STEVE GUERDAT - Finanz und Wirtschaft

DONA BERTARELLI
REKORDSEGLERIN
AUTO
DIE SUPERCARS
DER PREIS DER
KUNST
REISETAGEBUCH
BERLIN
INTERVIEW
STEVE
GUERDAT
SPRINGREITER MIT GOLDWERT
SOMMER 2015 – 7 FRANKEN
DOSSIER
VITESSE
CALIBRE DE CARTIER DIVER
MANUFAKTUR-UHRWERK 1904 MC
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ALS ECHTE TAUCHERUHR GARANTIERT DIE CALIBRE DE CARTIER DIVER EINE WASSERDICHTIGKEIT
BIS 300 METER UND KOMBINIERT DIE HOHEN TECHNISCHEN QUALITÄTSANFORDERUNGEN GEMÄSS
ISO 6425:1996 MIT DEN MARKANTEN MERKMALEN DER CALIBRE DE CARTIER. SEIT 1847 ENTWICKELT
CARTIER AUSSERGEWÖHNLICHE UHREN, DIE GEWAGTES DESIGN UND HOHE UHRMACHERKUNST
PERFEKT MITEINANDER VERBINDEN.
Wir feiern den 200. Geburtstag F. A. Langes.
F. A. Lange, 1815 –1875
Sein ganzes Leben widmete F. A. Lange der Perfektionierung der
Er erfand wegweisende Konstruktionen und legte so den Grund-
mechanischen Uhr. Zu seinen herausragenden Leistungen zählt die
stein für eine präzisere Teilefertigung. Zudem gab er mit seiner
Einführung des metrischen Systems in die Feinuhrmacherei und
mutigen Entscheidung, eine Uhrenmanufaktur im verarmten Erz-
die damit verbundene Entwicklung genauerer Messinstrumente.
gebirge zu gründen, der gesamten Region eine neue Perspektive.
Indem wir jede einzelne Minute unseren Uhren widmen.
DATOGRAPH AUF/AB
Auch heute folgen wir diesem leidenschaftlichen Drang, jede
winzig oder versteckt es ist, mit einer ihm eigens zugedachten
Uhr bis ins kleinste Detail zu perfektionieren – sei es durch nütz-
Dekoration versehen und muss höchsten handwerklichen und äs-
liche Erfindungen oder aufwendige Finissierungen. So wird im
thetischen Ansprüchen genügen – ganz im Sinne unseres großen
Uhrwerk des Datograph Auf/Ab jedes Bauteil, ganz gleich wie
uhrmacherischen Vorbilds F. A. Lange. www.alange-soehne.com
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BUCHERER.COM
EINZIGARTIG WIE IHRE EMOTIONEN – SEIT 1888
UHREN SCHMUCK JUWELEN
EDITORIAL
Magazin zur Ausgabe der «Finanz und
Wirtschaft» vom 20. Juni 2015.
LUXE ist eine gemeinsame Publikation
von «Bilan» und «Finanz und Wirtschaft»
und erscheint vier Mal jährlich.
–
VERLAG FINANZ UND WIRTSCHAFT AG
Werdstrasse 21,
Postfach, 8021 Zürich
Telefon 044 248 58 00,
Fax 044 248 58 15
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–
Schnelle Zeit für
schnelle Menschen
VERLEGER
D
Pietro Supino
ieses ganze Magazin LUXE widmen wir einem
scheinbar unverzichtbaren Phänomen unserer Zeit:
dem Thema Vitesse – Geschwindigkeit.
VERLAGSLEITER
Walter Vontobel
CHEFREDAKTOR
Mark Dittli
REDAKTIONELLE LEITUNG
Hans Uli von Erlach
ANZEIGENVERKAUF
Tamedia Publications romandes
Werbemarkt
Werdstrasse 21 - 8021 Zürich
Tel. 044 251 35 75
[email protected]
ART DIRECTOR
Enzed, Mélanie & Nicolas Zentner,
Mathieu Moret
BILDREDAKTION
David Huc
–
MITWIRKENDE DIESER AUSGABE
Dino Aucielo, Sylvie Bernaudon,
David Bennett, Jean-Philippe Buchs,
Etienne Dumont, Jorge Guerreiro,
Véra Hartmann, Eileen Hofer, Matthieu
Hoffstetter, Michel Jeannot, Sarah JollienFardel, Sébastien Ladermann, Patricia
Lunghi, Quentin Mouron, Marc Ninghetto,
Lucie Notari, Nicolas Righetti,
Knut Schwander, Myret Zaki.
–
ÜBERSETZUNG
Béatrice Aklin,
Sabine Dröschel, Gian Pozzy,
–
BILAN LUXE
VERLEGER
Tamedia Publications SA
CHEFREDAKTOR
Myret Zaki
REDAKTIONELLE LEITUNG
Cristina d’Agostino
MARKETING
Dahlia Al-Khudri,
[email protected]
David Olifson,
[email protected]
–
Wir trafen Menschen, die nach Rekorden jagen auf dem
Wasser (wie die Weltklasse-Seglerin Dona Bertarelli)
und im Stadion (wie die Leichtathletin und Schweizer
Meisterin Mujimba Kambundji). Wir liessen uns
begeistern für schnelle Boliden, für Vintage-Ikonen
wie den legendären Shelby Cobra und für die neusten
Raketen auf vier Rädern wie den Lamborghini Veneno
oder den MacLaren P1, die heute zu den schnellsten ihrer Klasse gehören.
Was wir entdeckten: Das Thema Schnelligkeit wird umso faszinierender,
je mehr Zeit man sich dafür nimmt. Innehalten für die Geschwindigkeit
sozusagen – kein Widerspruch. Denn Schnelligkeit und Langsamkeit, Vitesse
und Musse sind Geschwisterpaare, die sich bedingen. Ohne das eine ist das
andere nicht messbar. Eine schon fast philosophische Erkenntnis.
Dass Geschwindigkeit relativ ist, hat Einstein zwar bewiesen. Aber jede
Generation macht die Erfahrung aufs Neue: «Heute geht alles viel schneller»,
klagten Grosseltern schon immer. Und ihre Enkel waren stets fasziniert
von den neuen Rekorden und schnelleren Leistungen von übermorgen. Die
Astrophysik-Professorin Kathrin Altwegg trifft bei ihren Forschungen auf
beides: Auf den Wert einer klitzekleinen Sekunde und auf die Unendlichkeit
des Universums. Physik und Natur lassen sich eben nicht überlisten, haben ihre
eigenen Zeitmasse. Und wenn der Uhrenunternehmer Claude Biver auf seiner
Alp Käse herstellt, hat auch er zu warten, bis sein Käse reif ist. «Mehr noch»,
sagt er. «Zuerst müssen wir warten, bis das Gras auf der Weide gewachsen ist,
damit meine Kühe es fressen können...!»
Wir wünschen Ihnen nun genug Musse und Zeit für eine kurzweilige Lektüre.
Mit besten Grüssen
Hans Uli von Erlach
Redaktionsleitung
FOTOLITHO
Images3 Lausanne
–
DRUCK
Stämpfli Publikationen AG
Auflage 57 000
ISSN 1664-0152
Während vieler Jahre hat unser Freund und Kollege Konrad Koch das Magazin
LUXE mit eleganter und geistreicher Feder, sprühendem Ideenreichtum und
grossem Wissen geprägt. Mitte April ist er nach längerer Krankheit gestorben,
Koni hinterlässt in unserem Team eine grosse Lücke.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 7
INHALT
Sommer
76
© Rolex/Uli Weber
30
57
74
52
60
7
42
EDITORIAL
10MITWIRKENDE
12
MEIN BLICK
Fanny Smith
14 AGENDA
18 SCANNER
20 TECH-TRENDS
22 MUST HAVE
24 TREFFPUNKTE
Terrassen und ihre Chefs
26 DOSSIER
Vitesse
30 INTERVIEW
Steve Guerdat
34 ART
Kunstmarkt: Exzessive Preise
Markt China
VIP Art Basel
Sammler: K.F. Scheufele
41 ERRINERUNG
Mein Tag mit Lily Marinho
8 | Finanz und Wirtschaft LU X E
© Rolex/Carlo Borlenghi
72
42 68
SEGELN
Die Swan Saga
Interview mit
Leonardo Ferragamo
46 BOOTE
Schnelle Flitzer
48 MODE
Loropiana
52 OLDTIMER
Die goldene Ära
der Maharadschas
56 VINTAGE
Shelby Cobra
57 AVIATIK
Von der Strasse über die Wolken
60 RENDEZ-VOUS
Dona Bertarelli
64 SAVOIR-FAIRE
Hemden nach Mass
67 IKONE
Adidas
68 AUTOMOBIL
Die Supercars
72 UHREN
Legenden am Handgelenk
Die New York Minute
76 SHOOTING
Pool
82 HOTELLERIE
Burg Schlitz
84 UNTERNEHMEN
Der Event-Schneider
85 GASTRONOMIE
René Schudels
Überlebenshandbuch
86 KOSMETIK
Schnelle Wunderwaffen
87 DUFTNOTIZEN
Parfum der Freiheit
88 REISETAGEBUCH
Berlin
92 DIGILUXE
Foto Titel: Vera Hartmann
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MITWIRKENDE
Quentin Mouron
Quentin Mouron ist
ein 1989 in Lausanne
geborener, kanadischschweizerischer Autor, der
bis zum 20. Lebensjahr in
Europa und Nordamerika
gelebt hat. Sein 2011
veröffentlichter erster
Roman «Au point d’effusion
des égouts» (Preis AlpesJura 2012) traf in der
Romandie auf ein grosses
Echo. Quentin hat an der
Universität Lausanne
Literaturwissenschaft
studiert. Sein vierter
Roman «Trois gouttes de
sang et un nuage de coke»
ist am 2. Juni im Pariser
Verlag La Grande Ourse
erschienen.
Sébastien
Ladermann
Sébastien Ladermann ist
Verleger, Schriftsteller,
Kommunikationsfachmann
und Hedonist mit einer
Vorliebe für Augenfreuden
(Handwerkskünste, ferne
Regionen, Oldtimer)
und Gaumenschmaus
(Gastronomie, Wein,
Zigarren). Indem
er die Lebenskunst
ergründet, analysiert und
kommentiert und sich
dabei nicht allzu ernst
nimmt, beweist er, dass
sich Savoir-vivre nicht nur
kultivieren lässt, sondern
auch ein spannendes
Studienobjekt sein kann.
S. 88
Etienne Dumont
Etienne Dumont wurde
1948 in Neuchâtel geboren
und lebt in Genf. Nach
einer klassischen Matura
schloss er 1972 das Studium
der Rechtswissenschaften
mit einem Master ab.
Seine erste berufliche
Tätigkeit nahm er 1974
bei der Tageszeitung
«Tribune de Genève»
auf. Dort war er lange als
Filmkritiker, später auch
als Fernseh-, Kunst- und
Literaturkritiker tätig.
Seit seiner Pensionierung
im Jahr 2013 führt er
bei «Bilan» einen Blog,
der sich hauptsächlich
mit Ausstellungen in der
Schweiz und im Ausland
befasst.
S. 36
Nicolas Righetti
Nicolas Righetti hat an
der Ecole Supérieure
des Beaux-Arts in Genf
studiert, ist Mitglied des
Künstlerkollektivs Renzo
und arbeitet für zahlreiche
Zeitschriften im In- und
Ausland. Seine Reisen rund
um die Welt haben in ihm
das Interesse für totalitäre
politische Figuren geweckt.
Bei seinen Aufenthalten
in Diktaturen entwickelte
er eine persönliche Art,
sich stilistisch mit ihnen
auseinanderzusetzen,
indem er die Kulissen der
Macht mit ihren eigenen
Waffen schlägt. 2007 wurde
er für seine Bilder in der
Kategorie «Portrait Story»
mit dem World Press Photo
Award ausgezeichnet. 2012
erhielt er für seine Arbeit
«L‘avenir en rose» über
Syriens Staatschef Baschar
al-Assad (Verlag Work is
progress) den Preis Nicolas
Bouvier.
Vera Hartmann
Die in Zürich geborene
Fotografin liess sich am
Art Center College of
Design Pasadena ausbilden.
Sie pendelt zwischen
der Schweiz, wo sie die
Agentur 13 mitbegründet
hat, und Los Angeles.
Zwei Berufsmittelpunkte
auf geografischen
Antipoden, aber dieselbe
Sensibilität für Farben
und die Menschen, die
sie porträtiert, vom
chinesischen Künstler
Ai Weiwei bis zur
Pornodarstellerin. Vera
Hartmann publiziert ihre
Arbeiten in den USA in
«GQ», «Rolling Stone» und
«Wired», in der Schweiz
u. a. in «Annabelle»,
«l’Hebdo» und «NZZ am
Sonntag».
S. 30
S. 68
10 | Finanz und Wirtschaft LU X E
S. 60
MEIN BLICK
von Lucie Notari
«Lombok in Indosien, 4 Uhr morgens. Ich holte schnell meinen Fotoapparat,
um den magischen Moment festzuhalten. Der Sonnenaufgang war genauso
eindrucksvoll wie im Film ‹König der Löwen›. Gebannt starrte ich auf das
Naturschauspiel und versuchte zwei Stunden, den fantastischen Moment
einzufangen. Fotografieren beruhigt mich, und ich finde es faszinierend, die
Natur zu beobachten. Es sind zeitlose Momente, seltene Auszeiten, wie ich sie
sonst nur erlebe, wenn ich ein Renne gewinne. Es fühlt sich an, als ob die Zeit
stillsteht. Dieses Gefühl der Freiheit, wenn der Druck nachlässt und ich eine
unbeschreibliche Freude empfinde, ist mein persönlicher Luxus.»
FANNY SMITH
Nach einer Knieverletzung musste
Fanny Smith 2011 pausieren. 2013
fand sie erfolgreich zum Wettkampfsport zurück. Sie wurde im
norwegischen Voss Weltmeisterin
und gewann vier Weltcup-Rennen.
Parallel dazu gründete sie 2014 die
Fanny Smith Academy, die Nachwuchstalente im Skicross fördert.
Im Jahr 2015 holte sie an der WM in
Kreischber Bronze. Damit sie es noch
weiter nach oben schafft, trainiert
die Waadtländerin fleissig weiter.
12 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Ilustrations : Nicolas Zentner
Fanny Smith kam am 20. Mai 1992
in Aigle zur Welt. Mit sechs Jahren
entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs
Skifahren und nahm für den Ski
Club Gryon an Rennen teil. 2004
ging sie an einer Skicross-Abfahrt in
Villars an den Start. Sie war sofort
Feuer und Flamme und beschloss, in
diesem Sport Karriere zu machen.
Vier Jahre später wurde sie Profi.
2010 belegte sie an den Olympischen
Spielen in Vancouver den siebten
Rang. Im selben Jahr gewann sie ihr
erstes Weltcup-Rennen in Innichen
(San Candido).
TO BREAK THE RULES,
YOU MUST FIRST MASTER
THEM.
UM REGELN BRECHEN ZU KÖNNEN, MUSS MAN SIE
ZUERST MEISTERN.
DAS VALLÉE DE JOUX: SEIT JAHRTAUSENDEN WURDE
DIESES TAL IM SCHWEIZER JURAGEBIRGE VON
SEINEM RAUEN UND UNERBITTLICHEN KLIMA
GEPRÄGT. SEIT 1875 IST ES DIE HEIMAT VON
AUDEMARS PIGUET, IM DORF LE BRASSUS. DIE
ERSTEN UHRMACHER LEBTEN HIER IM EINKLANG MIT
DEM RHYTHMUS DER NATUR UND STREBTEN
DANACH, DIE GEHEIMNISSE DES UNIVERSUMS
DURCH IHRE KOMPLEXEN MECHANISCHEN
MEISTERWERKE ZU ENTSCHLÜSSELN. DIESER
PIONIERGEIST INSPIRIERT UNS AUCH HEUTE NOCH,
DIE REGELN DER FEINEN UHRMACHERKUNST STETS
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ZU HINTERFRAGEN.
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GRANDE
COMPLICATION
IN TITAN UND
EDELSTAHL.
| AG E N DA | von Etienne Dumont
KLEE & KANDINSKY IN BERN
Sie waren Kollegen, Freunde und Bauhaus-Nachbarn
in Weimar in den Zwanzigerjahren. Nun begegnen
sich die Väter der abstrakten Kunst wieder im
Zentrum Paul Klee, das jeweils im Sommer eine
hochkarätige Show organisiert. Der diesjährige Anlass
ist eine Koproduktion mit der Städtischen Galerie im
Lenbachhaus München, die die Ausstellung ebenfalls
zeigen wird. Zahlreiche Bilder stammen vom Pariser
Centre Pompidou, das den Nachlass Nina Kandinsky
verwaltet. Wenig Neues, aber viel Sehenswertes.
19. Juni bis 27. September, www.zpk.org
MUDAC: LOB DER ZEIT
Uhren und Schokolade symbolisieren die Schweiz. Das Lausanner Designmuseum modernisiert und
internationalisiert diese Vision in einer Ausstellung zum Thema Zeit ab 1550, indem es Altes Modernem
und Futuristischem gegenüberstellt und Werke von Designern und Plastikern präsentiert. Die Schau will
die Besucher interessieren, amüsieren, auf Entdeckungsreise mitnehmen. Man nehme sich Zeit.
Bis 27. September, www.mudac.ch
AGENDA
NATIONAL
EUROPA AUS DER SICHT
DES KUNSTHAUSES
In der Antike war Europa eine schöne Prinzessin,
die vom Stier entführt wurde. Heute ist es ein
schwierig zu führender Kontinent. Ein politisch oder
human definiertes Gebilde, wo die universellen
Menschenrechte gelten? Oder einfach Austragungsort von Fussballweltmeisterschaften und
des Grand Prix Eurovison de la Chanson? Was ist
Europa? Diese Frage stellt sich das Kunsthaus Zürich, indem es die Werke von fünfzig Künstlern, von
Arnold Böcklin bis Ilya Kabakov oder Marc Bauer,
präsentiert. Bis 6. September, www.kunsthaus.ch
KUNST VOM SEPIK
IM MUESEUM RIETBERG
Eine Stammeszivilisation in Mode: Längs des
Sepik-Flusses in Papua-Neuguinea blühte eine
Kultur von seltener, raffinierter formaler Vielfalt, eine
Kunst, die sich völlig von der Afrikas oder Ozeaniens
unterscheidet. Das Zürcher Rietberg-Museum zeigt
in Partnerschaft mit dem Musée du Quai Branly und
dem Martin Gropius Bau Berlin diese internationale
Ausstellung. Zu sehen ist ein ganzes Dorf mit den
Bereichen der Frauen und der Männer.
10. Juli bis 4. Oktober, www.rietberg.ch
MARLENE DUMAS BEI BEYELER
Marlene Dumas, 1953 in Kapstadt geboren,
lebt seit 1976 in Amsterdam. Sie ist wie die
Engländerin Jenny Saville, die kürzlich im Zürcher Kunsthaus zu sehen war, eine unbequeme,
zutiefst berührende Künstlerin. Ihre Vision
der Welt ist aufwühled und schrecklich, ihre
Werke sehr politisch. Die Fondation Beyeler
bietet eine umfassende Retrospektive über
das Schaffen der Künstlerin von der Mitte der
Siebzigerjahre bis heute.
Bis 6. September, www.fondationbeyeler.ch
REGENERATION3 IM MUSÉE DE L’ÉLYSÉE
2005 organisierte das Lausanner Museum für Fotografie die
erste Talentsuche, 2001 folgte die zweite Ausgabe. Dieses Jahr
haben mehrere internationale Kunstausbildungsstätten Dossiers von 300 Kandidaten eingereicht. Fünfzig, wovon sechs
aus der Schweiz, wurden ausgewählt. Die Selektion umfasst
neben traditionellen Fotos Künstlerbücher, Multimedia, Videos
und Installationen. Die Welt bewegt sich…
Bis 23. August, www.elysee.ch
14 | Finanz und Wirtschaft LU X E
| AG E N DA |
CARLO DOLCI IM PALAZZO PITTI
Er ist der süsslichste der Florentiner Maler des
Seicento, ebenso berühmt für seine Pietà wie
für die Langsamkeit seiner Produktion. Carlo
Dolci (1616–1686) malte vorwiegend kleinformatige religiöse Bilder mit seltsamen Farben
und unwirklicher Atmosphäre. Der Palazzo Pitti
schenkt ihm in der Sala Bianca die erste Retrospektive. Seine Werke sind entweder sublim oder
totaler Kitsch – je nachdem.
30. Juni bis 13. November, www.uffizi.firenze.it
ALEXANDER MCQUEEN
IM VICTORIA & ALBERT MUSEUM
Auch im Leben danach erfolgreich: Dem britischem Couturier,
der sich 2010 im Alter von vierzig Jahren das Leben genommen
hatte, widmete nur ein Jahr später das New Yorker Metropolitan
Museum eine Retrospektive, die von 661‘000 Besuchern gesehen wurde. London zieht nach und zeigt «Savage Beauty». Der
exzentrischste aller Fashion-Genies wird in den unglaublichsten
Dekors präsentiert, darunter in einer Grotte aus (falschen)
Schienbeinen. Roben und Hüte sind zwar untragbar, aber unwiderstehlich fantasievoll. Bis 2. August, www.vam.ac.uk
ZURBARAN BEI THYSSEN
Madrid ist berühmt für seine bedeutenden
Ausstellungen. Das Museo ThyssenBornemisza zeigt Francisco de Zurbarán
(1598–1664) aus einem ganz neuen
Blickwinkel. Vom Künstler, der für seine
asketischen Heiligenbilder bekannt ist,
sind nun auch Porträts und Mythologien
sowie Werke seines Sohnes und seiner
zahlreichen Jünger zu sehen.
Bis 13. September, www.museothyssen.org
AGENDA
INTERNATIONAL
BIENNALE IN VENDIG
Der Megaevent findet dieses Jahr einen Monat früher als üblich statt und steht unter der künstlerischen
Leitung von Okwui Enwezor. Der Nigerianer hat Künstler aus allen Ländern und Horizonten an die Biennale gebracht. Sein Einfluss endet aber vor den Pavillons, deren es in den Giardini und in der Stadt viele
gibt und wo jedes Land macht, was es will. Für einmal ist es die Schweiz, die für einen Skandal sorgt, denn
Christoph Büchel hat in einer ehemaligen Kirche eine Moschee eingebaut.
Bis 22. November, www.labiennale.org
«RENCONTRES» FOTOS IN ARLES
Arles erhält einen neuen Direktor. Sam Stourdzé,
vormals im Lausanner Musée de l’Élysée, steht
nun am Steuer. Er hat viel zu tun, denn die
Ausgabe 2014 war kompliziert, und er muss
vor allem Schritt halten mit dem Megaprojekt
der Mäzenin Maja Hoffmann. Auf dem reich
befrachteten Programm steht ausserdem eine
Hommage an Walker Evans sowie «Emergenzen»
und «Resonnanzen» und dazu Privatkollektionen
wie die «Souvenirs du Sphynx». 6. Juli bis
20.September, www.rencontres-arles.com
«DOLCE VITA?» À LA MUSSOLINI IN PARIS
Von 1900 bis 1940 wurde im neu vereinten Italien eine moderne Malerei erfunden, Design wurde zum
wichtigen Thema. Auf Art Nouveau, in Italien Liberty genannt, folgte der Futurismus, bevor man sich
wieder mit der Antike beschäftigte und schliesslich dem Minimalismus zuwandte, den die allem Neuen
zugetane Regierung gestattete. Bereits 1940 erfanden Gio Ponti und Carlo Scarpa den Nachkriegsstil. Die
Ausstellung im Musée d’Orsay wird bis 13. Juli in der Orangerie durch eine Retrospektive des 1931 verstorbenen, herausragenden Bildhauers Adolfo Wildt ergänzt. Bis 13. September, www.musee-orsay.fr
16 | Finanz und Wirtschaft LU X E
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von Jorge S. B. Guerreiro
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BERLUTI ORIGAMI
Der italienischste der Pariser Bottiers präsentiert Origami, eine Tasche, die sich
direkt auf die japanische Kunst des Papierfaltens bezieht und sich zur ToteBag oder zum Rucksack verwandeln lässt. Das edle Stück wird in Italien aus
superweichem Kalbsleder produziert, typisch Berluti eben, und mit Elementen
aus Messing versehen. Dank dem genialen System werden die Nähte auf ein
Minimum reduziert, was die Tasche zum Leichtgewicht macht. Erhältlich in drei
Farben. Preis: 1100 €.
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18 | Finanz und Wirtschaft LU X E
TUMI 1975
Aus Anlass des 40. Geburtstags legt das
amerikanische Label Tumi die einmalige Kollektion
1975 neu auf. Die auf 1975 Stück limitierte Edition
wird vollständig in den USA produziert und erinnert
an die ersten Modelle der Marke, die berühmt
ist für Know-how, Handwerkskunst, erstklassiges
Leder, Funktionalität und technische Innovation.
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Louis Vuitton weckt Kindheitserinnerungen.
Der berühmte Malletier erfindet die legendäre
Doktortasche neu und lanciert die Travel Doctor
Bag. Kostbares hellbraunes Taurillon-Leder mit
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alten Weekender nicht nur für Doktorspiele.
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T.T.TRUNKS MOJITO
T.T.Trunks, 2009 von Julien Trossat gegründet, will
die berühmten französischen Koffermacher der
Vergangenheit neu interpretieren. Mojito – der
Name ist Programm – ist eine mobile Bar, die Sie auf
Ihren Reisen begleitet. Mit allem Drum und Dran:
herausnehmbare Schneidebretter, Inoxbehälter für
Eis, Minze, Zitrone, Shaker, Abteile für Whisky-,
Longdrink-, Cocktail- oder Martinigläser, diverse Siebe,
Schubladen für Sirup und Strohhalme und natürlich
genügend Platz für zwölf Flaschen Alkoholisches.
Musikliebende Bartender wissen die integrierte
Lautsprecherbox zu schätzen: 45’800 €.
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Finanz und Wirtschaft LU X E | 19
TECH-TRENDS
von Jorge S.B. Guerreiro
D
er Vorteile der Amphibienfahrzeuge ist zugleich auch ihr Nachteil: Sie
sind vielseitig einsetzbar, aber nirgendwo
wirklich in ihrem Element. Antoine Brugidou wollte das ändern. Er liess eine Motorjacht bauen, die sich nicht nur im Wasser, sondern auch an Land aus eigener
Kraft fortbewegen kann. Das Sportboot
ist landgängig, ohne dass seine hydrodynamischen Eigenschaften beeinträchtigt
werden. Dank eines patentierten Systems
mit zwei um 90° drehbaren Schwenkarmen wird das mit Raupenketten ausgestattete Fahrwerk entweder ausgefahren
oder vollständig im Rumpf versenkt.
Mit den gewöhnlich unförmigen Amphibienfahrzeugen hat dieses Modell
Iguana 29 denn auch gar nichts gemeinsam. Es wurde von Fritsch & Durisotti
designt und besticht durch eine schnittige, minimalistische und zeitgenössische
Optik. Für diese Saison erhält Iguana 29
einen neuen Carbonrumpf. In der Exclusive-Version ist die in der Normandie gebaute Jacht mit hochwertigen Optionen
20 | Finanz und Wirtschaft LU X E
L
A
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A
N
G
M
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I
T
O
T
wie GPS, Soundanlage und Bluetooth-Boxen von Bose, Leder, Edelholz und sogar
gold- oder platinbeschichteten Metallteilen zu haben.
Der leistungsstarke 300-PS-Motor
deutscher Herstellung beschleunigt das
Boot auf bis zu 40 Knoten – genügend
Speed also für Wakeboard, Wasserski und
andere Wassersportgeräte. An Land geht
es gemächlicher voran. Dort treibt ein
Hybridmotor das Fahrwerk mit maximal
7 km/h an. Beide Motoren können übrigens gleichzeitig laufen, was insbesondere beim Auswassern sehr hilfreich sein
kann. Dank der Kettenraupen ist die Iguana extrem geländetauglich. Sie kann sich
auf Sand ebenso gut fortbewegen wie auf
Betonrampen, Teer, Schlamm und Kieselsteinen. Falls Sie nicht allzu weit vom
Wasser entfernt wohnen, können Sie also
getrost am Steuer des Fahrzeugs nach
Hause fahren. Die ungläubigen Blicke Ihrer Nachbarn sind Ihnen sicher. Je nach
gewünschten Optionen kostet die Iguana
29 zwischen 285’000 und 450’000 €. |
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Flexibel wie eine Yacht.
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aus modularen Elementen, die wie bei
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werden können. Produziert von
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Constantin, klingt wie eine Einladung,
in die Ferne zu schweifen. Blau
lackiertes Zifferblatt und himmelblaue
Anzeigen mit diamantbesetzten
Kronen. Indizes und Zeiger aus Gold,
Armband aus handgenähtem, blauen
Alligatorleder.
Preis: 18 600 Fr.
PARAVENTISSIMO
Eine weitere Zusammenarbeit des
talentierten italienischen Designers
Martino Gamper mit der Mailänder
Galerie Nilufar. Dieser geniale
Paravent besteht aus drei Paneelen
mit geometrischem Muster. Erhältlich
in verschiedenen Massen und vier
wunderschönen Farbkombinationen.
Preis: 16 000 € (Einzelstück)
22 | Finanz und Wirtschaft LU X E
GLAM
Die formschöne, elegante Glam mit
ihrem zylinderförmigen Diffusor aus
Glas und dem flachen Lampenschirm
ist eine moderne Interpretation der
klassischen Tischleuchte. Eine Kreation
des belgischen Designers Luc Ramael
für Prandina.
Preis : 1430 Fr.
CARRÉ SEVENTIES
Dieses Hermès-Foulard aus
hochwertiger Seide ist grafische Poesie.
Die einzelnen, von Florence Manlik
gestalteten Motive stellen die Glieder
und die Schliesse eines 1967 entworfenen
Armbands dar und bilden zusammen
einen lebhaften Fries.
Preis: 430 Fr. (90×90cm)
COCOON
Anlässlich der Möbel- und Designmesse
Salone del Mobile, die alljährlich im
April in Mailand stattfindet, präsentierte
Louis Vuitton die Kollektion Objets
Nomades. Die von verschiedenen
Designern zusammengestellten Möbelund Designstücke stehen ganz in der
Tradition des Hauses und sind von
der Welt des Reisens inspiriert. Dieser
Hänge-Cocon stammt aus dem Atelier
der Brüder Campagna.
Preis auf Anfrage
CUT
Francesco Rota, Absolvent des Art
Center College of Design in La Tourde-Peilz, lebt und arbeitet in Mailand.
