Fred Jung QuO VAdIS WIndenergIe?

PÖYRY MANAGEMENT CONSULTING
Pöyry Post
10/2015
INTERVIEW
Fred
Jung
BERICHT
QUO VADIS
WINDENERgIE?
2
PÖYRY POST
INHALT
IMPRESSUM
HERAUSGEBER
Pöyry Management Consulting
Bennigsen-Platz 1
40474 Düsseldorf
SHORTCUTS
Meldungen aus der Energiebranche
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Fax +49 (211) 17523850
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REDAKTION
Virgil Grymonprez
AUTOREN
Roland Lorenz, Clemens Hecker
Iris Steinweller, Virgil Grymonprez,
Frank Goecke, Silvio Mergner
KONZEPT UND KREATION
Filip & Grimm
MANAGEMENT CONSULTING
Quo Vadis Windenergie?
Realistische Projektbewertung mittels detaillierter individueller Analyse
NACHWEISE
Fotos (Shortcuts):
Choi + Shine Architects, Fraunhofer IWES,
EnBW AG, Changing Environments Inc.
Foto (Interview): juwi AG
Weitere: Adobe Stock, Fotolia.
Pöyry Management Consulting ist mit 26
Niederlassungen und über 400 Consultants die weltweit führende Beratungsgesellschaft für kapital- und ressourcenintensive Unternehmen. Welche Ziele Sie
auch verfolgen, bei uns arbeiten für Sie
Experten mit Leidenschaft in den Bereichen Energie, Forstwirtschaft, Papier und
Zellstoff sowie Biovalue. Unsere umfassende Erfahrung, bewährten Fähigkeiten
und unsere hoch qualifizierten Berater
sind es, die unsere Kunden immer wieder
aufs Neue überzeugen. Gemeinsam helfen
wir Ihnen, sachkundigere Entscheidungen
zu treffen, Potenziale zu erkennen sowie
Werte zu generieren, um so langfristig den
Erfolg Ihres Unternehmens zu sichern.
www.poyry.de/managementconsulting
Insights in die Gruppe
Hohe Dynamik in den Holzmärkten
Renaissance eines Rohstoffes
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Editorial
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
einem chinesischem Sprichwort zufolge, reagieren auf den Wind der Veränderung
einige mit dem Bau von Mauern, andere wiederum mit dem Bau von Windmühlen.
Tatsächlich wirbelt die EEG-Novelle und der mit ihr eingeläutete Paradigmenwechsel
zur Förderung der erneuerbaren Energien nach der PV- auch die Windkraftbranche
im kommenden Jahr kräftig durcheinander. Mit den Veränderungen wächst der
Informations- und Beratungsbedarf bei Anlagenbetreibern und Investoren. Für uns
aber kein Grund uns einzumauern, sondern Ihnen in der vorliegenden Ausgabe
der Pöyry Post unseren Standpunkt zu präsentieren und Antworten auf drängende
Fragen zu liefern, die helfen projektspezifische Erlöspotenziale und Risikoprofile
besser zu verstehen. Denn trotz aller Veränderungen bietet der Markt immer noch
Investitionsmöglichkeiten, die sich langfristig auszahlen werden.
„Damit die Windenergie auch künftig die treibende Kraft der Energiewende bleibt,
brauchen wir weiterhin ihren bundesweiten Zubau”, sagt Fred Jung, Vorstand der
juwi AG im Interview. Als einer der prominentesten Branchenvertreter fordert er
als Reaktion auf das vom BMWi vorgelegte Eckpunktepapier für einen gelungenen
Systemwechsel ein faires Referenzertragsmodell, welches die individuelle Projekteffizienz statt schlicht der Windhöffigkeit am Standort fördert.
INTERVIEW
Fred Jung
Vorstand der juwi AG
Hart im Wind
Über die reine Information dieser Ausgabe hinaus wollen wir mit Ihnen diskutieren:
Im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Bankhaus von der Heydt
und der Kanzlei Satell wollen wir Ihnen die Möglichkeit zum Austausch mit uns und
weiteren Branchenakteuren geben. Am 03.12.2015 laden wir dazu nach Düsseldorf
ein. Bei Interesse kontaktieren Sie mich gerne unter [email protected] unter
dem Stichwort „Windsymposium” und erfahren Sie weitere Details zur Veranstaltung.
Eine wahre Boom-Story mit Zukunftsausblick zum Rohstoff Holz liefern unsere Kollegen aus München mit ihrer Marktanalyse, die wir Ihnen in unseren Insights in die
Pöyry Gruppe vorstellen wollen. Jetzt aber wünsche ich Ihnen eine interessante und
anregende Lektüre mit unserer neuen Ausgabe der Pöyry Post.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Lorenz
Vice President
Head of Central and South Europe
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PÖYRY POST
Baltic 2 (EnBW)
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• Die 80 Windkraftanlagen von Baltic 2 haben eine Gesamtleistung von 288
Megawatt und können rechnerisch 340.000 Haushalte mit Strom versorgen.
• Der Park liegt 32 Kilometer nördlich von Rügen
und ist der größte kommerzielle Windpark
in der deutschen Ostsee.
• Kosten rund 1,4 Milliarden Euro
• 1,2 Milliarden
Kilowattstunden
Strom/Jahr
Amrumbank West (E.ON)
• Lage: 40 km vor Helgoland
• Anzahl Turbinen: 80
• Installierte Leistung: 288 MW
• Investitionsvolumen E.ON: 1 Mrd. Euro
• CO2-Einsparung: 740.000 t
• Netzanbindung: 22. Oktober 2015
95%
der notwendigen Transporte für den Bau von Windenergieanlagen
sind genehmigungspflichtig. Die vier großen Hersteller Enercon,
Vestas, Senvion und Nordex haben zusammen in 2013 etwa 30.000 und
in 2014 39.000 Schwerlasttransporte durchgeführt. Allein in 2014 haben die
Genehmigungsbehörden ca. 70.000 Genehmigungsanträge bearbeitet.
