Übersichtsarbeit · Review Article Verhaltenstherapie 2016;26:41–45 DOI: 10.1159/000443543 Published online: February 19, 2016 Die Allegianz von Forschenden als versteckter Moderator in der Psychotherapieforschung Heike Gerger Jens Gaab Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fakultät für Psychologie, Universität Basel, Basel, Schweiz Schlüsselwörter Psychotherapiewirksamkeitsforschung · Allegianz · Metaanalyse Keywords Psychotherapy outcome research · Researcher allegiance · Meta-analysis Zusammenfassung Der direkte randomisierte Vergleich zwischen Behandlungen gilt als Standarddesign zur Ermittlung derjenigen Bestandteile komplexer psychotherapeutischer Behandlungen, die die Symptomverbesserung entscheidend beeinflussen. Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss einseitiger Allegianz von Forschenden – d.h. deren Präferenz für eine bestimmte Behandlung – als extratherapeutischen Moderator des Behandlungseffekts. Da die Allegianz von Forschenden nur auf Studienebene gemessen werden kann, sind metaanalytische Strategien erforderlich, um mögliche Zusammenhänge zwischen einseitiger Allegianz und Studienergebnissen zu untersuchen. In der Übersichtsarbeit soll gezeigt werden, dass eine einseitige Allegianz von Forschenden bedeutsam mit Studienergebnissen korreliert. Auch wenn dieser Zusammenhang bei verschiedenen Behandlungsansätzen und Störungen beobachtet werden kann, sind die Ursachen und verantwortlichen Prozesse noch nicht weitgehend bekannt. Aufgrund der Vielfalt an potenziellen kausalen Erklärungen für den beobachteten Zusammenhang zwischen Allegianz und Studienergebnissen schlussfolgern wir, dass die explizite Nennung der Allegianz ein möglicher und sinnvoller Schritt zur besseren Beurteilung von Schlussfolgerungen in der Psychotherapieforschung sein kann. Summary Randomized controlled trials that compare 2 rival treatments are used as the standard design to identify those constituents of complex psychotherapeutic treatments that critically impact symptom improvement. This paper examines the impact of unbalanced researcher allegiance, i.e. the researchers’ preference regarding a particular treatment, as an extra-therapeutic moderator of the treatment effect. As researcher allegiance can only be measured at study level, meta-analytic strategies are required to investigate the association between researcher allegiance and outcome. Our review shows that researcher allegiance has a considerable impact on outcome. Despite the finding that researcher allegiance may impact outcome particularly in studies of poorer quality, other causal pathways need to be considered when trying to understand the relationship between unbalanced researcher allegiance and outcome. Although the association between unbalanced researcher allegiance and outcome is well established, the causal pathways that mediate this association are not well understood to date. Accordingly, we conclude that explicit statements by researchers regarding their preferences in a comparative outcome trial (e.g. by stating clear hypotheses or by including a conflict of interest statement) appear to be the most straightforward response to our findings in order to protect the validity of conclusions from psychotherapy outcome research. © 2016 S. Karger GmbH, Freiburg © 2016 S. Karger GmbH, Freiburg 1016–6262/16/0261–0041$39.50/0 Fax +49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/ver Dr. Heike Gerger Klinische Psychologie und Psychotherapie Fakultät für Psychologie, Universität Basel Missionsstrasse 62, Basel, Schweiz [email protected] Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 7:24:13 PM Das englische Original ist online abrufbar unter