Für Lapalma hat er die Stuhlkollektion
CUT gezeichnet, die durch ihre klare
und doch sinnliche Formensprache
überzeugt. Für den Aussenbereich gibt
es eine pure Version mit oder ohne
Rollen. Preis auf Anfrage
Finanz und Wirtschaft LU X E | 23
TREFFPUNKTE
von Knut Schwander
Sommerterrassen
und ihre Chefs
AN DEN SCHÖNSTEN ROUTEN DER SCHWEIZ EMPFEHLEN SICH
LUXURIÖSE, RAFFINIERTE HÄUSER MIT HERRLICHEN TERRASSEN
FÜR DEN KULINARISCHEN BOXENSTOPP. OB AUSFLUGSZIEL
ODER RALLYE-ETAPPE – NEUN EMPFEHLENSWERTE ADRESSEN
FÜR KOST UND LOGIS IN TRAUMHAFTEM AMBIENTE.
CHARDONNE (VD)
LE MONTAGNE – DAVID TARNOWSKI
David Tarnowski heisst der Koch (17 Punkte Gault & Millau, 1 Michelin-Stern), der nicht nur hochtalentiert,
sondern auch detailverliebt ist. Seine Gerichte sind aromatische, aufsehenerregend inszenierte Kunstwerke.
Nicht nur die Küche bezaubert, auch die Terrasse mit der atemberaubenden Sicht auf das Lavaux ist eine
unwiderstehliche Attraktion. Man erreicht Le Montagne (nicht etwa «La», sondern «Le»!) auf der Route de
la Corniche und fährt durch die als Unesco-Kulturerbe anerkannte Landschaft. Gemüsegärten, Rebberge
und Léman entfalten ihre ganze Pracht.
Rue du village 21, 021 921 29 30, www.le-montagne.com
VERBIER (VS)
LE CHALET D’ADRIEN –
MIRTO MARCHESI
Das Gastrorestaurant La Table d’Adrien des luxuriösen
Chalet d’Adrien ist nur während der Hochsaison
geöffnet. Aber auch das Zweitrestaurant Le Grenier
ist eine sehr empfehlenswerte Alternative. Wegen
der Panoramaterrasse, wo man sich abends in einen
wärmenden Plaid hüllt, wegen der Champagnerbar
Pommery, wo man mit Blick auf Berggipfel einen
prickelnden Apéro geniesst. Und vor allem wegen der
Küche des Tessiners Mirto Marchesi (1 Michelin-Stern,
16 Punkte Gault & Millau), der Terroir-Produkte
meisterlich zubereitet.
Chemin des Creux, 027 771 62 00, www.chalet-adrien.com
PLEUJOUSE (JU)
LE CHÂTEAU DE PLEUJOUSE –
GÉRARD UND CARTHERINE PRAUD
Die Strasse schlängelt sich zwischen Damassiniers
(eine berühmte Pflaumensorte der Ajoie) und Wiesen
zum mächtigen Schloss auf dem Felsvorsprung empor, mit seinem Turm aus dem 12. Jahrhundert. Das
im Interieur schlicht und modern renovierte Gebäude
verfügt über eine Terrasse mit einem mächtigen
Kastanienbaum und herrlichem Blick über die Ajoie.
In diesem märchenhaften Ambiente verwöhnen
Gérard und Cartherine Praud die Gäste mit köstlichen Gerichten von natürlichem Gout und Charme,
welche die erstklassigen Produkte perfekt zur Geltung
bringen (15 Punkte Gault & Millau).
Le Château 18, Fregiécourt-Pleujouse
032 462 10 80, www.juragourmand.ch
BRAIL (GR)
IN LAIN HOTEL CADONAU – DARIO CADONAU
Zwischen St. Moritz und Scuol führt die Strasse durchs grüne Tal dem klaren Inn entlang durch Dörfer und
Wälder. Schliesslich gelangt man zu einem wunderschönen, frisch renovierten Engadinerhaus und zum
etwas versteckt liegenden Luxushotel Cadonau. Im eleganten Restaurant Vivanda wird Spitzengastronomie
geboten, im Stüvetta stehen einfachere, aber nicht weniger schmackhafte Gerichte auf dem Programm.
Die Terrasse ist eine Oase der Ruhe, Symbol schönster Schweizer Hoteltradition. Luxuriös schlichte
Zimmer bieten jeglichen Komfort. Ein Familienbetrieb von A bis Z bzw. vom Hausbau bis zur Küche, denn
einer der Brüder ist Schreiner, der andere Küchenchef.
Crush Pantaun 217, 081 851 20 00, www.inlain.ch
24 | Finanz und Wirtschaft LU X E
VICO MORCOTE (TI)
LA SORGENTE – CRISTINA UND GIUSEPPE LANZILOTTO
Granittische in der charmanten Pergola über dem Lago di Lugano, hübsche gewölbte Räume, die mit
moderner Kunst geschmückt sind, ein unglaublich freundlicher Empfang und eine raffinierte Küche: La
Sorgente heisst Quelle und ist mit 15 Gault-&-Millau-Punkten das Nonplusultra der Tessiner Gastronomie.
Das Terroir-Menü mit lokaler und mediterran-italienischer Küche bietet herrliche Pasta und Verdura, Fleisch
und, je nach Fang, auch Fisch. Dies alles geniesst man nach kurvenreicher Fahrt ins malerische Dorf mit
dem typischen Glockenturm.
Portic da Süra 18, 091 996 23 01, www.lasorgente.ch
FÜRSTENAU (GR)
SCHLOSS SCHAUENSTEIN – ANDREAS CAMINADA
Bereits der Apéro auf der Schlossterrasse ist ein Erlebnis der Sonderklasse. Duftende Wiesenblumen,
Brunnengeplätscher, der in den Kastanienbäumen raschelnde Wind, die idyllische Landschaft sind die
Elemente, die den Aufenthalt auf Schloss Schauenstein unvergesslich machen. Dies ist das Reich eines der
bedeutendsten Küchenchefs der Schweiz und Europas (3 Michelin-Sterne, 19 Punkte Gault & Millau). Die
Küche von Andreas Caminada und das einmalige Ambiente können nicht genug gelobt werden. Zimmer,
Suiten und Salons vereinigen beste Tradition mit zeitgenössischem Stil. Auf dem Weg ins Bündnerland ist der
Stopp geradezu ein Muss. Falls das Hotel ausgebucht ist, holt man Sie in der vornehmen Limousine im fünf
Minuten entfernten Hotel Kreuz ab.
Schlossgasse 1, 081 632 10 80, www.schauenstein.ch
BASEL (BL)
RESTAURANT STUCKI – TANIA GRANDITS
Das legendäre Basler Restaurant auf dem Hügel trägt den Namen seines Gründers Stucki, eines der Erfinder
der grossen Schweizer Gastronomie. Die hochtalentierte Chefin Tania Grandits (18 Punkte Gault & Millau,
2 Michelin-Sterne) führt die Tradition weiter und bezaubert Jahr für Jahr im prächtigen Haus mit idyllischem
Garten die zahllosen Feinschmecker. Die frischen, bunten Gerichte der Menüs gibt’s mit den passenden
Weinen aus dem grandiosen Keller oder mit hausgemachten, alkoholfreien Getränken, die farblich auf die
Gänge abgestimmt sind.
Bruderholzallee 42, 061 361 82 22, www.stuckibasel.ch
CERNIAT (FR)
LA PINTE DES MOSSETTES –
VIRGINIE TINEMBART
Zwar sind es bis Bulles nur wenige Kilometer, dennoch
fühlt man sich hier am Ende der Welt, wo es nichts als
Gräser, Kräuter und Blumen gibt. Das ehemalige Bauernhaus verdankt seinen Ruf Judith Baumann. Der
einfache Garten mit dem grossen Kastanienbaum
entspricht ganz dem Stil der Pinte des Mossettes, wo
die Natur in ihrer ganzen Raffinesse und Schlichtheit
den Ton angibt. Dasselbe gilt für die Küche von
Virginie Tinembart (15 Punkte Gault & Millau). Sie
hat zwei blumige, raffinierte Menüs im Programm. Im
Saal empfiehlt ihr Partner Georgy Blanchet Trouvaillen von seiner herrlichen Weinkarte. Der Besuch sollte
nicht länger aufgeschoben werden, da die Gastgeber
ihre letzte Saison in der Pinte verbringen.
La Valsainte, 026 927 20 97, www.lapintedesmossettes.ch
CRANSMONTANA (VS)
LE CRANS HOTEL&SPA –
PIERRE CREPAUD
Eine der schönsten gastronomischen Terrassen des
Wallis, das Panorama ist spektakulär, die Bergluft
anregend. Falls es zu kühl wird, zieht man sich in die
Rotonde zurück, von wo man ebenfalls die Rundumsicht geniesst. Hier am Ende der aus dem Dorf hinauf
führenden Strasse bietet Pierre Crepaud (16 Punkte
Gault & Millau) eine raffinierte Küche, die er ständig
weiterentwickelt. Mittags ersetzt die einfachere Karte
das grossartige Abendprogramm, die Produkte sind
aber gleichermassen von bester Qualität, die Ambiance ebenso magisch.
Plans Mayens, 027 486 60 60, www.lecrans.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 25
DOSSIER
VITESSE
von Hans Uli von Erlach
Der Wert einer Sekunde
TEMPO IST DIE IKONE DER MODERNEN GESELLSCHAFT. BEI TECHNISCHEN
ENTWICKLUNGEN, WO DIE KONKURRENZ SIE FORDERT, IM SPORT, WO ES REKORDE
ZU BRECHEN GILT, BEI DER INFORMATION, DIE WIR IN REALTIME ERWARTEN. UND
IM ALLTAG, WO WIR DER ZEIT HINTERHER RENNEN. DOCH SCHNELLIGKEIT IST SO
RELATIV WIE DIE ZEIT SELBER.
D
as Erlebnis war beeindruckend: Vor
einigen Jahren reiste ich mit Journalisten nach Zentralafrika, um Projekte
eines Hilfswerks zu besuchen. Mit einer einmotorigen Cessna landeten wir
schliesslich mitten in der Steppe, von
Hunderten von Kindern bejubelt, die
uns danach laut in ihr Dorf führten, eine
Ansammlung von kleinen, mit Palmblättern bedeckten Lehmhäusern. Eine Delegation von Dorfältesten begrüsste uns
fast ohne Worte. Wir wurden unter einen grossen, alten Baum gebeten, um den
sich unsere kleine, europäische Gruppe
zusammen mit den Gastgebern setzte,
im Kreis um den dicken Baumstamm herum. Dann Schweigen. Fast zwei Stunden
lang. Nur aus der Ferne hie und da Ziegenblöken, im Baumgeäste Insektensummen. Man sass, blickte mal freundlich in
die Runde, mal in die Natur und vor allem
in sich selbst hinein. Bis der Älteste des
Dorfes befand, jetzt sei es Zeit, aufzustehen und sich die Hände zu schütteln…
Hie und da denke ich wieder an jene
Szene, die uns gezwungen hat, uns unter
dem afrikanischen Baum Zeit zu nehmen.
Ein Lehrstück, wenn sich knapp 6000 Kilometer nördlich tagtäglich Informationen jagen über Geschwindigkeitsrekorde, über immer neue Errungenschaften
26 | Finanz und Wirtschaft LU X E
von Schnelligkeit. Von der japanischen
Magnetschwebebahn Maglev, die mit 603
km/h so schnell fuhr wie noch nie ein Zug
vor ihr. Vom Italiener Simone Origone,
der Anfang April im Alpin-Resort Vars (F)
mit 252,6 km/h auf Skiern eine Teststrecke hinunterbretterte und damit seinen
eigenen Weltrekord übertraf. Vom Rennwagen Hennessy Venom GT, der auf dem
Gelände des Kennedy Space-Center der
Nasa mit der Weltrekordzeit von 435,31
Stundenkilometern gestoppt wurde. Für
uns normale Autofans ist der magische
Begriff «von null auf 100» ohnehin die
Währung, mit der wir ein Fahrzeug taxieren. Die Liste der Marken, die das unter
vier Sekunden schaffen, liest sich wie das
Who is who der Königsklasse: Porsche,
Lamborghini, Ferrari, MacLaren, Bugatti
etc. Und die Generation der Elektro- und
Hybridfahrzeuge steht ihnen in nichts
nach, das neue S-Modell von Tesla schafft
das ohne einen Tropfen Benzin in 3,3 Sekunden. Die Gier der Medien nach Geschwindigkeitsrekorden nimmt aber auch
absurde Formen an. So soll Eminem den
Rapper-Rekord halten mit 6,5 Wörtern
pro Sekunde. Und jemand hat errechnet,
dass der Profiboxer Floyd Mayweather jr.
während seines Siegeskampfes am 2. Mai
so viel Geld pro Sekunde verdient hat wie
nie jemand vor ihm: 83‘333 $/Sekunde.
Einer, der mit dem Tempo dieser
schnellen Zeit lebt, ist Claude Biver, CEO
der Uhrenmarke TAG Heuer. «Alles ist
schneller als früher – Technologie, Information, Kommunikation», stellt er fest,
«es wäre eine Tragödie, wenn es nicht so
wäre! Geschwindigkeit ist ein Erfolgsfaktor. Wer nicht schnell ist, verliert.» Kam
darum die Smartwatch aus Bivers Haus
so schnell? «Auf die Apple Watch zu reagieren, hat nichts mit Schnelligkeit zu
tun, das ist obligatorisch.» Sekunden sind
sozusagen Bivers Geschäft, Hundertstelsekunden sogar. Denn Jack Heuer hat
schon 1916 den ersten Hundertstelsekunden-Chronographen patentiert. «Das ist
noch heute die kleinste Masseinheit für
mechanische Armbanduhren», sagt Biver. Das hat erstens technische Gründe.
Und zweitens «ist der Mensch nicht für
schnellere Reaktionen gemacht – die Reaktionsfähigkeit seiner Finger und Augen
ist limitiert.» Anders ist es bei der elektronischen Zeitmessung an Sportanlässen
wie Formel-1- oder Skirennen, wo auch
Tausendstelsekunden gemessen werden.
Partnerschaften im Sportbereich haben
bei TAG Heuer Tradition. «Das gehört
zu unserer DNA: Wir sind von Anfang an
Hersteller von Instrumenten, die die Zeit
© Rolf Sachs
par Michel Jeannot
© Rolf Sachs
DOSSIER |
«Vorne rast das Leben vorbei»: Bild
20121201_12.39.22, Fotografie aus dem
Kunstprojekt Camera in Motion von Rolf Sachs.
messen. Mit McLaren zum Beispiel feiern wir heuer dreissig Jahre Zusammenarbeit.» Claude Biver bezeichnet auch
sich selbst als schnellen Menschen, «bei
der Arbeit, wo es schnell gehen muss.
Bei einem schwierigen Problem bin ich
bewusst langsam, schlafe eine Nacht darüber und noch eine. Ich nehme mir die
Zeit und mache sie mir zum Freund. Man
darf die Zeit nie zum Feind haben – sie gewinnt immer.»
Der Schweizer Künstler, Designer und
Fotograf Rolf Sachs hat viele Beziehungen
zum Thema Geschwindigkeit. Der eine
Urgrossvater war der Erfinder des Freilauf-Fahrrads, der andere war Sohn des
Opel-Gründers. Rolf Sachs hat sein Studio in London und ist auch in St. Moritz
zu Hause, wo er Präsident des Bobsleigh
Club und Vizepräsident des legendären
Cresta Run ist. «Es gibt kaum etwas, was
das Adrenalin mehr aktiviert, als im Eiskanal des Cresta Run hinunterzurasen!»,
ruft er begeistert aus. «Als der Run Ende
des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, konnte ein Mensch nirgendwo schneller sein –
ausser, er hätte sich aus dem Fenster ge28 | Finanz und Wirtschaft LU X E
stürzt.» Auch der Cresta Run wird stets
schneller: «Die Bahn ist zwar dieselbe
geblieben, aber die Materialien sind immer schneller und die Fahrer immer besser, erreichen heute Spitzentempi von 140
km/h.» In seinem neuen Projekt Camera
in Motion hat der Künstler aus dem fahrenden Zug zwischen Chur und Tirano
die Landschaft mit langer Belichtung fotografiert und so Geschwindigkeit künstlerisch visualisiert. «Und auch die Beständigkeit», ergänzt er. «Vorne schiesst das
Leben vorbei, hinten bleibt die langfristige Schärfe.» Rolf Sachs lebt ein schnelles
Leben. «Jede Generation denkt, früher sei
das Leben langsamer gewesen. Aber leben wir nicht in einer unglaublich interessanten Zeit? Wir profitieren von einer
Technologie, die uns enorme Möglichkeiten gibt. Allein die Mobilität hat im 20.
Jahrhundert die Welt revolutioniert: Früher fuhr man für zwei, drei Monate nach
St. Moritz, heute rasch für eine Party am
Abend. Oder für wenig Geld übers Wochenende nach New York. Und es wird
noch spannender. In zwanzig, dreissig
Jahren wird kaum mehr jemand auf der
Strasse fahren, für längere Distanzen wird
jedermann einen Skycar haben. Science Fiction wird demnächst Realität, mich
begeistert das. Sport, früher einer privi-
legierten Klasse vorbehalten, ist zum gesellschaftlichen Allgemeingut geworden,
die Menschen wurden grösser und kräftiger, Rassen und Gene haben sich vermischt. Der Ehrgeiz nach schnellerer und
grösserer Leistung war schon immer da,
wird sich aber noch beschleunigen. Auch
die Kunstszene ist irrsinnig kurzlebig
und schnell geworden. Heute wird vor allem Kunst für den Moment gemacht. Das
zwingt uns, uns für eine schnelle Rezeption zu konditionieren.» Im Kalender von
Rolf Sachs ist jede Minute gefüllt. «Man
muss lernen, mit dem Angebot an Geschwindigkeit selektiv umzugehen. Das
ist heute die grösste Herausforderung.»
«Man muss warten können», sagt auch
Kathrin Altwegg und meint damit die
Forschungsarbeit mit dem Weltraum.
«Hier haben Raum, Zeit und Geschwindigkeit andere Dimensionen.» Die Astrophysikerin und Professorin an der Universität Bern musste zehneinhalb Jahre
warten, bis eines ihrer grössten Projekte jetzt Resultate liefert. So lange dauerte die Reise der Sonde Rosetta von der
Erde bis zum unvorstellbare 6,4 Mrd.
Kilometer entfernten Kometen Churjumow-Gerasimenko, kurz Churj genannt,
wo sie im letzten November ankam. Reisegeschwindigkeit etwa 55‘000 km/h, «in
«Geschwindigkeit ist ein
Erfolgsfaktor.
Wer nicht schnell ist, verliert.»
Claude Biver, CEO TAG Heuer
mir gut oder eben nicht. Man hat ja trainiert, Körper, Bewegungen und Gedanken
zu koordinieren, im Rennen denke ich
nicht mehr daran, das läuft fast automatisch.» Woher kommt dieser Ehrgeiz, immer schneller zu werden? «Schnell sein
macht eben auch Spass. Die Wettkämpfe selbst sind eine Motivation: Je bessere
Zeiten ich habe, an desto mehr Meetings
kann ich teilnehmen. Und siegen ist ein
Supergefühl! Das motiviert auch wieder
für die harte Arbeit des Trainierens während der Wintermonate, wenn ich weiss:
Ich kann noch bessere Zeiten laufen. Natürlich kann ich mir auch kein wirkliches Bild einer Hundertstelsekunde machen. Erst wenn ich das Rennen nachher
auf dem Video analysiere. Und auf dem
Fotofinish sieht man, dass schon eine
Zehntelsekunde deutlichen Abstand be-
«Hier haben Zeit und Geschwindigkeit eine
andere Dimension»: Komet Churj, fotografiert
am 18. Februar 2015 von der Sonde Rosetta.
deutet. Noch extremer ist es bei Hallenwettkämpfen um die 60-Meter-Distanz,
da entscheiden sogar Tausendstelsekunden. An der letzten Hallen-WM liefen
die ersten fünf Athletinnen innerhalb von
sechs Hundertsteln ein.» Führt Mujinga, Tochter einer Schweizer Mutter und
eines Vaters aus dem Kongo, auch sonst
ein schnelles Leben? Sie lacht: «Im Alltag bin ich wohl eher typische Bernerin,
nehme es gern gemütlich und lasse mich
nicht stressen.» Und angesprochen auf
ihre zur Hälfte afrikanischen Wurzeln:
«Bei Trainingslagern in Afrika merke ich,
dass Zeit im Alltag dort eine ganz andere
Rolle spielt. Hier regt man sich auf, wenn
der Bus nicht pünktlich ist – dort wartet
man, bis er eben kommt. Mein Vater sagt
immer: In Europa hat man die Uhr, in
Afrika die Zeit.» |
© NavCam ESA
Relation zur Erde», präzisiert Frau Altwegg. «Geschwindigkeit ist immer relativ – in Relation zum Kometen betrug
sie nur etwa 20 cm pro Sekunde, da kann
man gemütlich nebenherspazieren.»
Auch die Signale des Landeroboters Philae, den die Uni Bern unter Altweggs Leitung für diese Mission der europäischen
Weltraumorganisation Esa entwickelt
hat, brauchen ihre Zeit, im Moment rund
25 Minuten, um die irre Distanz zur Erde
zurückzulegen. «In der Weltraumarbeit
kann man die Zeit nicht überlisten. Die
Lichtgeschwindigkeit beträgt noch immer rund 300 Mio. Meter pro Sekunde.
Das ist eben Physik, eine feste Grösse. Eigentlich beruhigend in dieser Zeit des Immerschneller.» Noch eine verrückte Zahl
gefällig? Rund viereinhalb Milliarden
Jahre alt soll der Komet sein, dessen Materialien Professor Altwegg erforscht, um
daraus Rückschlüsse auf die Entstehung
der Erde zu ziehen. Ob sie sich selbst solche Zahlen überhaupt vorstellen kann?
«Es ist tatsächlich eine halbe Ewigkeit»,
stellt sie fest. «Der Mensch ist kaum in
der Lage, sich solche Zeiträume vorzustellen. Ein Menschenleben dauert rund
achtzig Jahre, das ist sein Zeitmass. In
dieses Leben will er so viel wie möglich
hineinpacken, darum soll alles schnell gehen. Auch ich ärgere mich, wenn ich einige Sekunden zu spät zum Bahnhof komme. In der Geschichte des Universums ist
das aber gar nichts. Da sind schon die paar
Millionen Jahre Existenz der Menschheit
ein Wimpernschlag. Unsere Schnelllebigkeit macht, dass der Mensch nicht mehr
weit vorausdenkt. Dabei hätte man gerade durch die Elektronik die Möglichkeit
dazu. Die Menschen leben nur in ihrer
Zeit, nicht für die Zukunft.»
Für die Berner Leichtathletin Mujinga
Kambundji, die in diesen Tagen 23-jährig wird, gehört der Kampf gegen die Zeit
zum sportlichen Alltag. «Ich konnte meine Bestmarke über 100 Meter innerhalb
nur eines Jahres um 17 Hundertstel verbessern. Das klingt nach einem Wimpernschlag, aber im Sprint ist das sehr viel»,
sagte sie in einem Interview. Und gegenüber «Luxe» bestätigt die Schweizer
Meisterin im 100- und 200-Meter-Lauf:
«Meine 11,4-Sekunden-Marke für 100
Meter ist im Alltag ja gar nichts. Wenn
ich aber über 200 Meter sprinte, kommen sie mir sehr kurz vor. Und bei einem
60-Meter-Lauf wiederum sehr lange. Ich
empfinde die Zeit sehr relativ und spüre die Sekunden auch nicht während des
Wettbewerbs. Da weiss ich nur: Es läuft
Bilan LU X E | 29
| I N T E R V I E W | von Cristina d’Agostino - Foto: Vera Hartmann
STEVE GUERDAT
« Wenn ich auf den Parcours komme,
macht es klick im Kopf. »
DER OLYMPIASIEGER IM SPRINGREITEN HAT KÜRZLICH DEN
WELTCUP GEWONNEN UND HÄLT RÜCKBLICK AUF SEINE KARRIERE.
DER 33-JÄHRIGE JURASSIER SAMMELT SIEGE. GLEICHZEITIG
SAGT ER ABER AUCH, ES SEI UNMÖGLICH, IN SEINER DISZIPLIN
ZU DOMINIEREN. EINE BEGEGNUNG.
D
as Gestüt von Mäzen Urs Schwarzenbach in Herrliberg an der Zürcher Goldküste ist eine Postkartenidylle,
weitläufig, mit viel Grün. Steve Guerdat
ist glücklich. Er hat den Grand Prix de la
Baule, einen der prestigereichsten Wettbewerbe Europas, gewonnen. Aber er ist
kein Mensch, der Gefühle zeigt, jedenfalls
nicht sofort. Der Jurassier ist vielmehr ein
rigoroser Mann der klaren Linien, erdverbunden. Ein echter Reiter eben, der, wie
er sagt, seine Tage am liebsten auf Sand
und im Schlamm verbringt, fern allen Geschehens. Der frisch gekrönte Weltmeister ist somit kein Freund von Glanz und
Glitter. Obwohl es die Nacht seines Sieges
in La Baule war, verbrachte er den letzten Abend im Pariser Hotel Ibis. Dies entspricht seinem Stil. Obschon: Auch er steht
mal gerne im Rampenlicht. Und wenn die
Scheinwerfer wie in einer echten amerikanischen Show den Parcours beleuchten
und das Publikum begeistert mitfiebert,
dann strahlt auch er.
Herr Guerdat, wie fühlen Sie sich nach dem
Sieg in La Baule?
Hervorragend. Nach einem Sieg ist man
immer ein bisschen müde, die nervliche
Anspannung lässt nach. Aber der Sieg war
wunderschön. Wenn sich das Publikum erhebt, applaudiert, mit den Füssen trampelt,
die Musik erklingt, dann ist das schon ein
Moment, den man nie vergessen wird.
War der Sieg mit Nino des Buissonnets,
Sieger der Olympischen Spiele London, für
Sie wichtig?
30 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Selbstverständlich. Es gibt zwei Aspekte. Einerseits sind da natürlich die Erwartungen der Menschen, denen man genügen möchte. Anderseits aber die Freude,
die mir die Pferde bescheren, der Spass, sie
zu reiten. Das ist meine wahre Motivation.
Ich betreibe den Sport nicht für die andern
oder um ihre Wünsche zu erfüllen. Ich liebe
den Sieg, ich liebe meine Pferde – das ist alles und mein einziges Ziel.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie vom Publikum
wie in La Baule begeistert unterstützt werden?
Das ist natürlich wunderbar, vor allem in
unserem Sport. Im Reitsport ist es schwieriger zu dominieren als etwa im Tennis. Es
ist unmöglich, fünf oder sechs Grand Prix
in Folge zu gewinnen. An diesem Wochenende absolvierte ich zwölf Parcours und gewann ein einziges Mal, das ist die Normalität. Ich verstehe, dass die Erwartungen des
Publikums an einen Olympia- oder Weltcupsieger gross sind. Aber ich bin ja nicht
allein, ich arbeite mit einem Lebewesen, das
ich dominieren muss. Und wenn eine Stange fällt, dann ist Schluss, dann gibt es kein
neues Set wie im Tennis, wo man den Fehler korrigieren kann.
Sie sind aber gut unterwegs.
(Seufzt) Der Weg ist noch lang. Und es
gibt weitere Kriterien, die in diesem Sport
zählen, es geht nicht nur um den Sieg.
Nächste Woche fahre ich an den CSIO nach
Rom, einen sehr wichtigen Wettbewerb, an
dem ich mit drei jungen Pferden teilnehme,
die erst neun Jahre alt sind. Eines ist noch
nie über eineinhalb Meter gesprungen, und
keines war je an einem Grand Prix dabei.
Ich nehme sie mit nach Rom, damit sie lernen. Wenn ich in einem Jahr Nachfolger
für Paille und Nino des Buissonnets haben
will, muss ich sie jetzt an die Ambiance eines Concours gewöhnen. Es ist typisch für
unseren Sport, an einem Grand Prix teilzunehmen und zu wissen, dass man nicht
gewinnen wird. Wobei Corbinian ein sehr
| INTERVIEW |
Die Amerikaner
verstehen es,
Spitzensport und
Zuschauerspass
zu verbinden.
vielversprechendes Pferd ist (auf Corbinian
erreichte Steve Guerdat am 25. Mai in Rom
Platz fünf, Anm. d. Red.). Je nach Resultat
kommt er vielleicht mit an die Europameisterschaften. Er hat das Potenzial; was ihm
fehlt, ist die Erfahrung.
Es ist typisch für Sie, dass Sie viel Zeit mit
jungen Pferden in Ausbildung verbringen.
Ja, darauf bin ich sehr stolz. Ich verfüge nicht nur über einen der bestdotierten,
sondern auch preiswertesten Ställe. Es gibt
hier Pferde, die noch niemand kennt oder
an die niemand glaubt, und solche, die ein
unglaubliches Potenzial entwickeln.
Sie wenden viel Energie dafür auf. Andere
Reiter ziehen es vor, ausschliesslich in reife
Pferde zu investieren.
Das stimmt. Aber darin liegt auch das
Vergnügen, zu gewinnen. Ich sehe mich
nicht auf Pferden, die vielleicht über eine
Million gekostet haben. Wir betreiben alle
den gleichen Sport, und manchmal gehe ich
als Sieger hervor. An der Stelle dieser Konkurrenten käme ich mir dumm vor, von einem Pferd geschlagen zu werden, das dreimal weniger gekostet hat. Ich hätte das
Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein.
Das ist eine sehr radikale, auch einzelgängerische Wahl. Die richtige für jemanden, der
bald 33 Jahre alt ist?
Absolut. Das ist es, was ich wirklich liebe, ist mein Lebensstil, meine Passion. Alles
dreht sich darum. Ich bin der gleiche, wie
ich mit neun Jahren war, als ich mit dem
Reitsport begann.
Ist es schwierig, dem Druck standzuhalten?
Ja, denn man muss sich jeden Tag in Frage stellen. Man hat nur den nächsten Parcours im Fokus. Jedes Mal muss man sich
neu qualifizieren, den Cup gewinnen, dann
den Grand Prix vom Samstag, den vom
Sonntag. Ein ewiger Neubeginn.
Entscheiden Sie allein über die Wahl der
Pferde?
Ja. Natürlich spreche ich mit den Besitzern. Manche wünschen, dass das Pferd an
einem bestimmten Wettbewerb teilnimmt,
sei es, weil sie Business dort haben oder
weil Verwandte in der betreffenden Stadt
wohnen. Aber grundsätzlich habe ich das
letzte Wort. Hätte ich es mit einem Besitzer
zu tun, der mir die Wahl vorschreibt, würde
ich auf der Stelle aufhören.
Wie viele Pferde besitzen Sie?
Ich bin zur Hälfte Besitzer des neunjährigen, talentierten Corbinian.
Möchten Sie mehr in eigene Pferde investieren?
Ganz klar. Obwohl ich alle Pferde des
Stalls als meine betrachte. Aber es besteht
doch das Risiko, dass man sie mir eines Tages wegnimmt.