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8.600 kNm
Einweihung in Bremerhaven: Das
Testcenter „Dynamic Nacelle Testing
Laboratory“ (DyNaLab)
des Fraunhofer IWES soll ab sofort neue Maßstäbe für die Prüfung von
Windenergieanlagen setzen. Mit einer Antriebsleistung von 10
MW und der Einleitung eines nominellen Drehmoments
von 8.600 kNm wird Windenergie-Herstellern
eine elektrische Zertifizierung auf dem Prüfstand
angeboten, die langwierige Feldtests überflüssig
macht. Zum Auftakt kommt ein wahrer Gigant ins
„Lab“: Die Firma Adwen testet den Antriebsstrang
ihrer neuen 8-MW-Anlage.
• Investitionsvolumen: ca. 35 Mio. Euro
• Krafteinleitung: dynamische Aufbringung von 20 MNm
Biegemoment, ca. 2 MN Schubkräfte
• Nominelles Drehmoment: 8,6 MNm
• Überlastdrehmoment: 13 MNm
• Antriebsleistung: 10 (15) MW
• Künstliches Netz mit 40 MVA installierter Umrichterleistung
• Messungen: mehr als 600 synchrone, hochauflösende Messkanäle
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Eine Mil
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E-Fahrzeuge haben eine größere
Speicherkapazität als alle deutschen
Pumpspeicherkraftwerke.
Ihr Gegenentwurf zum klassischen Netzausbau wurde mit Preisen
überschüttet: Gebaut wurden die Giganten der Architekten Jin Choi und
Thomas Shine (Choi + Shine Architects) allerdings nie. Angelehnt an ihre
Strommastskulpturen legen die Amerikaner jetzt auch Windradriesen vor.
Zu sehen unter „The Giants of The Wind“ auf www.choishine.com
30 W
Soofa ist keine gewöhnliche Parkbank: Ein
30 W-starkes Solarpannel, ein Energiespeicher
und zwei USB-Anschlüsse ermöglichen
es Großstadtflaneuren, ihre Mobilgeräte
kostenlos aufzuladen, während sie auf
der Soofa rasten. Digitale Innovation für
den öffentlichen Raum nennt das RWE.
Die erste Soofa Deutschlands steht vor der
Konzernzentrale in Essen.
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PÖYRY POST
Kosten für Fahrplanabweichungen bei Windanlagen
Entwicklung Regelenergiekosten für Windanlagen.
Erläuterung: Durch den kontinuierlichen Ausbau der Windkapazitäten in Deutschland wird davon ausgegangen,
dass die Preise für Regelenergieleistungen steigen und sich somit eine Abweichung vom prognostizierten Fahrplan
in steigenden Kosten ausdrückt. In Abhängigkeit von den betrachteten Pöyry Standardszenarien sind
Preissteigerungen von bis zu 700% möglich. Von einer Verdopplung ist im günstigsten Fall
auszugehen. Die Kostenprojektion berücksichtigt dabei einen hoch effizienten
Intra-day-Handel, der auf den aktuellsten Voraussagetools aufsetzt. Somit
können die Kosten auch über das hier dargestellte Niveau hinaus
steigen. Auf jeden Fall gilt, nur wer diese Risiken in der
Zukunft richtig abschätzt bzw. durch geeignete
Strategien beherrschen kann, vermeidet
negative Überraschungen.
Abb. 1
2015 2020 2030
Abb. 2
Legende
• Rot: Windanlage erreicht weniger als 90% der jährlichen Grundlastvergütung
• Gelb: Windanlage erreicht ca. 92% der jährlichen Grundlastvergütung
• Grün: Windanlage erreicht mehr als 95% der jährlichen Grundlastvergütung
Erläuterung: Bereits heute kannibalisieren sich die Windanlagen untereinander. Dort
wo viele Anlagen gebaut wurden, werden bereits heute nur etwa 90% der jährlichen
Grundlastvergütung erreicht. Andererseits gibt es heute noch Regionen (z.B. Niederbayern),
wo Windanlagen annähernd die Grundlastvergütung erwirtschaften können. Dies liegt an der
Kombination eines deutlich geringen Kapazitätsausbaus in der Region und der Tatsache, dass
windstarke Zeiten zwischen Nord- und Süddeutschland nicht stark miteinander korrelieren. Ein
Blick in die Zukunft zeigt, dass es immer schwieriger werden wird, einen Standort zu finden,
der nicht von diesem Effekt betroffen ist. Dämpft die aktuelle EEG-Vergütungsregelung noch
diesen Effekt, da die Performance der Windanlage gegen den Durchschnitt aller Windanlagen
bewertet wird, so wirkt sich der Effekt umso stärker aus, wenn die Windanlageanlagen aus der
Vergütung herausfallen und im freien Markt bestehen mussen.
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Wirbel in der
Windbranche
Realistische Projektbewertung mittels
detaillierter individueller Analyse
Die Einführung von Ausschreibungen, dem § 24 EEG im Zusammenhang mit der EEG-Novelle sowie Marktveränderungen, die aus dem
allgemeinem Zubau von Windanlagen resultieren, werden die
gesamte Windenergiebranche kräftig durcheinanderwirbeln.
Neue und intensivere Ertrags- und Kostenrisiken sind bei der
Bewertung von Investitionen in zukünftige On-Shore-Anlagen
zu berücksichtigen, damit es später kein böses Erwachen
gibt. Angesichts langer Entwicklungs- und Genehmigungszeiten sowie hoher Vorleistungen sollten diese
Auswirkungen schon heute in die strategische
Planung mit einfließen. Eine aktuelle Studie von
Pöyry Management Consulting zu den Auswirkungen zeigt, womit zu rechnen ist.
Düsseldorf.
Schon früh in
diesem Jahr sagten es
die Analysten von Pöyry Management Consulting voraus: Die Zeit,
in der Investoren bedenkenlos in erneuerbare Energien anlegen konnten, ist vorbei!
