Das Lukasevangelium - EKHN

Examensvorbereitung NT von Simon Ahäuser
Lukasevangelium
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Literatur
• Friedrich Avemarie: Einleitung in das Neue Testament (Vorlesungsskript: Philipps-Universität Marburg).
• Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 72011, 281-303.
Das Lukasevangelium
1. Bibelkunde
Theologischer Aufbau:
• 1-2 Vorgeschichte: Vorwort & Widmung an Theophilos; Ankündigungen & Geburten von Johannes
und Jesus, Lobgesänge, Simeon & Hanna, der zwölfjährige Jesus im Tempel
• 3-4 Vorbereitendes Wirken: Auftreten von Johannes dem Täufer, Jesu Taufe und Versuchung, sowie
Stammbaum
• 4-9 Jesu Wirken in und um Galiläa
◦ 4 Antrittspredigt in der Synagoge: „Ich bin der Messias“
◦ 5 Heilungen und Umkehrruf
◦ 6 Feldrede: Ähnlich Bergpredigt: Seligpreisungen durch Weherufe ergänzt, Feindes- &
Nächstenliebe, Gleichnis vom Hausbau
◦ 7-8 Gleichnis vom Sämann, Taten: Hauptmann von Kapernaum, Salbung durch die Sünderin
• 9-19 Weg nach Jerusalem/ lukanischer Reisebericht
◦ 9 Jüngeraussendung & Jüngerunterweisung
◦ 10 Jüngeraussendung, Barmherziger Samariter, Maria und Martha
◦ 11-14 Auseinandersetzungen mit und vor dem Volk
◦ 15-18 Gleichnisse: z.B. Von den Verlorenen, Reicher Mann und armer Lazarus
◦ 19 Zachäus
• 19-21 Wirken in Jerusalem
◦ 19-20 Einzug in Jerusalem, Streitgespräche, Gleichnis von den bösen Weingärtnern
◦ 21 Endzeitrede
• 22-24 Passion und Osterereignisse
Besonderheiten:
• Gliederung: Hält Mk Gliederung bei und schaltet Q & Sondergut blockweise ein:
◦ Kleine Einschaltung 6-8: Feldrede
◦ Große Einschaltung 9-18 Reisebericht: Gleichnisse (Barmherziger Samariter, Verlorener Sohn &
Groschen), Teile der Bergpredigt (Vater Unser, Vom Sorgen)
◦ Große Auslassung Mk 6-8: Auseinandersetzungen mit Pharisäern, verschiedene Wunder
• Lukanisches Sondergut: über 1/3 seines Evangeliums ist Sondergut, z.B. 12 Gleichnisse (u.a.
Barmherziger Samariter, Verlorener Sohn, Reicher Mann, armer Lazarus), verschiedene Logien und
Erzählungen (Jesus und die Sünderin)
• Hymnen: Magnificat-Lobgesang der Maria (1); Benedictus-Lobgesang des Zacharias (1), GloriaLobgesang der himmlischen Heerscharen (2), Nunc dimittis-Lobgesang des Simeon (2)
• Evangelist der Armen und Randgruppen: Standespredigt d. Johannes (3), viele Gleichnisse
(barmherziger Samariter, reicher Mann & armer Lazarus, zehn Aussätzige), Zachäus, häufige
Erwähnung der „Jüngerinnen“, z.B. am Grab.
• Ende: Abendmahlsliturgie (22) ist 6-teilig (gleicht einem Festmahl), statt 4-teilig wie bei Mk (eher
Abendessen), Herodes wird als dritte Instanz neben Pontius Pilatus und dem Hoherat eingeführt,
Frauen begleiten Jünger, Jünger in Jerusalem - Emmausgeschichte; Himmelfahrt an Ostersonntag
2. Die Zusammengehörigkeit von Lukasevangelium und Apostelgeschichte
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Lk und Apg sind zwei Teilbände eines Gesamtwerks!
Seit dem Beginn des Kanons sind die Bücher voneinander getrennt – Apg entweder mit
den Paulusbriefen oder mit den Evangelien. Auch sind es zwar literarische Einzelwerke
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mit eigenen Einleitungen. In der Apg werden die letzten Ereignisse aus Lk wiederholt.