Es gab in Ihrer Karriere Zeiten, als Sie weder
einen Mäzen noch Pferde hatten. Ist dies
eine Furcht, die Sie immer noch begleitet?
Nein. Ich versuche mich mit Menschen
zu umgeben, denen ich vertrauen kann.
Ich habe schon viele Pferde abgelehnt, weil
32 | Finanz und Wirtschaft LU X E
mir die Besitzer nicht gefallen haben oder
weil diese wollten, dass ich die Nationalität
wechsle. So etwas habe ich stets abgelehnt.
Es ist durchaus möglich, dass man eines Tages ohne Mäzen dasteht. Aber ich denke
nicht daran und versuche, meine Arbeit so
gut wie möglich zu tun, damit ein solcher
Fall nicht eintritt.
Am Concours von Las Vegas wurden Sie
Weltmeister im Einzelspringen. Hat Ihnen
die Show à l’américaine mit viel Licht und
Lärm gefallen?
Oh ja, ich liebe diese Art Concours. Die
Menschen amüsieren sich, die Show ist unbeschreiblich und gut für unseren Sport.
Ich hatte das Privileg, an grosse Sportveranstaltungen eingeladen zu werden, vor
allem nach den Olympischen Spielen von
London. Und ich muss sagen, der Reitsport musste sich in Las Vegas in Bezug auf
Spektakel nicht verstecken. Es ging zu wie
bei einem NBA-Basketball-Match, laut, die
Menschen waren fröhlich, vergassen ihre
Sorgen, entspannten sich. Es ist eine andere Art, die amerikanische eben. Die Amerikaner verstehen es, Spitzensport und Zuschauerspass zu verbinden.
Das motiviert Sie?
Ja. Denn diesen Sport ohne Herzensfreude zu betreiben, nur um am Sonntag einen
grossen Scheck zu kassieren, ist für mich
uninteressant und freudlos. Das entspricht
nicht meinem Sportverständnis. Ich habe
lieber volle Tribünen und einen kleineren
Scheck.
Vor zwei Jahren kritisierten Sie, dass es in
Ihrem Sport immer mehr um viel Geld geht.
Wie sieht es heute aus?
Die Situation hat sich stabilisiert.
Wie viele Prozente am Preisgeld erhalten Sie?
Etwa ein Drittel geht an den Concours,
vom Rest erhalten der Besitzer und ich je
die Hälfte. Das ist für mich o.k. Ich habe
nichts gegen Geld, vielmehr gegen die
Art, wohin es fliesst. Also nicht nur in
«Prize Money», sondern auch in die Kommunikation. Das flagranteste Beispiel ist
der GCT Shanghai, wo alles Geld in die
Preisgelder geht.
Aber Sie sind nach Schanghai gereist.
Ja, und ich werde es nicht mehr tun. Ich
wollte den Wettbewerb testen, denn ich
habe viel Gutes darüber gehört. Es hat mir
aber nicht gefallen. Auch hatte ich nicht die
besten Pferde mitgenommen.
Wie hoch waren die Preisgelder?
Viel zu hoch. Am ersten Tag fand der mit
350‘000 $ dotierte Grand Prix statt. Das ist
mehr als der Grand Prix La Baule, notabene einer der prestigereichsten Anlässe in
Europa. Am zweiten Tag betrug die Summe
450‘000, am Sonntag wieder 350‘000 $.
Sind Sie gut geritten?
Nein, ich erzielte keine Klassierung
(lacht). Ich ziehe ein Preisgeld von 200’000
$ vor, was ja bereits enorm ist, und möchte,
dass der Rest in die Promotion und die Zukunft des Sports investiert wird und nicht
das Reiter-Portemonnaie füllt.
Es ist immer schwieriger, einen Mäzen zu
finden. Hätten Sie die gleichen Möglichkeiten, wenn Sie heute eine Karriere starten
wollten?
Wenn man Talent hat, klappt es immer.
Aber es ist schwierig wie in allen Sportarten. Wie viele Fussballer gibt es, die Profi werden möchten? Auf hundert selektionierte Kinder schaffen es schliesslich zwei.
Aber ich glaube, ein grosses Talent bleibt
auch heute nicht ohne Club. Der Vorteil unseres Sports ist, dass man ihn auch noch als
50-Jähriger ausüben kann und dass Reiter
in der Regel nicht den Lebensstil reicher
Leute führen.
Was Sie tun könnten…
Nein. Ich brauche kein Fünfsterneleben. Vielleicht würde es mir sechs Monate gefallen. Dann stünde ich jedoch unter
zusätzlichem Druck, jeden Preis zu gewinnen. Nein, das möchte ich wirklich
nicht. Ich trage auch Verantwortung und
muss jeden Monat sechs Saläre bezahlen.
Luxus interessiert mich nicht. In diesem
Sport gibt es viele vermögende Familien,
die dieses Leben bereits führen (lacht).
Ich schwimme vielleicht gegen den
Strom, aber ein echter Reiter muss naturnah sein, ein Mann der Scholle.
Know-how weitergeben – beschäftigen Sie
sich damit?
Das ist nichts für mich. Ich wäre ein
schlechter Trainer, ich glaube nicht, dass
mir diese Arbeit gefallen würde. Reiten
ist für mich etwas so Natürliches, dass ich
es nur schwer erklären kann. Der grösste Liebesdienst meines Vaters war, sich
als Trainer von mir zu trennen. Denn er
wusste, dass ich anderswo und mit anderen Leuten mehr lernen würde. Das
war ein Zeichen der Demut, das ich sehr
schätze. Er hat sich nie via meine Karriere
profiliert. Diese Einstellung ist viel wichtiger, als ein guter Trainer zu sein.
Planen Sie Ihre Zukunft?
Nein. Es ist für mich unvorstellbar, in
fünfzehn Jahren nicht mehr zu reiten oder
mich nicht für die Olympischen Spiele vorzubereiten. Es ist vielleicht übertrieben zu
sagen, dass ich in den Tag hinein lebe, aber
ich plane nicht voraus. Ich lebe im Augenblick und geniesse das Reiten.
Abgesehen vom Spass, woher kommt diese
Lust aufs Siegen?
Wenn ich auf den Parcours komme,
macht es klick im Kopf. Das Gleiche passiert, wenn ich Tennis oder Fussball spiele.
Betreibe ich Sport, will ich gewinnen. Wenn
nicht, ist es ein Horror, auch für die andern
(lacht)… Es ist angeboren.
Woran denken Sie während des Parcours?
Es gibt da schon den Moment vor dem
Start. Das Warten dauert immer lang, und
ich ertrage es immer weniger. Ich werde
nervös. Sobald es losgeht, bin ich hoch konzentriert, fühle mich wohl und denke an
nichts anderes.
Ihre Beziehung zur Geschwindigkeit?
Ich kann nicht immer nur schneller werden, ich muss auch Hindernisse überwinden, will den perfekten Parcours absolvieren. Wenn ich aber ein Hindernis mit hoher
Geschwindigkeit springe, das ist dann wirklich schön. Aber ja, ich liebe Tempo: auf
dem Motorrad, beim Skifahren.
Die Europameisterschaften von Aachen
stehen an. Wie sieht Ihr Schlachtplan aus?
Die Qualifikation für die Olympischen
Spiele. Aachen ist ein spezielles Stadion,
Rasen, 50‘000 Zuschauer, sehr gross, sehr
breit, schwierig für die Pferde. Die Wahl des
Pferdes wird entscheidend sein, denn es
darf sich davon nicht beeindrucken lassen.
Nicht wie Nino des Buissonnets, der einen
grossen Respekt vor den Hindernissen hat,
der die Stangen nicht berühren will, der lieber vorher stoppt – er ist ein Perfektionist.
Ist er das Pferd, das Ihnen am meisten
ähnlich ist?
Als ich Nino zum ersten Mal sah, absolvierte ich mit ihm fünf, sechs Sprünge und
wusste, er ist das Pferd, das ich will und
brauche. Wobei ich damals noch kein Geld
besass und nur gerade zwanzig Minuten
mit ihm verbracht hatte. Es war ein einzigartiges Erlebnis. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 33
| A R T | von Myret Zaki
Der Preis der Kunst,
Spiegel der finanziellen Exzesse
DER BOOM REISST NICHT AB. IM JAHR 2015 ERZIELTEN MEHRERE
KUNSTWERKE REKORDSUMMEN. EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN EINES
UNDURCHSICHTIGEN MARKTES, DER VON DENSELBEN KÄUFERN
AUFGEBLÄHT WIRD, DIE AUCH AN DER BÖRSE DIE STRIPPEN ZIEHEN.
I
n diesem Jahrzehnt hat Kunst Hochkonjunktur. Gemäss dem von Artprice und Art Market Monitor of Artron
(AMMA) veröffentlichten Bericht ist der
Umsatz im weltweiten Kunstmarkt in
den letzten zehn Jahren um 300% gewachsen.
2014 stellte der Fine-Art-Markt einen
neuen Allzeitrekord auf: Er verkaufte an
öffentlichen Auktionen Werke für 15,2
Mrd. $, was gegenüber dem Vorjahr einer
Zunahme von 26% entspricht. 2015 wird
diese Höchstmarke mit grosser Wahrscheinlichkeit ein weiteres Mal überboten. Die Werke kommen für immer astronomischere Preise unter den Hammer.
Im Februar ging Gauguins Gemälde «Nafea faa ipoipo» für 300 Mio. $ nach Katar und ist somit das teuerste Bild der
Welt. Am 12. Mai meldete Christie’s einen
neuen Auktionsrekord für einen Picasso:
«Die Frauen von Alger» wurde für 180
Mio. $ versteigert.
Ist der Kunstmarkt verrückt geworden? Es scheint, als hätten wir es mit einer ähnlichen Spekulationsblase zu tun
wie an den Finanzmärkten. Dafür spricht
auch das Art Financing: Auktionshäuser,
Banken und Berater gewähren für den
Kauf von Kunstwerken Kredite zu unsagbar tiefen Zinsen. Exakt wie an den Finanzmärkten setzen die Käufer dann voll
auf die Hebelwirkung, um einen möglichst grossen Profit zu erwirtschaften.
Die Finanzialisierung der Kunst spielt
bei der Preisexplosion unbestritten eine
Schlüsselrolle. Jason Goepfert, Präsident
von Sundial Capital Research, hat aufgezeigt, dass die exorbitanten Kunstprei34 | Finanz und Wirtschaft LU X E
se ein Spiegel der überrissenen Börsenpreise sind. Er wertet sie als Zeichen für
eine unmittelbar bevorstehende Marktkorrektur, zumal die Kunstbewertung
keinen Fair Value kennt. Ein eklatantes Beispiel dafür ist der Fall des Genfer
Kunstspediteurs Yves Bouvier, Aktionär
des Freilagers Ports Francs de Genève.
Er wurde im Februar des Betrugs angeklagt, weil er dem russischen Oligarchen
Dimitri Rybolowlew Gemälde für viel
zu hohe Preise empfohlen hatte. Die
Preisbildung im Kunsthandel kann sehr
undurchsichtig sein. Es wird sogar gemunkelt, dass bestimmte Kunstwerke
unter der Hand und abseits indiskreter
Blicke für viel mehr Geld den Besitzer
wechseln.
«Kunst ist immer noch eine sichere Anlage», sagt Bernard Pons, ein als Fachberater für moderne und zeitgenössische
Kunst tätiger Kunstmaler. «Die attraktive
Steuerpolitik macht diesen Nischenmarkt
äusserst interessant. In den USA zum Beispiel muss der Erlös aus einem Kunstverkauf nicht versteuert werden, wenn er
wieder in Kunst investiert oder in einer
privaten Stiftung angelegt wird.» Die Gefahr eines Preissturzes sieht Bernard Pons
nicht: «In der Kunst wird eher langfristig angelegt», so seine Einschätzung. Bei
wirklich spekulativen Anschaffungen lässt
der Weiterverkauf in der Regel nicht lang
auf sich warten. Dieser Trend ist allerdings
im Kunsthandel weniger verbreitet als auf
dem Immobilien- oder dem Finanzmarkt.
Barry Ritholtz, Kunstkolumnist bei
Bloomberg, hat keine Bedenken, dass der
Kunstmarkt einbricht, denn er wird von
einer internationalen Elite dominiert, die
bereit ist, für Gemälde hohe Preise zu bezahlen. «Weltweit gibt es 2300 Milliardäre», sagt er. «Das entspricht in etwa der
Grösse des Rekord-Kunstauktionsmarktes.
Die Preise sagen mehr über den kleinen
Kreis der Käufer aus als über eine allgemeine Tendenz des finanziellen Überflusses.» Allgemein gilt aber als erwiesen, dass
die Kunstblase auf eine breitere Finanzblase hindeutet. Laut Peter Atwater, dem
Präsidenten von Financial Insyghts, sind
Kunstkäufer mehr als nur repräsentativ
für die allgemeine Stimmung. Sie sind direkt oder über von ihnen kontrollierte Gesellschaften, Private Equity Funds, Hedge
Funds oder komplexe Anlagestrukturen
selbst «der aktuelle Markt». Nicht von ungefähr gehören Milliardäre aus der Industrie- und Finanzszene wie François Pinault,
Ronald Perelman (Private Equity) und Steve Cohen (SAC Capital Advisors, ein grosser New Yorker Hedge Fund) zu den zehn
grössten Kunstsammlern.
Am stärksten überbewertet sind gemäss den Experten neben Künstlern aus
Das Picasso-Bild «Les femmes d’Alger» wurde
am 12. Mai für 180 Millionen Dollar verkauft.
ENTWICKLUNG DES PREISINDEX NACH EPOCHE
Quelle: Artprice
Basiert ab Januar 2004
Grafik 1
Nachkriegszeit
Zeitgenössisch
Moderne
XIX. Jahrhundert
Alte Meister
verfallen. Bei älteren Kunstwerken aus
dem 15. oder 16. Jahrhundert ist zwar die
Gefahr eines Fehlkaufs geringer, aber die
Preise entwickeln sich langsamer.
Was Bernard Pons heute zum Kauf
empfiehlt? «Künstler, die bald in grossen Institutionen ausgestellt werden, wie
die Zero-Gruppe, Fontana, Wifredo Lam
oder Soulages.» Victor Brauner werde unter Wert verkauft, fügt er hinzu und empfiehlt Chadwick, Armitage, Horst Antes
und Miriam Cahn für die Schweiz.
ERGEBNISSE DER
AUKTIONEN 2014
aufgeteilt nach Ländern
Grafik 2
China (lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 36 bis 37) solche aus dem englischsprachigen Raum, gefolgt von den Europäern
(vgl. Grafik 1 und Grafik 2).
Der Kunstkauf ist und bleibt also eine
spekulative Anlage. «Man sollte darauf
achten, dass die Kunstwerke Zeit hatten,
spekulativ zu reifen», rät Bernard Pons
und meint damit, dass es am sichersten
ist, Werke von Künstlern zu kaufen, die
seit mindestens siebzig Jahren tot sind.
Bei ihnen sind auch die Urheberrechte
Der Höhenflug der Kunstpreise startete gemäss dem Bericht von Artprice.com 2004 mit
Pablo Picassos Gemälde «Junge mit Pfeife». Das Meisterwerk aus Picassos rosa Periode
wurde bei Sotheby’s New York für 104,1 Mio. $ (93 Mio. netto) versteigert. 2010 kam Alberto
Giacomettis «Schreitender Mann I» bei Sotheby’s London für 103,6 Mio. $ (92,5 Mio. netto)
unter den Hammer, gefolgt von Picassos «Nude, Green Leaves and Bust» (106,4 Mio. $ bzw.
95 Mio. netto bei Christie’s New York), einer Version von «Der Schrei» des norwegischen
Expressionisten Edvard Munch im Jahr 2012 (119,9 Mio. $ bzw. 107 Mio. netto, Sotheby’s New
York), Francis Bacons Triptychon «Three Studies of Lucian Freud» (142,4 Mio. $ bzw.
127 Mio. netto bei Christie’s, 12. November 2013) und «Silver Car Crash» (Double Disaster)
von Andy Warhol (104,5 Mio. $ bzw. 94 Mio. netto, November 2013, Sotheby’s). Die
Giacometti-Plastik «Wagen» schliesslich erzielte im Jahr 2014 100 Mio. €. Heute kann
der Preis eines Kunstwerks zwischen 1 und 100 Mio. $ liegen. Ein riesiges Gefälle, das den
Gesamtmarkt beeinflusst.
Quelle: Artprice
DIE SCHALLGRENZE 100 MIO
Finanz und Wirtschaft LU X E | 35
| K U N S T M A R K T | von Etienne Dumont
%
Anteil China am internationalen Kunstmarkt
2014, gegenüber 30% in 2011.
S
o schmolzen die Einnahmen von China Guardian um 20% oder 621 Mio. €.
Etwas besser erging es Poly International.
Das Auktionshaus büsste 6% ein, nahm
aber immerhin 908 Mio. € ein.
Diese Informationen sind dem «Annual
Art Market Report Tefaf» (The European Fine Art Fair) entnommen, der unter
der Leitung von Clare McAndrew herausgegeben wird. Die Tefaf ist nicht nur seit
vielen Jahren ein Barometer der Kunst,
sondern als wichtige Kunstmesse auch
die Mammutshow, die jeweils Ende März
in Maastricht stattfindet. Die Institution
führt ausserdem neutrale Untersuchungen
bei diversen Akteuren der Kunstbranche
durch, auch bei den Käufern. Der Bericht
enthält viel, aber nicht zu viel Zahlenmaterial, sodass man nicht Gefahr läuft, den
36 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Timothy A. Clary
22
Bad
news
aus
China
NOCH IM JAHR 2011 DOMINIERTE CHINA DEN INTERNATIONALEN
KUNSTMARKT MIT EINEM ANTEIL VON 30%, JETZT SIND ES NOCH 22%.
ZUM DRITTEN MAL IN FOLGE WAREN 2014 DER CHINESISCHE KUNST- UND
VOR ALLEM DER AUKTIONSMARKT RÜCKLÄUFIG. DIES GEHT AUS DEN
JAHRESERGEBNISSEN DER WICHTIGSTEN HÄUSER (1) DES LANDES HERVOR.
Überblick zu verlieren. Nur zu oft sind solche Rapporte mit Statistiken überladen, die
die Realität weniger erhellen, sondern eher
vernebeln.
Tatsächlich ist die Wirklichkeit in China wenig berauschend. Einerseits ist da der
rückläufige Umsatz, anderseits aber auch
das immer grösseren Volumen unverkaufter Objekte. 2014 fanden 57% der angebotenen Werke keinen Käufer. Die Gründe
sind vielfältig: zu hohe Reservationspreise, Überangebot, ein beunruhigend hoher,
mysteriöser Prozentsatz an Fälschungen.
In einem Dokumentarfilm (2), der letztes
Jahr auf europäischen TV-Kanälen ausgestrahlt wurde, war zu sehen, wie Arbeiter
in Windeseile assen, bevor sie in die Fabrik
zurückgingen, um die Modelle des angesagten Künstlers Zhanbg Huan zu reprodu-
zieren. So etwas hatte man in unseren Breitengraden noch nie gesehen, selbst nicht
zu Zeiten Raphaels oder Rubens‘. Da stellt
sich die Frage: Wann ist in einem Land, wo
zahllose Marken kopiert werden, eine Fälschung wirklich eine Fälschung?
Dazu kommen die vielen unbezahlten
Lose. Es ist bekannt, dass gewisse Chinesen schlechte Debitoren sind. Man erinnert
sich an die Yves-Laurent-Auktion in Paris
im Jahr 2009: Zwei Bronzen, die aus der
Plünderung des Sommerpalasts von 1860
stammten, erhielten den telefonischen Zuschlag für 31,4 Mio. €. Später erklärte der
Käufer, dass er nicht die Absicht habe, die
Rechnung zu bezahlen (3). Kein Einzelfall,
der Mann hat viele Nachahmer. China ist
ein Land, wo traditionell gefeilscht und neu
verhandelt wird. Diese Erfahrung machen
Skulptur von Yue Minjun
die immer zahlreicheren europäischen
Kunsthändler mit chinesischer Kundschaft, die in den meisten Fällen zunächst
die Hälfte des verlangten Preises bietet. An
Auktionen in Peking und Schanghai sahen
die Verkäufer bei 35% der Lose (30% 2014)
keinen müden Renminbi.
Wer profitiert von dieser Schwäche?
Zweifellos die USA, die glücklich sind, über
die zu reichen asiatischen Freunde zu triumphieren (2014 nahm die chinesische
Wirtschaft erneut um 7,4% zu). Zwar mussten auch Christie’s und Sotheby’s in Hongkong und Schanghai Einbussen hinnehmen. Aber ihre Wahlheimat USA ist wieder
weltweit die Nummer eins. Dazu kommt,
dass vermögende Chinesen es vorziehen,
sich in London oder New York einzudecken. Ihre Einkäufe bei Christie’s International 2014 stiegen so um 22% auf 2 Mrd. $,
bei Sotheby’s um 19% auf 1 Mrd.
Wie schafft man die Trendwende? In einem Land, wo gemäss «World Wealth Report» das Vermögen der Millionäre 2013
um 21% auf 3800 Mrd. $ gestiegen ist, geht
es zuerst mal darum, Sicherheit zu schaffen
und die Protagonisten zu beruhigen. Zum
einen muss die Kunstwelt transparenter
werden. Und erwachsener, denn im Lande
Maos sind Auktionen überhaupt erst seit
1992 gestattet. Gerüchte sind nicht nur ärgerlich, sondern können gerade verheerend
sein. Es gibt die Geldwaschgeschichten oder
die Idee, dass dank Auktionen Korruption
vereinfacht wird. Um einen Funktionär zu
kaufen, empfiehlt man ihm, das Werk eines unbekannten lokalen Künstlers zu erwerben und es dann ein, zwei Jahre später
zum Kauf anzubieten. Zufälligerweise werden just zu diesem Zeitpunkt die Preise auf
Höhenflug gehen. Eine der Möglichkeiten,
Oliver Weiken
57
%
der auf Auktionen angebotenen
Werke fanden 2014 keinen Käufer.
den Kurswert aufstrebender Künstler zu
steigern in einem Land, wo manches an den
Wilden Westen erinnert.
Chinesen kaufen prioritär einheimische
Kunst. Sie handeln aus Patriotismus, was
auf die Russen der postkommunistischen
Epoche nicht oder nur wenig zutrifft. Dies
erklärt auch das Aufkommen der Superstars. Ai Weiwei, gleichermassen berühmt
für seine Probleme mit der Regierung wie
auch für seine Multimediakunst, ist dies-
2010 verkaufte das kleine englische
Auktionshaus Bainbridges eine Porzellanvase aus dem späten 18. Jahrhundert
für 43 Mio. £. 2014 erzielten Sutras aus
der Ming-Zeit in New York 14 Mio. $, geschätzt waren sie auf 100‘000 bis 150‘000
$. In ihrem 2014 aktualisierten Buch «Le
marché de l’art» schreiben Jean-Marie
Schmitt und Antonia Dubrulle, dass der
Markt eines Tages mangels Qualitätsware versiegen wird. Viele Sammler würden
sich eigene Museen bauen und die besten
Stücke absorbieren.
Der wichtigste Markt, den der Westen
komplett ignoriert, ist und bleibt die traditionelle chinesische Malerei. Die mit Tusche angefertigten kalligrafischen Werke
treffen durchaus den zeitgenössischen Geschmack. Aber die Ästhetik dieser Schriftzeichen entgeht uns noch weitgehend.
Dennoch sind diese Objekte die meistverkauften. 2007 wurden sie zwar von der
hippen zeitgenössischen Kunst verdrängt.
Dann platzte die Blase aber, und 2008 war
Kalligrafie wieder an der Spitze, 2013 war
die Nachfrage nach diesem Genre gar fünfeinhalb mal grösser als nach aktuellem
Kunstschaffen.
Dieser auf drei Säulen basierende Markt
wird immer grösser. Galeristen und Antiquare spüren dies. Die Chinesen interes-
3800
Milliarden Dollar betrug 2013 das
Gesamtvermögen chinesischer Millionäre
bezüglich keine Ausnahme. Zahlreiche berühmte Künstler symbolisieren in Peking
ebenso finanziellen Erfolg, wie ein Basquiat oder ein Warhol in New York. Man denke auch an Yue Minjun, Zang Xiaogang
oder Yan Pei Ming, selbst wenn Letzterer
seit 1980 in Dijon lebt. Auch Chinesen in
der Diaspora sind begehrt.
China, vom armen zum reichen Land
mutiert, macht es sich zur Ehre, Kunst
heimzuführen, denn diese gilt als nationales Gut. Damit meint man gemeinhin zeitgenössische Kunst. Es gibt aber auch die
Kategorie der neureichen Sammler, die
Höchstpreise bieten für Keramik aus der
Kaiserzeit oder bedeutende Jadekunstwerke, denn mit dem Aufkommen des Kommunismus sind viele grossartige Kollektionen verschwunden.
sieren sich für alte und moderne westliche Kunst und demonstrieren damit eine
Vorliebe für Exotik, die ihnen bisher wenig
ähnlich war. Das erinnert an die Japaner,
die in den Achtzigerjahren Impressionisten zu Höchstpreisen kauften, kurz bevor
die japanische Wirtschaft ins Taumeln geriet. Der chinesische Kinomagnat Wang
Zhongjun beschenkte sich 2014 in New
York mit einem Stillleben von Van Gogh
für 61,8 Mio. $, der Restaurantmogul Zhang
Lan bezahlte für das «Porträt von Pablo Picasso in Unterhosen» des 1997 verstorbenen deutschen Künstlers Martin Kippenberger satte 18,6 Mio. $. |
(1) Ohne die Ergebnisse der chinesischen Galerien.
(2) «La ruée vers l’art» von Danièle Granet
und Catherine Lamour.
(3) François Pinault schenkte die Bronzen China.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 37
| A R T | von Etienne Dumont
DAS WETTEIFERN DER
D
ie Art Basel ist zu einem Anlass der
Schönen und Reichen geworden. Sie
kultiviert die Kunst des Scheins. Wir befinden uns an der Art Basel zwischen dem
Stand von Larry Gagosian und dem klassischeren der Nahmad. Eine unnatürlich
gebräunte Amerikanerin begegnet einer
anderen. «Darling, you’re here», posaunt
die eine lautstark in die Menge, damit sie
auch bestimmt von allen gehört wird. «But
you look gorgeous», fügt sie ebenso penetrant hinzu. Niemand lacht. Die groteske Vorstellung dauert nur ein paar Sekunden, verfehlt aber ihre Wirkung nicht. Die
Dame hat bewiesen, dass sie Beziehungen
hat. Das ist hier wichtiger als Freunde.
Unter Sam Keller, heute Direktor der
Fondation Beyeler, ist die Art Basel schon
beinahe versnobbt mondän geworden.
Als der seit 2007 durch Marc Spiegler ersetzte Schweizer im Jahr 2000 die Zügel
übernahm, profitierte er von einer neuen
wirtschaftlichen Realität. Plötzlich dominierte die zuvor eher vernachlässigte Gegenwartskunst den Markt. Drei Viertel aller Kunstverkäufe waren zeitgenössische
Werke. Dadurch entstanden auch neue
38 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Herausforderungen. Es ging vor allem darum, die oft trockenen Realisationen sexy
zu machen. Sam ist dieses Kunststück gelungen. Heute ist das Sammeln von Werken innovativer Künstler Trend. «Arty» zu
sein, gilt als soziales Bekenntnis.
Damit der neue Kunstbetrieb funktioniert, brauchte es Veranstaltungen, zu
Neudeutsch Events. Das gewöhnliche Publikum, sprich die rund 70’000 Normalsterblichen, wurden zu Statisten degradiert.
Wichtiger sind die VIP. Seit drei Jahren
reicht ein Vernissagetag nicht mehr, es
müssen schon 48 Stunden Previews sein.
Die Ausstellung wird zur Business-Messe.
Bei den Partygängern aus aller Welt soll es
sich um echte Profis handeln.
VIP sind überall, an den Badge-pflichtigen Eingängen bis zu den Bars. Dieses
Schicksal ereilt alle Veranstaltungen für
zeitgenössische Kunst. An der traditionellen Tefaf in Maastricht, an der sich im
März am Abend vor der Eröffnung immerhin 10’000 Gäste eingefunden haben, wäre
das undenkbar. Aber an der Art Basel gibt
man sich gesellig. Man ist schon fast miteinander befreundet. Reiche und (ein biss-
chen) weniger Reiche unterhalten sich in
Basel bei einem Schüblig. Und Bier ist dort
schicker als Champagner.
Was die Gäste so besonders macht, ist
ihre Art anzureisen und sich zu zeigen.
Wer kann, kommt mit dem Privatjet. In
Basel/Mulhouse landen täglich 200 an der
Zahl – je imposanter, desto besser. Französische und englische Gesellschaften chartern Flugzeuge. Ab Paris kostet der Flug
für vier Personen 4362 €. Wieso soll man
sich einem solchen Luxus verschliessen?
Man braucht ja schliesslich nicht bei Marlbourough oder Dominique Lévy einzukaufen. Entscheidend ist, dass man die jüngste Gucci-Tasche und sein neues Lifting zur
Schau stellt. Denn das Publikum ist nicht
so jung, wie es gerne scheinen möchte.
Was ist mit all denen, für die die Art Basel ein Geheimtipp war? «Es ist abschreckend», bekennt eine Veteranin. Und
trotzdem schöpft sie Hoffnung. Die 2002
gegründete Art Basel Miami lockt heute
mehr Prominenz an als die Mutterveranstaltung. Brad Pitt war schon einmal in Basel. Leonardo DiCaprio aber kaufte im Dezember 2014 in Florida ein. |
| A R T | von Cristina d’Agostino
KARL -FRIEDRICH SCHEUFELE
« Spekulation ist
kein Kriterium »
SEINE LEIDENSCHAFT FÜR
UHREN UND WEINE IST BEKANNT.
DASS ER AUCH EIN GROSSER
KUNSTFREUND IST, HAT DER
PATRON VON CHOPARD BISLANG
GEHEIM GEHALTEN. KARLFRIEDRICH SCHEUFELE SAMMELT
SEIT MEHREREN JAHRZEHNTEN
KUNSTOBJEKTE, DIE SICH MIT
DER ZEIT BEFASSEN. BEI DALÌ,
RICHTER, ARMLEDER, DUFY,
HIRST, LICHTENSTEIN, LÉGER
UND VIELEN ANDEREN WERKEN
SEINER SAMMLUNG SIND ES DIE
VERGÄNGLICHKEIT, DIE NATUR
UND DIE FLÜCHTIGKEIT, DIE ES
IHM ANGETAN HABEN. IN EINEM
EXKLUSIVEN GESPRÄCH HAT
UNS KARL-FRIEDRICH SCHEUFELE
MEHR ÜBER SEINE LIEBE ZUR
KUNST VERRATEN.