Der Systemwechsel von der traditionellen
Einspeisevergütung hin zum Marktprämienmodell hat den Paradigmenwechsel eingeläutet. (Lesen Sie hierzu den Point of View „The
Death of Invest and Forget” unter www.poyry.
com/news/articles.) Bei der Umstellung
der Förderung erneuerbarer Energien von
administrativ festgelegten Fördersätzen auf
Ausschreibungen spielt die PV-Branche aktuell die Vorreiterrolle. Die Windbranche wird
ihr folgen. Und damit die Unsicherheit der
Akteure angesichts der Zukunftsaussichten
für ihre gesamte Branche wachsen. „Damit
die Windenergie auch künftig die treibende
Kraft der Energiewende bleibt, brauchen
wir weiterhin ihren bundesweiten Zubau“,
sagt Fred Jung im Interview mit Pöyry Post.
Genau diesen sieht Jung jedoch durch die
Modelle und Simulation.
Seit über 25 Jahren liefern die
Fundamentalmarktmodelle von Pöyry
Management Consulting anerkannte Aussagen
über die langfristige Entwicklung der europäischen
Energiemärkte (s. Update Marketreport Q3/2015). Diese
Modelle bieten Kunden, wie Banken, Energieunternehmen
und Produzenten als auch Behörden elementare Entscheidungsgrundlagen. Sie simulieren für diverse Szenarien Angebot
und Nachfrage für Strom, Gas, Öl, Kohle, darüber hinaus Emissionsrechte, die Veränderungen im Kraftwerkspark sowie die Einspeisungen der Erneuerbaren auf Basis von standortspezifischen
Wetterdaten – stundengenau, ganzjährig und prospektiv bis ins
Jahr 2040. Daraus resultieren beispielsweise Großhandelspreisprojektionen, die individuelle und standortspezifische
Analysen von Erzeugungsstrukturen und Erlösprojektionen
zulassen. Aus den Simulationen ergeben sich so valide
Daten, die sowohl Basis für die individuelle Portfolio-Analyse bis hin zur einzelnen Asset-Beratung sind als auch von Banken und Finanzierern anerkannt werden.
gewachsenen Risiken gefährdet.
„Mehr Risiko bedeutet auch immer, dass ggf.
Akteure, die dies Risiko nicht übernehmen
können oder wollen, vom Markt verschwinden werden. Die Erfahrungen aus
anderen Ländern, die mit Ausschreibungsmodellen arbeiten, zeigen, dass diese
Gefahr tatsächlich
besteht.“ In einer
aktuellen Studie liefert
Pöyry Management Consulting jetzt konkrete
Aussagen und quantitative Betrachtungen,
die Anlagenbetreibern und Investoren helfen,
ihr projektspezifisches Erlöspotenzial und
Risikoprofil zu verstehen.
Der Bedarf an individueller Beratung und
spezifischen Lösungen ist hoch.
Voraussetzungen für eine Risikominimierung,
so Clemens Hecker, Senior Principal von
Pöyry Management Consulting, sind ein
tieferes Verständnis des Marktes sowie eine
Gesamtbetrachtung von Investment und
bestehender Portfoliostruktur. „Auf Basis
individuell angelegter Simulationen zu neuen
Projekten
können wir Kunden zu ihrem Portfolio bis hin
zu einzelnen Assets beraten, Risiken identifizieren und diese minimieren.“
Boomjahr oder
Angsttrieb vor der Ausschreibung.
Ob schon von der Novelle beeinflusst oder
nicht: In den ersten sechs Monaten dieses
Jahres ist der Bau von Windrädern im
Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen. Nach Angaben des Bundesverbandes
Windenergie (BWE) wurden 1,1 Gigawatt
neu installiert – ein Drittel weniger als im
Vorjahreszeitraum. Mit 443 neu gebauten
Windrädern feiert die Industrie nach dem
Boomjahr 2014 allerdings immer noch das
zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der
On-Shore-Windenergie. Zum Vergleich: Allein die neuinstallierte Leistung entspricht
in etwa der eines AKW-Blocks. Den Tritt auf
die Ausbaubremse führen Köpfe der Branche
dennoch bereits als erste Reaktion auf die
angekündigte EEG-Reform und die aufkommende Strompreis-Diskussion zurück.
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PÖYRY POST
Anzahl 6-Stunden-Blöcke
Erläuterung: Durch den kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland
steigt die Gefahr, dass Stunden mit negativen Preisen entstehen. In Abhängigkeit von den
betrachteten Pöyry Standardszenarien fällt die Anzahl der 6-Stunden-Blöcke mit negativen
Preisen moderat aus. Nur im High Szenario zeigt sich ein nennenswerter
Anstieg, der aber immer noch deutlich unter den Werten
anderer Marktanalysen liegt.
Abb. 3
Im letzten Jahr hätten viele Windrad-Bauer
mit Blick auf die drohende EEG-Reform ihre
Projekte vorgezogen. Der Hype ist also kein
Boom, sondern schlicht ein Angsttrieb?
„Ich will nicht verhehlen, dass die EEGNovelle bereits erste Wirkung zeigt”, sagt
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes WindEnergie. So sei der „Repowering-Bonus” gestrichen worden, wodurch
manche Anlagenbauer darauf verzichtet
haben könnten, alte Windturbinen durch
wirkungsstärkere Anlagen zu ersetzen. Für die
meiste Verunsicherung im Mittelstand sorgt
aber, so Albers, das von der Bundesregierung
geplante Ausschreibungsmodell. Dieses wird
voraussichtlich nach dem Pay-as-bid-Verfahren ermittelt und das spätestens ab 2017.
Derjenige soll also für Windkraftkapazitäten
den Zuschlag erhalten, der die niedrigste
Vergütung für seinen Standort fordert. „Mit
der Einführung des Ausschreibungsverfahrens
wächst die Unsicherheit im Markt weiter“,
sagt Clemens Hecker. „Für Anlagenbauer und
Marktakteure ist es daher entscheidend, sich
frühzeitig auf die Mechanik des Modells einzustellen und die neuen Marktprozesse und
-mechanismen zu verinnerlichen, sodass die
richtigen Schlussfolgerungen für das eigene
Projekt(-portfolio) gezogen werden können.“
Letztlich besteht das Risiko darin, dass
Projekte mit hohen Vorlaufkosten entwickelt
werden, die dann aber bei der Ausschreibung
nicht wettbewerbsfähig sind, also den notwendigen Preis für den wirtschaftlichen Betrieb nicht erzielen können. Anders formuliert:
Wird „blind“ geboten, erhöht das selbst bei
guten Projekten die Gefahr, Erlöspotenziale zu
verschenken oder sie gänzlich unzutreffend
zu bewerten, wenn falsche Annahmen über
marktseitige Zusatzerlöse bestehen, die sich
letztlich so nicht einstellen.