Die Argumente dafür überwiegen: Es besteht eine Verknüpfung von Apg 1 auf Lk und die
gleiche Widmung an Theophilos. Auffällig ähnlicher Sprachstil; für das NT
verhältnismäßig anspruchsvolles Griechisch. Beide knüpfen an alt-jüdische
Geschichtsschreibung an.
3. Verfasser
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Der Verfasser ist unbekannt. Woher der Name wirklich kommt, bleibt unklar.
Auffällig ist die Widmung an Theophilos (ohne Analogie in frühchristlicher Literatur).
In der Tradition wird Lukas oft als Paulusbegleiter angesehen.
3.1. Argumente für Lukas, den Arzt und Paulusbegleiter
• Älteste Belege bei Irenäus und im Canon Muratori.
• Der Verfasser Lukas sei Arzt und schriftkundiger Mitarbeiter des Paulus, habe Jesus nicht
persönlich gekannt. Er fasste nur die Taten der Apostel zusammen, bei denen er anwesend
war – deshalb sind manche Lücke entstanden.
• In Phlm 24 bestellt Paulus Grüße von Mitarbeitern (u.a. von einem Lukas). Da es ein
echter Paulusbrief ist, gab es wirklich einen Mitarbeiter namens Lukas.
• Auch in Kol 4 heißt es: „Es grüßen euch Lukas, der liebe Arzt...“.
◦ Der Brief ist kein Paulusbrief, die Aussagen müssen jedoch nicht falsch sein.
• Lukas hat ein besonderes Interesse an Heilungswundern (weil er Arzt ist?).
3.2. Argumente gegen Lukas, den Arzt und Paulusbegleiter
• 2Tim 4, wo Lukas als letzte Person noch bei Paulus ist, ist wohl eine fiktive Situation.
• Es finden sich auffallend viele Widersprüche zwischen Apg und den Paulusbriefen.
• Theologische Widersprüche:
◦ Die Heilsbedeutung des Todes steht bei Paulus im Zentrum, bei Lk nur am Rand.
◦ Die Rechtfertigungslehre findet sich in der Apg nur ergänzend zum Gesetz.
◦ Christi Tod und Auferstehung hat bei Paulus die Weltgeschichte zum Ziel, die Apg
verschiebt das Ende mit Pfingsten und dessen Mission in unbestimmte Ferne.
• Historische Widersprüche:
◦ Lukas widerspricht auffällig oft Angaben von Paulus. Vor allem Apg spricht von fünf
Reisen nach Jerusalem, seine Briefe nur von dreien.
• Man wird also davon ausgehen müssen, dass Lukas Traditionen über das missionarische
Wirken des Paulus kannte, er aber nicht ein persönlicher Begleiter des Apostels war.
4. Ort und Zeit der Abfassung
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Terminus post quem
Abhängigkeit von Mk + Q
Terminus ante quem
Zitat bei Justin um 160 n. Chr.
Lukas spielt auf die Zerstörung Jerusalems an (13 & 21).
Er schreibt für die dritte urchristliche Generation um 90. n. Chr.
Möglicherweise weist die für die Apg kennzeichnende Perspektive von
Jerusalem weg in Richtung Rom auf die Hauptstadt des Weltreiches als Abfassungsort.
◦ Apg 1 und 18 könnten daraufhin deuten, diese These bleibt sehr vage.
◦ Auch kommen die Römer in Jerusalem auffallend gut weg.
5. Empfänger
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Der Name Theophilos steht symbolisch für „Gottesfreund“ um jeden anzusprechen.
◦ kratistoj ist die offizielle Anrede für Angehörige des röm. Ritterstandes.
Insgesamt schreibt er für eine mehrheitlich heidenchristliche Gemeinde.
◦ Die heilsgeschichtliche Ablösung Israel ist bereits Realität (Lk 21).
◦ Galiläische u. judäische Ortsnamen entfallen → Publikum hat keine Ortskenntnis.