Welcher Sammlertyp sind Sie?
Ich bin spontan, aber zielgerichtet. Die
von mir aufgebaute Sammlung «Kunst
und Zeit» deckt die verschiedenen in der
Kunst dargestellten Aspekte dieses Themas ab. Künstler aus allen Epochen haben
ihr Verhältnis zur Zeit zum Ausdruck gebracht. Ich hatte das Bedürfnis, einige besonders markante Werke zusammenzutragen.
Karl-Fiedrich Scheufele neben einem Werk von Thomas Hirschhorn
Welche Werke haben Sie geprägt und bei
Ihren Überlegungen beeinflusst?
Wenn ich weit zurückblicke, dann der
Deutsche Albrecht Dürer, der sich wiederholt mit der Zeit auseinandergesetzt
Finanz und Wirtschaft LU X E | 39
| ART |
« ...ich kann mich noch sehr genau an
jede Entdeckung und jeden Kauf erinnern. »
hat. Bei ihm beeindrucken mich nicht
nur die Präzision und die Technik, sondern auch die Kraft, die von seinen Werken ausgeht.
Welche Beziehung haben Sie zur Kunst?
Ich hatte schon als kleiner Junge eine
Vorliebe fürs Zeichnen. Als Kind habe ich
mit dem Gedanken gespielt, Künstler zu
werden. Ich habe für mein Leben gern gezeichnet und gemalt. Die internationale
Schule in Genf, die ich vier Jahre besucht
habe, liess mir zum Glück die Möglichkeit, mich in diesem Bereich zu entfalten.
Hat Ihnen ein bestimmter Lehrer die Augen
geöffnet?
Ja, als kleines Kind, als ich noch im
deutschen Pforzheim wohnte, hatte ich
einen Privatlehrer, der bereits meinen Vater in Kunst unterrichtet hatte. Der betagte Mann war Maler, Pianist, Organist und
Bildhauer. Ich habe einen bis zwei Nachmittage pro Woche bei ihm mit Zeichnen
und Malen verbracht. Wir waren oft in
der Natur und haben im Freien gelernt. Er
hat mir beigebracht, richtig hinzusehen
und zu beobachten. Das ist mir geblieben.
Heute fehlt mir leider die Zeit fürs Zeichen, aber es gefällt mir, diese Sammlung
zusammenzutragen. Sie hat eine gewisse
Form und Logik angenommen.
Lassen Sie sich beraten?
Ich treffe meine Wahl fast immer allein,
wende mich aber an Fachleute, damit sie
mich über die Qualität der Werke aufklären können. Chopard beschäftigt eine
Konservatorin, die sich um die Sammlung kümmert und über die von mir gewünschte Richtung im Bilde ist.
Gibt es eine Galerie oder eine Kunstmesse,
um die heute niemand herumkommt?
Ich entdecke auf meinen Reisen viel
Neues. Die Entscheidungen werden heute aber meistens aus der Ferne getroffen.
Werden Sie dieses Jahr die Art Basel
besuchen?
Ja, ich versuche die Veranstaltung möglichst jedes Jahr zu besuchen, das ist seit
einigen Jahren Tradition. Ich gehe mit
40 | Finanz und Wirtschaft LU X E
meinem siebzehnjährigen Sohn dorthin.
Das erste Mal war er zehn Jahre alt. Ich
versuche ihm die Augen für diese spannende Welt zu öffnen, sowohl was antike
als auch zeitgenössische Kunst anbelangt.
Kunst erweitert den Horizont, man wird
weltoffener.
Wie stehen Sie zur Gegenwartskunst?
Es gibt Realisationen, die mich sofort
begeistern, aber doch auch viele, bei denen ich meine Zweifel habe.
Inwiefern? In Bezug auf ihren Spekulationswert?
Für das Argument «Investition» war ich
noch nie empfänglich. Ein Werk muss mir
zusagen, ich muss eine Beziehung zu ihm
aufbauen. Spekulation ist kein Kriterium.
Wie schätzen Sie den Wert eines Kunstwerks ein?
Bei einem Kunstwerk überlege ich mir,
wie viel Zeit darauf verwendet wurde und
wie viel technisches Geschick notwendig
war. Ich habe eine Vorliebe für Werke, die
die Zeit überdauern. Mit einigen heute verwendeten Materialien kann ich nicht viel
anfangen. Ich mag langlebige Werke wie
Skulpturen, Bronzestatuen und Gemälde.
Gibt es einen Schweizer Künstler, den Sie
besonders mögen?
Jean-Michel Follon, der leider vor kurzem gestorben ist. Ich stand ihm ziemlich nahe. Ich habe ihn unheimlich gern
besucht, mich mit ihm unterhalten und
mir neue Werke zeigen lassen. Es ist ein
Privileg, sich mit einem lebenden Künstler austauschen zu können. Ich hatte den
Eindruck, dass seine Werke hundertprozentig zu ihm passten. Er war voller Poesie und Witz.
Welches war Ihr erster Kunstkauf?
Eine Skulptur von Jean-Michel Follon.
Sie hat ihn mir das Bedürfnis ausgelöst,
nach weiteren Kunstwerken zu suchen.
Und Ihr letzter?
Der war heute. Ein Kupferstich von
Dürer. Er zeigt das Wappen einer Person
und eine Dame. Auf dem Wappen ist ein
Skulptur von
Jean-Michel
Folon
Totenkopf abgebildet. Er ist das perfekte Sinnbild der Vergänglichkeit: Egal, was
Sie heute besitzen, alles ist vergänglich.
Fasziniert Sie dieses Thema?
Ja, es ist mit Zeit verbunden. Meine Familie macht sich deswegen über mich lustig, vor allem als ich ein Werk von Damien
Hirst gekauft habe. Als der grosse Totenschädel «The Scalp III» zu uns nach Hause geliefert wurde, wurde er an einen Ort
verbannt, an dem man ihn nur sieht, wenn
man ihn sucht (lacht). Aber auch andere,
eindeutig fröhlichere Aspekte der Zeit interessieren mich.
Haben Sie Ihr nächstes Wunschobjekt
bereits entdeckt?
Nichts ist in Stein gemeisselt. Wissen
Sie, der interessanteste Moment ist die
Entdeckung. Nicht immer ist der Besitz
wichtig, was mich vielmehr fasziniert, ist
die Entdeckung eines Werks. Die Sammlung zusammenzutragen, war sehr zeitaufwendig, aber mit jedem neuen Werk
kommen neue Erinnerungen hinzu, und
ich kann mich noch sehr genau an jede
Entdeckung und jeden Kauf erinnern. |
| ERINNERUNG |
von David Bennett*
MEIN TAG MIT...
Lily Marinho
D
ie Aussicht auf ein Gespräch mit
einer der angesehensten Frauen Brasiliens, einer Grande Dame mit
umwerfendem Charisma, stachelte
meine Fantasie an und beschleunigte
meine Schritte zu dem geheim gehaltenen Ort in Rio. In den gepflasterten
Gassen von Cosme Velho atmete ich
die illustre Vergangenheit dieses historischen Stadtviertels ein. Ein sanfter Wind streichelte die Palmen. Zwischen den Häusern öffnete sich der
Blick auf die ganze, imposante Stadt.
Hier, vor dieser eindrücklichen Kulisse, würde ich die «First Lady» Brasiliens treffen – eine faszinierende und
im ganzen Land verehrte und bewunderte Frau.
Ich hatte vom Anwesen der Marinhos am Fuss des Corcovado im Süden
der Stadt gehört. Trotzdem traf mich
der Anblick der städtischen Oase ganz
überraschend. Nichts hätte mich auf das üppig grüne Juwel
mit der überschwänglichen, akkurat gepflegten tropischen
Vegetation vorbereiten können. Als ich mich dem prachtvollen Hauptgebäude näherte, sah ich mich einer paradiesischen
Vision gegenüber: Freilebende Flamingos tummelten sich in
einer Natur, die nicht von Menschenhand geschaffen schien.
Mit 18 Jahren hatte die 1936 zur Miss Paris gekrönte
Schönheit Europa verlassen, um sich mit ihrem Mann, dem
zweiten Baron von Amparo, Horacio de Carvalho, in Brasilien niederzulassen. 1991, fünf Jahre nach dem Tod des Barons, heiratete sie Roberto Marinho. Der brasilianische Medienunternehmer soll seine Liebe zu ihr über fünfzig Jahre
geheim gehalten haben. Jetzt war es mir vergönnt, Lily Marinhos private Welt zu betreten. Sie war ganz nach ihrem
Ebenbild geschaffen: elegant, majestätisch und verzaubernd.
Fasziniert von ihrem jugendlichen
Denken und ihrer Sprachgewandtheit
lauschte ich der 85-jährigen Dame.
Mit grossem Enthusiasmus und viel
Sinn für Humor erzählte sie mir von
einem Ball im Jahr 1946, an dem sie
Kees von Dongen begegnet war: «Der
berühmte Künstler war bei den Damen der feinen Gesellschaft bekannt.
Es hiess, er stelle den Schmuck auf
seinen Bildern übergross dar, was natürlich geschätzt wurde. Ich selbst
hatte dieses Privileg nicht, als ich ihm
für mein Porträt Modell stand.»
Umgeben von exotischen Düften
und lieblichen Klängen assen wir in
diesem paradiesischen Garten zu Mittag. Mit einer liebenswerten Offenherzigkeit entschuldigte sich Dona
Lily. Sie trinke nur sehr selten Wein
und kenne sich in diesem Bereich deshalb nicht sonderlich gut aus. Bei dem
von ihr kredenzten Wein handelte es sich um einen Château
Latour 1970.
Anschliessend unterhielten wir uns über ihre Schmucksammlung, die ich bei meinen späteren Besuchen noch
mehrmals zur Gesicht bekommen sollte. An diesem Maitag
im Jahr 2008 vertraute sie mir über sechzig Schmuckstücke an, die alle von ihren beiden grossen Lieben zeugten. Sie
zeigten, dass Lily Marinho trotz ihrer Überschwänglichkeit
das Einfache im Leben suchte. |
*David Bennett : David Bennet, seit über vierzig Jahren Schmuckexperte
bei Sotheby’s, kramt für «Luxe» in der Schatzkiste seiner Erinnerungen und
gibt in jeder Ausgabe ein paar besondere Juwelen von seinen Begegnungen
in allen Teilen der Welt preis. Seine Rekordauktionen machen international
Schlagzeilen. Die von ihm versteigerten Schmuckstücke oder Edelsteine sind
intime Zeugen einer persönlichen Geschichte, die nur er kennt.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 41
S W
| LU X U S -S EG E L N | von Cristina d’Agostino
G E N T L E M E N -S E G L E R
S
EIN HALBES JAHRHUNDERT
REVOLUTION IM
BOOTSBAU HAT DEN
MYTHOS SWAN IN KEINER
WEISE BEEINTRÄCHTIGT.
NAUTOR’S SWAN, HEUTE IM
BESITZ DES ITALIENISCHEN
GESCHÄFTSMANNS
LEONARDO FERRAGAMO,
MITGLIED DER MÄCHTIGEN
BESITZERFAMILIE DER
GLEICHNAMIGEN
LUXUSGRUPPE, WILL MIT
NOCH GRÖSSEREN BOOTEN
AN DIE SPITZE SEGELN.
42 | Finanz und Wirtschaft LU X E
eeleute lieben Geschichten und Legenden, wie die der finnischen Werft Nautor’s Swan. Im Juni 2015 wird die 115 Fuss
lange Super-Maxi-Jacht, die erste einer industriell hergestellten Serie, in den monegassischen Gewässern eingeweiht. Ganz
grosse Segelboote sind heute voll im Trend.
Wobei die Super-Maxi-Jachten nicht eine
moderne Erfindung sind. So hatte Swan
für einen Kunden schon ein 131 Fuss langes Boot, es war ein Unikat, produziert.
Aber mit der industriellen Produktion öffnet sich ein neues Kapitel, und Swan ist
fest entschlossen, den Sirenengesang auf
allen Weltmeeren anzustimmen. Wer ihn
hören möchte, muss für die etwas über
35 Meter lange Swan die Kleinigkeit von
15 Mio. $ in die Hand nehmen. Für das Basismodell, versteht sich. Um gewappnet
zu sein, wenn auf dem unstabilen Markt
Sturm aufkommen sollte, hat Nautor’s
Swan die Verkaufsequipen in den strategisch wichtigen Ländern Europas und in
den USA verstärkt und den Kundenservice perfektioniert. Die ersten Resultate
zeigen, dass die Entscheidung zugunsten
der Maxi-Kategorie eine gute war, denn
schon sind vier Swan 115 im Bau. Allerdings
schläft die Konkurrenz nicht. Der wichtigste Challenger, Wally, ist schon weiter und
hat mit Erfolg eine 164 Fuss lange Segeljacht auf den Markt gebracht. Spektakuläre
Längen sind jedoch nicht das einzige Kriterium. Von zentraler Bedeutung sind auch
Bedienungsfreundlichkeit sowie die Möglichkeit, mit kleiner Besatzung zu segeln,
und, auf diesem Niveau beileibe nicht unwichtig, ein luxuriöses Interieur. In diesem
Punkt liegt Swan vorn, denn man ist sich
bewusst, dass sportliche Navigation mit einer grossen Mannschaft von zwanzig Leuten ein kostspieliges Vergnügen und nicht
länger der Traum des Gentleman-Seglers
ist. Er und seine Familie wollen selbst am
Steuer stehen, spontan entscheiden, wo die
Fahrt hingeht, und in kleinem Kreis segeln.
CLUB SWAN BEWAHRT DEN MYTHOS
Im Bereich Superluxus ist Kundennähe ein ausschlaggebendes Argument. Diesbezüglich lässt Swan die Konkurrenz weit
hinter sich. 1999 wurde auf Initiative des
neuen Mehrheitsaktionärs Leonardo Ferragamo der Club Swan gegründet, was vor
15 Jahren in der Welt des Segelsports ein
Novum war. Als Vorbild dienten ihm die
Automobilclubs. Clubmitglieder werden
an massgeschneiderte Regatten und originelle Anlässe geladen und geniessen eine
Vielfalt von Privilegien – noch nie wurden Bootseigner dermassen verwöhnt. Um
in den exklusiven Club aufgenommen zu
werden, muss man mehr als nur Fan sein,
nämlich mindestens eine Swan besitzen.
Heute zählt der Club 2000 Mitglieder, was
der Anzahl Boote entspricht, die die Werft
in den letzten fünfzig Jahren verlassen haben. Das Eintrittsticket kostet 1,4 Mio. $. So
viel kostet nämlich das kleinste Modell, die
Swan 53. Ab diesem Betrag öffnen sich die
Tore zum maritimen Paradies. Man ist dabei bei legendären Regatten, hat Zugang
© Rolex/Carlo Borlenghi
Seit 1966 sind
die SWAN Boote
erfolgreich auf
allen Ozeanen
Am Rolex Swan
Cup kämpfen
die besten Segler
unter Hunderten
von Monocoques.
zu den vornehmsten Jachtclubs, kurz, das
Segelvergnügen erfährt eine hundertfache
Steigerung. Mit Prestige allein lässt sich
jedoch kein Mythos konstruieren. Qualität und Zuverlässigkeit sind die Kriterien,
die bei 30 Knoten Windgeschwindigkeit
mitten im Atlantik wirklich überzeugen.
Dank der Kapazität von Nautor’s Swan,
sämtliche Produktionsstufen zu kontrollieren und die Solidität der Boote sowohl
im Sport als auch in der Freizeit zu garantieren, kann das Unternehmen auch heute
Newcomern die Stirn bieten.
FINNLAND – DAS LAND
DES WASSERSPORTS IM NORDEN
Die lange Marinetradition Finnlands
wurzelt wie die anderen wichtigen Industriezweige des Landes in seinen riesigen
Waldbeständen. Häuser, Möbel, Schiffe
sind aus den massiven Hölzern gefertigt,
die dem Land seinen Reichtum beschert
haben. 1966 beschliesst der Unternehmer
Pekka Koskenkylä, der sein Vermögen mit
Papierproduktion gemacht hatte, die in
Vergessenheit geratene Bootsbaukunst zu
reaktivieren. In der Werft Nautor’s Swan
will er die luxuriösesten und robustesten
Jachten der Welt bauen. Als Standort wählt
er Pietarsaari, ein kleines Dorf am Golf von
Botnie im Nordwesten Finnlands. Er arbeitet mit den besten Schiffsingenieuren, zuerst mit Sparkman & Stephens, später mit
Ron Holland (Irland) und ab den Achtzigerjahren bis heute mit German Frers (Argentinien).
Finanz und Wirtschaft LU X E | 43
© Rolex/Carlo Borlenghi
A N
| LU X U S -S EG E L N |
Die Equipe auf
Stark Raving Mad
des US-Reeders
James Madden beim
Segelwechsel am
Rolex Swan Cup
Caribbean.
© Rolex/Carlo Borlenghi
Swan Boote werden
integral in Finland
hergestellt
44 | Finanz und Wirtschaft LU X E
eine Swan im Hafen einläuft. Vielleicht bin
ich nicht wirklich objektiv, denn Swan war
meine Wiege, meine erste Erfahrung auf
dem Meer vor dreissig Jahren. Mit einer
Swan 44 gewann ich zahlreiche Regatten.
Mein Sportlerleben ist aufs Engste mit der
hervorragenden Werft verbunden, der es
seit fünfzig Jahren gelingt, die passioniertesten Segler zu faszinieren.»
© Rolex/Carlo Borlenghi
Dank der Integration aller Fabrikationsphasen entsteht eines der leistungsfähigsten Produktionszentren. In Källby werden
die Schiffsrümpfe produziert und stratifiziert sowie kleinere Jachten zusammengebaut, in Pietarsaar die Super-Jachten von
der Swan 60 bis zur erwähnten Swan 115
montiert, in Kronoby der Holzinnenausbau angefertigt. Leonardo Ferragamo hatte die Ambition, die Marke ins 21. Jahrhundert zu führen, und investierte in grossem
Format. Er war überzeugt, dass Innovation sowie das solide, auf den Eismeeren
des Nordens erprobte Know-how den Erfolg garantieren werden. Sein Feeling war
richtig. Swan-Aficionados wie der Amerikaner James Madden bestätigen es: «Ich
war zwanzig Jahre alt, als ich auf der Swan
46 meines Schwiegervaters zu segeln begann. Es war Liebe auf den ersten Blick, ein
Traum. 2011 konnte ich dann meine erste
Swan 42 kaufen und gewann mit ihr schöne Wettkämpfe, ein Jahr später erwarb ich
eine Swan 601. Ich bin sicher, dass ich bald
das Privileg haben werde, glücklicher Besitzer einer dritten Swan zu sein. Dank der
Qualität von Design und Bauart entstehen
Boote, die einfach zu navigieren sind und
viel Spass machen und last but not least
schnell sind, denn 2013 habe ich in der Karibik den Rolex Swan Cup gewonnen.»
Das zweitwichtige Argument ist die fast
unvergleichliche Schönheit der Boote, so
die einhellige Meinung der Swan-Segler.
Riccardo Bonadeo, Commodore des Yacht
Club Costa Smeralda, des elegantesten und
mächtigsten Jachtclubs des Mittelmeers,
begeistert sich. «Es ist ein Erlebnis, wenn
PARTNER FÜR DIE
KONSOLIDIERUNG DER LEGENDE
Die Legende eines Schiffes basiert auf
der Geschichte von Menschen, die mythische Rennen gewinnen. Swan war nicht
nur Siegerin vieler Regatten, darunter der
Whitbread (1973) mit Swan 65, sondern hat
auch selbst prestigereiche Segelevents kreiert. Das Erfolgsgeheimnis? Dass es gelungen ist, vor 31 Jahren mit den beiden strategisch gewichtigen Partnern Rolex und dem
Yacht Club Costa Smeralda starke Allianzen einzugehen. Riccardo Bonadeo: «Rolex
ist mehr als ein einfacher Sponsor, sondern
wie Swan ein gleichberechtigter Partner.
Beide sind seit dreissig Jahren fester Teil
unserer Geschichte. Für einen Jachtclub
ist es ausschlaggebend, prestigereiche Regatten im internationalen Segelkalender zu
organisieren. Der Maxi Yacht Rolex Cup ist
ein solcher Event, ebenso der Rolex Swan
Cup, den wir gemeinsam konzipiert haben.
Unserem Trio ist es gelungen, erfolgreiche
Regatten zu lancieren, und wir werden weiterhin in diese Richtung gehen. Seit zwei
Jahren exportieren wir unser Know-how
und die Marke Yacht Club Costa Smeralda
auf die andere Seite des Atlantiks, nach Vir-
gin Gorda. Im Universum des Segelsports
eine Premiere: Noch nie hat ein Jachtclub
zwei Events integriert und zwei Marinas
betrieben, die auch im Immobilienbereich
aktiv sind. Heute muss ein Jachtclub mehr
bieten als nur Aktivitäten auf dem Wasser.»
Arnaud Boetsch, Direktor Communication
& Image bei Rolex, ist gleicher Meinung:
«Der Rolex Swan Cup ist eine Referenz.
Er findet in einem traumhaften Umfeld
statt, die Mannschaften sind dem Fairplay
verpflichtet, die Jachten exklusiv und die
Partner Rolex, Nautor’s Swan und Yacht
Club Costa Smeralda hoch motiviert. Diese fruchtbare Zusammenarbeit dauert nun
schon seit über dreissig Jahren. Rolex und
Nautor’s Swan haben zusammen den Rolex Swan Cup gegründet, aber unsere Gemeinsamkeiten gehen über den Segelsport
hinaus. Unsere Marken sind den gleichen
Prinzipien verpflichtet: Zuverlässigkeit,
Stabilität, Vertrauen und Respekt.» |
LEONARDO FERRAGAMO
Liebe zu Swan
Leonardo
Ferragamo,
Besitzer des
Bootherstellers
Nautor’s Swan
L
eonardo Ferragamo ist der Sohn des Unternehmensgründers Salvatore Ferragamo, Vorsitzender des gleichnamigen Modehauses und
als Finanzchef seit fünfzehn Jahren für die Investitionen und die Diversifikation der seit 2011 kotierten Familienholding Palazzo Feroni Finanziaria zuständig. 1998 beschloss der segelbegeisterte Miteigentümer des
Modeimperiums, in die legendäre Marke Swan zu investieren, und übernahm die Aktienmehrheit.
Was hat Sie 1998 veranlasst, in die
Schiffswerft Nautor’s Swan zu investieren?
Es war eine emotionale Entscheidung,
ich habe mir damit einen Herzenswunsch
erfüllt. Nautor’s Swan pflegt die gleichen
Werte wie das Familienunternehmen Ferragamo. Beide stehen für Innovation, Performance, Dauerhaftigkeit, Komfort, Stil
und Qualität. Die Werte haben aber nur Bestand, wenn die Qualität der Materialien
mit handwerklichem Können einhergeht.
Das gilt für Schuhe ebenso wie für Jachten.
Mir wurde rasch klar, dass ich mit meinem
Einstieg in das Unternehmen Swan in eine
Legende investiert und damit auch die Verantwortung übernommen habe, sie international weiterzuentwickeln.
Sie haben einen eigenen Club, den Club Swan
gegründet.
Als ich die Werft Nautor’s Swan übernommen habe, wollte ich auch ein exklusives Swan-Erlebnis schaffen. Ich wollte
die Identität der Marke weiterentwickeln,
Swan sollte mehr sein als nur eine Bootswerft. Der ClubSwan reiht sich in dieses
Bestreben ein. Er bietet allen Eignern einer
Swan ein exklusives Paket an Services und
Privilegien wie Regatten, Mitgliedschaften
und gesellige Anlässe auf der ganzen Welt.
Schon bevor ich die Werft Nautor’s Swan
kaufte, war ich ein grosser Fan der Marke und besass auch bereits eine Swan. Der
Club ist auf die Eigner der 2000 bisher gebauten Swans zugeschnitten. Einige von
uns veranstaltete Regatten wie die Rolex
Swan Cups zählen für unsere Eigner zu den
Saison-Highlights.
Worauf gründet der Swan-Mythos?
Vor allem auf der Langlebigkeit der
Bootswerft Nautor’s Swan. Wir feiern die-
ses Jahr das fünfzigjährige Bestehen. Swan
ist aber mehr als eine Bootswerft. Sie verkörpert eine Philosophie und Prinzipien,
die in Zusammenhang mit einer von uns
strikt gelebten Raffinesse stehen. Diese
kommt überall zum Ausdruck: in den Komponenten, der Innovation, der Performance, der Technologie, der Eleganz und dem
unerschütterlichen Vertrauen in die Robustheit und die Zuverlässigkeit der Jachten. Zusammen bilden diese Grundsätze
die Swan-Philosophie. Sie wird bei allen
unseren Jachtgrössen konsequent umgesetzt, von der kleinsten Swan 36 bis zur
115-Fuss-Version, und zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Modelle, was ihnen eine visuelle Identität und ein einzigartiges Profil verleiht. Wenn eine Swan in
einen Hafen einläuft, ist sie aufgrund ihres Designs und ihres Charakters sofort erkennbar. Ich glaube, dass wir in der Segelgemeinschaft die Einzigen sind, die noch
immer beharrlich an diesen Qualitätskriterien festhalten. Swan verleugnet ihre Vergangenheit nicht und bleibt zeitgemäss.
Welche Pläne wollten Sie mit dem Kauf der
Werft verwirklichen?
Mir war es ein Anliegen, die Swan-Legende durch eine schnelle Weiterentwicklung der Werft, die diese dringend nötig
hatte, ins dritte Jahrtausend zu bringen. Ich
wollte durch die Entwicklung neuer Modelle, die Neuorganisation der Firma, ihren
Ausbau und die Gründung des ClubSwan
die Werte der Marke stärken und an meine
Mitarbeitenden weitergeben.
Dieses Jahr wird die Swan 115 eingeweiht.
Es handelt sich um die bisher grösste
Kategorie. Wie viele Einheiten werden derzeit
produziert?
In der Werft im finnischen Pietarsaari
werden derzeit vier Swan 115 gebaut. Die
erste wird im Juli ausgeliefert und im September an der Monaco Yacht Show gezeigt.
Ist der Trend zu immer grösseren Jachten
unausweichlich?
Wir haben für einen Kunden eine Swan
131 gebaut, und künftig werden neue Grössen in den Katalog aufgenommen, um der
steigenden Nachfrage nach immer grösseren Jachten zu entsprechen. Wir konzentrieren uns stark auf Konzepte, die in fünf
Jahren auf den Markt kommen sollen, vergessen dabei aber unsere Reeder und Eigner von Swan-Jachten, die teilweise vor
mehreren Jahrzehnten gebaut wurden,
nicht. Wir müssen in der Lage sein, ihnen
sowohl in puncto Service als auch in Bezug auf Qualität das Beste zu bieten. Unsere Vorzüglichkeit darf sich nicht auf die Zukunft beschränken, sondern muss auch für
die Vergangenheit von Swan gelten. Auf keinen Fall aber werden wir unsere Kunden als
Versuchskaninchen für Innovationen der
Zukunft missbrauchen. Jede Swan muss
hundertprozentig zuverlässig und nachhaltig sein.
Die Partnerschaft mit Rolex besteht seit
dreissig Jahren. Wie erklären Sie sich diese
Langlebigkeit?
Wir arbeiten seit dreissig Jahren mit Rolex und dem Yacht Club Costa Smeralda
zusammen. Die Partnerschaft hat sich sowohl sportlich als auch geschäftlich ständig
weiterentwickelt. Von ihr geht eine positive Dynamik aus, die von allen drei Marken
gefördert wird. Sie haben ein gemeinsames
Interesse daran, die Vorzüglichkeit und die
Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Produkte
und der Produkte ihrer Partner zu erhalten.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 45
| S U P E R B O OT E | von Matthieu Hoffstetter
ÜBER WELLEN
FLITZEN WIE
JAMES BOND
KLASSE, TECHNOLOGIE UND
PRESTIGE SIND DIE FÜR DEN
BERÜHMTESTEN AGENTEN
DER WELT TYPISCHEN
CHARAKTERISTIKEN.
DIESES JAHR MACHT DER
GADGETBEFRACHTETE MANN IM
SMOKING DIE MEERE UNSICHER.
DREI BOOTE ERINNERN AN DAS
UNIVERSUM VON 007.
L
uxus, Tempo und Technologie sind
seit 1962 die Zutaten der Cocktails
von James Bond und Basis der berühmten Agentensaga. Im Dienste seiner Majestät raste der Geheimagent auf Skiern
über Gletscher, hechtete durch Hunderte von Städten, machte Wüsten unsicher
und wagte sich schon mal ins Weltall vor.
Die Abenteuer auf den Meeren blieben
dabei eher selten.
Chefingenieur Q und seine Labors versorgten den Helden jeweils mit den extravagantesten Fahrzeugen, die vollgestopft
waren mit raffinierten Gadgets. Diese waren technologisch stets spitze und vor allem auch luxuriös. Einige wurden später
fürs breite Publikum adaptiert und kommerzialisiert. Jetzt sind mehrere neue
Wasserfahrzeuge auf dem Markt, die dem
007-Universum alle Ehre machen würden. Es sind Boote für Sport und Freizeit,
um auf dem See zu kurven oder fürs rasante Abenteuer auf dem Meer. Sensationen und neue Erfahrungen sind in jedem
Fall garantiert. Willkommen an Bord des
berühmtesten Spions aller Zeiten.
1965 geht James Bond in «Thunderball»
(«Feuerball») in allen Kinos der Welt auf
Tauchstation. Diverse Boote sind die Plattform für seinen Kampf gegen Bösewicht
Emilio Largo. Nach einem Gefecht unter
Wasser begegnet er auf dem Schnellboot
BUEHLER TURBOCRAFT der schönen
Domino. Die in den Jahren 1950 bis 1960 legendäre Marke erlebt nun in der Schweiz
eine Renaissance dank Initiative des Genfers John Clapot.
i Buehler
Turbocraft
p Quadrofoil
s AM37
Am Schluss der Story liefern sich
der Geheimagent und Emilio Largo
auf dessen Luxusjacht «Disco Volante»
den ultimativen Kampf. Er enthüllt ein
Geheimnis: Im Schiff versteckt ist ein
Tragflügelboot, das bis 150 km/h erreichen
kann. Dank der Tragflügel fliegt das Boot
über die Wasserfläche und erreicht so
Höchstgeschwindigkeiten. Vor einigen
Monaten hat eine slowenische Firma
das Konzept übernommen und kleine
Schnellboote mit vier Foilern entwickelt,
die 40 km/h schnell sind. Dank einem
Elektromotor ist das QUADROFOIL auch
ein umweltfreundliches Gefährt für den
leisen Flug übers Wasser.