§ 24 EEG: Bittere Pille oder halb so wild.
Neben dem Ausschreibungsmodell sorgen
jedoch noch weitere Marktveränderung für
Aufregung – der § 24 EEG. Seine Einführung
hat viele Marktteilnehmer stark verunsichert.
Windprojekte, die nach dem 1.1.2016 in
Betrieb genommen werden, erhalten nach
§ 24 in Zeiten, in denen durch ein Überangebot an Erzeugung die Strompreise an der
Strombörse EPEX zu 6 Stunden oder länger
in einem zeitlich zusammenhängenden Block
negativ sind, keine Marktprämie mehr. Sollte
die Anzahl Stunden mit negativen Strompreisen also in Zukunft signifikant zunehmen,
könnten Erlöse für Windanlagenbetreiber in
signifikanter Höhe wegfallen und nachhaltig
negative Effekte auf die Wirtschaftlichkeit der
Assets haben. Der BWE schlug Alarm, nach
einer eigens in Auftrag gegebenen Studie
würden sich die Erlöse der Branche innerhalb
der kommenden 25 Jahre halbieren.
„Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber
müssen verstehen, wie hoch dieses
Bedrohungspotenzial tatsächlich ist“,
bekräftigt Hecker.
Pöyry hat aus diesem Grund
verschiedene Analysen
durchgeführt: Diese allerdings zeigen, dass die
Auswirkungen des § 24
projektspezifisch durchaus
gegeben sein können, in der
Summe aber mittelfristig
überschaubar sind.
„Hierbei zeigt sich
erstmalig, dass
ein windreicher
Standort
vom
Grundsatz her auch zukünftig wichtig ist, die
standortspezifische Korrelation zwischen
Einspeiseprofil und Marktpreis jedoch
zunehmend eine wichtige zusätzliche
Komponente in die Betrachtung
bringt“, so Roland Lorenz.
Blöcke mit mindestens
sechs aufeinander
folgenden Stunden
an negativen Preisen
werden erst Ende
der nächsten
Dekade vermehrt
auftreten. Und
das auch nur in
Pöyrys High
Szenario.
9
Also doch Entwarnung für die Branche!
Die durch die regulatorischen Eingriffe
hervorgerufene Verunsicherung im Markt
ist nachvollziehbar ebenso wie ihre hemmende Wirkung auf die Marktentwicklung.
„Sowohl Projektanbieter und -käufer sollten
ihre Projektbewertung unbedingt auf Basis
einer individuell angefertigten, fundierten
energiewirtschaftlichen Analyse treffen, die
Erlösströme spezifisch beurteilt “, so Hecker.
Diese hängen nicht zuletzt ganz maßgeblich
vom Standort ab.
Erwartung an die Gebots-Merit-Order
„Im Sinne eines fairen Wettbewerbs zwischen den Standorten im Norden und Süden
Deutschlands muss das Referenzertragsmodell so angepasst werden, dass die Zuschlagswahrscheinlichkeit in Ausschreibungen
nicht ausschließlich von der Windhöffigkeit
abhängt, sondern vielmehr auch von der
individuellen Projekteffizienz“, fordert
juwi-Vorstand Fred Jung im Interview mit
Pöyry Post. „Gleiche Wettbewerbschancen
ergeben sich aber nur dann, wenn es eine
möglichst flache Gebotskurve über die
verschiedenen Referenzertragsklassen gibt,
startend bei typischen Windgüten für Binnenlandstandorte von 60 Prozent“, präzisiert
Jung. „Bei einem deutschlandweiten Zubau,
der über ein geeignetes Referenzertragsmodell sichergestellt wird, wird auch der Regelenergie- und Speicherbedarf geringer.“
Pöyry Management Consulting stellt mit
seinem aktuellen und in anderen Ländern
umfassend erprobten Modellierungsansatz
eine fundamentale Entscheidungsgrundlage
für Marktakteure und Investoren vor. Mehr
denn je gilt es jetzt, einzelne Investments
gerade im On-Shore-Bereich genauer zu
beurteilen, um sämtliche Marktrisiken und
-chancen richtig zu erfassen. Und dies sowohl
bei Neubau und Anlagen mit Repowering
Potenzial als auch bei der Bewertung von
Bestandsanlagen um Erlöspotenziale in einer
Post-EEG-Phase richtig zu verstehen.
Bei der Analyse der Anlagen und Investitionsvorhaben wird durch den Analyseansatz von
Pöyry Management Consulting die standortspezifische Situation inklusive Erlösminderungen durch Kannibalisierungseffekte,
Kostensteigerungen für Fahrplanabweichungen, Auswirkungen des § 24 EEG berücksichtigt. So kann bereits heute ein gutes
Verständnis über die Wettbewerbsfähigkeit
eines konkreten Projektes in der zukünftigen
Ausschreibung entwickelt werden und letztlich der Angebotspreis im Rahmen des Ausschreibungsmodells ermittelt werden. Dem
Investor wird aufgezeigt, an welcher Position
er mit seiner Anlage in der einer ebenfalls für
ganz
Deutschland
simulierten GebotsMerit-Order liegt, und er kann
daraus die für ihn richtige Pricingstrategie ableiten.
„Angesichts der unsicherer werdenden
Marktsituation müssen Entscheider nun
genauer hinschauen in welche Anlagen sie
investieren“,
sagt Roland Lorenz, Vice President und Head
of Central and South Europe von Pöyry Management Consulting.
