, als Schüler. Seine Schriften schnitte kopieren. haben allein zum Ziel, Klerikern Materialien und Hilfestellungen für die Predigt an die Hand zu In der Postille sind die Illustrationen „Sturm auf geben. dem See Genezareth“ und „Das Gleichnis vom Sämann“ aufgeschlagen. Das Exemplar der Stadt- Ausgestellt wird eine Basler Ausgabe aus dem Jahr bibliothek Schweinfurt ist gründlich studiert wor- 1511. Der erste Teil zu den Episteln weist keine Il- den und über und über mit Annotationen versehen. lustrationen auf, der zweite Teil zu den Evangelien ist reich bebildert. Die insgesamt 58 Illustrationen Lit.: GW X (2000), Sp. 426-430; Worstbrock, Franz Josef: hat Urs Graf für die vorliegende Ausgabe entwor- Herolt, Johannes. In: Verfasserlexikon 3 (1981), Sp. 1123- fen. Einige werden wiederholt eingesetzt, dazu 1127; Hollstein XI (1977), S. 82-94, 107-113 kommen etliche ältere Holzschnitte. 106 107 56 JOHANNES GEILER VON KAYSERSBERG Evangelia mit Auslegung des hochgelehrten Doctor Kaysersberg und aus dem Plenarium Straßburg: Johann Grüninger, 28. Aug. 1517. 2° Aufgeschlagen: Bildinitiale D mit dem Zeugnis Johannes’ des Täufers, Holzschnitt, um 1515? MOS, OS 409 Das Evangelibuch des Straßburger Münsterpredigers noch als „predica[n]t des hohen stiffts zu Straßburg Geiler von Kaysersberg wurde posthum 1515 erst- der zeit“ (Bl. IIv) bezeichnet wird. Der Buch- mals aufgelegt. Ausgestellt ist die zweite Ausgabe schmuck des Evangelibuchs setzt sich aus zahlrei- von 1517, eine dritte und letzte Ausgabe erfolgte chen Holzschnitten unterschiedlicher Größe, Quali- 1522. Im Gegensatz zum Plenar oder auch der Po- tät und Entstehungszeit zusammen. Auch Dürers stilla des Guillelmus fehlen die Episteln. Auch wird Kanonblatt von 1493 findet hier seine vierte Ver- mehrfach betont, dass die Auslegungen der Evange- wendung. Auffällig sind eine Reihe großer Bild- lien „gesamlet“ seien „von de[m] mund des wirdi- initialen, die sicher nicht mehr als zeitgemäß gelten gen hoch gelerten doctor Johannes Geiler vo[n] konnten, aber so stimmig sind, dass sie wohl für das Kaysersberg“ und noch „nit getruckt waren“ (Bl. Evangelibuch angefertigt wurden. Aufgeschlagen ist IIv). Diese Wendung zeigt auch an, dass die Evan- die Bildinitiale D mit dem Zeugnis Johannes’ des gelienauslegungen Nachschriften von Hörern sind – Täufers. wie der größte Teil der Schriften Geilers. Aus dem Titel der Erstausgabe geht weiter hervor, dass die Lit.: Dürer II, Nr. 24; Kraume, Herbert: Geiler von Kaysers- Texte 1504 zusammengestellt wurden. Das mag berg. In: Verfasserlexikon II (1980), Sp. 1141-1152 erklären, warum der 1510 verstorbene Geistliche 108 109 57 MARTIN LUTHER Auslegung der Evangelien von Ostern bis auf Advent Bearbeitet von Stephan Roth Wittenberg: Georg Rhau, [1530]. 2° Aufgeschlagen: Christus lehrt das Volk, Holzschnitt des Monogrammisten AW MOS, OS 1262 Bereits 1519 forderte Friedrich der Weise Luther teils. Luthers Postillen verdrängten erfolgreich die auf, eine Postille zu verfassen. Aber erst im März spätmittelalterlichen Plenare und Evangelienbücher. 1521 konnten die Ennarrationes epistolarum et Sie weisen anfangs keine Illustrationen auf. Erst für evangeliorum, quas postillas vocant im Druck er- die Magdeburger Ausgaben von 1529/ 1530 schuf scheinen, die zudem nur die Adventszeit berück- Hans Brosamer (1495-1554) umfangreiche Illustra- sichtigten. Auf der Wartburg fasste der Reformator tionsfolgen. den Entschluss, die Postille ins Deutsche zu übertragen. Im März 1522 gab er eine überarbeitete Der ausgestellte Band vereint Sommer- und Festpo- deutsche Fassung der Adventspostille, im Monat stille aus dem Jahr 1530, die Georg Rhau in Witten- darauf die Weihnachtspostille heraus. Erst 1524 berg gedruckt hat. Sie enthalten Holzschnitte des nahm Luther die Arbeit an der Postille wieder auf. Monogrammisten AW, der im sächsischen Raum um Im Herbst des folgenden Jahres erfolgte die Druck- 1525 bis 1545 gewirkt hat. Seine vierzig bzw. drei- legung der Fastenpostille. Hier verwendete Luther unddreißig Illustrationen zum Sommer- und Festteil erstmals für die Auslegung bereits von ihm gehal- sind dabei unabhängig von den Holzschnitten tene Predigten. Noch 1525 wurden diese drei Po- Brosamers. Im Festteil ist zudem eine Cranach- stillen unter dem Titel Auslegung der Episteln und Illustration aus dem Alten Testament eingefügt. Evangelien vom Advent bis auf Ostern zur Winterpo- Das Bild zum fünften Sonntag nach Trinitatis aus stille vereint. Die fehlende Sommerpostille – von der Sommerpostille zeigt die Berufung der ersten Ostern bis auf Advent – stellte Stephan Roth (1492- vier Jünger nach Lukas 5,1-11. Im Vordergrund ist 1546) aus Drucken und Nachschriften der Predig- der lehrende Christus im Boot zu sehen. Im Mittel- ten Luthers 1526 zusammen. 1527 gab er nach grund der wunderbare Fischzug. demselben Muster eine Postille für die vornehmsten 110 Feste im Jahr heraus, 1528 erschien eine von ihm Lit.: Spehr, Christopher: Postillen. In: Luther-Lexikon, S. 551- überarbeitete, unautorisierte Fassung des Winter- 556; Nagler I (1919), Nr. 1486, S. 662-664 111 58 Hortulus animae, zu deutsch Seelenwurzgärtlein Nürnberg: Friedrich Peypus für Johannes Koberger, 8. Mai 1518. 8° Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Holzschnittrahmung Maria als Himmelskönigin von Hans Springinklee MOS, OS 11 Das Gebetbüchlein Hortulus animae, Seelengärtlein Szo unchristliche narheyt ynn den gepettlin tzu gott oder Seelenwurzgärtlein kommt Ende des 15. Jahr- unnd heyligen, den eynfelltigen eyngetrieben ist, hunderts auf. In Basel hatte man wohl bereits 1494 Und dennoch mit ablaß unnd rotten tittel hoch auf- eine Ausgabe geplant, für die Dürer bereits erste geblassen, dazu kostlich namen drauff geschrieben. Holzschnitte angefertigt hatte. Diese sollte aber nie- Eynß heyst Hortulus anime, das ander Paradißus mals ediert werden. 1498 erschien in Straßburg ein anime und szo fort an, das sie woll wirdig weren erster Druck des Hortulus, stark beeinflusst von der eyner starcken, gutter reformacion oder gar vertilget dortigen Laienbewegung der Gottesfreunde. Bis weren, wilchs urteyll ich auch felle ubir die Passional 1523 sollten über hundert weitere lateinische oder odder legenden bucher, darynnen auch viel tzusatz deutsche Ausgaben folgen. Das Seelengärtlein ist der teuffel eyngeworffen“ (WA X,2 (1907), S. 375). eine Mischung aus französischem Stundenbuch und privatem Gebetbuch. Es enthält daher „einen Kalen- Von den 62 Holzschnitten des ausgestellten Nürn- der, das kleine Marienoffizium, die sieben Bußpsal- berger Hortulus’ von 1518 stammen fünfzig von men, die Allerheiligenlitanei, die Suffragien und das Hans Springinklee, von denen 41 für diese Ausgabe Totenoffizium; daneben auch Morgen- und Abend- neu geschaffen wurden. Neun fanden bereits in gebete, Beicht-, Meß- und Ablaßgebete sowie Ge- einer früheren Auflage von 1516 Verwendung. Auf- bete zur Verehrung der Wunden Christi“ (Kamme- geschlagen ist das Titelblatt. Es zeigt Maria als rer, S. 175). Im Hortulus findet auch die spätmittel- Himmelskönigin auf der Mondsichel mit dem Chri- alterliche Marienverehrung starken Niederschlag. stuskind. Sie wird umgeben von Puttenköpfen, die aus Wolkenbändern hervorlugen. Eine Bordüre mit Das im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts so er- Grotesken rahmt die Mariendarstellung und das folgreiche Büchlein sollte aber die Reformation darunter befindliche schmale Schriftfeld, in das der nicht überleben. Gegen das Seelengärtlein und an- Titel rot eingedruckt ist. dere schädliche Büchlein übte Luther 1522 in der Vorrede zu seinem Betbüchlein scharfe Kritik: Lit.: Hollstein LXXV, Nr. 148, 166, 173, 175, 186-190; Holl- „Unter andern viel schedlichen leren unnd buchlin, stein LXXVI, S. 8-25, Nr. 199-239; Kammerer, Elsa: Hortulus da mit die Christen verfuret unnd betrogen unnd animae. Ein Marienbüchlein in Zusammenarbeit zwischen untzehlich mißglawben auffkummen sind, acht ich Nürnberg und Lyon (1511-1519). In: Marienleben, S. 175- nit fur die wenigsten Die bettbuchlin, darynnen so 183 mancherley iamer von beychten und sunde tzelen, 112 113 59 Der Gilgengart [Augsburg: Johann Schönsperger, um 1520]. 