Wenn es eine Marke gibt, die auf ewig
mit James Bond verbunden ist, dann ist es
Aston Martin. Der britische Autobauer will
jetzt mit seinem ersten Speedboat AM37
die Meere erobern. In Zusammenarbeit mit
dem holländischen Studio Mulder Design
und Quintessence Yacht entwickelt, kombiniert AM37 die legendären Linien von
Aston mit der Performance einer Hochleistungsjacht mit Spitzen bis 52 Knoten. Ein
Meisterwerk des Designs, der Motorisierung und der Ausstattung. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 47
| M O D E | von Dino Auciello
Fasern für Wind
und Wetter
WENN PIER LUIGI LORO PIANA, VIZEPRÄSIDENT DES GLEICHNAMIGEN
TEXTILUNTERNEHMENS, REGATTEN ORGANISIERT, FRÖNT ER NICHT
NUR SEINER LEIDENSCHAFT FÜRS SEGELN, SONDERN EXPERIMENTIERT
AUCH MIT NEUEN STOFFEN
Pier Luigi Loro Piana auf seiner 31-Meter-Jacht Southern Wind 100
48 | Finanz und Wirtschaft LU X E
«W
ir hätten es besser machen können», entfährt es ihm, als er die
«Cape Arrow» über die Ziellinie steuert.
In seiner Äusserung schwingt aber nicht
der leiseste Hauch einer Enttäuschung
mit. Bei Pier Luigi Loro Piana überwiegt
die Freude am Segeln. Nicht einmal, als
seine 31 Meter lange Southern Wind 100
wenige Sekunden vor Ende dieses zweiten Laufs noch von zwei Segelkolossen
überholt wird, verliert er die Contenance.
Mitte März ist das karibische Gewässer
um die drittgrösste britische Jungferninsel Virgin Gorda Schauplatz der Lora Piana Carribean Superyacht Regatta. Zehn
Jachten, eine imposanter als die andere,
messen sich dieses Jahr an der vom italienischen Aushängeschild für edle Textilien organisierten Wettfahrt.
Mit dieser jährlichen Regatta und ihrem
Pendant in Porto Cervo teilt «Pigi» seine
Liebe zum Segeln mit einem erlauchten
Kreis von Freunden, Bootseignern und
Profisportlern. Für den Geschäftsmann
mit dem eleganten Schnauzbart, der als
Vizepräsident des 2013 an den Konzern
LVMH verkauften Familienunternehmens waltet, sind diese Anlässe auch Momente der Wahrheit.
Das renommierte Luxushaus geniesst
nämlich nicht nur aufgrund seiner edlen Kleider aus Vikunjahaar, Kaschmir
oder extrafeiner Merinowolle hohes Ansehen, es innoviert auch in spezifischen
Bereichen wie im Segelsport und in anderen gehobenen Freizeitaktivitäten. Für
seine Bermudas, Poloshirts und wasserfesten Jacken kombiniert Loro Piana Naturfasern mit neuen Materialien, die den
höchsten Komfortansprüchen genügen,
was bei Aktivitäten wie dem Segeln besonders wichtig ist.
«Die Qualität der Stoffe wird zwar im
Labor getestet, aber wir wollen wissen,
wie sie sich bei echten Bedingungen verhalten, indem wir die Umwelteinflüsse
auf die Kleider beobachten. Und im Segelsport kann es schnell einmal sehr rau werden», erklärt Pier Luigi Loro Piana mit
seiner unverkennbar heiseren Stimme.
Die Besatzung der «Cape Arrow», einschliesslich «Pigi» selbst, und die Partner
der Marke testen die Stoffe auf Herz und
Nieren, bei Wind, Wasser, Hitze und allen
anderen natürlichen Elementen, denen
die Kunden dieses Sportsortiments von
Loro Piana ausgesetzt sein könnten.
INNOVATIVES DREILAGENPRINZIP
Jüngst beschäftigte sich der italienische
Edelweber intensiv mit der Elastizität der
Stoffe. Resultat dieser Recherchen ist ein
dreilagiger Stoff, der sich zu verschiedenen, für den Segelsport unverzichtbaren
Kleidungsstücken verarbeiten lässt.
Den wichtigsten Bestandteil bildet eine
von Lora Piana in den Neunzigerjahren entwickelte und patentierte wasserdichte Membran namens Storm System.
Sie besteht aus Mikromolekülen, die so
dicht sind, dass kein Wasser durchdringen kann, und ist nur gerade fünf Mikron
dünn, das ist fünfzehnmal weniger als ein
Blatt Papier. Durch die Verbindung mit einer Schicht elastischem Jersey kann ganz
auf ein Futter verzichtet werden. Die beiden Schichten werden mit dem Aussenstoff – egal, ob traditionelle Baumwolle,
Kaschmir, Leinen, Seide oder spezialisierte Mikrofasern – zusammengefügt und
machen ihn wind- und wasserabweisend.
Zurück an Bord der «Cape Arrow». Die
zehn Segler, die zum Schutz vor Gischt
und Böen alle die wasserdichten Dreilagenjacken tragen, laufen plötzlich alle
nach steuerbord. Ein grosses Segel hat
sich beim Hissen gelöst und ist ins Wasser gefallen. Unter den Anweisungen von
«Pigi» und dem berühmten italienischen
Skipper Francesco de Angelis birgt die
Besatzung das klatschnasse Tuch. «Ich
bin überzeugt, dass Naturfasern die Performance verbessern können», sagt Pier
Luigi Loro Piana. Er legt grossen Wert darauf, dass jedes Kleidungsstück, darunter
die Segeljacke, mit den Bewegungen des
Trägers mitgeht, auch wenn sie wie auf
einem Boot abrupt und schnell sind.
REINES LEINEN UND BIO-BAUMWOLLE
Das Gleiche gilt für die ganz aus Leinen
genähten Bermudashorts. Sie müssen den
Bootsmännern bei ihren akrobatischen
Einlagen auf dem Mast uneingeschränkten Komfort bieten und sie gleichzeitig
vor Unwetter und grosser Hitze schützen. «Die Fasern dieses Modells sind eng
miteinander verflochten, was die Shorts
langlebiger macht. Das Team und ich tragen sie nun schon das zweite Jahr, und
wir haben bisher nichts daran geändert.»
Dieser langfristige Test bei besonders anspruchsvollen Wettkampfbedingungen
soll Aufschluss über die Strapazierfähigkeit der Kleidung geben.
«Normalerweise hätten wir für den Segelsport nie reines Leinen verwendet»,
fügt er hinzu, «aber Leinen ist eine der
stärksten Naturfasern. Auf dem Meer
saugt es das Wasser sehr schnell auf,
trocknet aber auch sehr schnell. Dadurch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 49
| MODE |
wird der Nachteil zum Vorteil.» Ebenfalls getestet wird ein Langarm-Poloshirt
aus Bio-Baumwolle. Sie ist anfälliger, aber
luftiger als herkömmliche Baumwolle.
«Es ist uns in mehrjähriger Arbeit gelungen, dieses Modell zu verfeinern, indem
wir die Funktionen ausgeglichen haben.
So kann die Haut bei grosser Hitze atmen,
und bei starkem Regen nimmt der Stoff
das Wasser auf.» Vom Resultat der neuen
Materialien ist der Geschäftsmann restlos
überzeugt: «Getestet und für gut befunden», lautet sein Fazit nach der Regatta.
WUNDERBLUME LOTUS
Als eines der grössten Abenteuer auf
seiner Suche nach immer neuen Stoffen
bezeichnet Pier Luigi Loro Piana die Analyse der Lotusblume. Es sei die raffinierteste Pflanzenfaser der Welt, sagt er begeistert. Auf den ersten Blick könne man
sie mit Leinen verwechseln, aber qualitativ sei sie unübertroffen. «Ihre Faser hat
einen Durchmesser von wenigen Mikron.
Da ist extrafeine Wolle mit zehn Mikron
geradezu dick dagegen.» So intensiv wie
Loro Piana hat sich noch kein Unternehmen mit der Pflanze auseinandergesetzt.
Lotus wächst an den Ufern des Inle-Sees
im Osten von Burma in rauen Mengen.
Der umtriebige Geschäftsmann hatte ursprünglich geplant, die Lotusernten nach
Italien zu holen, um dort den Rohstoff
in den eigenen vier Wänden zu verarbeiten. Das Unterfangen erwies sich als unmöglich. «Die Gewinnung der filigranen
50 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Fasern aus den Stängeln ist eine minutiöse
Arbeit. Die Pflanzen
müssen innerhalb von
24 Stunden nach dem
Pflücken von Hand
verarbeitet werden», erklärt er.
Das italienische Modeunternehmen
hat aus der Not eine Tugend gemacht. Es
ist mit birmanischen Handwerkern eine
exklusive Partnerschaft eingegangen
und lässt den kostbaren Stoff vor Ort
auf Webstühlen aus früheren Zeiten
herstellen. Für einen guten Meter
Stoff werden 2000 Lotusstängel
benötigt. Eine Monatsproduktion beträgt weniger als 75 Meter.
«Unter dem Mikroskop sieht
man, dass die Lotusfaser Teilchen enthält, die sich wie ein
Schwamm verhalten. Sie sorgen dafür, dass der Stoff knitterfrei bleibt.» Pier Luigi Loro
Piana testet auch diese Entdeckung seit mehreren Jahren an
Die Fasern der
Lotus Blume
müssen innert 24
Stunden nach der
Ernte verarbeitet
werden.
Dank der Storm System
Technologie, ist das
Gewebe Wind und
Wasser resistent.
den von ihm organisierten Regatten. «Das
erste Mal habe ich in Virgin Gorda einen
Blazer aus Lotusblüten getragen, um zu
schauen, wie er auf Hitze und Feuchtigkeit
reagiert. Das Ergebnis war fantastisch.»
Die Eigenschaft der Lotusseide, die Frische zu bewahren, überrascht den Unternehmer immer wieder neu. Da der Stoff
jedoch hauchdünn ist, eignet er sich zwar
bestens für feine Accessoires wie Foulards, weniger aber für Hosen. Ideal sei
er zudem für Sakkos, «zum Beispiel nach
den Regatten, wenn die Jachteigner den
Abend gemeinsam verbringen», sagt der
Luxusweber.
Mit den Testergebnissen 2015 ist Pier
Luigi Loro Piana insgesamt zufrieden.
Die Modelle haben auf dem Meer ihre
Qualitäten bewiesen. Wie jedes Jahr hat
er aber Details entdeckt, die im Hinblick
auf noch mehr Komfort verbesserungsfähig sind. «Die Technologie entwickelt
sich laufend weiter und mit ihr auch die
Ansprüche unserer Kunden. Wir forschen deshalb ständig nach neuen Materialien und neuen Kombinationen. Die
Qualität der von uns auf der ganzen Welt
entwickelten Fasern hat dabei Priorität. Es gibt auch bei bereits verwendeten
Stoffen immer Neues zu entdecken.» |
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was ich von einer
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| O L DT I M E R | von Cristina d’Agostino
Neuer Glanz für die goldene
Ära der Maharadschas
DER JUWELIER DER MAHARADSCHAS LÄSST PRACHT UND PRUNK DER KÖNIGLICHEN
DYNASTIEN INDIENS NEU AUFLEBEN UND LÄDT OLDTIMER-LIEBHABER ZUM VORNEHMSTEN
WETTBEWERB DER ELEGANZ NACH NEW DELHI. «LUXE» WAR EXKLUSIV DABEI.
ie ersten Sonnenstrahlen wärmen
den noch kühlen Märzmorgen. Im
fahlen Licht glänzen die vom Regen gewaschenen Limousinen aus vergangenen
Zeiten. Es sind «pferdelose Luxusschlitten», in denen sich die mächtigen Maharadschas chauffieren liessen. Diese hegten eine fast grenzenlose Leidenschaft
für europäische und amerikanische Fahrzeuge der Vor- und der Nachkriegszeit.
Knapp hundert solcher Kostbarkeiten auf
Rädern sind auf dem Jaipur Polo Ground
im Herzen von New Delhi geparkt, sorgfältig abgeschirmt von den extremen
Kontrasten der 20 Mio. Einwohner zählenden Metropole.
Auf dem makellosen englischen Rasen
funkeln ein mit silbrigem Metall überzogener Phantom II aus dem Jahr 1937 und die
langgezogene Karosserie eines rosa Chevrolet. Aufsehen erregt der 1925 produzier-
te Hispano Suiza mit seinem Maskottchen,
und Symbol der verrückten Zwanzigerjahre, dem fliegenden Storch. Kennerherzen
höher schlagen lässt der Minerva aus dem
Jahr 1933 des britischen Karosseriebauers
Vanden Plas mit der Innenausstattung aus
ozeanblauem Samt. Start für die Cartier
Travel with Style Edition 2015.
Auf dem Terrain stehen Prachtexemplare der Automobilgeschichte, in den Zuschauerrängen trifft sich die feine Gesellschaft Indiens, glücklich, die letzten
Zeugen der glorreichen Epoche vor 1947
zu bewundern. Unter den Anwesenden
der Industriemagnat Ratan Tata, der renommierte Wirtschaftsanwalt Diljeet Titus und Ihre Hoheit Maharadscha Gaj
Singhji aus Jodpur. Seit der ersten
Ausgabe des von Cartier ins Leben
gerufenen Concours d’Élégance
im Jahr 2008 ist in Indien die
Begeisterung für das automobile Erbe ständig gestiegen. Alle zwei Jahren werden die
seltensten und extravagantesten Fahrzeuge gezeigt, die im Besitz von Fürsten und
Privatsammlern sind. Dieser Wettbewerb
der Eleganz schlägt bezüglich historischen
Reichtums gar jene von Pebble Beach und
Goodwood. Keines der Fahrzeuge hat Indien je verlassen oder ist etwa via Auktion ins Land gekommen. Da die Wagen bis
vor kurzem als nationales Eigentum galten,
war jeglicher In- oder Export untersagt.
INDISCHE FAHRZEUGE:
EIN JAHRHUNDERT DER PRACHT
UND DES LEIDENS
Jedes Fahrzeug ist Zeuge der turbulenten Geschichte des indischen Subkontinents und seiner Fürsten, und
zwar vom Bestelljahr – das älteste präsentierte Modell, ein Rolls-Royce Sil-
Frank Kappa
D
Der Maharadscha von Patiala
und sein Festcollier, von Cartier 1926
mit 2930 Diamanten kreiert.
ver Ghost, datiert aus dem Jahr 1913 – bis
zum heutigen Tag. Ein Jahrhundert des
Glanzes, der Tragödien und der Renaissance. Die Jurymitglieder unter Prinz Michael
von Kent sind ausgewiesene Kenner dieser
Epoche, Liebhaber und Hüter des automobilen Kulturguts. Jean Todt, Präsident
FIA, ist nach Indien gereist, um über Verkehrssicherheit zu reden. Zur Jury gehören Sandra Button, Direktorin des Wettbewerbs im kalifornischen Pebble Beach und
einflussreiche Persönlichkeit der Branche,
Simon Kidston, renommierter Auktionsfachmann aus Genf, sowie die hochkarätigen Sammler Michael Kadoorje und Nigel
Matthew. Zwar sind sie nicht alle unbedingt Liebhaber von Vorkriegsmodellen,
sondern bevorzugen wie Jean Todt Boliden aus den Fünfzigerjahren, von denen
er schon als Kind träumte. Ihnen allen gemeinsam ist aber die Bewunderung für die
indischen Sammler und den gigantische
Aufwand, den sie betreiben, um die vom
Lauf der Zeit komplett zerstörten Fahrzeuge zu restaurieren. Dies in einem Land, wo
es weder Automobilclub noch Fachliteratur gibt. Für Simon Kidston kommen diese Fahrzeuge einem Wunder gleich, entstanden dank Ausdauer und Passion. «Hier
gelten für die Restaurierung der Fahrzeuge
nicht die gleichen Bedingungen wie in anderen Wettbewerben wie Pebble Beach, wo
ich ebenfalls Jurymitglied bin. Sie werden
restauriert, obwohl es an Ersatzteilen und
Fachwissen fehlt. Dafür gibt es hier ein unglaubliches Innovationspotenzial. In England etwa würde der Besitzer einen Restaurateur anrufen und ihm sagen, dass er
ein Jahr Zeit für die Arbeit habe. In Indien
ist alles unendlich viel komplizierter.»
Die Luxuskarossen verkörpern eine Legende, die der Maharadschas. Die geradezu
| O L DT I M E R |
Das Modell Minerva
AL 40HP von 1933 gehörte
dem Radja von Mahmudabad,
bevor es vom jetzigen
Besitzer Diljeet Titus
restauriert wurde.
grenzenlose Passion der damaligen Herrscher für Rolls-Royce ist bekannt. Mitte
der Vierzigerjahre konstruierten die Engländer tausend Fahrzeuge für den indischen Markt. Es konnte nicht genug Luxus,
Gold und exzentrische Gadgets geben. Gipfel der Extravaganz war der Swan Car, ein
Rolls-Royce in Schwanenform, der durch
den Schnabel Dampf entweichen liess und
so die Fussgänger in Angst und Schrecken
versetzte. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist das Rolls-Cabrio mit dem riesigen Sonnenschirm aus besticktem Samt.
Einer der Gewinner des Concours
Cartier Travel with Style 2015 ist der
Oldtimer Hispano-Suiza H6B, der dem
zweitreichsten Mann Indiens, dem Maharadscha von Mysore, gehörte. Dieser pflegte jeweils sämtliche Objekte in sieben- bis
achtundzwanzigfacher in identischer Ausführung zu bestellen. Bei Rolls-Royce, glücklich über den lukrativen Spleen, nannte
man es «Mysore machen», wenn von Serienaufträgen die Rede war. Heute ist das
Auto im Besitz des indischen Industriellen
G.D. Gopal.
Den grössten Beifall erhält der 1933 gebaute Minerva, eine der luxuriösesten
Marken der Zwischenkriegszeit, der von
54 | Finanz und Wirtschaft LU X E
seinem heutigen Besitzer, dem internationalen Wirtschaftsanwalt Diljeet Titus, restauriert wurde. «Es ist ein Minerva des
Typs AL, der luxuriösesten Kategorie. Der
Wagen gehörte Raja von Mahmudabad in
Uttar Pradesh, einer einflussreichen Persönlichkeit der indischen Unabhängigkeitsbewegung, und war eine Ruine, total
kaputt. Die Restaurierungsarbeiten dauer-
ten fünf Jahre. Im Fond gibt es sogar eine
echte Minerva-Taschenlampe. Ich liebe die
Linien der Automobile der Epoche zwischen 1930 und 1940. Ich fahre den Wagen
öfters, wenn ich in Jodhpur das Wochenende verbringe.»
Das Publikum bestaunt fasziniert den
Triumph 2000 Roadster aus dem Jahr 1947
(vom Baum, der aus dem Auto wuchs, ist
Die geflügelte Frau, Kühlerfigur des
Cadillac V16 Serie 90 von 1938
Der fliegende Storch, Kühlerzierde
des Hispano Suiza
nichts mehr zu sehen) oder den 1936 konstruierten Mercedes 290 Pulmann. Die Limousine, so Simon Kidston, wurde von
einem zwanzigjährigen Mann aus dem
Wasser geborgen. «Vom Auto war nicht
mehr viel übrig, die Eltern bezeichneten
den Sohn als verrückt – und heute nimmt
er am Wettbewerb von Cartier teil. So etwas gibt es in Europa nicht. Unser Wettbewerb ist somit auch ein demokratischer.»
Der Rolls-Royce Phantom I aus dem
Jahr 1928 war im Besitz des Maharadscha
von Bhavanagar. Die Aluminiumkarosserie
wurde für die fürstlichen Jagdpartien umgebaut. Der heutige Besitzer ist der renommierte Innenarchitekt Gupreet Singh, der
den Wagen rundum renovieren liess. Zwei
Gewehre aus der Epoche zieren die beiden
Seiten des Autos. «Die Restaurierung war
Auch amerikanische
Oldies hatten am
Coucours d’élégance
von New Dehli ihren
Platz.
Stanislas de
Quercize (CEO
von Cartier)
reiste an zur
3. Ausgabe des
Cartier Travel
with Style
Frank Kappa
sSeine Königliche
Hoheit Michael
von Kent
(Präsident des
Concours)
umfassend und dauerte sieben Jahre», erzählt Gupreet Singh, ein beeindruckender
Mann mit perfekt sitzendem blauem Turban. «Obwohl der Rolls für unsere Strassen
etwas gross ist, fahren wir ihn mindestens
einmal wöchentlich. Für uns ist dies auch
eine Möglichkeit, ein lange vernachlässigtes Kulturerbe unseres Landes zu fördern.»
Sein Sohn, professioneller Schütze und
Teilnehmer an den Olympischen Spielen
in London, meint lakonisch, dass sich der
Wert der Autos, die an diesem Concours
teilnehmen, locker verdoppelt.
Der Phantom ist auch der bevorzugte
Oldtimer von Stanislas de Quercize, CEO
von Cartier, der nach Indien gereist ist, um
die Renaissance des automobilen Erbes des
Landes zu unterstützen. Aber nicht nur
deshalb. Indien ist für Cartier ein höchst
vielversprechendes Land. «Die Verbindung zwischen Indien und Cartier geht auf
das Jahr 1911 zurück, als Jacques Cartier
die Maharadschas besuchte, um Smaragde,
Rubine, Diamanten und Saphire zu begut-
achten. Die fürstlichen Auftraggeber wollten die Steine im Pariser Stil gefasst haben.
Aus diesen Begegnungen entstanden die
prachtvollen Geschmeide, die heute zu Legenden geworden sind.»
1926 kreierte Cartier das Festcollier des
Maharadscha von Nawanagar mit dem einzigartigen weissen Diamanten «Reine de
Hollande» von 136,25 Karat und weiteren,
farbigen Diamanten. Das Collier des Maharadscha von Patiala, er war der reichste
Mann im Land, umfasste 2930 Diamanten mit 962,25 Karat. «Es ist heute Teil der
Collection Cartier. Der Maharadscha legte es sich um als Zeichen seiner Macht,
wenn er auf dem Rücken eines Eleganten
durchs Land reiste. Die damaligen Maharadschas sind die Unternehmer von heute. Neulich beschenkte einer dieser Fürsten
jeden seiner 500 Hochzeitsgäste mit einer
Cartier-Uhr. Festivitäten sind für Cartier
somit ein verheissungsvoller Markt. Es gibt
aber noch viel zu tun, denn 80% der Inder
kaufen unsignierten Schmuck.» |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 55
| V I N TAG E |
von Hans Uli von Erlach
PA S S I O N F Ü R
EINE SCHLANGE
W
enn man schon nur den Zündungsschlüssel dreht, kommen die Tränen: Der Sound des V8-Ford-Motors von
anno 1965 vibriert durch den ganzen Körper. «Das ist Urgewalt», schwärmt Marc
Ziegler beim dröhnenden, tiefen Klang
der 380 PS seines AC Cobra 427, eines der
ersten Modelle dieser Klasse. Der Präsident des Cobra Owners Club (www.cobra-owners.ch) bewundert jedes Detail der
«Schlange». So, oder «Snake», nennen
er und die Mitglieder seines Clubs liebeund respektvoll ihre Fahrzeuge, die Cobras eben. Und natürlich kennen sie jedes
Detail der Cobra-Legende. Von den Ursprüngen der britischen Firma AC Cars,
die schon in den Zwanzigerjahren mit
6-Zylinder-Motoren in ihren leichten Rennern Erfolge feierte. Und vom Leben des
berühmten Rennfahrers Carroll Shelby
(1923–2012), dem Texaner mit unglaublichem Charisma, der nach seinem Rückzug
vom aktiven Rennsport seinen eigenen Racecar bauen wollte und mit AC eine Partnerschaft einging: Shelby konstruierte die
Boliden, Ford steuerte die stärksten Motoren bei. Eine europäisch-amerikanische
Allianz, um die damals allgegenwärtigen
Stars aus dem Ferrari-Stall das Fürchten
zu lehren.
56 | Finanz und Wirtschaft LU X E
KONSTRUIERT HAT SIE DER LEGENDÄRE
AUTORENNFAHRER CARROLL SHELBY ANFANG
DER SECHZIGERJAHRE, GEBAUT WURDEN SIE BLOSS
WÄHREND WENIGER JAHRE UND ES GAB SIE NUR
IN KLEINER STÜCKZAHL. ABER SIE WURDEN ZUR
LEGENDE: DIE RENNSPORTWAGEN AC COBRA.
Vier AC-Cobra-Modelle entstanden
zwischen 1962 und 1968, mit Muskeln von
264 bis 485 PS, die, verpackt in der Aluminiumkarosserie, bis zu 300 km/h hinlegten. Es brauchte viel Feingefühl und
Respekt, um die leichten Kraftpakete zu
steuern, aber das Ziel war erreicht: Shelbys Cobras dominierten fast ein Jahrzehnt lang die Siegespodeste.
Originale AC Cobras aus jener Zeit gehören heute zu den meistgesuchten Fahrzeugraritäten. Von den ursprünglichen
vier Modellen listet das Shelby-Cobra-Register nur gerade rund tausend
Originalfahrzeuge auf. Gut und gerne
600‘000 Fr. sind sie den Sammlern heute wert, für Autos mit Renngeschichte bezahlt man bis zu siebenstellige Beträge.
Wer ein solches Objekt der Begierde im
Ausland ersteht, kann es allerdings heute in der Schweiz wegen der inzwischen
geltenden Vorschriften (Abgas etc.) nicht
mehr registrieren. Und das Umrüsten eines Originals wäre für Sammler natürlich eine Todsünde. Marc Ziegler macht
das keine Sorgen: Sein Fahrzeug ist schon
früher in die Schweiz gekommen. Wegen der grossen Nachfrage werden noch
heute Cobras produziert, zum Teil sogar
mit den alten Pressformen. «Originalgetreue Nachbauten (Recreations) werden auch bereits mit sechsstelligen Beträgen gehandelt», weiss Marc Ziegler.
Aber auf diesem Markt braucht es den
Kennerblick: Billige Bausätze und Kopien sind oft kaum ihr Blech wert. |
SHELBY COBRA FÜRS HANDGELENK
Vor fünfzig Jahren gelang Carroll Shelby ein Sieg, der den internationalen
Rennsport nachhaltig veränderte: an der FIA International Championship
of GT Manufacturers 1965. Gemeinsam mit der Carroll Shelby Company
würdigt Baume & Mercier dieses Ereignis mit der Uhr Capeland Shelby®
Cobra: 1965 limitierte Exemplare in Edelstahl, 98 in 18-Karat-Rotgold, als
Hommage an Shelbys Rennnummer 98. Im Outfit in sportlichem Retrostyling,
poliert-satiniertem Gehäuse, mit Chronographen- und Tachymeterfunktionen
und mit dem Cobra-Logo auf der Sekunde: dem stilisierten Schlangenkopf.
| AV I AT I K | von Matthieu Hoffstetter
UNTERWEGS IM JET VON HONDA, MITSUBISHI ODER MERCEDES-BENZ?
DIE AUTOMOBILINDUSTRIE HEBT AB UND RÜSTET FLUGZEUGE MIT
IHREM KNOW-HOW IN MOTORISATION UND DESIGN AUS.
O
bwohl die Auto- und die Flugzeugindustrie fast gleichzeitig entstanden sind, pflegten sie lange kaum direkte Kontakte. Erst ab den Sechzigerjahren
begannen die Autobauer, sich von den
Flugzeugkonstrukteuren inspirieren zu
lassen: Karbonbremsen, Bordcomputer
oder GPS wurzeln in der Aeronautik und
gehören heute zur Ausstattung der meisten Autos.
In den letzten Jahren wurden die Beziehungen intensiviert. Honda hat das Angebot von Jets für vermögende Kunden vergrössert, Mitsubishi feiert das Comeback
in die Flugbranche. 1986 gestartet, liess
sich die Flugzeugdivision von Honda viel
Zeit bis zur Lancierung des HondaJet HA420, der ersten Maschine (nach den Prototypen MH01 und MH02), die die Japaner serienmässig hergestellt haben und die
VON DER STRASSE
ÜBER DIE WOLKEN
Finanz und Wirtschaft LU X E | 57
| AV I AT I K | von Matthieu Hoffstetter
s Mit seinem neuen Flieger
will sich HondaJet an der
Spitze des Businessflugmarktes positionieren
s Die Handschrift von
Mercedes-Benz im Kabinenprojekt,
entstanden in Zusammenarbeit
mit Lufthansa Technik.
s Ti, siliena tilictum hactus pote quam. Od suliber
Romne pra non
58 | Finanz und Wirtschaft LU X E
dieses Jahr auf den Markt kommt. Die Maschine besitzt eine Reichweite von 2000
km, erreicht eine Spitzengeschwindigkeit
von 787 km/h und kostet 3,65 Mio. $. Der
MRJ (Mitsubishi Regional Jet) von Mitsubishi ist vor allem für den kommerziellen Flugverkehr konzipiert. Da sich anlässlich der Präsentation im Herbst 2014 auch
Privatpersonen für das Flugzeug interessierten, spielt der Autokonstrukteur aus
Japan mit der Idee, eine Privatjet-Variante zu bauen. Die Leistungen des MRJ sind
beeindruckend: Reichweite bis 3380 km,
Fluggeschwindigkeit 828 km/h. Das Verkehrsflugzeug kostet 42 Mio. $. Anfänglich
war die Lancierung per Ende 2010 geplant,
die erste Auslieferung findet nun 2017 statt.
bei der Entwicklung des Kabinenkonzepts
zusammengearbeitet. Sie wählten zwei
Modelle, den Airbus 320 und die Boeing
737, die für reiche Kunden gedacht sind, die
sich nicht mit einem traditionellen Kleinjet
begnügen möchten, sondern lieber in einer
grossen Maschine reisen. Leder, kostbare
Hölzer, Grossleinwände – alles ist vorhanden, um ein elegantes, modernes Ambiente zu schaffen. «Es war ein inspirierender
Challenge, unsere schlichte, sinnliche Designphilosophie in einem Flugzeug umzusetzen. Klare Linien und Hightech sind
denn auch die typischen Eigenschaften
dieses Projekts», erklärt Gorden Wagener,
Vice President und Chef der Designabteilung bei Daimler.
Mit dem Abkommen zwischen Mercedes-Benz und Lufthansa Technik dringt
nun auch ein deutscher Autobauer in den
Luftraum. Zwar geht die Strategie nicht so
weit wie bei Honda, die ihre Jets selbst entwickelt und baut. Aber das Projekt ist dennoch interessant. Die Designer von Daimler
haben mit den Ingenieuren der Abteilung
Wartung und Ausstattung der Lufthansa
Dieser Trend lässt sich auch in andern
Partnerschaften erkennen, etwa zwischen
Dassault Systèmes und dem europäischen
Automobilausstatter Akka Technologies.
Das französische Unternehmen hatte in
den Achtzigerjahren die Software Catia für
die Entwicklung der Dassault-Flugzeuge
konzipiert, die seither von den meisten Automobilherstellern verwendet wird. |
i Die Designer der Automobilindustrie
(hier von den Studios der Daimler AG) erobern
die Welt der Fliegerei.