„Aber auch unter dem neuen Regime bietet
der Markt Investitionsmöglichkeiten, die sich
langfristig auszahlen werden. Voraussetzung
ist, dass sämtliche Risiken und Chancen bei
der Entscheidungsfindung berücksichtigt
werden. Dazu können wir mit unser Kompetenz und Erfahrung eine fundierte und detaillierte Basis für die Beurteilung von Investitionsentscheidungen und Transaktionen liefern.“
Abb. 4
Pay-as-bid-Ausschreibung
Erläuterung: Mit Pöyrys WindTenderingModell können standort- und technologiespezifische Aussagen zum optimalen Angebotspreis im Rahmen der On-Shore-Windausschreibungen getroffen werden. Mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Daten über standortspezifischen Windertrag, technologieabhängige Opex- und CapexWerte, genehmigte Standorte sowie Erwartungen an EK- und FK-Verzinsung können aussagefähige Gebots-Merit-Order simuliert werden. Die eigenen Projekte
werden an dieser Gebot-Merit-Order gespiegelt und hinsichtlich möglichem Zusatzgewinn (bzw. Vermeidung entgangener Gewinne) oder Erfolgsaussichten in der
Ausschreibung (Gebot außerhalb der Ausschreibungsgrenze) bewertet. Aus Modellierungsergebnis lassen sich darüber hinaus kurz- und mittelfristige Bieterstrategien ableiten, die helfen, den Wert des gesamten Projektportfolios zu erhöhen.
10
PÖYRY POST
INTERVIEW
Interview
mit Fred Jung,
Vorstand der juwi AG
Hart im Wind
„Damit die Windenergie künftig die treibende Kraft der Energiewende bleibt, brauchen wir weiterhin ihren bundesweiten Zubau.”
Pöyry: Die Reaktionen der Windkraftbranche
auf die EEG-Novelle sind sehr heterogen.
Worauf führen Sie das zurück?
Jung: Das EEG mit seinen festen Vergütungssätzen und dem Einspeisevorrang für
klimafreundlichen Strom aus Sonne, Wind
und Co. wie es seit dem Jahr 2000 bestand,
war eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Es
förderte den dezentralen Ausbau erneuerbarer
Energien und ermöglichte engagierten Bürgerinnen und Bürgern an der Energiewende zu
partizipieren. Die eingebaute Kostendegression war zudem Innovationsmotor und Garant
für Kostensenkungen. Nur dank des EEG
haben wir heute einen Anteil von mehr als 27
Prozent sauberen Strom am Bruttostromverbrauch.
Die Einführung eines mengenbegrenzten
Systems mit wettbewerblicher Preisfindung ab dem Jahr 2017 stellt eine radikale
Veränderung der Grundprinzipien des EEG
dar, die eine Reihe der Errungenschaften der
Energiewende in Frage stellt: Wie können die
Ausbauziele bundesweit erreicht werden?
Wie wird ein fairer Wettbewerb zwischen
den Standorten im Norden und Süden
Deutschlands sichergestellt? Wie lässt sich die
bisherige Akteursvielfalt erhalten? Dies alles
sind Fragen, auf die die EEG-Novelle aus dem
Jahr 2014 keine Antworten liefert und die im
Rahmen des nun diskutierten EEG 2016 gelöst
werden müssen.
Pöyry: Im ersten Halbjahr 2015 ist der Bau
von Windrädern im Vergleich zu 2014 stark
zurückgegangen. Wie erklären Sie sich diese
Zurückhaltung der Anlagenbauer?
Jung: 2014 war hinsichtlich des Zubaus
für die Windbranche ein sehr erfolgreiches
Jahr. Auch 2015 wird ein Erfolg, wenngleich
wohl nicht der hohe Zubau aus 2014 erreicht
werden wird. Bekanntermaßen ist die erste
Jahreshälfte immer schwächer als die zweite.
Wir erwarten durchaus noch einen deutlichen
Zuwachs im zweiten Halbjahr.
Pöyry: Ab dem Jahr 2017 soll die Förderung
von Windkraft über ein Ausschreibungsmodell reguliert werden. Von welchen Konsequenzen gehen Sie für die Branche aus?
Jung: Für die Windenergiebranche wird
entscheidend sein, wie das Ausschreibungsdesign letztendlich ausgestaltet sein wird. Das
vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi)
vorgelegte Eckpunktepapier skizziert hier die
Ideen der Bundesregierung. Vom Gestaltungsprozess der PV-Ausschreibungen haben wir
gelernt, dass das Eckpunktepapier schon viele
Regelungen enthält, die später im Gesetzestext stehen.
Wichtig ist: Damit die Windenergie auch künftig die treibende Kraft der Energiewende bleibt,
brauchen wir weiterhin ihren bundesweiten
Zubau. Das sichert langfristig einen hohen
Anteil an erneuerbaren Energien und reduziert
gleichzeitig den Netzausbau sowie den Bedarf
an Regelenergie und Speichern.
Damit es auch nach dem Systemwechsel ab
2017 zu einer ausreichenden Wettbewerbsfähigkeit für Binnenlandstandorte kommt,
setzt sich juwi für ein „faires Referenzertragsmodell“ ein, welches zum Ziel hat,
einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen
Standorten im Norden und Süden zu fördern.
Die Zuschlagswahrscheinlichkeit in Ausschreibungen darf nicht ausschließlich von der
Windhöffigkeit abhängen, sondern vielmehr
auch von der individuellen Projekteffizienz.
Gleiche Wettbewerbschancen ergeben sich
aber nur dann, wenn das Referenzertragsmodell so eingestellt wird, dass sich eine möglichst
flache Gebotskurve über die verschiedenen
Referenzertragsklassen ergibt, startend bei
typischen Windgüten für Binnenlandstandorte
von 60 Prozent.
Die vom BMWi vorgeschlagenen Anpassungen verfolgen unserer Meinung nach
den richtigen Ansatz, sind aber noch nicht
ausreichend, um tatsächlich eine flache Gebotskurve herbeizuführen. Insbesondere der
Effekt zusätzlicher Strommarkterlöse im Fall
eines frühen Zurückfallens auf die Grundvergütung, von dem insbesondere bessere
Standorte profitieren, muss hierbei auch
berücksichtigt werden. Deshalb plädieren wir
für eine deutlich Absenkung des Grundwertes
(z.B. auf 3,5 ct/kWh). Alternativ könnte ein
Kopplungsfaktor von Anfangs- und Grundwert
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lysen von Windkraftanlagen im Binnenland“ ab. 1996
Fred Jung
11
eingeführt werden. Dieser muss dann aber
unterhalb von 55 Prozent liegen, ansonsten
stellt sich keine flache Gebotskurve und damit
kein Wettbewerb ein.