www.karger.com/doi/10.1159/000443543 Das Ziel klinischer Forschung ist es, «den therapeutischen Weizen von der Spreu zu trennen» und somit die Wirksamkeit, aber auch die Sicherheit klinischer Behandlungen sicherzustellen [Jones und Podolsky, 2015]. Ausgehend von einer übergeordneten theoretischen Einordnung von Therapiekomponenten geht dieser Artikel der Frage nach, ob und wie sich die sogenannte Allegianz – die einseitige Präferenz von Forschenden für eine bestimmten Behandlungsform [Luborsky et al., 1975] – auf Studienergebnisse auswirkt. Um den Zusammenhang zwischen einseitiger Allegianz und Studienergebnissen abzuschätzen, sind meta-analytische Strategien erforderlich, die die individuellen Studien einer Meta-Analyse als Analyseeinheit definieren, da Allegianz von Forschenden nur auf Studienebene betrachtet werden kann [Staines und Cleland, 2007]. Der vorliegende Artikel beantwortet nicht die Frage, welcher Behandlungsansatz der wirksamste für eine bestimmte psychische Störung ist. Wir beabsichtigen ebenfalls nicht, einzelne randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) hinsichtlich ihres Biasrisikos zu beurteilen, sondern fassen vielmehr Beobachtungen zusammen, die über einzelne Studien hinweg gefunden wurden. Wir beabsichtigen nicht, Forschenden oder Therapeutinnen und Therapeuten das Präferieren einer bestimmten Behandlungsform anzukreiden – denn wie könnte man eine Behandlung, die man beispielsweise mitentwickelt oder in der Praxis als wirksam erfahren hat, nicht bevorzugen? Unser Anliegen ist es vielmehr, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass solche Präferenzen – insofern sie nicht bereits vor Beginn einer RCT angemessen kontrolliert wurden – das Aufdecken echter Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Behandlungen erschweren können [Lipsey und Wilson, 2001, p 158 ff]. Die im Folgenden zusammengefassten Ergebnisse stammen zum Teil aus Studien, die die Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlungen für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) untersuchten, da für die PTBS-Behandlung eine Vielzahl psychotherapeutischer Behandlungsoptionen mit starken Präferenzen aufseiten von Forschenden für die eine oder andere Behandlung existiert. Dies erhöht möglicherweise die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Allegianzeffekten in der PTBS-Wirksamkeitsforschung. Dennoch ist es wichtig zu erwähnen, dass die mit einseitiger Allegianz von Forschenden assoziierte Problematik in jedem Fachgebiet, in dem konkurrierende Hypothesen getestet werden, auftreten kann [Cuijpers und Cristea, 2015; Ioannidis, 2005]. Theoretischer Rahmen zur Einordnung von Behandlungskomponenten Die Wirkung einer Intervention wird üblicherweise als Summe aus dem angenommenen Verum-Effekt plus dem Effekt des Behandlungskontextes verstanden. Letzterer wird in RCTs meistens durch einen Placebo-Arm kontrolliert, während Ersterer die Effekte der zu untersuchenden Behandlung darstellt. Die Definition davon, was als Verum oder Placebo aufgefasst werden soll, wird in der Medizinforschung durch qualitative Eigenschaften einer Be- 42 Verhaltenstherapie 2016;26:41–45 handlung erleichtert, da Ersteres in der Regel eine aktive Medikation und Zweiteres eine physiologisch inaktive Pille mit «lediglich» psychologisch wirksamen Eigenschaften ist. Im Gegensatz dazu ist die Operationalisierung von Placebo-Kontrollbedingungen in der Psychotherapieforschung aus theoretischer sowie praktischer Perspektive erschwert [Gaab et al., 2015; Kirsch, 2005; Weinberger, 2014]. Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass, obwohl die umschriebene Annahme der Additivität in der Wirksamkeitsforschung nach wie vor die Regel ist, diese für eine so komplexe Behandlung wie die Psychotherapie bisher jedoch noch nicht nachgewiesen wurde. Ein ausschließlich additives Verständnis von Placebo- und Verum-Effekten wird vielmehr durch neuere Befunde infrage gestellt [z.B. Lund et al., 2014]. Sehr wahrscheinlich besteht am ehesten eine Interaktion zwischen einzelnen Behandlungskomponenten [Barber et al., 2006]. Die Definition von Verum und Placebo oder «Weizen» und «Spreu» erweist sich demnach in der Psychotherapieforschung als schwierig. Diese Schwierigkeit könnte als ursächlich betrachtet werden für den «Kulturkrieg in der Psychotherapie, bei dem auf dramatische Art und Weise die Behandlungsmethode gegen die therapeutische Beziehung antritt» [Norcross und Lambert, 2011, S. 4]. Nichtsdestotrotz benötigt das RCT-Design eine – wie auch immer geartete – Definition von «Weizen», um dessen Vorhandensein experimentell beeinflussen zu können. Es ist hilfreich, die Unterscheidung von «Weizen» und «Spreu» in der Psychotherapie theoriebasiert anzugehen. Grünbaum hat dazu eine Dichotomie einzelner Behandlungskomponenten vorgeschlagen, die gerade für komplexe Behandlungsformen wie die der Psychotherapie sinnvoll ist [Grünbaum, 1981, 1986]: «Die therapeutische Theorie (…), die den Einsatz einer bestimmten Behandlung für eine betreffende Störung empfiehlt, verlangt den Einschluss bestimmter charakteristischer Bestandteile (…) in jenen Behandlungsprozess, der (von der therapeutischen Theorie) als Anwendung der Behandlung authentifiziert wird. Dieser Behandlungsprozess (…) enthält – neben den charakteristischen – üblicherweise Bestandteile (…), welche ich mit ‹zufällig› bezeichne. In der Tat ist es sogar möglich, dass der eine oder andere der zufälligen Faktoren auf die Störung einwirkt» [Grünbaum, 1981, S. 159]. Beispielsweise könnte die Exposition mit dem traumatischen Ereignis in PTBS-Behandlungen, wie zum Beispiel von Foa und Kollegen beschrieben [Foa et al., 1991], als charakteristisch («Weizen») angesehen werden, weil eine Behandlungstheorie erklärt, auf welche Weise die Traumaexposition PTBS-Symptome reduziert. Demgegenüber würde das Sprechen über alltägliche Probleme, wie in der Placebo-Kontrollbedingung von Foa und Kollegen [1991], als zufällig («Spreu») angesehen werden, weil eine theoriebasierte Erklärung, wie so eine «Behandlung» PTBS-Symptome verbessern sollte, fehlt. Trotzdem können zufällige Faktoren das Studienergebnis theoretisch auf zweierlei Weise beeinflussen: Erstens könnten zufällige Faktoren Mediatoren von Behandlungseffekten sein. Diese sind im Vorfeld als notwendige, aber nicht einzigartige Behandlungskomponenten beschrieben worden [Waltz et al., 1993]. Sie umfassen, unter anderem, eine empathi- Gerger/Gaab Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 7:24:13 PM Einführung Allegianz als versteckter Moderator in der PTBSWirksamkeitsforschung Um die Überlegenheit gegenüber einer zweiten Behandlung nachzuweisen, werden typischerweise die zwei konkurrierenden Behandlungsformen in einer RCT verglichen. So wurden beispielsweise in der PTBS-Wirksamkeitsforschung in einer RCT Exposition plus kognitive Umstrukturierung mit Exposition alleine verglichen, um den zusätzlichen Effekt abzuschätzen, der durch das Hinzufügen von kognitiver Umstrukturierung zur etablierten Expositionsbehandlung erklärt werden kann [Foa et al., 2005]. In dieser konkreten Studie konnte keine Überlegenheit der kombinierten Behandlung nachgewiesen werden; zudem fanden Meta-Analysen, die vergleichende RCTs individueller PTBS-Behandlungen zusammenfassen, keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen zwei verschiedenen Formen von PTBS-Behandlungen [Benish