Bilan LU X E | 59
RENDEZ-VOUS
Bertarelli
von Cristina d’Agostino, Foto: Nicolas Righetti
D
«Nach sechs Tagen auf dem
Meer habe ich nur einen
Wunsch: weiterzusegeln.»
S
chon als Kind wusste Dona Bertarelli,
dass sie besser sein musste. Es reichte nicht, sich einfach anzupassen und den
von der Umgebung diktierten Rhythmus
einzuhalten. Obwohl sie früh schon eine
Passion für den Segelsport hegte, wartete sie ab, um dann auf D35 «Ladycat» von
Erfolg zu Erfolg zu segeln. Im kommenden Oktober geht der Rennstall Spindrift
Racing auf «Spindrift 2» auf Weltumsegelung, um die Jules Verne Trophy zu gewinnen. Möglicherweise wird auch Dona
Bertarelli mit von der Partie sein. Jedenfalls ist sie bereit, unterstützt von ihrem
Lebenspartner Yann Guichard. Dona
Bertarelli erzählt über ihren Werdegang,
ihre Zweifel, ihr Leben als zur See fahrende Mutter und ihre Ambitionen als Unternehmerin.
Wie begann Ihre Passion für den Segelsport?
Dona Bertarelli. Meine Liebe zum Segeln
wurzelt in meiner frühesten Kindheit, als
uns die Eltern jeweils am Wochenende
zum Segeln vor der Küste von Rom mitnahmen. Das sieben Meter lange Boot erschien uns riesig. Wir umsegelten oft die
Insel Elba und genossen die Tage und
Nächte, die wir mit der Familie auf dem
Wasser verbrachten. Es war eine herrliche, sorglose Zeit. So wurde Segeln sehr
schnell zu einer Passion. Ich liebte dieses faszinierende, grenzenlose Universum. Segeln hat mich aber auch gelehrt,
Verantwortung zu übernehmen. Ich erinnere mich an jenen Tag, als wir von einer
gewaltigen Böe überrascht wurden. Der
Spinnaker wurde weggerissen, mein Vater, der fast ins Meer fiel, brach sich eine
Rippe. Ich war noch ganz klein, aber ich
begriff, dass Segeln auch bedeutet, Ver60 | Finanz und Wirtschaft LU X E
O
N
A
IM KOMMENDEN OKTOBER WOLLEN DONA
BERTARELLI UND IHR SPINDRIFT RACING TEAM
DIE JULES VERNE TROPHY FÜR DIE SCHNELLSTE
WELTUMRUNDUNG GEWINNEN. SIE HAT ABER AUCH
DIE AMBITION, IHREN ZWEITEN AKTIVITÄTSBEREICH,
DIE LUXUSHOTELLERIE, AUSZUBAUEN.
antwortung wahrzunehmen, vorsichtig
zu sein und zu wissen, wie man sich in bestimmten Situationen verhält.
Können Sie sich auch Einhandsegeln
vorstellen?
Nein, das ist nicht, was ich in diesem
Sport suche. Ich liebe es, ein Team aufzubauen, es zusammenzuschweissen, grosse
Momente gemeinsam zu erleben, sich gegenseitig zu helfen. Was mich im Offshore-Sport fasziniert, ist das bedingungslose
gegenseitige Vertrauen im Team.
Besassen Sie schon früh einen Sinn für
Wettbewerb?
Nein, im Grunde bin ich nicht sehr ehrgeizig, ich würde mich eher als Kämpferin bezeichnen. Ich bin unter Buben aufgewachsen. Wenn ich wollte, dass man
mich akzeptierte, musste ich ihrem Tempo folgen, durfte nicht zur Last fallen,
mich nicht beklagen. Ich war zu Hause nie die kleine Prinzessin, vielmehr
ein halber Junge und ein abenteuerlustiger Wildfang. Natürlich möchte ich heute gute Resultate erzielen, aber mich interessiert es mehr, Herausforderungen
gemeinsam anzunehmen, zu lernen und
mich selbst in Frage zu stellen. Ich bin
eine Macherin und gewillt, Verantwortung zu übernehmen.
Segeln hätte ein Freizeitvergnügen sein
können. Weshalb diese Investitionen in
Mannschaft und Material?
Wettkampfsegeln wurde erst spät in
meinem Leben aktuell, als meine Kinder grösser waren und ich mehr Zeit dafür zur Verfügung hatte. Es begann vor
neun Jahren auf D35 «Ladycat», einer
Monotypie, die nur eine einfache Struktur notwendig machte. Bald hatte ich die
Idee, eine weibliche Mannschaft aufzustellen. Damals gab es noch wenige Frauen, die vom Segelsport leben konnten.
Viele erzählten mir, wie schwierig es ist,
sich in diesem maskulinen Umfeld zu integrieren, und waren frustriert, sich auf
Frauenregatten beschränken zu müssen. Ich rekrutierte rund zwanzig Frauen, die sich für den Rennsport interessierten oder sich bereits bewährt hatten. Wir
testeten sie auf einem damals wenig üblichen Mehrrumpfboot. «Ladycat» erhielt
schnell grosse mediale Aufmerksamkeit.
Eine reine Frauencrew hatte es bei solchen Rennen noch nie gegeben. Für mich
bestand der grösste Erfolg darin, dass einige der Teilnehmerinnen auf «Ladycat» Profiseglerinnen geworden sind, die
nun an grossartigen Projekten mitarbeiten. Es ist für mich wirklich eine riesige
persönliche Befriedigung, ihnen zu Bekanntheit verholfen und das Sprungbrett
für ihre Karriere bereitgestellt zu haben.
Die Sache entwickelte sich weiter, «Ladycat» verzeichnete viele Erfolge. Zu meiner Überraschung fand ich mich auf dem
Boot schnell zurecht und lernte vieles
hinzu. Und heute betreibe ich den Wettkampfsport auf dem offenen Meer.
War es schwierig, sich als Seglerin in Ihrer
Familie zu legitimieren?
Man erhält keine Legitimation, man
muss sie sich erarbeiten, wie Respekt. Ich
musste mich bewähren, meine Entschlossenheit, das Projekt furchtlos durchzuziehen, unter Beweis stellen. Mein Vater hat
mich gelehrt, entschlossen zu sein und
ein Vorhaben zu Ende zu führen. Auf hal-
| R E N D E Z-VO U S |
bem Weg aufzugeben, kam nicht in Frage. Also nahm ich mir Zeit, denn ich wollte sichergehen, das Ziel zu erreichen. Ich
habe viel nachgedacht, bis ich wirklich so
weit war. Von meinem Bruder erhielt ich
grosse Unterstützung und Hilfe. Damit
ich meine Mannschaft zusammenstellen
konnte, stellte er mir seine D35 «Alinghi»
zur Verfügung. Er war mein grösster Fan.
Als ich 2010 den Bol d’Or gewann, erstmals am Steuer und als Skipper, errang
ich viel Anerkennung.
Ab 2010 und Ihrem Sieg auf «Ladycat
beschleunigte sich Ihre Karriere als Seglerin.
Mit dem Unternehmen Spindrif, das neue
Horizonte und Ozeane eröffnet, wollen Sie
höher hinauf und investieren Zeit und Geld
in dieses Projekt. Ihre Motivation?
Es ging nicht darum, höher hinauf zu
wollen. 2010 lebte ich bereits mit Yann
Guichard zusammen, einem renommierter Segler mit eigenen Sponsoren. Wir
hatten Lust, gemeinsam zu segeln und
unsere Passion für Meer, Segeln und
Wettkampf zu teilen. Wir wollten eine eigene Mannschaft aufbauen, unsere Kompetenzen, Techniker und Crew zusammenlegen. Dies war die Geburtsstunde
von Spindrift.
Ist es ein Bedürfnis auf dem Meer zu segeln,
an Hochseeregatten teilzunehmen?
Ich bin ein eher vorsichtiger
Mensch, keine Draufgängerin.
Aber ich bin neugierig, offen
für andere Lebensweisen und
ich bin lernbegierig. Yann war
bereits ein anerkannter Hochseesegler. Durch ihn lernte
ich diese Welt und zahlreiche
Segler kennen, denn der Segelsport auf dem Meer war für mich bis
anhin eine unbekannte Welt. Meine einzigen Erfahrungen hatte ich während
zehn Jahren beim America’s Cup gesammelt. Schliesslich begann ich mich für
die höchst kompetitive Hightech-Welt
zu begeistern, ich verliebte mich in diese Sportart und ihre Werte. Diese Männer
flössten mir viel Respekt, aber auch Demut ein. Der Ausdruck «das Steuer loslassen» erhielt plötzlich einen ganz anderen Sinn. Denn es ist kein einfacher Sport,
man ist fern von zu Hause, bildet mit der
Crew eine neue Familie, auf die man sich
verlassen muss. Es geht um Respekt, Teilen, Vertrauen, Solidarität – Werte, die
mir sehr wichtig sind. Ich wollte mehr
wissen, die Herausforderung annehmen und einen MOD70 steuern. Aber
der wirklich grosse Sprung war dann der
Kauf des Maxi-Trimarans «Spindrift 2».
Hat Ihr Interesse für Hochseenavigation
auch damit zu tun, dass Ihre Familie in dieser
Kategorie weniger aktiv ist?
Es gibt nur wenige Frauen, die Wettkampfsport auf dem Meer betreiben, weshalb es nicht einfach ist, anonym zu bleiben. Wie mit «Ladycat» musste ich mich
erneut beweisen, musste zeigen, dass ich
mental, nervlich, physisch stark bin. Paradoxerweise ist «Spindrift 2», der weltweit
grösste Trimaran, weniger gefährlich als
der MOD70. Es ist ein kalkuliertes Risiko,
das Boot wurde für die Weltumsegelung
konzipiert und hat sich bereits bewährt.
Weshalb diese Jagd nach Rekorden?
Weil sie mir Gelegenheit gibt, den anzupeilenden Rekord und Rhythmus frei
zu wählen. Weil ich Zeit habe, Boot und
Rennen kennenzulernen, mich zu bewähren. Ab dem Kauf des «Spindrift 2» gab ich
mir drei Jahre, um die Jules Verne Trophy
zu holen und den Nordatlantikrekord zu
brechen, beides schwer zu unterbietende Rekorde. Weil ich wirklich bereit sein
wollte, verzichtete ich darauf, ein Startdatum zu kommunizieren. Ich wollte mir
die notwendige Zeit geben, damit alle Bedingungen und Fähigkeiten optimal sind,
um das Projekt durchzuführen. Das klingt
Die Vorbereitungsarbeiten sind enorm,
am Boot zunächst, aber auch physisch. Sobald man startklar ist und man Vertrauen in die Maschine, die Mannschaft und
in sich selbst hat, ist man in Aktion. Es ist
leicht, schnell zu sein. Aber über längere
Zeit schnell zu sein, ohne das Boot oder etwas anderes zu beschädigen, ist ein ganz
anderes Kapitel. Es gibt vieles zu meistern,
Boot, Müdigkeit, Risiko, Wetter. Noch habe
ich keine Weltumsegelung absolviert, ich
bin immer noch am Lernen und Vorbereiten. Es ist auch gut, etwas Angst zu haben,
denn sie schärft die Sinne, man ist in jeder Situation gefasst und kann die richtige
Entscheidung treffen. Man darf sich nicht
von den Elementen oder der Geschwindigkeit des Bootes überraschen lassen. Vorbereiten heisst antizipieren.
Was hat Sie nach dem Rekord der
«Entdecker-Route» am meisten überrascht?
Dass ich nach zehn Tagen auf See weder moralisch noch körperlich angeschlagen war. Ich war hoch motiviert, fasziniert, voller Energie, ich wollte nicht,
dass das Abenteuer zu Ende ist. Meine Crew empfand das Gleiche. Wir waren glücklich, das Ziel erreicht zu haben,
aber auch traurig, dass das Rennen hinter uns lag. Eine Reaktion, die auch positiv war. Auf dem Meer habe ich festgestellt, dass es das Ego nicht gibt, dass man
ohne Crewmitglieder nichts
ist und dass ohne gemeinsame
Anstrengungen das Ziel unerreichbar bleibt. Diese Idee des
Teilens gefällt mir sehr. In Momenten des Zweifels, wenn ich
das Schiff bei 45 Knoten steure, geben mir die Kollegen Gewissheit und Sicherheit. Das ist
kein Problem, das nur mich betrifft, sondern jeden andern Segler auch. Ich liebe diese Einfachheit, das Gruppenziel
steht zuoberst. Bei der Jules Verne Trophy fühlte ich mich sehr wohl, ich war
ein Crewmitglied wie die andern auch
und überliess die Rolle des Kapitäns Yann
Guichard. Für mich hat das Projekt Priorität, jede Person muss am richtigen Posten sein. Das Schiff liegt jetzt im Wasser,
die Selektion der Crew ist noch nicht abgeschlossen. Rennen auf D35, GC32 und
DIAM24 sind Teil unserer Vorbereitung
und ermöglichen die Gruppenkohäsion.
«Man erhält keine Legitimation,
man muss sie sich erarbeiten,
wie Respekt.»
62 | Finanz und Wirtschaft LU X E
vielleicht verrückt: eine Frau, die das Milieu nicht kennt und mit dem grössten
Boot der Welt ein Rennen auf dem Meer
bestreiten will. Aber das ganze Vorhaben ist sorgfältig durchdacht und kontrolliert. Das Rolex Fastnet Race und die
Entdecker-Route auf «Spindrift 2» haben
mich vorbereitet und aufgebaut. Die Vorbereitungen für den Nordatlantikrekord,
drei Tage volle Power, wären eine weitere Etappe in meiner «Ausbildung» gewesen. Das Rennen ist extrem, man segelt im
Nebel in der Nähe von Neufundland. Vielleicht wagen wir nächstes Jahr einen neuen Versuch und profitieren dann von einem bessern Wetterfenster.
Wie fühlen Sie sich bei diesen extremen
Bedingungen?
Wie viele Personen werden an der Jules
Verne Trophy dabei sein?
Der Rennstall besteht aus 35 Personen,
inklusive Support-Teams. Für das Rennen
werden zwölf bis vierzehn Personen ausgewählt. Ich arbeite ununterbrochen daran, ebenfalls dabei sein zu können. Nur
einige der Leute segeln Vollzeit für uns.
Ist eine Weltumsegelung schwierig für eine
Mutter von drei Kindern?
Natürlich kann man den Kindern
nicht heute sagen, dass man morgen auf
Weltumsegelung geht. Ich bereite sie
seit Jahren vor. Sie haben mich stets begleitet, ganz wie ich es bei meinem Vater
getan habe. Sie waren dabei, als ich die
«Spindrift2» gekauft habe, und sie haben
das Schiff getauft. Sie sind schon auf allen Booten unseres Rennstalls mitgesegelt. Ich bin sehr stolz, dass mein ältester 18-jähriger Sohn Teil der Mannschaft
«Spindrift 2» beim Rolex Fastnet Race
sein wird. Auch er musste sich erst bewähren. Für mich bedeutet dies, meine
Kinder an meinem Abenteuer teilhaben
zu lassen. Es ist wichtig, dass sie mit der
Crew in Kontakt kommen und die Leute
kennen. Wenn ich auf dem Meer bin, wissen sie, mit wem ich dort bin und was ich
erlebe. Mein Ältester, der mit mir schon
Regatten bestritten hat, kann seinen jüngeren Geschwistern davon erzählen.
Viele Segelsportler bezeichnen Fastnet Race
als den Everest des Meeres. Was sagen Sie?
Als ich Fastnet bestritt, waren die Bedingungen nicht extrem, und alles lief gut.
Aber ja, doch, es ist ein legendäres Rennen. Ähnlich wie der Bol d’Or Mirabaud,
denn es nehmen Profis und Amateure teil.
Eine Besonderheit, die mir gut gefällt.
Auf D35 sind Sie und Ihr Bruder Ernesto
richtige Konkurrenten. Schwierig?
Wir sind natürlich vor allem eine Familie, aber selbstverständlich geben unsere
beiden Equipen alles, um zu gewinnen.
Auf dem Wasser sind wir Konkurrenten,
wie die andern Teams auch. An Land normalisieren sich dann die Dinge schnell.
In Ihrem andern Aktivitätsbereich, der
Hotellerie, haben Sie mit dem Kauf des
Five Seas Hotel in Cannes von sich reden
gemacht. Möchten Sie sich auch hier
vermehrt exponieren?
Auch hier habe ich mir Zeit gelassen, aber
heute hege ich durchaus Ambitionen in der
Luxushotellerie. Mein Ziel ist es, einen persönlichen Service zu bieten, Perfektion, einen besonderen Stil und Gastfreundschaft.
Ich erhalte jede Woche mehrere Angebote,
aber ich will nicht schnelle Entscheidungen
treffen. Auch habe ich nicht den Ehrgeiz,
eine bestimmte Anzahl Hotels zu besitzen,
sondern ich möchte die richtige Wahl treffen und diese Investitionen in meine anderen Aktivitäten integrieren. Für mich sind
Investitionen in die Hotellerie kein Finanzinstrument wie Hedge Fund oder Private
Equity. Ich will mich persönlich dafür engagieren, als Unternehmerin mit einer langfristigen Vision und einem soliden Team.
Ich trage Verantwortung für das Personal
und will ihm eine gesicherte Zukunft bieten. Zwischen dem Kauf des Five Seas in
Cannes und demjenigen des Grand Hotel
Park in Gstaad liegen fast zehn Jahre. Ich
habe mir Zeit gelassen, nicht mangels Gelegenheiten, sondern weil die Objekte meinen Kriterien nicht entsprachen. Bis zum
nächsten Kauf werde ich bestimmt nicht
mehr so lange zuwarten, aber ich setze
mich auch nicht unter Druck.
Ist der Managementstil im Segelsport und in
der Hotellerie identisch?
Ja, denn eigentlich ist es das gleiche
Metier. Man muss Teams aufbauen, Synergien schaffen, die besten Leute an die
richtigen Stellen setzen, sich selbst engagieren, um Resultate zu erzielen, und
stets nach Ausserordentlichkeit streben.
Unternehmenskultur ist viel wichtiger als
die Kultur des Umsatzes, die letztlich ein
finanzieller Aspekt ist.
Welches sind die Bedingungen, damit eine
Akquisition erfolgreich abgeschlossen wird?
Das Hotel muss eine Seele haben. Natürlich schaue ich mir auch das Haus
an, aber vor allem ist es das Personal,
das mich interessiert. Das Five Seas Hotel besitzt klar eine Seele. Ich liebe das
Haus, wie meine Vorgänger es aufgebaut
haben. Meine Rolle ist es, das Instrument
aufzuwerten und es so zu entwickeln,
dass es meinen Werten, meiner Kultur
und Vision entspricht. Es wäre für mich
unmöglich ein Hotel zu erwerben, nur
weil es ein guter Immobiliendeal ist. Niederreissen, um neu zu bauen, entspricht
nicht meiner heutigen Philosophie, meinem Savoir-faire.
Das kürzlich von der Familienstiftung Sandoz
übernommene Lausanne Palace hätte eine
solche Akquisition sein können.
Ja, das Palace wäre eine gute Idee gewesen, denn das Hotel hat eine schöne
Unternehmenskultur. Sie wurde während vieler Jahre vom Generaldirektor
Jean-Jacques Gauer geprägt, der kürzlich
in meinem Verwaltungsrat des Grand Hotel Park und des Five Seas Hotel Einsitz
genommen hat.
Hat man Sie schon kontaktiert?
Nein. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 63
| S AVO I R- FA I R E |
von Sébastien Ladermann
MASS GESCHNEIDERTER
SOMMERBASIC
HEMDEN UND SCHUHE
HABEN ETWAS GEMEINSAM:
SIE ZEIGEN, OB DER TRÄGER
WERT AUF DIE QUALITÄT
SEINER KLEIDUNG LEGT.
FÜR DIE EINEN IST VOR
ALLEM DIE FUNKTIONALITÄT
AUSSCHLAGGEBEND, DIE
ANDEREN TRAGEN DAMIT
IHRE LIEBE ZU DEN DETAILS
DES SCHÖNEN UND EDLEN
ZUR SCHAU.
D
a Hemden früher zur Unterwäsche zählten und meist unter anderen Kleidungstücken versteckt waren,
schenkte man ihnen lange nur wenig Aufmerksamkeit. Heutzutage wird das Hemd
immer sichtbarer und gewinnt deshalb
als eigenständiger Bestandteil der männlichen Garderobe an Bedeutung. Ein
Produkt von der Stange mit ungenauer Verarbeitung hat nur wenig mit einer
hochwertigen Ausführung gemeinsam.
Aber auch massgefertigte Hemden, wie
sie gerade im Trend liegen, sind keine Garantie für erstklassige Verarbeitung.
Im Örtchen Pantin im Nordosten von
Paris befindet sich das Atelier für massangefertige Hemden von Hermès, dem weltberühmten Haus mit Sitz an der Rue du
Faubourg Saint-Honoré 24. Hier kann
man einen Blick hinter die Kulissen der
hochwertigen Hemdenfabrikation werfen und den elf Schneidern zusehen, wie
sie in konzentrierter Stille ihrer Arbeit
nachgehen. Aber eigentlich beginnt alles in einer der neun Boutiquen, die diesen exklusiven Service weltweit anbieten. Bei einem ersten Besuch vermisst
ein Schneidermeister den Oberkörper
des Kunden an dreizehn verschiedenen
Stellen und ermittelt so dessen exakte
Masse. Sie werden als Schnittmuster auf
Packpapier übertragen und dienen als
Grundlage für das Anprobemodell. Der
aus 1500 Mustern ausgewählte Stoff – er
ist vorgewaschen, damit er später nicht
mehr einläuft – wird von einem ersten
Fachmann zugeschnitten. Dieser achtet
peinlich genau darauf, dass der Musterverlauf beim Nähen übereinstimmt. Die
Einzelteile des Hemdes werden nun von
einem weiteren Schneider mit der Maschine zusammengenäht, der einzige mit
mechanischer Hilfe ausgeführte Schritt.
Der letzte Schritt ist gleichzeitig auch
der längste. Das Endprodukt verdankt
seine Raffinesse vor allem den sichtbaren und unsichtbaren Details. Dank einer Reihe von Hand genähter Schrägstiche lässt sich der Stoff umschlagen,
ohne dass die Naht an der Oberseite des
Kragens sichtbar wird. Die Ärmelsäume
werden auf die gleiche Weise genäht, damit der Armausschnitt die Bewegungsfreiheit nicht einschränkt und trotzdem
keine Falten wirft. Der Kragen, dessen
Steifheit vom Kunden gewählt werden
kann, wird so verstärkt, dass er sich perfekt an den Hals schmiegt. Da für ein
solches Baumwollhemd mindestens elf
Arbeitsstunden nötig sind, ist die Produktion auf tausend Stück pro Jahr limitiert. Wer ein solches Einzelstück
sein Eigen nennen möchte, braucht Geduld, denn bis zur Anprobe des Musterhemdes vergehen mindestens zehn
Wochen. Wenn es sitzt, muss Mann
weitere acht Wochen warten, bis die
Bestellung fertig ist.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 65
|AC
MTOUD E| PA
| S S É - P R É S E N T | par David Chokron
MIT KENNERBLICK
Woran erkennt man ein hochwertiges
Hemd? Hier eine kleine Übersicht über die
charakteristischen Merkmale, die für den
Kenner bei einem scheinbar einfachen weissen
Baumwollhemd keineswegs nur Details sind.
DER MUSTERVERLAUF
Bei einem gemusterten Stoff
muss der Musterverlauf an den
Nähten, vor allem am Übergang vom Schulterteil zum
Ärmel, genau übereinstimmen.
DIE KRAGENSTÄBCHEN
Bei einem hochwertigen Hemd
kann ein Kragenstäbchen unter
jede Kragenspitze geschoben
werden, damit die Schenkel in
ihrer Form stabil bleiben.
DIE BEINECKE
Ein kleines Stoffdreieck, das
zur Verstärkung zwischen Vorderfront und Rückenteil eingesetzt wird und dem Hemd das
gewisse Etwas verleiht.
Der Preis? 590 €. Aber Sie werden ein
einfaches weisses Hemd nie mehr mit
den gleichen Augen betrachten.
66 | Finanz und Wirtschaft LU X E
DER KRAGEN
Es gibt verschiedene Hemdkragen. Die formellsten sind der
Kent-Kragen, der Haifisch-Kragen («italienischer Kragen» in
Frankreich und «französischer
Kragen» in Italien) und der
Tab-Kragen, dessen Enden
mit einer geknöpften Schlaufe
zusammengehalten werden.
Der Button-down-Kragen
wird offen und ohne Krawatte
getragen.
DIE PASSFORM
Sie darf nicht nur nach
modischen Trends gewählt
werden, sondern muss dem
individuellen Körperbau
entsprechen. Ist das Hemd zu
tailliert, entstehen nicht nur
unschöne Falten, sondern wird
auch der Tragekomfort eingeschränkt. Sitzt es zu locker,
sieht man darin garantiert wie
ein Kartoffelsack aus.
DIE KNÖPFE
Für ein gutes Hemd sind
dicke Knöpfe aus Perlmutt
obligatorisch. Bei Hermès gibt
es auf Wunsch Knöpfe mit
sechs Löchern, sodass beim
Annähen die Form eines H
entsteht. Natürlich ist auch die
Farbe des Fadens wählbar.
DIE MANSCHETTEN
Trotz unterschiedlicher
Formen bleibt die Funktion
gleich: Manschetten verhindern, dass der Ärmel die
Hand bedeckt. Unabhängig
vom persönlichen Geschmack (Sportmanschette,
Umschlagmanschette – sie
bedingt das Tragen von
Manschettenknöpfen –, ein
oder zwei Knöpfe usw.) sollte
man bei der Anprobe seine
Uhr tragen, um zu verhindern,
dass sie später unter den Stoff
rutscht. Hermès bietet eine
spezielle Verarbeitung an: zwei
Varianten mit Lederlasche,
eine Anspielung auf die
Ursprünge der Marke.
DER STOFF
Die Qualität der Baumwolle
ist sowohl optisch als auch
sensorisch erkennbar.
Hochwertigere Stoffe haben
längere Fasern und fühlen
sich seidiger an. Die Transparenz eines weissen oder
hellen Hemdes hängt vom
Gewicht des Laufmeters ab,
durchschnittlich sind es 120 g.
Es gibt mehrere Dutzend
verschiedener Stoffarten,
deren Gewebekonstruktion
(Verflechtung der Fäden in
Kette und Schuss) die Qualität bestimmt. Popeline oder
Sea Island zum Beispiel sind
sehr feine Baumwollstoffe, die
sich vorwiegend für elegante
Hemden eignen, während
die widerstandsfähige und
etwas grober gewebte Oxford-Baumwolle vor allem für
einen sportlicheren Stil verwendet wird. Embleme oder
Initialen, wie das berühmte
«H» von Hermès, sind diskret
und Ton-in-Ton.
von Sarah Jollien-Fardel | I KO N E |
ZWEITE
JUGEND FÜR
ADIDAS
DER ALTGEDIENTE TURNSCHUH IST ZURZEIT ABSOLUTER TREND. DER
TRETER, EINST NUMMER EINS AUF SPORTANLAGEN, ACCESSOIRE DER
JUGEND UND VON FANS LAUTER MUSIK, ERLEBT DEN GLEICHEN HYPE
WIE DAS MONOPOLY – ALLE LIEBEN IHN, VOM ENKEL BIS ZUM OPA.
S
neakers beziehungsweise die Sportschuhe, die man in der Stadt trägt, gehören zum Zeitgenossen wie die Krawatte zum Businessman. Unverzichtbar, ein
Must. Schwergewicht unter den grossen
Herstellern ist der deutsche Sportausrüster Adidas, ein Mammutunternehmen, das
2014 einen Umsatz von 14,534 Mrd. € (ein
Plus von 2% zu 2013) erwirtschaftet hat,
teilweise auch dank der Fussball-WM.
Adidas steht aber nicht nur auf dem
Fussballfeld auf der Siegerseite. Seit einigen Saisons gibt sich die Mode gerne emotional und nostalgisch. Ganz auf der Linie
des Vintagetrends läuft das Sortiment von
Adidas, das zwei, gar drei Generationen anAMERICANA
1971 für und in den Farben des ABA-Basketballteams
(Vorgänger der NBA) geschaffen, fand das Modell schnell
den Weg auf die Strasse und wurde zum bevorzugten
Accessoire der Hardrocker.
spricht. Die Fünfzig- und Vierzigjährigen,
die Jungen, die den «Old School»-Look
lieben, die «Normcores» (pflegen den unauffälligen, durchschnittlichen Look) werden bei Adidas fündig: Mit Superstar Stan
Smith, dem Modell SL-76 (dem Starsky zu
Weltruhm verhalf ) oder Nastase hat Adidas ein Angebot, mit dem es sich herrlich in Erinnerungen schwelgen lässt. Das
Haus weiss um die geradezu magnetische
Wirkung dieser Produkte und betreibt ein
schlagfertiges, erfolgreiches Marketing.
2011 kündigten die Schuhmacher aus
Bayern das Ende ihres vierzigjährigen
Modells Stan Smith an. Unter dem Druck
der Fans, die wegen dieser Neuigkeit geradezu ausser sich waren (vielleicht war
es aber auch nur ein genialer Marketingtrick?), beschloss Adidas 2014, den legendären Sneaker aus weissem Leder wieder
ins Sortiment aufzunehmen. Ein Revival,
das schlagartig weltweite Begeisterung
GAZELLE OG
Die «Antilope» ist als Multisportschuh
konzipiert. Berühmt wegen der drei Streifen
auf der Seite, wird der Turnschuh bald zum
Lieblingsstück der Skater und der Fussballfans,
fällt später in Ungnade, bevor er in den Neunzigerjahren dank der Acid-Jazz-Band Jamiroquaï wieder ins Rampenlicht katapultiert wird.
SUPERSTAR
1969 lanciert, wird der Turnschuh 1986
zum Weltstar dank der amerikanischen
Hip-Hop-Band Run-DMC, die ihn in «My
Adidas» besingt. Die Musiker aus Queens,
New York, schliessen mit Adidas den
ersten Vertrag zwischen Nichtsportlern
und einem Ausrüster ab – für 1 Mio. $.
auslöste. Erfolgreich auch die Strategie,
mit Künstlern zusammenzuarbeiten und
limitierte Serien aufzulegen. Dank USHip-Hopper Pharrell Williams wurde Stan
Smith zum Weltstar der Strasse. Parallel
dazu gab Adidas einige der Ikonen in limitierter Auflage heraus, die in angesagten
Concept Stores teuer verkauft wurden. Ein
gewöhnlicher Turnschuh mutiert zum elitären Objekt. Wie viele Paare über den Ladentisch gingen, darüber schweigt Adidas
beharrlich. Aber angesichts der finanziellen Gesundheit des Unternehmens und seiner zahllosen Fans bestimmt nicht wenige.