8° Aufgeschlagen: Gottvater erscheint König David, Holzschnitt von Jörg Breu MOS, OS 684 Das Büchlein genant der Gilgengart (Liliengarten) ten sind, „Maria auf der Rasenbank“ steht weiteren ist von der Offizin Schönsperger in Augsburg um Mariengebeten voran, „Gottvater erscheint König 1520-1521 in mindestens vier Auflagen gedruckt David“ ist vor die sieben Bußpsalmen gesetzt und worden. Für den Satz wurde eigens eine neue „Anna Selbdritt“ leitet zu den Annengebeten über. Schrifttype geschnitten, die eine verkleinerte Form Aufgeschlagen ist der Holzschnitt „Gottvater er- der berühmten Teuerdanktype für Kaiser Maximi- scheint König David“, der Jörg Breu zugeschrieben lian I. ist. Der Text wirkt daher wie handgeschrie- wird. ben. Der Eindruck eines kostbaren Manuskriptes wird auch durch Rahmenbordüren um die Illustra- Dem Schweinfurter Exemplar fehlen Titelblatt und tionen und ausgewählte Textseiten unterstützt, die zwei Holzschnitte. Es hat sich bisher keiner der vier sich an Stundenbücher im flämisch-burgundischen bekannten Ausgaben eindeutig zuordnen lassen. Stil des 15. Jahrhunderts orientieren. „Damit wird der Gilgengart, genau wie der Theurdanck, zu einer Lit.: New Hollstein Breu I (2008), S. 127-129, Nr. 179-182; nostalgischen Rekonstruktion spätmittelalterlicher New Hollstein Beck II (2007), S. 266-267, Nr. 371; Lauter- handschriftlicher Tradition“, urteilt Christiane Lau- bach, Christiane: Das Gebetbuch als Garten. Der „Gilgengart“ terbach (S. 1). Sie vermutet daher im Gilgengart ein für Kaiser Maximilian I. In: Germanisches Nationalmuseum: Auftragswerk Kaiser Maximilians I., das erst post- Kulturgut. Aus der Forschung des Germanischen Nationalmu- hum ausgeführt wurde. seums. III. Quartal 2004, H. 2, S. 1-2; Mazal, Otto: Gilgengartschrift. In: LgB2 III (1991), S. 173; Musper, L61, Nr. 44, Den acht Abteilungen des Gilgengarts werden je ein 46, 48, 588-602; Clemen, Otto (Hg.): Der Gilgengart. Augs- Holzschnitt vorangestellt. Musper hat alle Illustra- burg, Hans Schönsperger, c. 1520. Zwickau, 1913. (Zwickauer tionen für den Petrarkameister reklamiert, aber vier Facsimiledrucke 16) der Holzschnitte werden inzwischen Jörg Breu d. Ä. und einer Leonhard Beck zugeschrieben. Die Darstellung einer Beichte leitet die Beicht- und Ablassgebete ein, „Maria als Himmelskönigin“ ist den Gebeten zur Muttergottes vorangestellt, eine Trinitätsdarstellung geht den Dreifaltigkeitsgebeten voraus, mit der „Messe des Heiligen Gregor“ beginnen die Passionsgebete, auf eine Abendmahlsdarstellung folgen die Gebete, die vor der Kommunion zu verrich- 114 115 60 JACOB OTTER Betbüchlein für allerlei gemeine Anliegen der Kirche Straßburg: Wendelin Rihel d. Ä., 1539. 8° Aufgeschlagen: Die wunderbare Vermehrung des Weins auf der Hochzeit zu Kanaa, Holzschnitt von Hans Baldung Grien, 1537? MOS, OS 1446 Jakob Otter (um 1485-1547) war nach seinem Stu- Der Großteil der 36 Bilder zeigt Stationen aus der dium in Heidelberg seit 1507 Sekretär des Straßbur- Vita Christi von der Verkündigung bis zur Himmel- ger Münsterpredigers Geiler von Kaysersberg und fahrt Christi bzw. dem Pfingstwunder unter Einbe- Herausgeber von dessen Schriften. Nach Geilers ziehung von Gleichnissen und Wunderheilungen, Tod 1510 setzte er seine Theologiestudien in Frei- aber auch einige alttestamentarische Szenen sind burg i. Br. fort. 1522 wandte er sich dem Protestan- eingestreut. Die Holzschnitte gehören mit Aus- tismus zu. Nach mehreren Stationen wurde er 1532 nahme des älteren Pfingstwunders einer wesentlich durch die Vermittlung von Ambrosius Blarer (1492- umfangreicheren Bildfolge an, die Rihel 1540 in sei- 1564) nach Esslingen berufen. Er gilt als der Refor- ner Laienbibel verwenden sollte. Der Straßburger mator der schwäbischen Reichsstadt. Otter nahm Drucker griff damit Luthers Forderungen nach auf oberdeutscher Seite an den Verhandlungen über einer Bilderbibel für Laien frühzeitig auf. Bilder aus die Wittenberger Konkordie teil. der Laienbibel wurden nicht nur vorab in Otters Betbüchlein, sondern auch in Martin Bucers Kate- Sein Betbüchlein erschien 1537 erstmals in Straß- chismus von 1537 verwendet. burg bei Wendelin Rihel, ausgestellt ist die zweite Ausgabe von 1539. Otters Betbüchlein zählt „zu Ein Teil dieser Holzschnitte – vor allem die alttesta- den eindrucksvollsten Werken der evangelischen mentarischen Bilder – hat Mende Hans Baldung Gebetsliteratur“ (Schröder, S. 155). Es war zugleich Grien zugeschrieben, dabei aber die Frage nach der mit „vil hübschen vn[d] schönen figuren“ ge- Eigenhändigkeit bzw. der Werkstattarbeit offen ge- schmückt. In der Vorrede betont Otter, er habe lassen. Baldung gilt auch als Künstler der Titelbor- „diese gebettlin auffs eynfaltigst gestelt vo[n] den düre, die ebenfalls bereits Otters Betbüchlein ziert. hauptarticklen vnsers heylige[n] Christlichen glau- In die Architekturrahmung im Stil der Renaissance bens/ vnd den fürnemsten wercke[n] Christi Jesu ist unten Christus am Kreuz mit den beiden Schä- vnsers heylands/ auch anderen dingen/ so gemey- chern, oben der Auferstandene als Überwinder von ner verstandt wissen vnd stetig vben solle. Das wol- Tod und Teufel eingezeichnet. Seitlich halten Peter lest du Christlicher leser annemen, vn[d] dich in und Paul das Schriftfeld. Aufgeschlagen ist ein deinem anligen vnnd beschwerden dadurch zur an- Holzschnitt Baldungs mit der wunderbaren Ver- Lit.: Thum, S. 97-102; Schröder, Tilman M.: Jakob Otter und gen, 1999, S. 144-158; Zoepfl, Friedrich: Otter, Jakob. In dacht fürdern“ (Bl. Vv). Er geht in seiner Vorrede mehrung des Weines auf der Hochzeit zu Kanaa. die Reformation in Esslingen. In: Hermle, Siegfried (Hg.): Re- LThK VII, Sp. 1301; Mende, S. 62-64 und Nr. 471-525, 579- formationsgeschichte Württembergs in Porträts. Holzgerlin- 693 nicht auf die Funktion der Illustrationen ein. 116 117 61 JOHANNES GEILER VON KAYSERSBERG Alphabet in 23 Predigten Straßburg: Johann Grüninger, 6. März, 1518. 2° Aufgeschlagen: Du sollst Vater und Mutter ehren, Holzschnitt von Hans Baldung Grien, 1516? MOS, OS 1302 Hans Baldung Grien schuf für die Dekalogauslegung dritte, vierte und sechste Gebot zu finden sind. In des Marquard von Lindau († 1392) zehn Holz- dem ausgestellten Exemplar sind vom selben Autor schnitte, die der Straßburger Drucker Johannes Die Sünden des Munds (1518) vorgebunden, in Grüninger für seine Ausgabe von 1516 in Auftrag denen die Illustration zum zweiten Gebot einge- gegeben hatte. Sie gelten als Griens bedeutendste setzt wird. Buchillustrationen. Die Darstellungen werden von den bildfüllenden Gestalten mit ausdrucksstarken Aufgeschlagen ist in Geilers Alphabet der Holz- Gesichtern dominiert. Zeitgenössische Tracht und schnitt zum vierten Gebot „Du sollst Vater und Innenräume verlegen die Szenen ab dem zweiten Mutter ehren“. Sohn und Tochter, beide bereits er- Gebot in den Alltag um 1500. Hans Baldung Grien wachsen, knien vor den sitzenden Eltern. Zwischen stellt meist die Übertretung der göttlichen Vor- Vater und Sohn findet ein reger Disput statt, der schrift dar. seinen Grund vermutlich im fehlenden Respekt des Sohnes hat. Die Mutter verschränkt ihre Arme reso- Grüninger hat die Holzschnitte auch für andere lut vor der Brust. Publikationen genutzt, so etwa für Geiler von Kaysersbergs Alphabet in XXIII predigen aus dem Lit.: Thum, S. 95-97; 50 Jahre, Nr. 19; Buchillustration, Nr. Jahr 1518, in dem die Holzschnitte für das erste, 68; Mende, Nr. 421-430 118 119 62 63 MARTIN LUTHER MARTIN LUTHER Der Zehn Gebote nützliche Erklärung Deutscher Katechismus (Der große Katechismus) Basel: Adam Petri, 1520. 