et al., 2008; Bisson und Andrew, 2007; Bradley et al., 2005; Davidson und Parker, 2001; Gerger et al., 2014; Mendes et al., 2008; Powers et al., 2010; Seidler und Wagner, 2006; Watts et al., 2013]. Allerdings berichteten mehrere der oben genannten Meta-Analysen ein erhebliches Ausmaß an Heterogenität zwischen den Ergebnissen aus einzelnen Studien [Bisson und Andrew, 2007; Bradley et al., 2005; Davidson und Parker, 2001; Gerger et al., 2014; Powers et al., 2010; Watts et al., 2013]. Vorhandene Heterogenität zwischen Studienergebnissen weist darauf hin, dass sich in einigen Studien die Allegianz in der Psychotherapieforschung beobachteten Behandlungseffekte von den beobachteten Effekten aus anderen Studien systematisch unterscheiden. Ein anschauliches Beispiel für solche widersprüchlichen Befunde lässt sich in der Übersichtsarbeit von Bisson und Andrew [2007] finden: Von 6 Studien, die die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) mit derjenigen von «Eye Movement Desensitization and Reprocessing» (EMDR) verglichen, fanden 3 Studien eine moderate bis große Überlegenheit von KVT gegenüber EMDR, während die übrigen 3 Studien den genau entgegengesetzten Effekt, d.h. eine moderate bis große Überlegenheit von EMDR über KVT berichteten. Insgesamt folgerten die Autoren, dass kein Unterschied zwischen diesen beiden Behandlungsformen besteht [Bisson und Andrew, 2007]. Um eine solche Heterogenität zwischen den einzelnen Studienergebnissen zu erklären, wurden in 2 neueren Meta-Analysen [Gerger et al., 2014; Watts et al., 2013] PTBS-Behandlungen auf der Grundlage der etablierten Klassifikation in verschiedene Behandlungsformen eingeteilt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht. Beide Forschungsgruppen fanden keinen Hinweis dafür, dass die Art der Behandlung die Heterogenität zwischen Studienergebnissen erklären konnte. Eine mögliche Erklärung für beobachtete Unterschiede zwischen Studienergebnissen wie im EMDRKVT-Beispiel ist das Vorhandensein einseitiger Allegianz aufseiten der Forschenden [Luborsky et al., 1975]. Dementsprechend könnte das beobachtete Ergebnismuster in der Meta-Analyse von Bisson und Andrew [2007] schlicht dadurch erklärt werden, dass in der einen Hälfte der Studien die Forschenden die KVT präferierten, wohingegen die Forschenden in der anderen Hälfte das EMDR bevorzugten. Während in diesem bestimmten Fall die Präferenzen der Studienautoren für KVT bzw. EMDR über die 6 Studien hinweg vermutlich zufälligerweise gleich verteilt waren, könnte eine einseitige Präferenz für eine bestimmte Behandlungsform in einer Meta-Analyse oder einer RCT durchaus problematischer sein. In der Tat fand eine Meta-Analyse zu traumafokussierten PTBSBehandlungen eine signifikante und bedeutsame Korrelation zwischen einseitiger Allegianz der Studienautoren und den beobachteten Effektstärken zwischen den Behandlungen (r = 0,35). Darüber hinaus erklärte die einseitige Allegianz der Forschenden einen wesentlichen Teil der Heterogenität zwischen den Studien [Munder et al., 2012]. Des Weiteren scheint der mehrfach beobachtete Zusammenhang zwischen Allegianz und Studienergebnissen vielmehr durch Bias als durch echte Unterschiede in der Wirksamkeit einzelner Behandlungsformen zustande zu kommen [Munder et al., 2011, 2012]. Diese Ergebnisse aus der vergleichenden Psychotherapieforschung legen demnach nahe, dass die Allegianz, ein an sich extratherapeutischer und bezüglich der Behandlungstheorie zufälliger Faktor, einen substanziellen Einfluss auf die Ergebnisse von randomisiert-kontrollierten Psychotherapiestudien hat. Umgang mit Allegianz als verstecktem Moderator Da die Auswirkung von einseitiger Allegianz von Forschenden bei