Pöyry: Der Bundesverband WindEnergie
fordert vom BMWi, Stichwort „De-minimisRegelung”, Windparks bis zu einer Größe von
6 MW und 6 Erzeugungseinheiten von den
Ausschreibungen auszunehmen. Unterstützen Sie diese Forderung?
Jung: Über die De-minimis-Regelung soll ja
auch ein Beitrag zur Akteursvielfalt geleistet
werden und damit zum bundesweiten Zubau
von Windenergie. Dieser hängt aber maßgeblich von einer sachgerechten Weiterentwicklung des Referenzertragsmodells ab, welches
nach unseren Vorstellungen ausgestaltet, eine
notwendige Voraussetzung zum Erhalt dieser
Vielfalt ist.
Ob ein Projekt wettbewerbsfähig ist, hängt
vor allem von der Windgüte am Standort ab.
Es ist weniger eine Frage von „großen” oder
„kleinen” Akteuren. Für kleinere Akteure mit
einem geringeren Projektportfolio können
im Rahmen von Ausschreibungen Nachteile
aufgrund des Zuschlagsrisikos auftreten.
Dieses Risiko ist in erster Linie für Bieter im
Binnenland signifikant, die aufgrund der
windschwächeren Standorte Gefahr laufen, bei
einem anhaltend großen Marktvolumen und
begrenztem Ausschreibungsvolumen keinen
Zuschlag für ihr(e) Projekt(e) zu erhalten.
Projekte kleinerer Akteure an windhöffigen
Standorten sind unserer Einschätzung nach
prinzipiell wettbewerbsfähig und werden
regelmäßig im Rahmen von Ausschreibungen
auch Zuschläge erhalten. Sie benötigen daher
keinen besonderen Schutz im Rahmen der
Ausschreibungen.
Sofern Sonderregelungen zum Schutz kleinerer Akteure im Binnenland eingeführt werden,
wäre unser Vorschlag, diese zunächst für eine
Übergangsphase bis zum 31.12.2018 gesetzlich zu befristen, um Missbrauch vorzubeugen. Im Rahmen eines Monitoringberichts
sollte dann Ende 2018 die Notwendigkeit für
längere Schutzmaßnahmen geprüft werden.
Pöyry: Gehen Sie in diesem Zusammenhang
davon aus, dass ein Verdrängungswettbewerb unter den Anlagenbauern einsetzt,
in dem Sinne, dass lokale Akteure immer
weniger zum Zuge kommen und große Player
den Markt unter sich aufteilen werden?
Jung: Mehr Risiko bedeutet auch immer,
dass ggf. Akteure, die dies Risiko nicht
übernehmen können oder wollen, vom
Markt verschwinden werden. Die Erfahrungen aus anderen Ländern, die mit Ausschreibungsmodellen arbeiten, zeigen, dass
diese Gefahr tatsächlich auch besteht. Für
den Ausbau der Erneuerbaren ist es wichtig
die Akzeptanz durch aktive Einbindung von
lokalen Partnern zu erhöhen, dies sollte auch
zukünftig möglich sein. Das kann in Form von
Bürgerenergieprojekten, Windsparbriefen
oder anderen Modellen umgesetzt werden
Aus unserer Arbeit wissen wir, dass Kooperationen zwischen z.B. Genossenschaften,
kleinen und großen Projektentwicklern sowie
Stadtwerken und Energieversorgern gelebte
Praxis sind und hier helfen können.
Pöyry: Stellen diese Entwicklungen indirekt
auch eine Gefahr für das Geschäftsmodell
von juwi dar?
Jung: Nein. Mit unserer langjährigen Projektentwicklungs- und Betriebsführungs- Expertise als auch unserer Muttergesellschaft MVV
mit ihrem energiewirtschaftlichen Knowhow sind wir hier ideal aufgestellt, , um
uns auch im schwieriger werdenden
Marktumfeld zu differenzieren und
erfolgreich zu sein. Diese Kombina-
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trepreneur des Jahres 2009“.
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tion bietet eine zukunftsfähige und einzigartige
Grundlage für die sich ändernden Geschäftsmodelle in der Energiewende.
Zudem sind wir ein international agierendes
Unternehmen: In Deutschland entwickeln, finanzieren und betreiben wir Windprojekte seit
1996. Zunächst in Rheinland-Pfalz, heute fast
bundesweit. In der fast 20-jährigen Firmengeschichte haben wir bislang rund 840 Windenergie-Anlagen mit einer Leistung von knapp
1.800 Megawatt an über 100 Standorten ans
Netz gebracht. Weitere Projekte befinden sich
zudem in der Realisierung.
Im außereuropäischen Ausland entwickeln wir
nach wie vor große Freiflächensolarparks und
sind gefragter EPC-Partner. Zudem sind wir in
den globalen PV-Boom-Märkten mit eigenen
Niederlassungen und Projekten vertreten. So
bauen wir beispielsweise in Südafrika derzeit
den mit 86 Megawatt größten Solarpark der
Firmengeschichte. Weitere Projekte sind
bereits in der Pipeline.
Durch die Beteiligung der MVV Energie AG
an der juwi-Gruppe haben wir die Finanzkraft
des Unternehmens zudem deutlich gestärkt.
Somit steht ausreichend Kapital zur Verfügung, um die Planung neuer Energieprojekte
im In- und Ausland zu finanzieren.
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PÖYRY POST
ENGINEERING
Entwicklung der Rohstoffnachfrage der stofflichen und thermischen Verbraucher
Stoffliche und thermische Verbraucher in West- & Osteuropa (2004 vs. 2014)
Abb. 1
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Insights aus der Pöyry Gruppe
Hohe Dynamik
in den Holzmärkten
Renaissance eines Rohstoffes
Nicht nur für die Holzwerkstoffindustrie ist Holz als Rohstoff der zentrale Baustein bezogen auf die eigenen
Produktions- und Wertschöpfungsaktivitäten. Seine Verfügbarkeit und die zugehörige Markt- und Preisentwicklung sind von existenzieller Bedeutung für die gesamte Holzindustrie, mit zunehmender Bedeutung auch
als Energieträger. Als Experten im Bereich Forst und Holz als auch Zellstoff und Papier haben die Berater von
Pöyry Management Consulting dazu jetzt relevante Entwicklungen der Märkte analysiert und veröffentlicht.