4° Wittenberg: Georg Rhau, 1532. 8° Aufgeschlagen: Du sollst den Namen des Herrn, Aufgeschlagen: 9. und 10. Gebot, Holzschnitte deines Gottes, nicht missbrauchen, Holzschnitt nach Lucas Cranach d. Ä. MOS, OS 857 MOS, OS 641 Seine Predigten zu den zehn Geboten aus den Jah- 64 ren 1516 und 1517 formte Luther zu einer lateini- MARTIN LUTHER schen „fortlaufenden Auslegung des Dekalogs um“ Enchiridion. Der kleine Katechismus (WA I, S. 394) und veröffentlichte diese 1518 unter Leipzig: Valentin Bapst, 1544. 8° dem Titel Decem praecepta Wittenbergensi praedicta Aufgeschlagen: 4. Gebot, Holzschnitt nach Lucas populo. Eine von Luther 1517 erwähnte deutsche Cranach d. Ä. Fassung gilt als verschollen, aber in Basel übertrug MOS, OS 1263 der Hebraist, Geograph und Theologe Sebastian Münster (1488-1552) das Werk des Reformators in Luther empfand frühzeitig die Notwendigkeit, die Katechismus geschaffen worden war, sondern viel- die Volkssprache. Der dort ansässige Drucker Adam hauptsächlichen Glaubensformeln für das Volk und mehr an die Hausväter, denen nach altem Herkom- Petri gab 1520 zwei Ausgaben dieser Übersetzung die Pfarrer in prägnanter, leichtfasslicher Form als men der Religionsunterricht der Kinder und des heraus, die er mit je einem Holzschnitt zu jedem Lehrbuch zu verbreiten. Kern dieser Unterrichtung Hausgesindes oblag. Dieser bestand weitgehend aus Gebot und einem Titelholzschnitt mit der Über- waren die drei herkömmlichen Stücke: Das Vaterun- dem Memorieren der Texte und Erläuterungen des gabe der Gebote an Moses versah. Diese Illustratio- ser, das Glaubensbekenntnis und die Zehn Gebote, Vaterunsers, des Glaubensbekenntnisses und der nen greifen eventuell auf ältere Vorlagen zurück. die mit Erläuterungen versehen wurden. Eine Zehn Gebote. Luther hatte den Text in Frage- und knappe Auslegung jener Stücke war durch Luther Antwortform gehalten, ein Wechselgespräch zwi- Aufgeschlagen ist der Holzschnitt zum zweiten schon 1520 in dem Büchlein Eine kurze Form der schen dem fragenden Hausvater und dem memorie- Gebot „Du solt nit üppiglich in munt nemmen den Zehn Gebote, des Glaubens und des Vaterunsers her- renden Kind beabsichtigend. Das dem Titel voran- namen gottes dynes herren“. Zwei Landsknechte ausgegeben worden. Diese Schrift übernahm Luther gestellte Enchiridion (gr.-lat.: in der Hand) weist spielen im Vordergrund an einem Tisch Karten. Der 1522 auch in sein Betbüchlein. Die Visitation der den Kleinen Katechismus als stets zu nutzendes Gewinner, der gerade ausbezahlt wird, hebt seine kursächsischen Gemeinden 1527 brachte jedoch an Handbuch aus. Rechte zum Schwur zum Gekreuzigten empor, Lit.: Thum, S. 57-59; WA I (1883), S. 394-398; Dommer, den Tag, dass die Unkenntnis in Glaubensfragen während ein dritter Landsknecht Christus sein Arrey von: Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek weiterhin groß war. In insgesamt 31 Predigten in Für den Katechismus schuf Lucas Cranach eine Schwert in die Brust stößt. Ein missbräuchlich zu 1516 - 1523. Leipzig, 1888, S. 226 der Stadtkirche zu Wittenberg behandelte Luther Holzschnittfolge, die auf die vorreformatorischen Gott schwörender Spieler kommt bereits in der De- daher die Hauptstücke des christlichen Glaubens Illustrationen mit ihren profanen Alltagsszenen zu- kalogfolge des Augsburger Druckers Anton Sorg ausführlich und bereitete somit den Deutschen gunsten alttestamentarischer Historien verzichtet. 1478 vor. (Großen) Katechismus vor. Er erschien am 23. April Der erste Holzschnitt zeigt die Übergabe der Geset- 1529 im Druck. Als weitere Hauptstücke umfasste zestafeln und den Tanz um das goldene Kalb. Die- er nun Abendmahl und Taufe. Im selben Jahr wurde ses Motiv war auch zuvor durchaus üblich. Das auch Der Kleine Katechismus erstmals in Form eines zweite Gebot wird durch die Steinigung eines Tafeldruckes aufgelegt. Er sollte in aller Kürze als Gotteslästerers angezeigt (Lv XXIV,16). Ein Mann, Leitfaden dienen. Er wendete sich weniger an die der am Feiertag Holz sammelt, repräsentiert die gemeinen Pfarrer und Prediger, für die der große Übertretung des dritten Gebots (Nm XV,32-36). 120 121 Noahs Trunkenheit steht für das vierte Gebot: Ham immer wieder kopiert werden. Auch in den beiden sieht, dass sein Vater im Rausch eingeschlafen war ausgestellten Katechismen sind die Illustrationen und sich entblößt hatte. Er erzählt es seinen Brü- Kopien der Cranach’schen Originale. Die Dekalog- dern Sem und Jafet. Diese betreten rückwärts mit bilder sind „Cranachs einziger Holzschnittzyklus zu einem Mantel das Zelt Noahs und bedecken ihn, einem speziellen Stück protestantischer Kirchen- ohne seine Blöße zu erblicken. Die Tötung Abels lehre“ (Cranach I, S. 368) geblieben. steht für das fünfte und die Geschichte von David und Bathseba für das sechste Gebot. Der Diebstahl Aufgeschlagen sind im Deutschen Katechismus die des Achan (Jos VII,19-21) illustriert das siebte Bilder zu den beiden letzten Geboten und im Klei- Gebot. Die Verleumdung der Susanna durch die nen Katechismus Noahs Trunkenheit als Vergleich beiden Alten markiert das achte Gebot. Für das zu Baldungs Holzschnitt zum vierten Gebot. neunte Gebot wird die Teilung der Herden von Jakob und Laban (Gn XXX) und für das zehnte Lit.: Johannes Schilling: Katechismen. In: Lutherlexikon, S. Josephs Flucht vor dem Weib Potiphars gewählt. 336-338; Cranach I, S. 366-369 und Nr. 255; WA XXX,1 Diese Holzschnittfolge sollte sich durchsetzen und (1910), S. 426-474 122 123 65 Das Symbolum oder gemeine Bekenntnis der zwölf Apostel, darin der Grund gelegt ist des christlichen Glaubens, aufs kürzeste ausgelegt und erkläret Wittenberg: Georg Rhau, 1539. 2° Aufgeschlagen: Das Martyrium des Apostels Thomas, Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä., um 1512 MOS, OS 1023 Seit 1547 gab der Wittenberger Drucker Georg geschaf fen. Dazu gesellen sich Holzschnitte anderer Rhau seinen Hortulus animae oder Lustgarten der Künstler, etwa aus Luthers Katechismen. Die alten Seelen (vgl. Exp. Nr. 58) heraus, mit dem neben Bilder mussten nun einem neuen Kontext angepasst „einigen anderen ... Schriften die Andachtsliteratur werden. Vor allem die Heiltumsillustrationen wur- der neuen protestantischen Bürgergemeinden“ den umgearbeitet und beschnitten, „weil das Inter- (Cranach I, S. 395) begründet wurde. Im Anhang esse nicht mehr dem kostbaren Reliquienbehälter, findet sich das Symbolum der zwölf Apostel – also das sondern dem auf dem Schaustück angebrachten Apostolische Glaubensbekenntnis. Dieses hatte biblischen Thema gilt“ (Cranach I, S. 396). Mitun- Rhau bereits ab 1539 separat aufgelegt. Beide Titel ter erhielten die Bilder durch andere Überschriften griffen damit vorreformatorische Formulierungen einen neuen Bildinhalt. Ein Beispiel dafür ist im auf. Der Hortulus animae stellte unter diesem alten Symbolum die Verwendung des Holzschnittes mit Titel aber reformatorisches und allgemein anerkann- dem Martyrium des Paulus für die Darstellung des tes christliches Schriftgut zusammen. Wie die ausge- Todes des Matthäus. Das Bild zeigt aber eindeutig stellte Ausgabe des Glaubensbekenntnisses war er drei Quellen. Sie begannen an den Stellen zu spru- für „die Leyen und einfeltigen“ (Bl. A1r) gedacht. deln, an denen das abgeschlagene Haupt des Paulus die Erde berührte. Beim Evangelisten Matthäus ist Das Glaubensbekenntnis gliedert sich bei Rhau in hingegen umstritten, ob und wie er das Martyrium zwölf Artikel, während Luther das Credo in trinita- erlitten