einer Reihe von Störungsbildern beobachtet wurde (z.B. Depression [Cuijpers et al., 2012], siehe Munder et al. [2013] für eine Verhaltenstherapie 2016;26:41–45 43 Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 7:24:13 PM sche Kommunikation [Elliott et al., 2011] oder die Erwartungen von Patienten hinsichtlich der Behandlungseffekte [Constantino et al., 2011; Kirsch, 2005]. Zweitens könnten zufällige Faktoren Moderatoren von Behandlungseffekten sein. Solche Faktoren sind weder notwendige noch einzigartige Behandlungsbestandteile. Sie können intratherapeutische Aspekte (z.B. Treffen eines professionellen Therapeuten in einem geschützten Kontext) wie auch extratherapeutische Faktoren, die keinen direkten Bezug zu der Behandlung oder der therapeutischen Begegnung haben, beinhalten. Letztere können eine Vielfalt an Faktoren umfassen, sowohl aufseiten des Patienten (z.B. Symptomschwere [Driessen et al., 2010]) wie auch aufseiten des Therapeuten (z.B. Manual-Adhärenz eines Therapeuten [Barber et al., 2006]). Im Kontext klinischer Forschung könnten allerdings auch Charakteristika der Studie selber (z.B. die Qualität der Datenerhebung) und der Forschenden (z.B. der theoretische Hintergrund) als extratherapeutische Moderatoren wirken [Ioannidis, 2005]. Während Mediatoren von Behandlungseffekten sich vermutlich direkt auf Behandlungsergebnisse auswirken, beeinflussen Moderatoren Studienergebnisse vermutlich nicht auf direktem Weg. Im besten Falle zeigen Moderatoren, unter welchen Umständen bestimmte Effekte auftreten oder nicht [wie bei Lynch et al., 2010], aber schlimmstenfalls tragen sie zu einer Verzerrung (Bias) von Behandlungseffekten bei. Daher ist es wichtig, Moderatoren von Behandlungseffekten zu identifizieren und ihre potenziellen Auswirkungen zu kontrollieren, um valide Schlussfolgerungen aus Studienergebnissen ziehen zu können. 44 Verhaltenstherapie 2016;26:41–45 lung [Ehlers et al., 2010; Wampold et al., 2010]. Schlussendlich kann eine einseitige Allegianz auch die Entscheidung von Studienautoren beeinflussen, ob Resultate überhaupt veröffentlicht werden, wenn diese nicht die Wirksamkeit oder Überlegenheit der präferierten Behandlung unterstützen. Die Allegianz von Forschenden kann demnach auch zum sogenannten Publikationsbias beitragen [Turner et al., 2008], und es ist daher auch wenig überraschend, dass die Meta-Analyse von Bisson und Andrew [2007] in mehreren Vergleichen ein erhöhtes Risiko für fehlende Studien mit negativen Resultaten aufwies. Die Vielfalt an möglichen kausalen Pfaden zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen einseitiger Allegianz von Forschenden und den Ergebnissen der betreffenden Psychotherapiewirksamkeitsstudien stellt ein erhebliches Problem für deren Validität dar sowie für das Ziel, den Beitrag charakteristischer Behandlungskomponenten am Gesamteffekt einer komplexen Behandlung zu erfassen. In diesem Sinne müsste einseitige Allegianz von Forschenden als Interessenkonflikt aufgefasst werden, der dann auch entsprechend offengelegt werden sollte [The PLoS Medicine Editors, 2008]. Allerdings sind Interessenkonflikterklärungen nach wie vor selten in Psychotherapie-RCTs und -Meta-Analysen. So beinhaltete nur eine einzige von insgesamt 793 Publikationen, bei deren Autoren einseitige Allegianz festgestellt wurde, eine entsprechende Interessenkonflikterklärung [Dragioti et al., 2015]. Alternativ könnte auch das Formulieren eindeutiger Hypothesen in RCTs (z.B. wie in Foa et al. [1991]) hilfreich sein, da diese dem Leser einen direkten Rückschluss auf das mögliche Vorhandensein einseitiger Allegianz aufseiten der Forschenden erlaubt. Dadurch würden die Probleme umgangen, die mit den sonst