Adidas ist gut zu Fuss! |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 67
| A U TO M O B I L |
von Sébastien Ladermann
STREBEN NACH DEM GRENZENLOSEN
SEIT LÄNGEREM SETZEN AUTOBAUER VORWIEGEND AUF
ENERGIEEFFIZIENZ – UMWELTSCHUTZ SEI DANK –, SICHERHEIT
UND KOMFORT. ZUM LEIDWESEN ALL DER ERWACHSEN
GEWORDENEN, DEN NERVENKITZEL LIEBENDEN KINDER, DIE
SICH EIN BISSCHEN VERNACHLÄSSIGT FÜHLTEN.
SUPER
GETRIEBE
DoppelkupplungsSiebenganggetriebe. Um
eine Unterbrechung der
Kraftübertragung beim
Wechseln der Gänge
zu vermeiden – selbst
wenn es schnell geschieht
–, tritt kurzfristig der
Elektromotor in Funktion,
was den sanften,
lückenlosen Gangwechsel
gewährleistet.
Motor des McLaren P1
(siehe nächste Seite)
68 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ELEKTROMOTOR
Einige Konstrukteure setzen auf Energierückgewinnung beim Bremsen,
um den Elektromotor zu laden. Nicht so McLaren, da diese Lösung
mit der optimalen Bremsfunktion nicht kompatibel sei. Das Aufladen
der Batterien geschieht über ein Ladegerät am elektrischen Netz. Um
von der kumulierten Leistung der beiden Motoren zu profitieren, muss
der Lenker lediglich das Gaspedal ganz durchdrücken und den Knopf
BOOST am Steuerrad betätigen. Und ab geht die Post!
V8-ARCHITEKTUR
Statt des edlen, aber schweren und
platzraubenden V12 kombiniert die V8Architektur perfekt Kraft, Kompaktheit und
Gewicht. Diese Ansprüche können dank der
zentralen Positionierung erfüllt werden, da sie die
ideale Verteilung der Masse begünstigt.
F
orschung und Wettbewerb waren seit
jeher Antrieb für Fortschritt im Automobilbau, und die immer ehrgeizigeren
Ziele lassen die Entwicklungsspirale immer schneller drehen. Zwar sind im Bewusstsein der Konsumenten Argumente
wie Spitzengeschwindigkeit und Leistung
nicht länger angebracht. Vernunft statt
Passion, lautet die Devise – bis zur Vernunftlosigkeit für die einen. Für sie gibt es
nach wie vor die Supercars. Vorausgesetzt
natürlich, sie haben das nötige Kleingeld.
Das Konzept ist alles andere als neu. In
den Fünfzigerjahren wurde mit dem mythischen Mercedes-Benz 300 SL der erste Supersportwagen geboren. Ihm folgten
AC Cobra und Ford GT40, in den Achtzigerjahren die legendären Porsche 959
CARS
DOPPELTURBO
Je ein Turbo pro Zylinderreihe, wodurch
Volumen und Trägheit dieses Schmuckstücks und
damit auch die berühmte Reaktionszeit reduziert
werden. Die bei 2,4 Bar laufenden Turbolader
verleihen der Rakete auf Rädern geradezu Flügel.
und Ferrari F40. Die Motorleistung lag
über 450 PS, die Höchstgeschwindigkeit
bei 300 km/h, für damalige Begriffe ein
Extremtempo.
Heute bewegen sich die Spitzengeschwindigkeiten in ganz anderen Dimensionen. Dafür verantwortlich ist der Bugatti Veyron, der 2005 lanciert wurde und
seit kurzem nicht mehr produziert wird.
Mit über 1000 PS, sogar 1200 bei den letzten Modellen, erreichte die aus Carbon
und Aluminium gefertigte Rakete auf vier
Rädern sagenhafte 400 Stundenkilometer. Die Werte sind allerdings abstrakt,
da Vergleichsmöglichkeiten mit anderen
Konstrukteuren fehlen.
Die Protagonisten, ob berühmt oder
nicht, die dem Segment dieser nach Grenzenlosigkeit strebenden Autobauer angehören, sind zahlreich. Sie liefern sich ein
wortwörtliches Wettrennen auf dem Weg
dahin. Hier eine unvollständige Übersicht
der Anwärter.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 69
| A U TO M O B I L |
Lamborghini
Veneno
Lamborghini, seit den Achtzigerjahren zum Volkswagen-Konzern
gehörend, besitzt ein solides technologisches Fundament, von dem der
Veneno, der anlässlich des fünfzigsten
Geburtstags der Marke lanciert wurde, stark profitiert. Der Allradantrieb
sorgt dafür, dass sich die 750 PS beim
geringsten Beschleunigen nicht in
Rauch auflösen.
Koenigsegg Regera
Für die amerikanische Marke resultieren aus der Addition von
1100 PS (Verbrennungsmotor) und 700 PS (Elektromotor) «nur»
1500 PS. Dennoch: Der Sprint von 0 auf 400 km/h dauert kurze
20 Sekunden, während der Bugatti Veyron mehr als 50 Sekunden
dafür braucht. Surreal! Ein Megacar und eine neue Kategorie der
Supersportwagen.
70 | Finanz
Bilan LUund
X E Wirtschaft LU X E
Hennessey Venom GT
Konstruiert auf einem Lotus-Chassis und ausgestattet
mit einem Corvette-Motor, erreichte der 1244 PS starke
amerikanische Superstar im Kennedy Space Center die
Rekordgeschwindigkeit von 435,31 km/h. Allerdings
wurde der Rekord offiziell nicht anerkannt, da die Fahrt
nur in einer Richtung durchgeführt wurde.
McLaren P1
FERRARI LAFERRARI
Die legendären Autobauer aus Italien wollten nach dem Verschwinden
des Enzo nicht ins Hintertreffen
geraten und lancierten im Jahr 2013
LaFerrari. Die Leistung von 963
PS und das dank Kompositmaterialien geringe Gewicht lassen das
Pferdchen aus Maranello weiterhin
aufbäumen.
Das Produkt des berühmten englischen Konstrukteurs ist der würdige Nachfolger des 1992 lancierten McLaren F1. Der P1 besitzt einen Hybridmotor mit
916 PS. Die raffinierte Kombination von Technik und Innovation hat sich in der
Formel 1 ausgezeichnet bewährt.
PAGANI HUAYRA
Der Argentinier Horacio Pagani
arbeitet in der Nähe von Modena
und stellt nach dem seit 2011 produzierten Zonda sein zweites Modell,
Huayra, vor. Der V12-MercedesAMG-Motor mit 730 PS garantiert
Seriosität und Zuverlässigkeit und
den Passagieren im raffinierten
Interieur eine sagenhafte Spitzengeschwindigkeit von über 370 km/h.
BUGATTI VEYRON GRAND
SPORT VITESSE «LA FINALE»
Die jüngste Version eines grandiosen Monuments des bis heute
schnellsten und kraftvollsten serienmässig hergestellten Fahrzeugs. Der
V16 erbringt eine Leistung von 1200
PS. Um die Reifen zu schonen, ist
die Geschwindigkeit auf 410 km/h
gedrosselt. Pech gehabt jedoch:
Von den 450 produzierten Exemplaren sind alle verkauft.
PORSCHE 918
Dank der kumulierten Leistung
seiner Motoren (Verbrennungs- und
Elektromotor) von 887 PS und Allradantrieb verfügte der Nachfolger
des legendären Carrera GT über
alle Voraussetzungen, um auf der
Nordschleife des unerbittlichen
Nürburgrings einen Porsche-Referenzrekord von 6’57’’ aufzustellen.
Beispiellos!
Finanz und Wirtschaft
Bilan LU
LUX
XEE || 71
71
| UHREN |
von Michel Jeannot
Michael
Schumacher
AUDEMARS PIGUET
ROYAL OAK CONCEPT
LAPTIMER MICHAEL
SCHUMACHER
Mit dieser Royal Oak Concept
stellt Audemars Piguet die erste mechanische Uhr der Welt
mit Laptimer-Funktion vor. Die
Idee hatte Michael Schumacher,
Botschafter der Manufaktur aus Le
Brassus, ihren Entwicklern 2010 vorgeschlagen. Im Gegensatz zu solchen,
rein vom Marketing motivierten Liaisons,
beteiligte sich der legendäre Formel-1-Pilot, der während seiner ganzen Karriere
auch ein aussergewöhnlicher Autotuner war, intensiv an der Entstehung dieser neuen Komplikation. Die Uhr war vor achtzehn
Monaten denn auch praktisch produktionsreif, Werk und Habillage
inbegriffen. Nach Schumachers Skiunfall im Dezember 2013 stellte
sich natürlich die Frage, ob das Projekt weitergeführt werden solle.
Schliesslich wollte seine Familie das Vorhaben zum Abschluss bringen (ohne zusätzlich davon zu profitieren). Damit bereichert dieser
Chronograph die Funktionspalette der mechanischen Stoppuhr, indem seine beiden Sekundenzeiger abwechselnd zwei verschiedene
Werte stoppen können: Der eine hält die Zeit der letzten Runde
fest, während der andere die der aktuellen Runde misst. Diese Royal Oak Concept, Zeugin von Michael Schuhmachers Passion für
edle Mechanik, wird in einer limitierten Serie von 221 Exemplaren
produziert.
72 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Pierre Veyron
PARMIGIANI BUGATTI RÉVÉLATION
Zur Feier der zehnjährigen Zusammenarbeit mit Bugatti präsentiert
Parmigiani dieses Jahr drei Einzelstücke in einer Jubiläumsedition, die
dem berühmten Rennstall aus dem elsässischen Molsheim und seinem
legendären Piloten Pierre Veyron gewidmet ist, der dem heutigen Boliden mit 1200 PS den Namen gab. Eines der Kriterien für die Wahl
eines Uhrenpartners war für Bugatti, dass er unabhängig war sowie
technische Kreativität und Perfektion bewies. Diese Erwartungen der
legendären Automarke erfüllte bereits die erste von Parmigiani in
diesem Rahmen entwickelte Uhr, die vom Bugatti Veyron inspirierte
Bugatti Type 370. Das als Weltpremiere in Form eines Motorblocks
am Handgelenk konzipierte Modell mit seitlicher Zeitanzeige ist auf
der Basis einer durchgehenden Achse zusammengebaut statt wie üblich auf der ebenen Fläche einer einzigen Werkplatte. Die verschiedenen Werkmodule sind deshalb
in Sektionen auf fünf Platinen montiert, die
in der röhrenförmigen Verlängerung des
Motorblocks aneinandergereiht sind, den
wie beim Automotor eine Antriebswelle
durchquert. Diese erste Parmigiani-Bugatti-Uhr bildete selbstverständlich auch
die Basis der dreiteiligen Jubiläumsausgabe mit den Modellen Mythe (als Symbol
der Allianz von Industrie und Handwerk),
Bugatti Victoire (im Zeichen der Geschwindigkeit und der Stärke) sowie dieser Bugatti
Révélation als Verkörperung der Identifikationssuche zwischen Uhr und Auto. Eine Symbiose, die aufs Perfekteste funktioniert.
Keystone
Ricardo Moraes / Reuters
LEGENDEN AM
HANDGELENK
ZENITH EL PRIMERO CHRONOMASTER
1969 TOUR AUTO EDITION
Aus Anlass ihres 150. Geburtstags ist die Uhrenmarke Zenith dieses Jahr
Partnerin und offizielle Zeitnehmerin der Tour Auto Optic 2000 geworden. Zu den Teilnehmern dieses Wettbewerbs mit jährlich fünf Rennen
für historische Rennwagen gehört 2015 auch der Extrem-Fallschirmspringer und Zenith-Botschafter Felix Baumgartner. Für diesen Anlass gibt
die Manufaktur eine auf 500 Exemplare limitierte Serie der Stoppuhr El
Primero Chronomaster 1969 heraus. Wie der Name verrät, ist sie mit dem
Kaliber El Primero ausgestattet, dem ersten Serien-Chronographenwerk,
das dank der hohen Frequenz von 36 000 Halbschwingungen pro Stunde
ermöglicht, mechanisch auf die Zehntelsekunde genaue Zeitintervalle zu
stoppen. Das 1969 erstmals erschienene Werk wurde in diesem Bereich
zum eigentlichen Massstab der gesamten Uhrenindustrie. Als Zenith
2003 eine charakteristische Öffnung auf dem Zifferblatt ihrer Open-Serien einführte – heute eines
der Erkennungsmerkmale der Marke –, wurde
die Architektur des El-Primero-Kalibers neu gestaltet, indem das Regulierorgan (Unruh-Spiralfeder-Paar) seither am Rand platziert
und damit zifferblattseitig gut sichtbar
ist. Motor dieses neuen Modells ist also
das moderne Uhrwerk El Primero 4061
mit COSC-Chronometerzertifikat sowie
Anker und Hemmungsrad aus Silizium.
Gleichzeitig hat Zenith diesen Zeitmesser
mit kleinen sportlichen Noten geschmückt,
etwa den blau-weiss-roten Linien, die über das
Zifferblatt und das Armband verlaufen.
CHOPARD MILLE MIGLIA
GTS POWER CONTROL
Die Mille Miglia von Brescia nach
Rom und zurück war lange Zeit
eines der berühmtesten Tourenwagenrennen. Ferrari, Maserati, Porsche, Mercedes, Jaguar, Aston Martin, Bugatti und andere beteiligten sich
an diesem Strassenrennen-Klassiker bis
zur Einstellung 1957. Genau zwei Jahrzehnte
später, 1977, erfuhr die Mille Miglia als Oldtimer-Rallye ihre Renaissance. Seit 1988 trägt die
Uhrenmarke Chopard als Partnerin zum Fortbestand dieses Rennens bei und gibt dazu jedes Jahr eine
limitierte Uhrenserie heraus.
Seither folgten sich diese Kollektionen, doch die Ausgabe 2015 ist in
den Augen von Chopard-Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele etwas
ganz Besonderes. Der Sammler historischer Autos ist bei jeder Mille
Miglia als Fahrer dabei, manchmal in Begleitung von Jacky Ickx, dem
«Monsieur Le Mans» und Botschafter der Genfer Marke. Dieses Jahr
ist die Produktlinie Mille Miglia GTS (Gran Turismo Sport) neu mit zwei
Modellen erschienen, darunter diese Power Control. Beide sind als erste Uhren der Kollektion mit Manufakturkalibern aus Chopards Fabrik
Fleurier Ebauches im Val-de-Travers ausgestattet. Als besondere Referenz für den Erfolg dieser von Karl-Friedrich Scheufele vorangetriebenen, vertikalen In-House-Produktion.
Jacky Ickx
Alexandra Pauli
Felix
Baumgartner
DR
SEIT ES AUTORENNEN UND GEFEIERTE RENNFAHRER GIBT, HABEN
SICH DIE UHRENMARKEN FÜR DIESE SPORTART INTERESSIERT. UM
EINERSEITS IHR KÖNNEN ALS ZEITNEHMER UND ANDERSEITS IHR
MECHANISCHES KNOW-HOW ZU BEWEISEN, DAS JENEM
DER KONSTRUKTEURE AUTOMOBILER BOLIDEN DURCHAUS
EBENBÜRTIG IST. SO WURDEN DER AUTORENNSPORT UND SEINE
IKONEN FÜR DIE UHRENBRANCHE BEINAHE UNVERZICHTBAR.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 73
| UHREN |
Paul Newmann
TAG HEUER FORMULA 1
CHRONOGRAPH SENNA SPECIAL EDITION
Vor fast dreissig Jahren, 1988, stiess Ayrton Senna zum Rennstall McLaren
und gewann seinen ersten Fahrer-Weltmeistertitel. Im selben Jahr heuerte er bei TAG Heuer als Markenbotschafter an und wurde mit seinem
Charisma und Talent einer ihrer beliebtesten Repräsentanten. Seither
blieb sein Name mit der Serie S/el (Sports Elegance) verbunden, einer
Reihe ikonischer Zeitmesser dieser seit der Übernahme von Heuer durch
TAG anno 1985 kometenhaft aufgestiegenen Marke.
Die S/el war während der ganzen Neunzigerjahre das
meistverkaufte Modell des Unternehmens, und dieser
Erfolg setzte sich fort, als die Serie 1999 in Link umbenannt wurde. Jetzt hat TAG Heuer als Hommage an
den einstigen Botschafter und Ausnahme-Rennfahrer eine Kampagne mit vier neuen Spezialserien in den Kollektionen Formula 1 und
Carrera gestartet. Alle diese mit Quarz- oder
Automatikwerken ausgestatteten Stoppuhren schmückt auf dem Zifferblatt und der
Lünette mit Tachometerskala das berühmte,
stilisierte und rot lackierte «S», das exklusive
Symbol für Senna. Ein weiteres Merkmal ist
die Rückkehr des legendären Armbands von
Ayrton Senna mit den Gliedern in S-Form, für
bessere Ergonomie am Handgelenk allerdings
neu gestaltet und stärker abgerundet.
Ayrton Senna
74 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Julija Felajn
DR
ROLEX OYSTER PERPETUAL
COSMOGRAPH DAYTONA
Der Schauspieler und Rennfan als Vater einer
Legende: Diese Kombination trifft auf die berühmte Rolex Cosmograph Daytona zu, zu sehen am Handgelenk von Paul Newman in seiner
Pilotenrolle in den Filmen «Winning» und «Carrera
Mexicana». Tatsächlich verdankt dieses 1963 lancierte Modell seinen Ruhm zum grossen Teil dem
amerikanischen Schauspieler, doch das ist weder in
erster Linie das Verdienst von Rolex (Paul Newman
war nie ein offizieller Botschafter der Marke) noch
dieser beiden Filme. Es war vielmehr seine Frau,
Joanne Woodward, die ihm 1972 ein Cosmograph-Modell schenkte, das auf den von ihm so geliebten Rennsport zugeschnitten war, und die auf dem Gehäuseboden die Mahnung «Drive slowly»
gravieren liess. Wie auch immer, die Legende gedieh, und seither ist die
Cosmograph Daytona von Rolex eine echte Ikone. Das beweist auch
diese Version Albino Ref. 6263 von 1971, die Eric Clapton gehört hatte
und diesen Mai in Genf für 1,3 Mio. Fr. versteigert wurde. Seit der Einführung vor über fünfzig Jahren wurde die Cosmograph Daytona mit ihrem
Drei-Zähler-Zifferblatt und der Lünette mit Tachometerskala äusserlich
kaum verändert. In der aktuellen Version ist nun das Kaliber Rolex 4130
mit dem COSC-Chronometerzertifikat ausgestattet.
von Cristina d’Agostino | M Y T H O S |
DIE
NEW
YORK
MINUTE
WER WILL NICHT EINE
EPOCHE PRÄGEN, AM
PULS DER ZEIT ODER GAR
ZEITBESTIMMEND SEIN?
CHARLES LEWIS TIFFANY
WAR SEINER ZEIT VORAUS
UND ERFAND 1853 DIE NEW
YORK MINUTE.
B
is 1883 war die Zeit weder reguliert
noch vereinheitlicht und somit von
Land zu Land und Stadt zu Stadt verschieden. Die koordinierte Weltzeit oder
Coordinated Universal Time (UTC), die
heute als Grundlage für die Zeitbestimmung dient, gab es damals noch nicht,
und obwohl man die Greenwich Mean
Time (GMT) bereits kannte (sie wurde
1880 offiziell eingeführt), galt sie nur in
Grossbritannien als Richtlinie. Termine
und Pünktlichkeit waren somit sehr relative Begriffe. In New York wollte der
berühmte Uhrmacher und Bijoutier
Charles Lewis Tiffany die Gewohnheiten ändern, indem er die genaue Uhrzeit
auf der Strasse für jeden sichtbar machte.
Der Firmengründer von Tiffany & Co liess
drei Meter über dem Eingang zu seinem
Ladengeschäft an der 550 Broadway Avenue eine riesige Uhr mit dem Namen Atlas anbringen, damit die Einwohner der
Stadt ihre Uhren danach stellen konnten. Die New York Minute war geboren,
lange vor der Einführung der einheitlichen Weltzeit im Jahr 1883. Zeitbestimmend zu sein, war für diese aufstrebende
Metropole mit ihrem avantgardistischen
Anspruch ein Muss.
Mit der neuen Uhrenkollektion Tiffany CT60 möchte das Haus seine Tradition
wieder aufleben lassen. Tiffany & Co setzt
auf in der Schweiz bestehende Strukturen
und eröffnet an der Genfer Rue du Rhône
auf 550m2 einen neuen Flagship Store.
< Die Atlas Uhr über dem Eingang zum
ersten Tiffany-Geschäft auf Broadway
Finanz und Wirtschaft LU X E | 75
P
O
ULTRAMARINBLAUES WASSER, PURES WEISS:
DIESEN SOMMER GIBT MINIMAL CHIC
DEN TON AN. DIE ZEIT GLEITET ÜBER DAS
WASSER, PERLT AUF DER HAUT.
WIE DER ELEGANTE ESPRIT DER
UHRENKOLLEKTIONEN VON F.P. JOURNE .
O
ART DIRECTION:
Cristina d’Agostino, Nicolas Zentner
FOTOGRAFIE: Marc Ninghetto
ASSISTENT: Thimothée Jeannotat
FRAUENMODEL: Raquel @ Aqua models
MÄNNERMODEL: Alban @United Models
STYLISTIN: Pascale Hug
FRISUR UND MAKE-UP: Francis Ases
Wir danken der Marke Montres Journe SA und
insbesondereBrigitte Bocquet-Makhzan, International PR & Eventmanager, und Sandra Leu,
Integrated Communication Manager
Boutique F.P. Journe,
13 place Longemalle, 1204 Genève
L
SIE
Uhr F.P. Journe Octa Réserve de Marche,
Zifferblatt mit goldenen Zahlen, Automatikwerk
aus Roségold, Gangreserve,
Modell aus 18 Karat Rotgold
Kleid Montana von Arel For Ever, Lutry
ER
Uhr F.P. Journe Chronomètre Optimum,
Uhrwerk aus Gold mit zwei Federhäusern,
Force-Constante-Aufzug, bi-axiale Hemmung,
ruhende Sekunde, Modell aus 18 Karat Rotgold
Jacke und T-Shirt Hermès
Brille Persol von Lunetterie de Pépinet Lausanne
Uhr F.P. Journe Elégante,
elektro-mechanisches
Uhrwerk mit 8 bis 10 Jahren
Laufzeit, diamantenbesetztes
Modell aus 18 Karat Rotgold,
Kautschuk-Armband
Kleid und Badekleid, La Perla
von La Perla, Genf
Ohrringe Ginette-NY
von Grieder
Uhr F.P. Journe Tourbillon
Souverain, Uhrwerk aus 18 Karat
Roségold mit Tourbillon, ForceConstante-Aufzug und ruhende
Sekunde, Modell aus Platin
Hemd Maison Margiela
von Grieder
Hose Paolo Pecora von Grieder
Schuhe Hermès
Haut col en «V» noir et sequins
Robe lacée
Escarpins Royal noir
Sac Alma BB Malletage bleuet
LOUIS VUITTON
SIE
Uhr F.P. Journe Octa Sport Titane,
Automatikwerk aus Aluminium, Stunden,
Minuten, Sekunden, grosses Datum,
Gangreserve, Tages- und Nachtanzeige,
Modell aus Titan
Badekleid Hermès
Brille Thierry Lasry
für Fendi
ER
Uhr F.P. Journe Centigraphe Sport
Titane, Handaufzug, aus 18 Karat
Roségold, Chronograph
Hundertstelsekunde,
Modell aus Titan
Hemd und Hose
Z Zegna von Grieder
Uhr F.P. Journe Elégante,
elektro-mechanisches Uhrwerk
mit 8 bis 10 Jahren Laufzeit,
diamantenbesetztes Modell
aus Titan mit Kautschuk-Einlagen,
Kautschuk-Armband
Badekleid La Perla, Genf
| LU X U S - H E R B E R G E | von Knut Schwander
BURG SCHLITZ
Das zauberhafte
Schlosshotel
D
ie Städte zwischen Berlin und der
Nordsee sind wahre Perlen. Märchenhafte Schlösser und von geheimnisvollen
Wäldern gesäumte Landschaften schlummern im sanften Licht der Sonne. In einem dieser Wälder signalisieren am Rande
einer kleinen Strasse zwei Pfeiler die Zufahrt zur Burg Schlitz. Über eine idyllische
Allee erklimmt man den Hügel, auf dem
der Aussichtsturm des neoklassizistischen
Gutshauses in den Himmel ragt. Am Fuss
einer veritablen Ehrentreppe empfangen
zwei Bronzelöwen die Besucher. Die Säulen sind imposant, die Fassade frisch verputzt, und der liebliche Gesang der Vögel
hat etwas Paradiesisches. In der prunkvoll
mit Fresken geschmückten Eingangshalle
mit ihrem knarrenden Parkettboden verströmen frische Blumen einen betörenden
Duft. Wir klingeln. Mit leichten Schritten
eilt eine elegante Erscheinung mit einem
Lächeln im Gesicht auf uns zu – es ist Manuela Hoeck, die das Hotel zusammen mit
ihrem Mann Armin führt.
EDLE MATERIALIEN UND
GROSSZÜGIGE RÄUME
Die Hotelbesitzerin erzählt uns vom Park
und von seinen Monumenten, lädt uns auf
einen Tee in den grünen Salon ein, zeigt
uns den neogotischen Speisesaal, in dem
die Sonne durch die bunten Glasfenster
82 | Finanz und Wirtschaft LU X E
scheint und ein sanftes Licht auf die Stuckaturen wirft. Sie führt uns persönlich auf
unser Zimmer: eine Suite mit königlichen
Ausmassen und eleganter Ausstattung. Der
Kronleuchter erinnert an die Villen im hohen Norden, die sanften Pastelltöne haben
eine beruhigende Wirkung. Unser Blick
schweift durch die Flügeltür über die Stufen zum Badezimmer hinauf, in dem eine
Füsschenbadewanne thront. Aber nicht nur
die Materialien sind luxuriös, sondern auch
der Ausblick in die prächtige Landschaft.
EINE GALERIE UNTER OFFENEM HIMMEL
Ein Ausblick, den ich erkunden muss.
Meine frühmorgendliche Joggingrunde durch die verzauberten Wälder wird
mir unvergesslich bleiben. Graf Hans von
Schlitz, der diese riesige Familienresidenz
1806 erbaute, hat seinen Besitz mit 36 Zierbauten und Denkmälern, Säulen und Grotten üppig geschmückt. 1932 fügte der damalige Besitzer, Emil Georg von Stauss,
einen Nymphenbrunnen hinzu, der aus
dem bekannten Kaufhaus Wertheim in
Berlin stammt und ein prachtvolles Beispiel des ornamentalen Jugendstils ist. Um
die Tradition weiterzuführen, wurden die
Petra Stuening
DIE HERRSCHAFTLICHE RESIDENZ, DER ROMANTISCHE PARK,
MODERNE KUNSTWERKE UND EIN
SPA SORGEN IN DIESEM NEOKLASSIZISTISCHEN GUTSHAUS IN
MECKLENBURG VORPOMMERN
FÜR EINEN UNVERGESSLICHEN
AUFENTHALT. IN DER KÜCHE
VOLLBRINGT DIE JUNGE KÖCHIN
KULINARISCHE WUNDER. WILLKOMMEN AUF DER BURG SCHLITZ.
Ländereien mit modernen Kunstwerken
von teilweise monumentaler Grösse bestückt und machen aus der Anlage eine Galerie unter offenem Himmel. Nach einem
Besuch in der Privatkapelle in der Nähe der
Teiche entdecke ich eine Wasserschlange,
die mit ihrem periskopartig ausgefahrenem Kopf und dem wellenförmigen Körper wie eine kleine Ausgabe des Monsters
von Loch Ness wirkt. Im goldenen Licht
des Spätnachmittags kreisen die Libellen
über dem Wasser, und auf den Lichtungen
weiden Rehe. Zauberhaft.
Schlosshotels Burg Schlitz ist es nur eine
Minute zu Fuss. Nach einem Sprung in
das gedeckte Schwimmbad kann man sich
mit einer Massage verwöhnen oder in der
Sauna den Tag Revue passieren lassen. Auf
dem Dach ist ausserdem vor kurzem ein
Whirlpool entstanden.
Abends dann flackern die Kerzen in den
neugotischen Gewölben des Speisesaals,
in dem man die Meisterwerke der jungen
Spitzenköchin Sabine Teubler geniesst
und die besten Weine aus allen Regionen
Deutschlands kostet.
Spätabends, nach einer Erkundung der
Salons und des prächtigen Ballsaals, gebe
ich mich meinen Träumen hin und schlafe tief und fest bis zum Frühstück. Es wird
serviert auf der sonnenüberfluteten Terrasse dieses wunderschönen Ortes, den ich am
liebsten nie wieder verlassen würde. |
www.burg-schlitz.de
EIN BAD IM MEER UND IN DER KULTUR
Faszinierend ist auch die nur eine Autostunde entfernte Nordseeküste. Hinter
den Dünen liegen wunderschöne Dörfer
mit typischen Reetdächern, Ahrenhoop
an der goldenen Sandküste zum Beispiel,
wo man im Sommer bevorzugt nackt in
den hellgrauen Wellen der Nordsee badet. Oder Heiligendamm, wo einst ein
G-8-Gipfel stattfand und man in den weissen Luxushotels aus der Gründerzeit seinen Apéritif geniesst.
Wenn das Wetter nicht mitspielt, ist
Gustrow mit seinen Fachwerkhäuschen
in einer halben und das beeindruckende Schloss von Schwerin in eineinhalb
Stunden zu erreichen. Zum Spa unseres
Finanz und Wirtschaft LU X E | 83
| U N T E R N E H M E N | von Jean-Philippe Buchs
Massschneiderei für Anlässe
DAS UNTERNEHMEN EOS
EVENTS KONZIPIERT UND
ORGANISIERT PRIVATE UND
ÖFFENTLICHE ANLÄSSE UND
HAT SEIT DER GRÜNDUNG 2011
ZAHLREICHE GROSSPROJEKTE
REALISIERT.
E
s ist Februar, der Wintersportort tief
verschneit. Beim Eingang des Festivalzelts von Gstaad spielen Elefanten die
Portiers, innen entdecken die 200 Gäste eine exotische Welt, um die zwanzig
Tische aufgebaut wurden. Ausgestopfte
oder aus Harz gefertigte Giraffen, Tiger,
Löwen und Papageien, sogar ein Wasserbecken mit Flamingos sind das fantastische Dekor. Für die von einer Akrobatin
animierte Soirée haben die Mitarbeiter
von EOS Events Operations Solutions für
eine Kundin die Dschungelwelt des französischen Malers Henri Rousseau – «Le
Douanier Rousseau» – nachgebaut.