hat. Die massiven Umformungen und Um- rischem Sinne nur in drei Artikel eingeteilt hatte. deutungen der Holzschnitte im Seelenlustgarten Die alte Aufteilung war bei Rhau wohl der Illustra- und Credo haben Dietmar Koepplin und Tilman tion geschuldet, denn er zog die um 1512 entstan- Falk die Frage aufwerfen lassen, „wie nahe man hier dene Folge Cranachs d. Ä. mit dem Martyrium der am Ausgangspunkt einer neuen protestantischen Apostel zur Bebilderung heran. Auch der Buch- Ikonographie steht“ (Cranach I, S. 396 und Nr. schmuck des Hortulus animae setzt sich aus Holz- 274). schnitten älterer Zeit zusammen. Zu einem großen Teil stammen sie aus dem Wittenberger Heiltums- Lit.: Cranach I, S. 395-396 und Nr. 274; Cranach II, Nr. 425- buch, in dem 1509 die Reliquien der sächsischen 436; Wengert, Timothy: Glaubensbekenntnis. In: Luther-Lexi- Kurfürsten beschrieben worden waren. Für diese kon, S. 261-263 Schrift hatte Cranach ebenfalls die Illustrationen 124 125 1514 begann auch Dürer mit einer Apostelserie, die Während Cranach den Apostel Thomas während er allerdings nie fertigstellen sollte. Nach den Kup- des Martyriums darstellt – ein Soldat sticht dem ferstichen mit Paulus und Thomas geriet die Arbeit Zurückweichenden gerade mit einer Lanze in die ins Stocken und wurde erst 1523 wieder aufgenom- Seite –, erscheint er auf dem Kupferstich Dürers als men. Nun entstanden drei weitere Blätter mit statuarische Gestalt mit wallendem Bart. In der Lin- Simon, Bartholomäus und Philippus. Die Platte mit ken hält er ein Buch, das allgemeine Attribut aller Philippus hat Dürer drei Jahre später überarbeitet Apostel, in der Rechten eine Lanze oder Saufeder und deren Datierung in 1526 abgeändert. Damit als individuelles Attribut und Hinweis auf sein Mar- bricht die Folge ab. Allerdings hat Dürer in seinen tyrium in Indien. Thomas wendet sein Gesicht ab, beiden letzten Lebensjahren überhaupt keine Kup- das wie ein Großteil seines Gewandes verschattet ist. ferstiche mehr geschaffen. Die imposante Erscheinung steht frei vor dem weißen Hintergrund, das Haupt umfangen von einem Dass Dürer als Pedant zu Paulus nicht Petrus als fast überdimensionierten Nimbus. Im Gegensatz zweites Blatt geschaffen hat, hat Verwunderung aus- dazu verzichtet Dürer bei den drei letzten Blättern gelöst. Die lange Pause nach den beiden ersten auf die Heiligenscheine. Er steigert die Monumen- Kupferstichen führt Mende auf die Vielzahl bedeu- talität der Figuren nochmals durch eine Verein- tenderer Projekte und Aufträge zurück, die der fachung der voluminösen Gewänder und durch die Nürnberger Künstler in jener Zeit ausgeführt hat, Aufgabe des Kontraposts. In diesem Zusammen- den Abbruch der Arbeiten auf die generell verän- hang ist „immer auf den neuen Ernst der jüngeren derte Einstellung zu Marien- und Heiligenbildern, Apostel hingewiesen“ und dies als möglicher Aus- im besonderen aber auf die Einführung der Refor- weis „für ein neues Verständnis des Heiligenbildes“ mation in Nürnberg im Jahr 1525. Die zwischen- (SMS I, S. 231) verstanden worden. zeitlich entstandenen Apostelfolgen von Hans Sebald Beham oder Hans Baldung Grien hätten Der Apostel Bartholomäus aus dem Jahr 1523 trägt 66 67 zudem die Nachfrage weitgehend gesättigt. Ein ebenfalls ein Buch und erhebt in der Linken ein ALBECHT DÜRER ALBECHT DÜRER Blick auf die Buchgraphik dieser Zeit lässt eine ge- Messer, mit dem ihm bei lebendigem Leib die Haut Der Apostel Thomas Der Apostel Bartholomäus nerelle Verdrossenheit an der Darstellung der Apo- abgezogen worden sein soll. Mit festem Blick schaut Monogrammierter und datierter Kupferstich, 1514 Monogrammierter und datierter Kupferstich, 1523 stel nicht erkennen. In Titelrahmungen (Exp. 70- er den Betrachter mahnend an. Der Baumstamm im MOS, D-50 MOS, D-45 72) sind sie selbst in Wittenberg oft anzutreffen Hintergund verleiht ihm noch größere Standfestig- und scheinen eher ein willkommener Ersatz für die keit. Kirchenväter zu sein. In Lutherbibeln werden sie von Anfang an zu Beginn der von ihnen verfassten Lit.: SMS I, S. 189-190 und Nr. 74, 75, 95, 96, 100; Dürer Evangelien und Briefe abgebildet. Und auch die III, Nr. 9 Aufnahme der alten Folge Cranachs in das Apostolische Glaubensbekenntnis (Exp. 65) lässt nicht auf eine Abnutzung dieser Motive schließen. 126 127 68 elemente seien erst mit dem Bau von Fontainebleau De Biblie vth der vthlegginge Doctoris Martini Luthers nach Frankreich gelangt – datierte sie den Holz- Niederdeutsche Übertragung von schnitt auf frühestens 1534. Sie stimmte allerdings Johann Bugenhagen zu, dass das Motiv „Gesetz und Gnade“ überkon- Lübeck: Ludwig Dietz, 1533 / 1. April 1534. 2° fessionell und über das 16. Jahrhundert hinaus ver- Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Holzschnittrah- wendet wurde. Eine Entstehung sei aber trotzdem mung Gesetz und Gnade (Gesetz und Evangelium) im Wittenberger Umkreis anzunehmen. Der dezi- von Erhard Altdorfer (Prager Typ) diertere Gothaer Typ sei vor allem in Sachsen, der MOS, OS 22 Prager Typ im restlichen Deutschland und weiten Teilen Europas verbreitet gewesen. Das früheste da- 69 tierbare Bild ist ein Holzschnitt in einer Schrift des MARTIN LUTHER Urbanus Rhegius Vom heiligen Sakrament des Altars, In primum librum Mose enarrationes die 1525 in Leipzig gedruckt wurde. Diese Illustra- Wittenberg: Peter Seitz d. Ä., 1544. 2° tion antizipiert aber nur die rechte Seite des Motivs, Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Holzschnittrah- die Seite der Gnade und des Neuen Bundes. mung Gesetz und Gnade (Gesetz und Evangelium) von der Cranachwerkstatt (Gothaer Typ), 1541 In der Mittelachse des Motivs „Gesetz und Gnade“ AvS, B 84 steht ein Baum. Er ist auf der linken Seite kahl, auf der rechten steht er in vollem Laub. „Diese, auf 128 Das Bildthema „Gesetz und Gnade“ oder auch mittelalterliche Bildtraditionen u. a. der Kreuzes- „Gesetz und Evangelium“ galt lange Zeit als eines allegorien rekurrierende Darstellungsform stellt der wenigen, das als spezifisch protestantisches neuerlich die öde Ausweglosigkeit des Gesetzes der Motiv in der Reformation entwickelt wurde. In ihm ‚aufkeimenden‘ Hoffnung auf die Erlösung im „findet die Zusammenarbeit von Künstler und Neuen Testament gegenüber“ (Fleck, S. 16). Auf Theologe […] ihren komprimiertesten Ausdruck“ den beiden Hälften des Bildes werden Szenen aus (zit. nach Weniger, S. 115). Matthias Weniger hat dem Alten und Neuen Testament gegenübergestellt. dem 2004 widersprochen. Er war der Ansicht, die Zur Seite der Gnade und des Neuen Bundes gehört früheste Rezeption eines verschollenen Urtyps von in der Regel die Kreuzigung als Verweis auf den „Gesetz und Gnade“ in einem französischen Holz- Opfertod Christi, der Sieg des Auferstandenen über schnitt gefunden zu haben, der aufgrund seiner den Tod, eventuell auch über den Teufel und die Marke aller Wahrscheinlichkeit nach als Verlagspro- sog. Emanuelszene. Letztere zeigt Maria auf dem dukt des Pariser Humanisten und Kunsthändlers Berg Zion, wie sie Christus in Form des Logos- Geoffrey Tory (1480-1533) angesehen werden knaben empfängt. Auf der Seite des Alten Bundes dürfe. Er sei chronologisch vor den beiden Gemäl- darf der Sündenfall nicht fehlen. Beim Prager Typ den Lucas Cranachs d. Ä. aus dem Jahr 1529 anzu- erscheint darüber die Übergabe der Gesetzestafeln setzen, die sich in Gotha und Prag befinden und an Moses, während der Gothaer Typ Moses mit den nach denen die beiden Hauptvarianten von „Gesetz Tafeln in einer Gruppe mit Propheten in der Nähe und Gnade“ als Gothaer und Prager Typ bezeichnet des Baumstammes platziert. Oberhalb von Adam werden. Miriam Fleck hat zuletzt den zeitlichen und Eva wirkt dann Jesus als Weltenrichter. Als Vorrang des französischen Holzschnittes