München. Der Rohstoff Holz erlebt seit Beginn
des 21. Jahrhunderts eine Renaissance als
Energieträger. Neben seiner stofflichen Nutzung in der Sägewerks-, Papier- und Holzwerkstoffindustrie wurde der Rohstoff vor gut zehn
Jahren für die thermische Nutzung wiederentdeckt. In der Folge finden Sägenebenprodukte
wie Hackschnitzel, die bis dato überwiegend
als Rohmaterial in der Papier- und Holzwerkstoffindustrie eingesetzt wurden, mit dem
Aufbau von Pelletanlagen und zur Nutzung in
Bioenergiekraftwerken neue Abnehmer.
Ein Rohstoff. Zwei Entwicklungen
Die stoffliche und thermische Nutzung von
Holz bzw. der Wettbewerb um den Rohstoff
stehen dabei in einem „ungleichen Wettbewerb“: Abhängig von den unterschiedlichen
Förderprogrammen und Subventionsniveaus
in einzelnen Ländern Europas (z.B. EEG
in Deutschland) fielen Investitionen in die
energetische Nutzung und dem damit verbundenen Holzeinsatz unterschiedlich hoch
aus. In Ansätzen führte dies also einerseits
zu einer Verzerrung des Wettbewerbs und zu
einer Verschiebung der Kaufkraft zwischen
„stofflichen Verbrauchern“ und „thermischen
Verbrauchern“ (s.Abb. 01). Auf der anderen
Seite haben aber auch stoffliche Verbraucher
von den Förderprogrammen profitiert. Durch
die Eigenerzeugung von Strom und Wärme
in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Bioenergiekraftwerke) und die Einspeisung in das
lokale Elektrizitätsnetzwerk profitierten auch
stoffliche Verbraucher von den Förderprogrammen.
Der Verbrauch holzartiger Biomasse zur
Energieerzeugung ist in den letzten 10 Jahren
rasant gestiegen (EU 27: Steigerung 2004 bis
2014 um +33%). Ob die Verwendung holzartiger Biomasse zur Energieproduktion weiter
steigt wird u.a. auch davon abhängen, inwieweit sich andere Formen der erneuerbaren
Energien (z. B. Wind und Solar) langfristig
etablieren und welche alternativen Brennstoffe
zur Strom- und Wärmeerzeugung berücksichtigt werden.
Die unterschiedliche Holznachfrageentwicklung in West- und Osteuropa macht sich auch
beim Holzeinschlag in den berücksichtigten
Ländern bemerkbar. Während der Einschlag
in Westeuropa leicht rückläufig war, ist er in
Osteuropa deutlich gestiegen. Auffällig ist,
dass sich die Anteile von Energieholz am
Gesamteinschlag in beiden Betrachtungsregionen signifikant erhöht haben. Wesentlicher
Grund für diese Entwicklung ist die gestiegene
Nachfrage seitens der Bioenergie – der Verbrauch von Energieholz in privaten Haushalten
blieb über den Betrachtungszeitraum (2004
bis 2014) relativ konstant. Die Stürme der vergangenen 10 Jahre (Kyrill, Olli, Emma, Klaus
etc.) haben nur kurzfristig zu einem erhöhten
Holzaufkommen geführt und hatten keinen
Einfluss auf die langfristige Entwicklung.
Der Preis ist heiß
Das Zusammenspiel zwischen Angebot und
Nachfrage hatte auch Auswirkungen auf
die Preise der unterschiedlichen Holzsortimente (s. Abb. 02). Die Preisentwicklung der
Rohstoffe mit dem Preistrend für ausgewählte
Produkte der Holzwerkstoffindustrie (Index:
2010 = 100). verlief teilweise parallel, in gewissen Zeiträumen aber auch gegenläufig. Diese
Entwicklung ist besonders vor dem Beginn der
globalen Finanzkrise ab 2008 stark ausgeprägt.
Die Rohstoffpreise sind in den Jahren 2006
bis 2010 kontinuierlich gestiegen. Die Stürme
Kyrill, Emma und Klaus haben zwischenzeitlich zu kurzfristigen Überangeboten an
Rundholz geführt, wodurch der Industrieholzpreis für Fichte sank (2008 bis 2009).
Die generell gesunkene Verfügbarkeit von
Rund- und Sägerestholz bei gleichzeitig
gestiegener Nachfrage aufgrund der neuen
Rohstoffverbraucher (Pelletindustrie und Bioenergie) hat aber dennoch zu einem konstant
hohen Preisniveau aller Rohstoffsortimente
geführt, welches aktuell nur noch saisonalen
Schwankungen unterliegt.
Pelletproduktion wächst rasant
An der Schnittstelle zwischen der Erzeugung
von Resthölzern in der Sägeindustrie und der
Subventionierung der thermischen Nutzung ist
in den letzten 10 Jahren ein neuer Player am
Markt aufgetreten – die Pelletindustrie!
Die verstärkte Nachfrage nach Holz zur
Stromerzeugung innerhalb einiger EU-Mitgliedstaaten führte in den vergangenen Jahren
zu einem deutlichen Anstieg der Pelletimporte. Während 2009 etwa 1,7 Mio. Tonnen
an Industriepellets für die Befeuerung in
Kohlekraftwerken aus den USA, Kanada und
Russland bezogen wurden, stiegen die Importe innerhalb von nur fünf Jahren auf mehr
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PÖYRY POST
als 6,5 Mio. Tonnen, ein Anstieg von mehr als
30% jährlich (s. Abb. 03).