Das 2011 von Christophe Petter gegründete Unternehmen beschäftigt sieben
Mitarbeitende und organisiert private
und öffentliche Anlässe nach Mass. «Wir
definieren uns als Event-Couturiers», sagt
84 | Finanz und Wirtschaft LU X E
der umtriebige CEO, der über langjährige
Erfahrung in diesem Metier verfügt. «Wir
kümmern uns um sämtliche Aspekte, von
der Konzeption bis zur Realisierung, inklusive technischer und gastronomischer
Bereiche. Gegenüber der Konkurrenz, die
oft an Subunternehmen vergibt, ist dies
ein massgeblicher Vorteil.
Seit der Gründung hat EOS Events diverse Grossanlässe durchgeführt, etwa ein
Privatfest in einer Hochburg der Kultur in
Venedig oder die Verwandlung eines Gartens am Genfersee in einen neapolitanischen Salon, anlässlich des Flugmeetings
AIR14 in Payerne die Organisation einer
Fachveranstaltung und der Soiree für die
Piloten sowie der Schlusszeremonie mit
Bundesrat Ueli Maurer.
Für Kunden gestaltet EOS Events auch
Promotions- und Ausstellungstände, etwa
für die Uhren- oder die Autobranche. Im
Weitern stehen Unternehmensanlässe
oder die Einweihung neuer Lokalitäten
auf dem Programm. Die Angebotspalette
ist so vielfältig wie manchmal ausgefallen.
Christophe Petter hat das Ziel, seine
Firma als unverzichtbaren Akteur der
Branche zu positionieren. «Unser Zielpublikum sind wohlhabende Kunden,
die schon an von uns organisierten Anlässen anwesend waren. Dank der Qualität unserer Arbeit möchten wir sie
überzeugen, uns ihrerseits Mandate zu
erteilen.» Längerfristig will der Gründer von EOS Events die Aktivitäten
auch in der Deutschschweiz ausbauen.
www.eos-events.ch |
| G A S T R O N O M I E | von Cristina d’Agostino
Ich habe zwei Jahre auf Ibiza gewohnt. Dort ist
der Mojito ein sehr inspirierendes Getränk.
Ich erinnere mich, dass ich dieses Lachs-Ceviche
sehr schnell zubereiten musste. Da ich eine
Marinade brauchte, habe ich einfach ein Glas
Mojito genommen und über den Junglachs geschüttet.
Das Resultat war wunderbar.
«
ÜBERLEBENSHANDBUCH
DER DEUTSCHSCHWEIZER KOCHPROMI RENÉ SCHUDEL BRINGT EIN
HANDBUCH HERAUS, DAS EILIGE
MENSCHEN IN IHRER WESTENTASCHE TRAGEN SOLLTEN.
René Schudel
MOJITO LACHS
1
CHECK LIST
Schneidebrett
Z
wanzig Freunde kommen überraschend zum Essen vorbei? Für
René Schudel, Besitzer zweier renommierter Restaurants in Interlaken (Benacus und Stadthaus), kein Grund für
Stress, sondern eine Quelle der Inspiration. Nicht von ungefähr hat der Helikopterpilot als Vorlage für sein «Emergency Culinary Notebook» in der Grösse
eines Moleskin-Notizbuches eine für
Flüge entwickelte Checkliste verwendet.
Die Idee dazu kam ihm nach einem Gespräch mit dem Breitling-Team, mit dem
er seine Liebe zum Fliegen teilt. «Wir haben uns sehr schnell zu einer Zusammenarbeit entschlossen», erklärt Jean-Paul
Girardin, Direktor der Uhrenmarke. «Wir
kennen René seit langem, er schätzt unsere Marke, und das Prinzip der BreitlingEmergency-Uhr hat ihn stark inspiriert.»
Egal, ob man sich allein in der Wildnis
oder in einer topmodernen Küche befindet, für den Schweizer Star der wöchentlich auf ProSieben Schweiz ausgestrahlten Sendung «Flavorites» zählt nur, dass
man sich seinen Aufgaben stellt. «Wenn
man ein Messer zur Verfügung hat und
ein Feuer entfachen kann, steht einem die
ganze Welt der Gastronomie offen. Auf
Apparate, Kochutensilien und eine Waage
kann man verzichten, denn die Hand ist
und bleibt der beste Messbecher und das
praktischste Küchengerät.» In seinem
Ratgeber erklärt René Schudel, wie man
in der freien Natur Nahrung findet, zeigt
Überlebenstechniken und beschreibt 21
Rezepte, die in nur zehn Minuten gelingen. Für «Luxe» verrät er exklusiv eines
davon. www.reneschudel.ch |
»
Minze
AUSRÜSTUNG
2
Kasserolle
Suppenlöffel
Schüssel
Espressotasse
1 grosser Lachs:
6 Limetten: ZUTATEN
Messer
1 grosser Lachs Meersalz
Limetten
Rum
Pfeffer
START
Rohrzucker
>
>
filettieren, Haut entfernen
in kleine Stücke schneiden
1 Strauss Minze: >
hinzufügen
1 Espressotasse Rum: >
hinzufügen
MISCHEN
3
Meersalz:
ZUBEREITUNG
>
in die Kasserolle geben
Schwarzer Pfeffer: >
hinzufügen
Mojito: >
darüber giessen
>
hinzufügen
Lachs: 30 MINUTEN MARINIEREN
4
Lachs:
Gräte: Pfeffer und Salz: ZUM SCHLUSS
>
nach cirka 15 Minuten wenden
>
entfernen
>
würzen
SERVIEREN
Finanz und Wirtschaft LU X E | 85
| H E R R E N P F L EG E | von Eileen Hofer
Schnelle Wunderwaffen
S
tress, Luftverschmutzung, Schlafmangel, zu viel Sonne und schlechte
Essgewohnheiten gehen nicht unbemerkt
an uns vorüber. Es kommt der Morgen, an
dem wir mit Falten auf der Stirn, um Lippen und Augen aufwachen. Ein paar Fältchen verleihen uns zwar Charakter, zeugen von Erlebtem und Weisheit. Jene, die
mit den Jahren immer tiefer werden, lassen uns jedoch einfach nur alt aussehen.
Jetzt keine Minute verlieren! Wie schnell
kann die Haut aufgepolstert, gestrafft und
geglättet werden, Herr Doktor?
Sicher gibt es Produkte in Form von Puderbalsam, die das Alter wegschminken.
Sie haben aber keine anhaltende Wirkung.
Die Hauterneuerung ist ein Gleichgewicht
zwischen dem Absterben der oberen Zellen, der Hornhaut, und der Bildung neuer
Zellen im Rahmen eines Differenzierungsprozesses. Die drei folgenden Produkte regenerieren die Haut tiefenwirksam.
DIE BEAUTY-MARKEN ARBEITEN
INTENSIV AN DER ENTWICKLUNG
DES NEUEN ANTI-AGEWUNDERBOOSTERS. DIE
FOLGENDEN DREI NEUHEITEN
FÜR SIE UND IHN
BEKÄMPFEN DIE ERSTEN
FALTEN IM EILTEMPO.
Der Anti-Aging Rapid Response Booster ist das
bisher fortschrittlichste und am schnellsten wirkende
Antifaltenserum von La Prairie. Eine echte HightechWunderwaffe. Das seidig-weiche, ultraleichte
Gelserum setzt die kostbaren Inhaltsstoffe dank
eines Kapselsystems dort frei, wo die Haut sie am
dringendsten benötigt, und fördert so die Bildung
von Kollagen. Schon nach zwei Wochen ist das
Ergebnis sichtbar. Falten und Linien scheinen
weniger ausgeprägt, die Haut sieht deutlich jünger
und frischer aus. Planktonextrakte wirken an der
Hautoberfläche und erzielen einen PeelingEffekt, während Silberweinextrakt
und ein aufhellender Komplex aus
Wirkstoffen fünf verschiedener
Pflanzen zur Verbesserung des
Hautbilds beitragen. Anti-Aging
Rapid Response Booster,
50 ml ca. 347 Fr.
Clarins bringt zwei Neuheiten
für den Mann: ein Augenserum mit
Antimüdigkeitseffekt und ein revitalisierendes
Aktivgel. Beide setzen auf das gleiche
Credo: Sie boosten die Energie der Haut
und bremsen die Zeichen der Zeit. Wie
könnte man den Mann besser ansprechen
als mit Mechanik? Clarins entwickelt
eine Hybridtechnologie für die Haut
und vergleicht die Wirkung mit einem
Elektromotor, der die Energie optimal
regeneriert und lagert. Und mit einem
Benzinmotor, der die Kraft des Fahrzeugs
und somit auch der Haut fördert. Sérum
Défatiguant Yeux, ca. 60 Fr. für 20 ml, Gel
Revitalisant ca. 69 Fr. für 50 ml.
86 | Finanz und Wirtschaft LU X E
DREI FRAGEN AN
JACQUELINE HILL
Das Park Hotel Vitznau am Vierwaldstättersee verwendet neu für seine Körper- und
Gesichtsbehandlungen «Made in Switzerland» die Produkte von La Prairie. Jacqueline Hill, Director Strategic Innovation &
Science der Marke, lüftet das Geheimnis
um den neuen, wegweisenden Wirkstoff, ein
verkapseltes Peptid.
Sie lancieren den Anti-Aging Rapid
Response Booster. Woher stammt die
Nachfrage nach einer beschleunigten
Wirkung?
Vom Konsumenten. Er will schnell wirkende
Produkte. Schon am ersten Tag ist das
Ergebnis sichtbar: Die Haut wirkt strahlender
und schöner. Nach vierzehn Tagen waren alle
Testpersonen vom Ergebnis überzeugt. Ein
faltenbekämpfendes Peptid wird von einer
Kapsel, in deren Aussenhülle ein weiteres
Peptid eingebaut ist, gezielt in die kollagenbildenden Hautzellen transportiert, sodass
die Wirkstoffe der neuen Generation genau
dort freigesetzt werden, wo die Haut sie am
meisten benötigt.
Welchen Vorteil hat Ihr Produkt gegenüber einer Botox-Behandlung?
Das Serum hat weniger Nebenwirkungen.
Vergessen wir nicht: Botox ist ein starkes Nervengift, das zwar gezielt, aber einmalig wirkt.
Die Stirnfalten werden geglättet, die Muskeln
erschlaffen, und die Mimikfältchen verstärken
sich nicht. Die Haut wird dabei aber nicht mit
Feuchtigkeit versorgt, anders als bei unserem
Serum, das auf mehrere Arten gezielt auf die
Falten einwirkt.
Occitane en Provence nutzt die Eigenschaften
der Helichrysum italicum, einer korsischen Blume,
die nie verwelkt. Die 28-Tage-Intensiv-Pflegekur
Immortelle Divine arbeitet in vier Schritten: sanftes
Peeling, Einsatz von Feuchtigkeit und Nährstoffen,
Ausgleichen und Regenerieren. Ihren Erfolg
verdankt die natürliche Pflegekur der Kombination
aus ätherischem Karotten-, Zypressen-, Myrten-,
Rosmarin- und vor allem Immortelle-Öl. Ein UnisexProdukt, in tägliche Dosen verpackt. Immortelle
Divine, 28-Tage-Intensiv-Pflegekur, Preis der
Geschenkbox ca. 145 Fr.
Handelt es sich um ein Unisex-Produkt?
Absolut. Männer mögen die schnelle und
effiziente Wirkung dieses flüssigen, niedrigviskosen Gelserums. Ihre Haut entwickelt
sich nicht gleich wie die der Frauen, trotzdem möchten auch sie ihre Falten glätten.
Die Crème hat eine seidig-weiche, sanfte
und leichte Textur und zieht schnell ein, was
den Männern natürlich gefällt. Noch dazu
ist die Verpackung neutral.
von Sarah Jollien-Fardel | D U F T N OT I Z E N |
F
DUFT DER FREIHEIT
rançois Demachy hat die Ikone der
Herren-Parfümerie, Eau Sauvage von
Christian Dior, als Cologne neu interpretiert. Das Meisterwerk wurde 1966 vom
legendären, stets bis zum Äussersten gehenden Starparfümeur Edmond Roudnitska kreiert und hat in den fast fünfzig Jahren nichts von seinem Glanz verloren. Man
könnte annehmen, das «wilde Wasser» stehe für Jugend, in Wirklichkeit kündet es
von Freiheit. Junge Menschen, viel zu lebendig und zu wagemutig, ziehen Noten
vor, die intensiver sind, süss, schwer und
komplex. Eau Sauvage aber ist ein schlichter, gradliniger, gleichzeitig blumig-sinnlicher Duft. Fürs Original verwendete Roudnitska den synthetischen Duftstoff Hedion,
der dem Eau Sauvage seine unverwechselbare Note verlieh. François Demachy bewahrt für das Cologne das Typische dieses mythischen Dufts, bereichert ihn mit
Mandarine und dosiert die kalabrische
Bergamotte neu. Dennoch: Eau Sauvage ist
und bleibt zeitlos. Und hat uns inspiriert...
EIN VINTAGE-MOTORRAD
Eau Sauvage Cologne ist kontrollierte Virilität. Und damit ungleich berührender als
laute, auffällige Düfte. Die Frische ist die des Fahrtwinds, der Freiheit, die das Motorrad beschert. Nicht eine dieser Kraftmaschinen, sondern ein Vintage-Motorrad, auf dem man ohne Ziel und nach Lust und Laune losfährt. Idyllisch, aber nicht utopisch, eine momentane Verrücktheit, eine Spur
EIN
Irrealität in einer Welt, wo jeder Augenblick minutiös orchestriert ist.
OBJEKT
«THE THOMAS CROWN
AFFAIR» (1968)
Alain Delon ist quasi das Urbild
von Eau Sauvage, aber der
unerschrockene Steve McEIN
Queen hätte diese Rolle
FILM
ebenfalls übernehmen können. Im 1968 gedrehten Film
spielt er die Rolle eines gelangweilten Milliardärs, der sich das perfekte Verbrechen, einen Bankraub, ausdenkt. Elegant und lasziv, bildet er mit
Faye Dunaway ein Traumpaar. Der subtile, virile, sinnliche und berauschende
Duft lässt das Bild einer Schachpartie
entstehen: das Spiel der Blicke, die leise
Körpersprache, Kaminfeuer. Und eben
ein Hauch Eau Sauvage.
THERME VALS
Ungeschliffenheit, Minimalismus,
Eleganz eines architektonischen
Monuments, Valserquarzit – das
Meisterwerk des Architekten Peter
Zumthor. Assoziationen mit Eau
Sauvage drängen sich fast auf (vielleicht mag der Erbauer gar einen
Hauch davon?). Selbstverständlich
kann man die Stille der Therme
allein geniessen, gemeinsam
ist es aber ein Erlebnis, ein
EIN
Höhepunkt. Wenn sich im
ORT
wohltemperierten Wasser
Sinne und Poren öffnen,
bleibt nur noch ein einziger
Duft zurück. Der wahre.
EIN
BUCH
«SICH LIEBEN» VON
JEAN-PHILIPPE TOUSSAINT (2002)
Lassen Sie sich vom Titel nicht in die Irre führen. Das Buch «Faire
l’amour» war das erste einer Viererreihe und erzählt die letzte Liebesnacht
eines Paares, das seine Beziehung auflösen will. Es geht nicht um harten Voyeurismus,
sondern um die Geschichte zwischen dem Erzähler und Marie, um Melancholie, Gesten und Bewegungen des Liebesaktes. Der Leser hat das Gefühl, den Geruch der
Körper und des Parfüms auf den Laken zu riechen. Verwirrend.
Empfohlener Preis
Eau Sauvage Cologne, Spray
50 ml, 95 Fr., 100 ml, 130 Fr.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 87
| R E I S E N | von Quintin Mouron
B
E
R
L
I
Geschichte in Bewegung
Ein Reisetagebuch
Alexanderplatz,
der grösste Platz
Deutschlands,
benannt nach
Zar Alexander I.
anlässlich seines
Besuches in der
Hauptstadt des
Königreichs
Preussen 1805.
88 | Finanz und Wirtschaft LU X E
N
B e r l i n O s t o d e r West? B er lin Ver gangenheit oder
G e g e n w a r t ? B e r l i n in Musse oder in B ew egung? Mehr
a l s j e d e a n d e r e e u r o päische Metr opole ist die deutsche
H a u p t s t a d t e i n O r t der Kontr aste und der P ar adoxe.
An den Ufern der Spree
entstehen immer neue
Bars und Restaurants.
Das alte Quartier
Osthafen gehört zu den
angesagtesten der Stadt.
«J
etzt kommen wir in den Osten», sagt
mein solid gebauter, pausbäckiger,
wortkarger Taxichauffeur, während er zwischen Fussgängern, Velofahrern, Autobussen
kurvt und den ehemaligen Checkpoint Charlie (heute ein berühmtes, aber verzichtbares Museum) überquert. In seinem Tagebuch
aus dem Jahr 1964 beschreibt Witold Gombrowicz, einer der bedeutendsten polnischen
Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, Berlin als
eine «entvölkerte Stadt, wo man beim Anblick eines Menschen ausruft: ein Mensch,
ein Mensch am Horizont!» Sässe er heute neben mit auf dem Rücksitz des Taxis, würde er
Augen wie Wagenräder machen. Ja, er wäre
geradezu schockiert, denn es wimmelt von
Menschen, die Autobusse sind überfüllt, die
Metroeingänge verstopft, voll die Sonnenterrassen, Kneipen, traditionsreichen Bierhäuser, Luxusshops, Galerie Lafayette und Bioläden. Ebenso der Gendarmenmarkt, einer der
schönsten Plätze der Stadt, und die zahllosen
Boutiquen. Ecke Französische Strasse/Friedrichstrasse herrscht fröhliches Gewusel – eine
kompakte, kosmopolitische Masse, die den
Frühling willkommen heisst. In Berlin Mitte
wie auch in der ganzen Stadt ist die Stimmung
unbeschwert, ausgelassen, elektrisch. Der Taxifahrer murmelt Unverständliches, muss immer wieder ausweichen, überfährt fast einen
Lieferanten, um mich schliesslich wohlbehalten im Hotel de Rome abzuliefern.
Das imposante Gebäude wurde Ende 19.
Jahrhundert errichtet und war ursprünglich Stammsitz der Dresdner Bank. Es befindet sich im Bezirk Mitte vis-à-vis der berühmten Humboldt-Universität, nur einige Schritte
vom Brandenburger Tor, vom Reichstag und
von der Museumsinsel entfernt. Die Haupthalle ist dunkel, aber nicht düster, das Personal professionell, aber nicht steif. Ein paar For-
malitäten später betrete ich mein Zimmer im
dritten Stock. Es ist riesig, lichtdurchflutet, auf
dem niedrigen Tisch Patisserie als Willkommensgruss, auf dem Schreibtisch die gesammelten Werke von Goethe, seltsamerweise in
englischer Sprache. Nach einer erfrischenden
Dusche bin ich bereit für die Menschenmenge, für das Strassengewirr, für die Metropole,
für Poesie, Grandeur, Glanz und Geschichte
dieser einmaligen Stadt. Als Erstes führt mich
der Weg zum etwa zwanzig Minuten entfernten Jüdischen Museum im populären Kreuzberg-Viertel. Beim Gang durch die Strassen
bin ich einmal mehr beeindruckt von der urbanen Vielfalt, die den Charme der deutschen
Hauptstadt ausmacht. Auf ein lebhaftes Quartier folgen etwa ein verlassenes Blockhausviertel, eine neue, mit Bussen vollgestopfte
Avenue, ein brachliegendes Gelände, Parks,
verlassene Gebäuderuinen, dann wieder fas-
Finanz und Wirtschaft LU X E | 89
Das Holocaust
Mahnmal des
amerikanischen
Architekten Peter
Eisenman. Es soll an
alle europäischen
Juden erinnern, die
im Zweiten Weltkrieg
getötet wurden.
hionable Boutiquen. Ich flaniere, fotografiere, setze mich auf eine Bank, lese ein bisschen,
gehe weiter und gelange schliesslich zum Jüdischen Museum. Am Eingang wird liebenswürdig und sorgfältig kontrolliert. Ich warte mitten in einer schweigenden Gruppe von
Gymnasiasten. Das Museum hatte mich bereits bei einem früheren Besuch schwer beeindruckt und tut es auch dieses Mal. Es ist
ein faszinierendes, gigantisches, fast beunruhigendes Bauwerk (vor allem der neuere Teil
des Architekten Daniel Libeskind), das einen
erschauern lässt. Berücksichtigt man dazu
die zweitausendjährige deutsch-jüdische Geschichte, ist dies ein Museum, das man be-
90 | Finanz und Wirtschaft LU X E
sucht haben muss und das möglicherweise
eines der bemerkenswertesten Europas ist.
(Nach dieser Lektion in Sachen Würde wird
mich am nächsten Tag der Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas an
der Französischen Strasse überraschen und
konsternieren. Das Werk ist monumental und
dennoch seltsam umzingelt von neonbeleuchteten Fastfood-Ständen und begangen von
Touristen, die zwischen den 2711 Stelen eine
Senf-Bratwurst oder eine Currywurst mit Ketchup futtern. Als ob sie von der Bedeutung des
Ortes und vor allem seiner Geschichte fast erschlagen werden und glauben, sich nur dank
üppiger Nahrung retten zu können.)
Ein paar Stunden später verlasse ich das
Museum, die Sonne steht noch hoch am Himmel. Zu Fuss geht’s weiter Richtung Zentrum
von Kreuzberg. Ein Quartier, wo man sicher
sein kann, unglaubliche Bekanntschaften zu
machen und Spektakuläres zu erleben und
zu sehen. Hier ist es durchaus möglich, dass
aus dem allein genossenen Gläschen eine Fete
mit unbekannten Menschen entsteht. Vor allem in Kreuzberg kehrt sich die «entvölkerte
Stadt» von Gombrowicz Schritt für Schritt ins
Gegenteil. An diesem Freitagabend im April
ist die Menge riesig, fröhlich, bunt. Ellbogen
an Ellbogen sitzen, stehen und gehen Hobbykünstler, Geschäftsleute, vielköpfige Familien, jubelnde Hippies, Touristen aus aller Welt,
witzige Hipster. Ich setze mich auf eine Terrasse an der Falkensteinstrasse, bestelle ein
Bier – und kriege ein Croissant serviert. Offenbar ist es mit meinem mit viel Mühe an der
öffentlichen Schule im Waadtland gelernten
Deutsch nicht weit her. Also bestelle ich auf
Englisch, gestikuliere, lache und erhalte endlich meine Berliner Weisse – ein Sauerbier
und Spezialität der Stadt. Nach mehreren telefonischen Versuchen erreiche ich endlich einen Freund, der nach Berlin ausgewandert ist
und Kreuzberg besser kennt als seine Westentasche. «Offenbar hast du Lust auf Folklore»,
sagt er und deutet spöttisch auf mein Berliner
Bier. Ich genehmige mir den letzten Schluck,
und auf geht’s. Die Menschenmenge ist noch
grösser geworden, die Sonne versteckt sich
jetzt hinter Wolken. «Nehmen wir ein Taxi, es
wird bestimmt bald regnen», sagt mein Berlin-Kenner. Tatsächlich, einige Minuten später entleert sich der Himmel mit einer ungeahnten Wucht, und wir retten uns in die Long
March Canteen, ein renommiertes Asien-Lokal an der Wrangelstrasse. Gedämpftes Am-
biente, modernes Design, riesige Auswahl an
Dim Sum und Dumplings. Die Wahl meines
Freundes ist exzellent, der Service kühn bis
gar akrobatisch. Ich erzähle von meinem Tag
und stelle mithilfe der klugen Tipps meines
Gesprächspartners das morgige Programm
zusammen. «Besuche das Bauhaus-Archiv, das
wird Dich sicher interessieren. Spaziere zur
Neuen Nationalgalerie beim Potsdamer Platz,
wobei es sich nicht lohnt einzutreten, denn
dort ist es kalt, dunkel und voll von Touristen.» Meine Erfahrung am nächsten Tag wird
ihm recht geben. Das Bauhaus-Archiv Museum für Gestaltung ist in der Tat eine Goldmine an interessant vermittelten Informationen
über die Bauhaus-Bewegung, die von Meistern wie Itten, Gropius, Van der Rohe und
Kandinsky begründet wurde (und Geist und
Seele von Berlin hervorragend verkörpert).
Nach dem kurzen Besuch werde ich später zurück zum Potsdamer Platz gehen, wo ich feststellen werde, dass dieses «Disneyworld ohne
Mickey» mich nicht wirklich interessiert. Und
die Neue Nationalgalerie wird geschlossen
sein und es für mehrere Jahre bleiben. «Willst
Du den heutigen Abend in Kreuzberg verbringen?» Wie gern ich dies möchte! Es ist dunkel, nass, die Feiernden verschwinden in der
Nacht. Man sieht blitzende Augen, hört Lachen, spürt hier und dort diskrete Lüsternheit.
Es bahnt sich etwas an, sage ich mir, wie in vielen grossen Städten und eigenständigen Quartieren. Es herrscht so etwas wie eine komplizenhafte Stimmung, ohne Aggressivität wie in
manch anderen Städten, auch keine überbordenden Ausbrüche, eher eine diffuse, menschliche Wärme, die beruhigt, aber nicht erstickt.
Wir sind bereit für einen Berliner Abend. Die
Stadt der Geselligkeit, der Nachtschwärmer,
immer in Bewegung – sie wird ihrem Ruf gerecht, was wir beim Besuch der Bars und
Clubs feststellen. Die Victoria Bar ist ein klassisches, ruhiges Lokal, idealer Ausgangspunkt
für den Abend unter Freunden. Lauter, nervöser geht’s im Buck and Breck zu, die sagenhaften Cocktails und Gins lassen einen buchstäblich zu Boden gehen. Bei den Clubs gehen
unsere Meinungen auseinander. Ich bin eher
für Watergate, die Hochburg der Elektromusik am Spree-Ufer, wo man hinter der Fensterfront einen spektakulären Sonnenaufgang
erleben kann. Mein Begleiter möchte eher
zum Berghain, dem berühmtesten und angesagtesten Technoclub Berlins mit endlosen
Besucherschlangen und einer geradezu mili-
tärischen Türpolitik. Für meinen Begriff ein
massiv überbewerteter Ort. Glücklicherweise
sind meine Argumente überzeugend und wir
auf dem Weg durch die bunte Berliner Nacht.
Am Tag danach: Zwar noch etwas müde,
bin ich früh aus den Federn und geniesse das
Frühstück auf der Innenterrasse des Hotels,
diskret umsorgt vom aufmerksamen Service.
Die Müdigkeit verfliegt rasch bei der Aussicht,
einige Tage in Berlin zu erleben, vielleicht
dem Geheimnis dieser Stadt etwas auf die
Spur zu kommen, die Geschichte zu erahnen,
die Parks zu durchstreifen, zu lesen, mich im
Labyrinth der Strassen zu verlieren, mit Fremden anzustossen. Trotz Schlafmanko, ich habe
gerade zwei Stunden geschlafen, fühle ich
mich unternehmungslustig und frisch. Hilfreich natürlich auch der köstliche Rauchlachs
mit Meerrettichsauce, der frische Orangensaft
und das strahlende Lächeln der Kellnerin. Es
Die aufregendsten
Vergnügen haben ihren
Ursprung im Mysteriösen
und Unbekannten.
stehen wieder neue Entdeckungen auf dem
Programm – prestigereiche, geschichtsträchtige Orte und Museen – wie der oben erwähnte Potsdamer Platz, das Pergamon-Museum
und das Bauhaus-Archiv. Aber auch viel Unbekanntes, Vergessenes, Spannendes für diejenigen, die es zu geniessen wissen. Denn die
aufregendsten Freuden und Vergnügen haben
ihren Ursprung im Mysteriösen, Neuen und
Unbekannten. |
Am Bebelplatz reihen sich historische
Fassaden: die berühmte Humbolt
Universität, die Oper und das
5-Sterne-Hotel Rom, einst der Sitz
der Dresdner Bank.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 91
| D I G I TA L | von Jorge S. B. Guerreiro
INSPO
Ab sofort kann Frau praktisch alle Kleider, Handtaschen oder Schmuckstücke, die sie in einer
Zeitschrift, einem Schaufenster oder sogar an einer Passantin gesehen hat, im Netz finden
und nachkaufen. Einfach ein Foto einscannen, und die App vergleicht es mit den über 10 Mio.
gespeicherten Produkten und sucht den passenden Artikel in einem der 600 Online-Partnershops.
Falls der gewünschte Artikel nicht gefunden wird, schlägt die App ein ähnliches Produkt vor.
Selbst Neuinterpretationen von Vintage-Designs lassen sich mit der INSPO App aufstöbern. Eine
Version für Männer ist in Arbeit.
www.inspoit.com
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DELSEY
PLUGGAGE
Der erste echte
«Smartkoffer» kommt!
Dank zahlreicher Sensoren
und der Koppelung an
eine ausgeklügelte App
bietet er eine Vielzahl
praktischer Funktionen
wie zum Beispiel eine
Gepäckwaage inklusive
Übergewichtsanzeige,
ein Batterieladegerät,
eine personalisierte
Reise-Checkliste,
eine Entsperrung mit
Fingerprint-ID, integrierte
Lautsprecher, eine
Innenbeleuchtung,
eine automatische
Benachrichtigung, wenn
das Gepäckstück an Bord
ist, und die Möglichkeit
zu überprüfen, ob Ihr
Pluggage ohne Ihr Wissen
geöffnet wurde. Erhältlich
2015.
www.delseypluggage.com
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SAATCHI ART APP
Die renommierte Kunstgalerie Saatchi hat eine App lanciert,
die es Kunstliebhabern und -sammlern ermöglicht, Tausende
von Kunstwerken nach Stilrichtung, Grösse, Preis oder Künstler
abzurufen und auch zu kaufen. Die Künstler selbst können über
die Anwendung auf einer persönlichen Seite ihre Arbeiten zeigen.
Die Funktion «View in a Room» bietet den Nutzern ausserdem die
Möglichkeit, jedes Kunstwerk zu Hause massstabgetreu auf eine
Wand projiziert zu betrachten.
www.saatchiart.com
LONGCHAMP PERSONALIZED
Zum 20. Geburtstag seiner ikonischen Le Pliage bietet das Haus
Longchamp die Möglichkeit, auf seiner Internetseite eine eigene Version
dieses It Bag zu entwerfen. Der Online-Service stellt eine Auswahl an
verschiedenen Materialien, Grössen und Farben zur Gestaltung der
ganz persönlichen Traumtasche zur Verfügung. Auch Henkel, Laschen,
Tragegurt und Innenfutter sind individuell wählbar. Den letzten Schliff
erhält das Unikat nicht zuletzt dank einer Initialenprägung. Man könnte
Stunden damit zubringen, seine Lieblingskombination zu kreieren.
Lieferung innerhalb von drei Wochen.
www.longchamp.com
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