üblicherweise post-hoc erfolgenden subjektiven Einschätzungen von Allegianz einhergehen. Schlussfolgerung Obwohl die oft leidenschaftlichen und hitzigen Debatten darüber, welche Behandlungskomponenten für eine Symptomverbesserung notwendig sind, Teil des wissenschaftlichen Fortschritts sind und auch sein sollten (mit immerhin aussichtsreichen Zeichen einer Annäherung [Hofmann und Barlow, 2014; Schnyder et al., 2015]), könnte die Kehrseite davon sein, dass ebendiese Präferenzen und Überzeugungen Tür und Tor für Bias öffnen. Die Allegianz von Forschenden ist weder eine charakteristische Komponente psychotherapeutischer Behandlungsansätze noch ist sie einer der sogenannten allgemeinen Wirkfaktoren der Psychotherapie. Es handelt sich stattdessen um einen extratherapeutischen Faktor in dem Sinne, dass kein offenkundiger Bezug zur untersuchten Behandlung oder zum Behandlungskontext besteht. Das Vernachlässigen der Auswirkungen solcher versteckten extratherapeutischen Faktoren auf Behandlungseffekte im Rahmen der Psychotherapieforschung könnte die Identifikation von Behandlungsbestandteilen, die entscheidenden Einfluss auf Studienergebnisse haben, erschweren. Aufgrund der korrelativen Art der präsentierten metaanalytischen Forschung ist jedoch eindeutig weitere Forschungsarbeit nötig. Gerger/Gaab Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 7:24:13 PM Übersicht), hat dieser extratherapeutische Moderator das Potenzial – wenn er nicht angemessen berücksichtigt wird – die Validität von RCTs und Meta-Analysen maßgeblich zu beeinflussen [Staines und Cleland, 2007]. Die Validität der Schlussfolgerungen, die aus den Ergebnissen der Psychotherapieforschung abgeleitet werden und auf die sich Forschende, Praktizierende und Entscheidungstragende stützen, müsste dann ebenfalls infrage gestellt werden. Die moderierende Rolle der Allegianz ist komplex, da mehrere kausale Pfade den festgestellten Zusammenhang zwischen einseitiger Allegianz und Studienergebnissen in der Psychotherapieforschung erklären können [Cuijpers und Cristea, 2015; Leykin und DeRubeis, 2009; McLeod, 2009]. Die Allegianz von Forschenden kann dabei methodische Entscheidungen beeinflussen, wie z.B. die Wahl einer plausiblen Kontrollbedingung, und tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass der Zusammenhang zwischen Allegianz und Studienergebnissen in Studien mit hoher interner Validität signifikant schwächer war als in Studien mit niedriger interner Validität [Munder et al., 2011]. Allegianz könnte Forschende aber auch dazu motivieren, Behandlungen auf eine Art und Weise zu operationalisieren, die die bevorzugte Behandlung favorisiert und/ oder die Effekte der nicht präferierten Behandlung reduziert (z.B. bessere Ausbildung der Therapeuten in der präferierten Behandlungsbedingung) [Spielmans et al., 2010]. Eine kürzlich veröffentlichte Analyse von Depressionsstudien belegt, dass weitere Faktoren neben der Studienqualität (z.B. Randomisierungsmethoden, selektives Berichten von Ergebnissen, Therapeutentraining) zu dem Zusammenhang zwischen Allegianz und Studienergebnis beitragen müssten, da die Anzahl an Studien mit geringem Biasrisiko über die Jahre für alle betrachteten Qualitätskriterien gleich geblieben ist bzw. sogar zugenommen hat – wohingegen die einseitige Allegianz der Studienautoren in jüngeren Studien sogar anstieg [Chen et al., 2014]. Folglich scheint eine einfache Verbesserung der Studienqualität dem Biasrisiko, das mit einseitigen Allegianzen verbunden ist, nicht uneingeschränkt vorzubeugen. Es ist auch möglich, dass die einseitige Allegianz von Forschenden mit Patienten- und Therapeutenvariablen interagiert [Cuijpers und Cristea, 2015], beispielsweise