Weitere globale Exportregionen, wie etwa
Südamerika und Afrika, entwickelten dagegen
kaum nennenswerte Lieferketten und Verarbeitungskapazitäten für Pellets. Hauptgrund
hierfür war neben dem Thema Nachhaltigkeit
sicherlich auch die Notwendigkeit, eigens
Plantagen zur Holznutzung entwickeln zu
müssen. Hier hatten nordamerikanische
Lieferanten den entscheidenden Vorteil,
auf eine starke holzverarbeitende Branche
zurückzugreifen zu können.
Hohe Marktdynamik und
regionale Holzknappheit
Am Beispiel der europäischen Holzwerkstoffindustrie (besonders
bei Spanplatte und MDF/HDF)
wird deutlich, dass durch
die steigende Holz-Nachfrage anderer stofflicher und thermischer
Verbraucher
eine Ver-
schiebung im Holzmix stattgefunden hat.
Gründe für diese Verschiebung sind vor allem
der gestiegene Wettbewerb um das Rohmaterial Holz, welcher lokal zu Verknappungen und
damit gestiegenen Marktpreisen für einzelne
Holzsortimente geführt hat.
In der europäischen Spanplattenindustrie
zeigt sich eine deutliche Verlagerung von
Sägenebenprodukten zu Altholz. Dieser
Trend ist deutlich in Belgien, Großbritannien
und Deutschland zu erkennen. Italien setzt
seit jeher große Mengen an Altholz ein. In
Polen stieg der Altholzanteil in den letzten 5
Jahren ebenfalls. Wurde dort in 2004 noch
überhaupt kein Altholz eingesetzt, so liegt der
Anteil gegenwärtig bei 15% mit steigender
Tendenz. Der Anteil von Sägenebenprodukten im Holzmix fiel besonders stark in den
westeuropäischen Ländern, zum einen durch
den wachsenden Wettbewerb mit der Papierund Pelletindustrie, zum anderen aufgrund
einer Reduktion des Angebots an Sägenebenprodukten. Anstatt diese extern zu verkaufen,
installierten führende Sägewerksunternehmen
integrierte Pelletanlagen zur Steigerung der
eigenen Wertschöpfung.
Die steigende Holznachfrage von stofflichen
und thermischen Verbrauchern hat allerdings
nicht nur die Holzkosten steigen lassen und
zu einer Veränderung des Holzmixes in der
europäischen Spanplattenindustrie geführt,
darüber hinaus kam es auch zu regionaler
Holzknappheit. Dies hatte wiederum die
Schließung von Spanplatten- und MDF/HDF
Produktionslinien zur Folge (s.Abb. 04).
Die Netto-Entwicklung zeigt
deutliche Veränderungen der installierten
Produktionskapazitäten zwischen 2009 und
2014, sowohl Kapazitätszuwächse als auch
-reduktionen.
In Deutschland wurden seit 2009 mehr als
-2,8 Mio. m³ Produktionskapazitäten für
Spanplatten stillgelegt sowie über -0,7 Mio.
m³ Produktionskapazitäten für MDF/ HDF.
Auch in Belgien, Großbritannien und Italien
kam es seit 2009 zu Schließungen. In den
nächsten Jahren erwartet Pöyry weitere Stilllegungen von Produktionskapazitäten (Spanplatte und MDF/HDF) in westeuropäischen
Ländern. In osteuropäischen Ländern wie
Russland und Weißrussland kam es hingegen in den letzten 5 Jahren zu erheblichen
Kapazitätszuwächsen, sowohl bei Spanplatten
als auch bei MDF/HDF.
Geringe Kapazitätsauslastungen, unzureichende Holzversorgung und ein erhöhter
Kostendruck auf die Holzwerkstoffhersteller
sind die Hauptgründe für diese Entwicklung.
Mittelfristig wird es aufgrund von sinkender
und/ oder stagnierender Holzwerkstoffnachfrage in einigen osteuropäischen Märkten zu
einem erhöhten Wettbewerb (Anbieterzahl)
in westeuropäischen Märkten kommen.
Schon heute sind Holzwerkstoffhersteller aus Weißrussland, Russland
und der Ukraine in Polen aktiv,
eine Verschiebung bzw.
Entwicklung des Holzpreises in Deutschland
Abb. 2
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Entwicklung des Überseehandels mit Holzpellets (2009–2014)
Kanada à EU
Russland à EU
Mio. t
20090,5
20141,3
Mio. t
20090,4
20140,8
USA Südosten à EU
Mio. t
20090,5
20149,3
Palletimporte EU28
2009
2014
Handelsströme
1,7 Mio. t
6,5 Mio. t
2009–2014: +282 %
Pellet Importe in EU28 inkl. übrige Länder
Abb. 3
Verlagerung Richtung Ungarn, Tschechien
und in Ansätzen sogar Deutschland ist daher
abzusehen.
von Pellets. Nicht zuletzt ist dies eine Folge der
derzeit geringen Kosten für fossile Brennstoffe
(Öl, Gas, Kohle).
Die Pelletindustrie steht vor anderen Herausforderungen. Während der Sektor bis ca.
2013 starke Wachstumszahlen verzeichnen
konnte, hat sich die Nachfrage 2014–2015
deutlich verlangsamt.
Sollte es hier in den nächsten Jahren zu
einem Anstieg kommen, wird auch in der
Pelletindustrie das Thema Kapazitätsausbau
und Konsolidierung an Relevanz gewinnen.
Gründe hierfür waren sowohl ein geringerer
Zubau von Pelletheizkesseln und –kaminöfen
in Europa (Hausbrand) als auch ein geringerer
Ausbau der Kapazitäten zur Stromerzeugung
in umgerüsteten Kohlekraftwerken auf Basis
Da das Rohstoffpotenzial, v.a. das Angebot
von für die Pelletindustrie wichtigen Nebenprodukten der Sägeindustrie, in Deutschland
begrenzt ist, könnten auch hier Produktionskapazitäten in Osteuropa ausgebaut werden.
Netto-Kapazitätsentwicklung bei Spanplatte, MDF/HDF 2009 bis 2014
Veränderungen der
Spanplattenkapazitäten
2009 bis 2014
Abb. 4
Veränderungen der
MDF/HDF-Kapazitäten
2009 bis 2014
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