verneint. weiteres Gegensatzpaar wird häufig die Darstellung Aus stilistischen Gründen – bestimmte Schmuck- der ehernen Schlange mit der Verkündigung an die 129 Hirten kombiniert. Die eherne Schlange kann mung für die erste niederdeutsche Lutherbibel, die aber auch in die Nähe der Gnadenseite rücken. Im 1533/1534 in Lübeck gedruckt wurde, vertreten. unteren Teil des Bildes liegen die hauptsächlichen Zum ersten Mal erscheint hier das Motiv „Gesetz Unterschiede der beiden Bildvarianten. Beim Prager und Gnade“ auf dem Titelblatt der Heiligen Schrift. Typ sitzt der sündige Mensch mittig unter dem 1541 wurde zum einzigen Mal eine niederdeutsche Baum, der Körper der Seite des Alten, der Kopf der Lutherbibel in Wittenberg selbst aufgelegt. Die Seite des Neuen Bundes zugewandt. Ein Prophet Cranachwerkstatt schuf hierfür einen Titelrahmen, und Johannes der Täufer verweisen ihn gemeinsam der dem Gothaer Typ folgt und in der Hölle auf den Gekreuzigten. Links unten steht dann auf schmorende Würdenträger der alten Kirche zeigt. der Seite des Gesetzes ein Sarkophag als Symbol des Todes. Der Gothaer Typ scheidet die beiden Bild- Lit.: Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expres- hälften stärker. Auf der Seite der Gnade verweist sive in der Kunst um 1500. Städel Museum, Frankfurt am Johannes der Täufer den Sünder wiederum auf Main, 5. November 2014 - 8. Februar 2015, Kunsthistorisches Christus am Kreuz. Ein Blutstrahl aus der Seiten- Museum Wien, 17. März 2015 - 14. Juni 2015. Herausgege- wunde trifft diesen und rechtfertigt ihn. Auf der an- ben von Stefan Roller und Jochen Sander. München 2014, S. deren Seite aber wird der Sünder von Tod und Teu- 94, Nr. 34; Fleck, Miriam Verena: Ein tröstlich gemelde: Die feln in den Höllenschlund getrieben. Moses und die Glaubensallegorie „Gesetz und Gnade“ in Europa zwischen Propheten können diesem Geschehen nur tatenlos Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Korb 2010. (Studien zur zusehen. Beim Gothaer Typ kann dabei auch kon- Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 5), fessionelle Polemik zum Vorschein kommen, wenn S. 13-43, S. 444-445, Nr. 10, S. 457, Nr. 41, S. 461, Nr. 49; bereits Papst und Bischof in der Hölle schmoren, Reinitzer, Heimo: Gesetz und Evangelium. Über ein reforma- oder ein Teufel in Kardinalstracht den Sünder ins torisches Bildthema, seine Tradition, Funktion und Wirkungs- Feuer treibt. geschichte. 2 Bde., Hamburg 2006, S. 226, Nr. 200, S. 457458, Nr. 790, S. 464, Nr. 806; Büttner, Frank und Andrea Johannes der Täufer als Mittler zwischen Altem und Gottdang: Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung Neuem Testament spielt bereits in Predigten Lu- von Bildinhalten. München 2006, S. 39; Weniger, Matthias: thers eine bedeutende Rolle. Sie kommt stärker im „Durch und durch lutherisch“? Neues vom Ursprung der Bil- Prager als im Gothaer Typ zum Tragen: „Die der von Gesetz und Gnade. In: Münchner Jahrbuch für Bil- Schriftt tzeygt Johannes alßo, das er stehe ym mittel dende Kunst 2004, S. 115-134; Mühlen, Reinhard: Die Bibel des alltten und newen testaments, das er sey ein mit- und ihr Titelblatt. Die bildliche Entwicklung lutherischer Bi- ler tzwischen Mosi und Christo, das ist ein groß beldrucke vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Würzburg, 2001 ding und uber alle werck zu heben“ (zit. nach (Theologische Studien 19), S. 32-36; Gesetz und Gnade. Mühlen, S. 36). Cranach, Luther und die Bilder. Ausstellung im Cranach-Jahr 1994. Eisenach, Museum der Wartburg, 4. Mai - 31. Juli, Der Prager Typ ist in der Ausstellung mit Erhard Torgau, Schloss Hartenfels, 25. August - 6. November [1994]. Altdorfers (nach 1480-nach 1561) Holzschnittrah- Eisenach 1994 130 131 70 IOANNES CHRYSOSTOMUS In totum Geneseos librum homiliae sexagintasex Basel: Andreas Cratander, September 1523. 2° Aufgeschlagen: Titelblatt mit zwei Metallschnittleisten von Hans Holbein d. J. AvS, 3457 Die Genesisauslegung des Heiligen Chrysostomus gedruckten Evangelienkommentare Commentarii in der lateinischen Übersetzung des Basler Reforma- initiatorii in quatuor evangelia. Das Bild greift tors Johannes Oekolampadius (1482-1531) erschien dezidiert Lefèvres Auffassungen auf. Im Kommentar im September 1523 in Basel bei Andreas Cratander. zu Matthäus (XVI,9) hatte er seiner Überzeugung Die Titelblattrahmung setzt sich aus vier Leisten zu- Nachdruck verliehen, „dass der in den Evangelien sammen, von denen zumindest die obere und un- und durch die Apostel verkündete Glaube der tere von Hans Holbein d. J. entworfen und von Schlüssel zur Erlösung sei.“ Darauf – so Christian Jakob Faber in Metall geschnitten worden sind. Sie Rümelin – „sei zurückzuführen, dass alle zwölf ur- zeigen oben Christus als Fürbitter vor Gottvater sprünglichen Apostel einen Schlüssel tragen. Als und unten den Apostelabschied. Die seitlichen dreizehnter ist Paulus zu ihnen hinzugestossen, und Leisten bestehen aus von Putten gehaltenen Säulen. Matthias ersetzt Judas Ischarioth“ (Holbein, S. Bei späteren Titelblättern sind die Säulen durch die 453). Der Metallschnitt mit Christus als Fürbitter ist vier Evangelistensymbole ersetzt. in der vorliegenden Ausgabe eventuell das erste Mal verwendet worden. Die Leiste mit dem Apostelabschied ist für eine Schrift des französischen Theologen und Huma- Lit.: Holbein, S. 453-455, Nr. D-14; Hollstein XIVa (1988), S. nisten Jacques Lefèvre d’Étaples (um 1450/55- 89, Nr. 53a, S. 102, Nr. 57a 1536) entstanden: die im März 1523 bei Cratander 132 133 71 MARTIN LUTHER Auslegung der Episteln und Evangelien, die nach Brauch der Kirche gelesen werden, vom Christtag bis auf den Sonntag nach Epiphanie Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg, 1522. 4° Aufgeschlagen: Titelblatt AvS, 2885 Ausgestellt ist der Erstdruck von Luthers Weih- stille wird mit einer Bordüre versehen, die auf den nachtspostille. Ihr vorgebunden ist in diesem Exem- theologischen Inhalt verweist. Oberhalb des Schrift- plar die Adventspostille in der ersten lateinischen feldes erscheint der Gekreuzigte flankiert von den und in der ersten deutschen Ausgabe von 1521 bzw. Symbolen der Evangelisten Lukas und Johannes, 1522 (s. Exp. 57). Als Buchschmuck weisen alle unterhalb das sächsische Wappen begleitet vom drei Drucke nur eine Titelbordüre oder Zierinitialen Markuslöwen und dem Engel des Matthäus. Seitlich auf. Für die beiden Ausgaben der Adventspostille rahmen Peter und Paul das Titelfeld. Die Bordüre wählte der Drucker Johann Rhau-Grunenberg eine trägt unten auch das Monogramm des Drucker IG Rahmung der Cranach-Werkstatt mit spielenden und die Datierung 1522. und musizierenden Putten und den Wappen von Sachsen und Wittenberg. Erst die Weihnachtspo- 134 Lit.: Cranach I, Nr. 214; Luther, Nr. 4 und Nr. 9 135 72 MARTIN LUTHER Auslegung der Evangelien von Ostern bis auf Advent Wittenberg: Hans Lufft, 1527. 2° Aufgeschlagen: Titelblatt mit Holzschnittrahmung von Georg Lemberger AvS, 2139 Ausgestellt ist eine Ausgabe von Luthers Sommer- Engelsgloriole umgeben, darunter der halb verweste postille aus dem Jahr 1527, der eine Festpostille Schädel Adams“ (ebd.). Die Gloriole trennt den desselben Jahres nachgebunden ist (s. Exp. Nr. 57). Gekreuzigten von Lukas und Johannes, die ihre Auch ihr Buchschmuck beschränkt sich auf das Evangelien im Freien niederschreiben. Johannes er- Titelblatt. Die „besonders prächtige Titeleinfassung“ blickt zudem in einer Vision die Mutter Gottes. (Reindl Bd. 2, S. 69) hat Georg Lemberger 1526 Ihre Symbole, der Stier und der Adler, werden vom für eine niederdeutsche Gesamtausgabe der Lu- Kreuz überschnitten. Die seitliche Rahmung glie- ther’schen Evangelienpostille geschaffen. In der dert sich in zwei Etagen. Oben links und rechts sind Mitte oben erscheint Christus mit weit ausgebreite- Petrus und Paulus postiert, darunter Judas Thad- ten Armen, umgeben von einem Schriftband: „ITE däus und Jacobus. IN ORBEM, VNIVERSVM ET PREDICATE EVANGELION“. Zwei Säulen trennen ihn von Lit.: Reindl, Isabel Christina: Georg Lemberger, ein Künstler den Schreibstuben der Evangelisten Matthäus und der Reformationszeit – Leben und Werk. Bd. 1-2, Bamberg, Markus und ihren Symbolen zu beiden Seiten. 