über die Verstärkung der Erwartung von Patienten hinsichtlich eines positiven Therapieergebnisses. Die Bevorzugung einer bestimmten Behandlung aufseiten von Forschenden kann sich aber auch auf das Verhalten der Therapeutinnen und Therapeuten dergestalt auswirken, dass diese das Behandlungsrational überzeugender präsentieren oder vorliegende Behandlungsmanuale enger befolgen. In diesem Sinne könnte Allegianz mit anderen Moderatoren oder Mediatoren interagieren und hätte damit weiterreichenden Einfluss auf den Behandlungseffekt. Ein strikteres Einhalten des Behandlungsmanuals durch Therapeuten kann aber auch die Effekte der charakteristischen Behandlungskomponenten erhöhen, wenn die Behandlung beispielsweise mit höherer Genauigkeit und Kompetenz durchgeführt würde [McLeod, 2009]. Schließlich ist es auch denkbar, dass vorliegende Befunde je nach Allegianz unterschiedlich interpretiert werden. Beispielsweise gelangten zwei Forschungsgruppen anhand der gleichen Studien zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen hinsichtlich der Notwendigkeit der Traumafokussierung in der PTBS-Behand- Disclosure Statement Aus Sicht der Autoren liegt kein finanzieller Interessenskonflikt vor. Entsprechend den Empfehlungen dieser Übersichtsarbeit möchten die Autoren aber darauf hinweisen, dass Heike Gerger schon mehrmals zum Allegianzaspekt publiziert hat und dabei davon ausgeht, dass die einseitige Allegianz von Forschenden Studienergebnisse beeinflussen kann. Zudem haben beide Autoren ein wis- senschaftliches Interesse an der Erforschung von kontextuellen und extra-therapeutischen Faktoren in der Psychotherapie, und beide gehen davon aus, dass diese Faktoren einen substanziellen Einfluss auf die Wirkung der Psychotherapie haben können. Übersetzt von Dr. Heike Gerger Literatur Allegianz in der Psychotherapieforschung Foa EB, Rothbaum BO, Riggs DS, Murdock TB: Treatment of posttraumatic stress disorder in rape victims: a comparison between cognitive-behavioral procedures and counseling. J Consult Clin Psychol 1991; 59: 715–723. Gaab J, Blease C, Locher C, Gerger H: Go open: a plea for transparency in psychotherapy. Psychol Conscious (Wash D C) 2015;DOI dx.doi.org.1037/cns0000063. Gerger H, Munder T, Gemperli A, Nüesch E, Trelle S, Jüni P, Barth J: Integrating fragmented evidence by network meta-analysis: relative effectiveness of psychological interventions for adults with post-traumatic stress disorder. Psychol Med 2014; 44: 3151–3164. Grünbaum A: The placebo concept. Behav Res Ther 1981; 19: 157–167. Grünbaum A: The placebo concept in medicine and psychiatry. Psychol Med 1986; 16: 19–38. 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Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften GmbH, Freiburg (Germany). All rights reserved. No part of the journal may be repro-duced in any form without the written permission of the publisher. This includes digitalisation and any further electronic computing, like saving, copying, printing or electronic transmission of digitalized material from this journal (online or offline). Authorization to photocopy items for internal or personal use of specific clients is granted by Karger. Photocopying: This journal has been registered with the Copyright Clearance Center (CCC), as indicated by the code appearing on the first page of each article. For readers in the US, this code signals consent for copying of articles for personal or internal use, or for the personal or internal use of specific clients, provided that the stated fee is paid per copy directly to Copyright Clearance Center Inc., 222 Rosewood Drive, Danvers, MA 01923 (USA). 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