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◦ Gepflegtes Griechisch, beseitigt Aramaismen aus Mk durch griechische Begriffe.
◦ Im Unterschied zu Mt weist der lukanische Stammbaum mit der Rückführung Jesu auf
Adam (Lk 3) eine universale Perspektive auf.
5.1. Die Situation der lukanischen Gemeinde
• Das Schwinden der Parusienaherwartung:
◦ Die Parusie ist immer noch nicht gekommen, damit muss Lukas literarisch umgehen.
◦ Er gibt die Erwartung nicht auf, sondern kombiniert den ungewissen Zeitpunkt der
Ankunft des Herrn (Lk 12) mit dem Aufruf zur Geduld (Lk 8) und Wachsamkeit.
• Reichtum und Armut in der Gemeinde:
◦ Negative Erscheinungen innerhalb seiner Gemeinde stellt der Evangelist die
Urgemeinde als freiwillige Liebesgemeinschaft gegenüber. Sie verzichtete auf den
Besitz zugunsten Notleidender und nutzte das Privateigentum gemeinschaftlich (Apg 4).
◦ Lukas wendet sich mit seiner Paränese vorwiegend an die Reichen in seiner Gemeinde
und ruft sie angesichts der Gefahr des Glaubensabfalles zur Distanz zum Reichtum auf.
◦ Er kritisiert nicht einfach nur die Reichen, sondern zielt auf die Realisierung einer
Liebesgemeinschaft zwischen Armen und Reichen in der Gemeinde ab.
◦ Lukas schrieb ein Evangelium an die Reichen für die Armen.
• Verhältnis von Staat und Kirche:
◦ Die Juden werden zu den Verfolgern Jesu bzw. der Christen schlechthin. Der
römische Prokurator bestätigt dreimal Jesu Unschuld (Lk 23) und plädiert für seine
Freilassung, so das nun allein die Juden als Schuldige am Tod Jesu erscheinen.
◦ Lukas will offenbar seiner Gemeinde den Freiraum gegenüber dem Staat erhalten,
den sie zur Ausübung ihrer Gottesdienste und des Gemeindelebens brauchen.
◦ Außerdem scheint es zu Problemen mit „Irrlehrern“ gekommen sein (Apg 20).
6. Literarische Intention
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Es ist das einzige Evangelium mit einem Vorwort, das Ziel und Voraussetzungen
beschreibt – bietet keine christologische Themenangabe.
en hmin „bei uns“ - Ereignisse aus eigener und der Lebenswelt der Empfänger.
Die Eckdaten der Geschichte Jesu werden durch „Synchronismen“ mit politischer
Geschichte in Verbindung gebracht:
◦ 1,5: Es lebte in den Tagen Herodes’, des Königs von Judäa, ein Priester namens Zacharias…
◦ 2,1: Es geschah aber in jenen Tagen, dass ein Erlass des Caesar Augustus ausging ...
◦ 3,1–2: Im 15. Jahr der Regierung des Tiberius Caesar, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war
und Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus aber Tetrarch von Ituräa ...
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Für Lk hat die Jesus-Geschichte eine Bedeutung, welche die profane Weltgeschichte
unmittelbar angeht!
6.1. Das literarische Programm des Doppelwerks
• Er verwendet den Gattungsbegriff dihghsij „Erzählung“ – Geschichtsdarstellung von
Jesus.
• Er nennt Augenzeugen (autoptai: als Quellen – jemand, der sich aus eigenem Interesse
gründlich mit einer Sache befasst) und möchte damit eine zuverlässige Berichterstattung
liefern. Er reiht sich damit in die Tradition der antiken wissenschaftlichen Fachliteratur.
◦ Sein eigener Anspruch ist: „von vorne an“(anwqen, akribwj); „gründlich“(kaqezhj); „in
richtiger Reihenfolge“.
• Für antike Welt liest das Evangelium sich eher wie ein Art Fantasyroman mit
Dämonenaustreibung, Heilungswunder, Heiliger Geist.
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Lukasevangelium
Lk nahm die Informationen ernst - ohne den konkreten Wortlaut zu beachten.
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