2006, Bd. 2, S.69, Nr. 1526.1 (http://www.opus-bayern.de/ „Unten mittig“ steht „das Kreuz Christi, von einer uni-bamberg/volltexte/2010/253/) 136 137 73 MARTIN LUTHER Von der heiligen Taufe. Predigten Wittenberg: Georg Rhau, 1535. 4° Aufgeschlagen: Titeleinfassung mit dem Löwenkampf Samsons. Holzschnitt von Lukas Cranach d. Ä. und Werkstatt AvS, B 355 Die Zusammenstellung einiger Predigten Martin für diese Schrift entstanden, passt das Motiv gut zu Luthers zum Sakrament der Taufe erschien 1535 in der Thematik der Predigten. Gilt doch der Löwen- drei Ausgaben bei Georg Rhau. Dass der Reforma- kampf Samsons als typologischer Verweis auf die tor die Sammlung nicht selbst veranlasst hat, Überwindung von Tod und Teufel durch Christus. schließt man aus einer Bemerkung in der Vorrede: Die populäre Bordüre hatte Georg Rhau bis 1546 „Darümb las ich mir auch gefallen, das diese meine in Gebrauch, von 1542 bis 1545 nutzte sie auch der predigte, ausgehen, zu ehren der Heiligen Tauffe“ Wittenberger Drucker Nickel Schirlentz. Der Ent- (Bl. a2v). Caspar Cruciger (1504-1548) ist als Her- wurf der Löwenkampfszene wird Lukas Cranach d. ausgeber dieser recht freien Mitschriften lutheri- Ä. zugewiesen, der ornamentale Teil der Rahmung scher Predigten vermutet worden. gilt als Werkstattarbeit. Der Drucker Georg Rhau schmückte alle drei Auf- Die Predigten von der Taufe sind Teil eines Sam- lagen mit einer Titelbordüre, die er bereits seit 1532 melbandes mit acht reformatorischen Schriften aus verwendet hat. Das Titelfeld erscheint hier in einem Wittenberg der Jahre 1531 bis 1540. Architekturrahmen, darunter bleibt aber ein rechteckiges Feld frei für die Darstellung des Kampfes Lit.: Cranach I, S. 387-388, Nr. 215, 216; Benzing, Nr. 3124- Samsons mit dem Löwen. Obwohl sicherlich nicht 3126; Luther, Nr. 31; WA XXXVII (1910), S. XLIIIf. 138 139 74 Confessio fidei exhibita invictiss. Imp. Carolo V. Caesari Aug. in Comitiis Augustae Anno M.D.XXX. Addita est Apologia confessionis Wittenberg: Georg Rhau, 1540. 4° Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Titelrahmung Kampf Davids gegen Goliath, Holzschnitt der Cranachwerkstatt, 1532? MOS, OS 1144 Diese Ausgabe der Confessio Augustana, des Augs- wiederum ein architektonisches Element die Bor- burgischen Bekenntnisses, erschien 1540 mit der düre. Apologie Philipp Melanchthons in Wittenberg bei Georg Rhau. Die Titeleinfassung der Cranach- Georg Rhau verwendete die Einfassung von 1532 Werkstatt zeigt in einer weiten Landschaft, wie bis 1541, Nickel Schirlentz nochmals 1542. 1534 David mit Mühe das Schwert Goliaths ergreift, um findet man sie auch in Drucken von Hans Weiss. ihm den Kopf abzuschlagen. Obwohl sich der Landschaftshintergrund bis zu Beginn des Titelfeldes Lit.: Cranach I, S. 388, Nr. 265; Luther, Nr. 30 hochzieht, ziert mit dem Giebel über der Titelei 140 141 75 Kirchenordnung zum Anfang, für die Pfarrherrn in Herzog Heinrichs zu Sachsen Fürstentum. Wittenberg: Hans Lufft, 1539. 4° Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Titelrahmung Guter Hirte AvS, 3236 Mit der zweiten von Herzog Heinrich von Sachsen Die Wittenberger Drucker Hans Lufft, Hans Weiss (1473-1541) im Jahr 1539 angeordneten Kirchen- und Joseph Klug hatten die Titeleinfassung zwi- visitation wurde die vorliegende Kirchenordnung schen 1533 und 1539 gleichzeitig in Gebrauch. eingeführt, die später stark erweitert werden sollte. Eventuell hat auch Georg Rhau den Druckstock In seiner nur kurzen Regierungszeit führte Heinrich zeitweise in Besitz. Die sächsische Kirchenordnung den Protestantismus in seinem Fürstentum ein. Die ist eine der letzten Schriften, die auf diese aussage- Titeleinfassung lässt nur ein kleines Schriftfeld frei, kräftige Bordüre zurückgreifen konnte. Sowohl das darunter ist überlebensgroß Christus als guter Hirte Motiv des guten Hirten als auch der Umstand, dass mit einem Schaf über den Schultern dargestellt. An Justus Jonas und Caspar Cruciger zu den Unter- beiden Seiten und unten mittig finden sich Medail- zeichnern der Vorrede gehören, lässt die Entschei- lons, in die Embleme und Monogramme von füh- dung für diese Bordüre als plausibel erscheinen. renden Reformatoren eingezeichnet sind: oben links Frühere Zuschreibungen des Holzschnittes an die Lutherrose und ML für Martin Luther und dar- Georg Lemberger oder gar Lucas Cranach d. Ä. unter der Walfisch mit Jonas und II für Justus Jonas, sind nicht aufrecht zu erhalten. dem Lutheremblem gegenüber die eherne Schlange und PM für Philipp Melanchthon, darunter die Lit.: Luther, Nr. 38; Mejer, Wolfgang: Der Buchdrucker Hans Harfe Davids und IB für Johannes Bugenhagen, Lufft zu Wittenberg. 2. verm. Aufl., Leipzig, 1923, S. 24; unten mittig die Taube mit dem Ölzweig über der Dodgson II, S. 415, Nr. 5; Richter, Ludwig Aemilius: Die Arche und CC für Caspar Cruciger. Das Emblem evangelischen Kirchenordnungen des sechzehnten Jahrhun- Crucigers überschneidet die Tallandschaft und den derts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts und guten Hirten, so dass die unterschiedlichen Pro- der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. portionen nicht auf den ersten Blick offensichtlich Nachdr. der Ausg. Weimar 1846. Bd. 1-2, Nieuwkoop, 1967, sind. Bd. 1, S. 307-315 142 143 76 MARTIN LUTHER Omnia opera Bd. 1., Wittenberg: Hans Lufft, 1545. 2° Aufgeschlagen: Titelblatt mit der Titelrahmung Luther und Kurfürst Johann Friedrich I. unter dem Kreuz, Holzschnitt von Lucas Cranach d. J. AvS, B 87 Ab 1539 gab der Wittenberger Drucker Hans Lufft die deutsche Gesamtausgabe der Werke Luthers heraus, die 1559 mit dem zwölften Band abschließen sollte. Seit 1545 folgte die lateinische Reihe in sieben Bänden. Für diese zweite Ausgabe beauftragte er Lucas Cranach d. J. mit einer neuen Titelrahmung. Das Schriftfeld ist seitlich und oben von Wolkenbändern und Puttenköpfen geziert. An den vier Ecken sind Medaillons mit den Evangelistensymbolen angebracht. Im breiteren unteren Streifen ist mittig der gekreuzigte Christus dargestellt. Zu seinen Seiten knien betend Martin Luther und der sächsische Kurfürst Johann Friedrich I. (1503- Lucas Cranach der Jüngere: Titelholzschnitt mit Luther und dem 1554). Im Jahr darauf schuf Cranach für eine Aus- Kurfürsten betend unter dem Kreuz für eine Ausgabe des Neuen gabe des Neuen Testaments einen Titelholzschnitt, Testaments 1546, die deutsche Werkausgabe Luthers und andere auf dem nur die untere Szene mit Kruzifix, Refor- Schriften; hier aus dem Dritten Teil der deutschen Werkausgabe, mator und Kurfürst wiederholt wird. Seit 1548 er- AvS, 3476 schien dieser Holzschnitt auch auf den Titelblättern der deutschen Gesamtausgabe. Weite Verbreitung durch Original und zahlreiche Kopien verhalfen die- (WA Bibel II, S. 487). Immerhin hatte aber Luther sem Bild zu einem großen Bekanntheitsgrad, der noch einen Probedruck des Neuen Testaments „spitzfindige Luthergegner“ auf den Plan rief, die durchgesehen und gebilligt. Ebenso muss ihm die „darin den Beweis sehen wollten, ‚dass Luther das weit weniger bekannte Vorgängerversion von 1545 Kruzifix [d. h. also ein Bild] anbete‘ “ (Cranach I., bekannt gewesen sein. S. 411). Noch die Weimarer Ausgabe der Werke Luthers wies zu Anfang des 20. Jahrhunderts diesen Lit.: Cranach I, S. 411, Nr. 283 und 284; WA Bibel II (1909), Vorwurf gewunden zurück: „Sicher darf man Lu- S. 686-687 ther nicht persönlich für dieses immerhin mißverständliche Bild verantwortlich machen, da es sich zu seinen Lebzeiten nicht findet. Und schließlich kniet der Kurfürst und Luther ja nicht vor dem Kreuze, sondern neben ihm, in seinem Schutz und Schirm“ 144 145 MEHRFACH VERTRETENE KÜNSTLER UND AUTOREN 147 JOST AMMAN 15, 18, 19 LUCAS CRANACH D. J. Erlangung des Meisterrechts in Augsburg (* 4. Oktober 1515 Wittenberg (* Ende 1497/Anfang 1498 Augsburg, um 1515 zahlreiche Aufträge für Kaiser Maxi- † 25. Januar 1586 Wittenberg) † Herbst 1543 London) Zeichner, Visierer, Holzschnittzeichner, Radierer, milians I.: Weißkunig, Theurdanck Maler und Graphiker Maler, Zeichner für den Holz- und Metallschnitt Holzschneider und Maler und die Fürstliche Chronik (Heilige Lehre in der väterlichen Werkstatt, 1561 des Hauses Habsburg) in die er nach Abschluss der Ausbil- Lehre bei seinem Vater, dem Maler dung eintrat Hans Holbein d. Ä. (getauft 13.6.1539 Zürich begraben 17.3.1591 Nürnberg) Ausbildung in den Techniken des Holzschnitts und der Radierung bei Virgil Solis in Nürnberg 1562 Übernahme der Werkstatt Solis’ 1564 Illustrationsfolge zur Bibel LUCAS CRANACH D. Ä. 2, 11, 25, 27, 65, 73, 1537 Teilhaber der väterlichen Werkstatt 74 seit 1549 Ratsherr der Stadt Wittenberg, (* 1472? in Kronach, Oberfranken † 16. Oktober 1553 in Weimar) HANS BALDUNG GRIEN 2, 60, 61 76 HANS HOLBEIN D. J. 1503 1550 mit dem Vater in Luzern tätig Eintritt in die Basler Malerzunft 1520 Basler Bürgerrecht 1522 Illustrationsfolge zum Hortulus Maler und Graphiker ALBRECHT DÜRER Hans Maler Wanderschaft (* 21.5.1471 Nürnberg, † 6.4.1528 Nürnberg) 1501-1504 Aufenthalt in Wien Maler, Graphiker und Kunsttheoretiker 1505 Berufung zum Hofmaler Friedrichs 1510 culum passionis domini nostri Jesu Christi Umzug vom Schloss in die Stadt 1, 22-24, 26, 29-32, animae 35, 48, 50, 52, 66-67 ab 1522/23 seit 1486 Wittenberg zahlreiche Illustrationen für die Basler Nachdrucke des Steptembertestaments Lehre bei seinem Vater, dem des Weisen von Sachsen in der Werkstatt Dürers tätig der Werkstatt von Hans Herbst 1519 Maler, Zeichner, Holzschnittzeichner und vor/um 1507 Illustrationen zu Ulrich Pinders Spe- Übersiedlung nach Basel, Mitglied 1517 † September 1545 Straßburg) 1503/07 1515 Übernahme der Werkstatt Ausbildung bei seinem Vater, Malerlehre in Straßburg und für das Kunstgewerbe zeitweise Bürgermeister (*1484 / 1485 Schwäbisch-Gmünd Kupferstecher 13, 70 Goldschmied Hans Dürer 1526/28 Englandreise Lehre zum Maler bei Michael 1531 Zürcher Bibel mit Holzschnitten Wolgemut zum Alten Testament nach Entwür- Wanderschaft mit Aufenthalt u.a. fen von Holbein 1512 Holzschnittfolge mit dem Marty- in Colmar, Basel und Straßburg 1532 Übersiedlung nach England brecht von Brandenburg 1519-1549 Ratsherr der Stadt Wittenberg 1494/95 Italienreise 1538 Historiarum veteris instrumenti 1509 Rückkehr nach Straßburg 1520 Kupferstich „Martin Luther als Au- 1498 Dürer publiziert auf eigene Kosten icones (Bilder zu den Geschichten seit 1512 in Freiburg im Br. tätig gustinermönch in der Nische“ die Apokalypse des Alten Testaments) 1516 Dekalogillustrationen Erwerb einer Apotheke 1505/07 Italienreise 1517 Bürgerrecht in Straßburg Verlagsgemeinschaft mit Christian seit 1509 Ratsherr der Reichsstadt Nürnberg Döring 1511 Publikation der drei Großen Bücher HANS SCHÄUFELEIN (Marienleben, Große Passion, Apo- (* um 1482/83 am Oberrhein (?) rium der Apostel In Halle, Saale, tätig für Kardinal Al- um 1537/40 Illustrationen zur Laienbibel des Wendelin Rihel, 1540 1545 1522 37, 38 1537/44 Maler, Buchmaler, Zeichner für Holzschnitt Ausbildung bei seinem Vater, 1550 Holbeins d. Ä. † zwischen 11.11.1539 und 13.9.1540 Nördlingen) Meisterstiche Maler, Zeichner für Holzschnitt und Glasmalerei tionen für Bibelausgaben und um 1515 zahlreiche Aufträge für Kaiser 1503/1507 Maximilian I., darunter der vor/um 1507 Illustrationen zu Ulrich Pinders mehrmals Bürgermeister von Wittenberg 1520/21 folgt Cranach Johann Friedrich dem 1525/28 1552 148 Speculum passionis domini nostri Reise in die Niederlande Jesu Christi Drucklegung der kunsttheoretischen Werke Wanderschaft 1509 in der Werkstatt Hans Holbeins d. Ä. tätig Cranach zieht mit seinem Landes- 1513 herrn in die neue Residenzstadt 1514/15 Weimar in der Werkstatt Dürers tätig Triumphwagen Augsburg Georg Beck Mitglied der Werkstatt Hans kalypse) und der Kleinen Passion 1513/14 Großmütigen in dessen Exil nach dem Maler und Miniaturisten 28, 47 In der Folge zahlreiche IllustraSchriften Luthers (* um 1480 Augsburg, † zwischen dem 14. und 18.10.1542 Augsburg) Illustration und Verlag von Luthers Septembertestament Ratsherr der Reichsstadt Straßburg LEONHARD BECK 1490/94 Gründung einer eigenen Werkstatt zahlreiche Aufträge für Kaiser Maximilians I. Triumphzug, Weißkunig, 149 Theurdanck Niederdeutsche 1515 Bürgerrecht in Nördlingen nach 1520 Konzentration auf den Buchholzschnitt 1535 1546 MARTIN LUTHER 7, 11, 12, 15, 18-20, Mitglied der theologischen Fakultät 25, 27, 28, 49, 57, der Universität Wittenberg 62-64, 68, 71-73, 76 Grabrede auf Martin Luther (* 10. November 1483 Eisleben † 18. Februar 1546 Eisleben) HANS SPRINGINKLEE 36, 58 BENEDICTUS CHELIDONIUS OSB Theologe und Reformator (BENEDIKT SCHWALBE) 1501-1505 Studium an der Universität Erfurt 1505 Eintritt in das Augustinerkloster 32, 48 (* zwischen 1490 und 1495 in Nürnberg (* um 1460 Nürnberg, † 8. September 1521 Wien) † um 1522/1540) Dichter, Humanist, Abt des Wiener Schotten- Maler, Zeichner für den Holzschnitt klosters 1512/1515 1480/90 um 1515 in der Werkstatt Dürers tätig zahlreiche Entwürfe für die Ehrenpforte, den Triumphzug und Weißzahlreiche Holzschnitte für den 1507 Priesterweihe Egidienkloster Theologiestudium in Erfurt und Elegie auf den Tod des Conrad Wittenberg Celtis 1510 Romreise um 1508 Erstausgabe seiner Passio Jesu Christi seit 1512 Lehrtätigkeit an der Universität Hortulus animae im Auftrag des salvatoris mundi in Straßburg, ge- Verlegers Koberger widmet Willibald Pirckheimer 1517 Thesenanschlag Dürers Kleine Passion, Große Passion 1519 Entwicklung eines Reform- 1511 JOHANN BUGENHAGEN † 20. April 1558 Wittenberg) Texten von Chelidonius 1513/14 programmes 1521 1518 Übersetzung des Neuen Testaments Abt des Wiener Schottenklosters 1522 Bildersturm in Wittenberg unter Andreas Karlstadt Studium Universität Greifswald Rektor der Stadtschule Treptow, Exkommunikation, Reichsacht und „Entführung“ auf die Wartburg Wechsel an das Wiener Schottenkloster Theologe, Reformator Norddeutschlands und Weggefährte Luthers Wittenberg und Marienleben erscheinen mit 11, 51, 53, 68 (* 24. Juni 1485 Wollin 1501/04 Hl. Anna Eintritt in das Nürnberger 1508 kunig Kaiser Maxilians I. 1516/21 Erfurt nach einem Gelübde an die JOHANN GEILER VON KAYSERSBERG Rega Im September wird das Neue Testament gedruckt 6, 56, 61 1523/24 Drucklegung der ersten drei Teile 1509 Priesterweihe (* 16.3.1445 Schaffhausen, † 10.3.1510 Straßburg) 1517 Lektorat des Prämonstratenserstiftes Theologe und Volksprediger Belbuck bei Treptow, Rega seit 1460 Studium in Freiburg i. Br. 1525 Heirat mit Katharina von Bora 1521 Übersiedlung nach Wittenberg 1470 Priesterweihe 1529/30 Kleiner und Großer Katechismus 1523 Stadtpfarrer von Wittenberg 1471 Wechsel an die Universität Basel 1525 Trauung Luthers mit Katharina von 1475 Promotion zum Dr. theol. Bora 1476 Rektor der Universität Freiburg i. Br. 1530 Augsburger Bekenntnis Kirchenordnungen für die Stadt 1478/86 Prediger an der St.-Lorenz-Kirche 1534 Abschluss der Bibelübersetzung in Straßburg seit 1545 Edition der Gesamtausgabe der seit 1528 Braunschweig, für Hamburg, Lübeck, Pommern, Dänemark, Schles- seit 1486 Prediger am Straßburger Münster wig-Holstein, Braunschweig-Wol- (Posaune des Straßburger Münsters) fenbüttel, Hildesheim Geiler vermittelt Humanisten wie 1533 Promotion zum Dr. theol. Sebastian Brant und Jakob Wimphe- 1533/34 Übertragung der Lutherbibel ins sowie Beifügung des Passional Christi zum Betbüchlein Lutherschriften ling nach Straßburg 1506 150 des Alten Testaments Drucklegung der Passio Christi 151 ABKÜRZUNGS- UND LITERATURVERZEICHNIS 153 Abkürzungen Buchillustration Dürer I Eichenberger/Wendland AvS = Stadtarchiv Schweinfurt Fünf Jahrhunderte Buchillustration. Meisterwerke Schneider, Erich (Bearb.) Eichenberger, Walter und Henning Wendland MOS = Museum Otto Schäfer der Buchgraphik aus der Bibliothek Otto Schäfer. Dürer als Erzähler. Holzschnitte, Kupferstiche und Deutsche Bibeln vor Luther. Die Buchkunst der SakrB = Sakristeibibliothek der Evangelisch-Lutheri- Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 11. Sep- Radierungen aus der Sammlung-Otto-Schäfer-II. achtzehn deutschen Bibeln zwischen 1466 und schen Kirchengemeinde St. Johannis, Schweinfurt tember bis 15. November 1987, Bayerische Staats- Ausstellung vom 10. 12. 1995 - 31. 3. 1996, Bi- 1522. Hamburg 1977 bibliothek München, 4. Februar bis 16. April 1988. bliothek Otto Schäfer, Schweinfurt. Mitarbeit: Anna Katalog und Ausstellung Eduard Isphording unter Scherbaum, Georg Drescher. Schweinfurt 1995 Mitarbeit von Manfred von Arnim. Nürnberg 1987. GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd. 1-, Leipzig Alle Bibelzitate, sofern nicht anders vermerkt, nach: (Ausstellungskataloge des Germanischen National- Dürer II Arenhoevel, Diego, Alfons Deissler und Anton museums Nürnberg: Serie A) / (Bayerische Staats- Schneider, Erich und Anna Scherbaum (Bearb.) Vögtle (Hg.) bibliothek München: Ausstellungskataloge 42) Dürer. Die Kunst aus der Natur zu »reyssenn«. Hamm Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen [u. a.] 1925- Welt, Natur und Raum in der Druckgraphik. Holz- Hamm, Berndt Bundes. Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen Cranach schnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Religiosität im späten Mittelalter. Spannungspole, der Jerusalemer Bibel. Freiburg, Basel, Wien 1968 Koepplin, Dieter und Tilman Falk (Hg.) Sammlung-Otto-Schäfer-II, Ausstellung vom 28. Neuaufbrüche. Herausgegeben von Reinhold Fried- Lukas Cranach. Gemälde, Zeichnungen, Druckgra- 09. 1997 - 25. 1. 1998, Bibliothek Otto Schäfer, rich und Wolfgang Simon. Tübingen 2011. (Spät- phik. Ausstellung im Kunstmuseum Basel, 15. Juni Schweinfurt, Ausstellung vom 15. 2. 1998 - 26. 4. mittelalter, Humanismus, Reformation 54) bis 8. September 1974. 2 Bde., Basel, Stuttgart 1998, Stadtmuseum Amberg. Schweinfurt 1997 Abgekürzt zitierte Literatur 1974-1976 Hofmann Dürer III Hofmann, Werner (Hg.) 50 Jahre Coelen Schneider, Erich und Anna Scherbaum (Bearb.) Luther und die Folgen für die Kunst. Hamburger Kostbare Drucke und Einbände aus sechs Jahrhun- Coelen, Peter van der Dürer, Himmel und Erde. Gottes- und Menschen- Kunsthalle, 11. November 1983 - 8. Januar 1984. derten. Dauerpräsentation aus Anlaß des 50jährigen Bilder aus der Schrift. Studien zur alttestamentli- bild in Dürers druckgraphischem Werk. Holz- München 1983 Bestehens der Bibliothek Otto Schäfer. 18. März chen Druckgrafik des 16. und 17. Jahrhunderts. schnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der 2001 - 12. Januar 2003. Bearbeitet von Georg Dre- Bern [u. a.] 2002. (Vestigia Bibliae 23) Sammlung-Otto-Schäfer-II. 17. Oktober 1999 - 6. Hollstein, Friedrich W. H. (Hg.) Februar 2000, Bibliothek Otto Schäfer, Schwein- German engravings, etchings and woodcuts, ca. Dodgson furt, 20. Mai - 30. Juli 2000, Museum Bad Arolsen, 1400-1700. Bd. 1-, Amsterdam [u. a.] 1954- Dodgson, Campbell Ausstellungen im Schloß, 2. September - 25. Arnim Catalogue of early German and Flemish woodcuts November 2001, Josef Albers Museum Quadrat, Index Aureliensis Katalog der Bibliothek Otto Schäfer. Teil I: Drucke, preserved in the Department of Prints and Draw- Bottrop. Schweinfurt 1999 Index Aureliensis. Catalogus librorum sedecimo Manuskripte und Einbände des 15. 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Mai bis Landgraf, Michael und Henning Wendland nuar bis 17. April 2005. Herzog August Bibliothek, Biblia deutsch. Bibel und Bibelillustration in der Wolfenbüttel, 20. November 2005 bis 29. Januar NDB Frühzeit des Buchdrucks. Speyer 2005. (Veröffentli- 2006. Schweinfurt 2005. (Bibliothek Otto Schäfer Historische Kommission bei der Bayerischen Sander chungen des Pfälzischen Bibelvereins 3) Schweinfurt: Ausstellungskatalog 21) Akademie der Wissenschaften (Hg.) Sander, Jochen (Hg.) Neue deutsche Biographie. Bd. 1-, Berlin 1953- Dürer. Kunst – Künstler – Kontext. Städel Museum, LCI Meister um Dürer Kirschbaum, Engelbert (Hg.) Meister um Albrecht Dürer. Ausstellung im New Hollstein Lexikon der christlichen Ikonographie. 8 Bde., Germanischen National-Museum vom 4. Juli bis Luijten, Ger und Robert Zijlma (Hg.) Rom, Freiburg, Basel 1968-1979 17. September 1961. Nürnberg 1961. (Anzeiger The new Hollstein. German engravings, etchings Schauerte des Germanischen Nationalmuseums 1960/1961) and woodcuts, ca. 1400 - 1700. Rotterdam Schauerte, Thomas (Hg.) Corsten, Severin, Günther Pflug und Friedrich Mende Gero Seelig. Edited by Giulia Bartrum and Marjo- zentrum der Reformationszeit. Eine Ausstellung der Adolf Schmidt-Künsemüller (Hg.) Mende, Matthias lein Leesberg. 11 Bde., 2001-2012 Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, 24. April Lexikon des gesamten Buchwesens. Zweite, völlig Hans Baldung Grien. Das graphische Werk. Voll- neubearbeitete Auflage. Bd.1-, Stuttgart, 1987- ständiger Bildkatalog der Einzelholzschnitte, Buch- LgB 2 Frankfurt am Main, 23. Oktober 2013 - 2. Februar Jost Amman book illustrations. Compiled by illustrationen und Kupferstiche. Unterschneidheim LThK 25. Oktober 2015. 1. Aufl., Regensburg 2015 1978 Höfer, Josef und Kurt Rahner (Hg.) Leonhard Beck. Compiled by Guido Messling. Edited by Hans-Martin Kaulbach. 2 Bde., 2007 2014. 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Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Kunstgeschichte 161) Ausgabe) Abt. 2. Deutsche Bibel 1522-1546. 12 Bde., Thum Unveränderter Nachdruck. Weimar 2001 Thum, Veronika Die Zehn Gebote für die ungelehrten Leut’. Beim Literaturnachweis WA und WA Bibel werden Der Dekalog in der Graphik des späten Mittelalters nicht die Nachdruckjahre, sondern die ursprünglichen und der frühen Neuzeit. München, Berlin 2006. Erscheinungsjahre angegeben. (Kunstwissenschaftliche Studien 136) Wendland TRE Wendland, Henning Krause, Gerhard und Gerhard Müller (Hg.) Bibelillustration. In: LgB2, I (1987), S. 354-362 Theologische Realenzyklopädie. Studienausgabe. 36 Bde., Berlin, New York 1993-2006 WLB Bd. 1-17 = Teil 1, 1993 Strohm, Stefan (Bearb.) Bd. 18-27=Teil 2, 2000 Die Bibelsammlung der Württembergischen Bd. 28-36=Teil 3, 2006 Landesbibliothek Stuttgart. Abt. 2, Bd. 1. Die deutschen Bibeldrucke 1466-1600. Stuttgart 1984 Verfasserlexikon Wachinger, Burghart (Hg.) Wort Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserle- „Das Wort sie sollen lassen stahn“. Bibeln aus xikon. Zweite völlig neu bearbeitete Auflage. 14 Schweinfurter Bibliotheken. Ausstellung im Bde., Berlin, New York 1978-2008 Gunnar-Wester-Haus und in der St. Johanniskirche, 31. Oktober 1996 - 1. Dezember 1996, und in Vom ABC bis zur Apokalypse der Bibliothek Otto Schäfer, 3. Dezember 1996 - Wagner, Bettina (Hg.) 2. Februar 1997. Schweinfurt 1996. (Veröffent- Vom ABC bis zur Apokalypse. Leben, Glauben und lichungen des Stadtarchivs Schweinfurt 11) Sterben in spätmittelalterlichen Blockbüchern. Aus- 158
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