Röntgenstrukturanalyse (AC-3) P. G. Jones Inst. Anorg. Analyt

Röntgenstrukturanalyse (AC-3)
P. G. Jones
Inst. Anorg. Analyt. Chemie, TU Braunschweig
Version: SS 2016
Letzte Änderung: 22.07.15
Vorwort
Dieses Skript kann uneingeschränkt kopiert und weitergegeben werden. Verbesserungsvorschläge sind immer willkommen: [email protected].
Es werden Dezimalpunkte verwendet!
Zusammenfassungen einiger wichtiger Prinzipien befinden sich am Ende der Kapitel
2 und 4. Einige wichtige Tabellen sind ebenfalls am Ende des 2. Kapitels zu finden.
Viele Abbildungen wurden folgenden Büchern (alle empfehlenswert!) entnommen:
W. Massa, Kristallstrukturbestimmung, 7. Auflage, Teubner-Verlag, 2011. (Mit Abstand
das beste Buch in deutscher Sprache).
J. N. Glusker, K. N. Trueblood, Crystal Structure Analysis, 3. Auflage, OUP 2010.
(Relativ einfaches Niveau, für Anfänger gut geeignet).
W. Clegg, A. J. Blake, R. O. Gould, P. Main, Crystal Structure Analysis, Principles and
Practice, 2. Auflage, OUP 2009.
P. Luger, Modern X-Ray Analysis on Single Crystals, 2. Auflage, de Gruyter 2014.
C. Hammond, The Basics of Crystallography and Diffraction, 3. Auflage, OUP 2009. (Aus
der Sicht eines Physikers, trotzdem hilfreich!).
C. Giacovazzo (Ed.), Fundamentals of Crystallography, 3. Auflage, OUP 2011.
(Mathematisch ausführlich).
D. W. Bennett, Understanding Single Crystal X-Ray Crystallography, Wiley-VCH 2010.
2
Aufgaben, Seminare
Die allgemeinen Aufgaben sind im Kap. 8 und die "Seminaraufgaben" im Kap. 9 zu
finden. Der Unterschied ist, dass man für viele Seminaraufgaben einen Computer mit
speziellen kristallographischen Programmen benötigt. Es werden bei den Seminaren auch
viele allgemeine Aufgaben diskutiert.
Die Seminare finden jede Woche in kleinen Gruppen (max. neun Teilnehmer) statt. Es
werden in der Regel sieben verschiedene Termine angeboten. Die Teilnahme ist freiwillig
(dafür gibt es keine klausurrelevanten Punkte, Testate oder Ähnliches). Nach der ersten
Vorlesung werden die Teilnehmerlisten zusammengestellt; man verpflichtet sich durch
seine Unterschrift, einen bestimmten Termin wahrzunehmen. Man hat das Recht, ein Mal
an den Seminaren teilzunehmen; aus Platzgründen kann eine wiederholte Seminarteilnahme für Studenten, die bereits teilgenommen haben, nicht angeboten werden. Wer
zweimal unentschuldigt fehlt, verliert seinen Platz. Bitte informieren Sie den Seminarleiter
rechtzeitig, wenn Sie zu einem Seminar nicht können.
Die Seminare beginnen in der Woche nach der 2. Vorlesung. Ort: Zi. 36
(Erdgeschoss, im Flur neben dem Hörsaal). Bitte mitbringen: Skript, Bleistift,
Radiergummi, Taschenrechner.
Zeitplan (Änderungen vorbehalten!!)
Woche
Seminaraufgabe(n)
(Kapitel 9)
Allg. Aufgabe(n)
(Kapitel 8)
1
1a
4, 7(i,ii)
2
1b
5, 6, 10(a)
3
2
16, 17
4
3
19, 28
5
9, 4(1)
27, 30a
6
4(2)
26, 23
7
5, 6
35, 36
8
10
18(iii), 37
9
7, 15, 16
25
10
11, 14
31 (a und b)
11
13, 8
Diffraktometerbesichtigung
(Abschn. 6.7)
Wenn die Zeit reicht, kann man irgendwelche anderen allgemeinen Aufgaben, z.B. 7(iii,
iv), 10(b), 13(b), 18(iv), 25b, 30b, 38, 39, 40, 42, 44, 46 machen. Wenn die Zeit zu knapp
wird, kann man Seminaraufgaben 14 bzw. allg. Aufgabe 35 weglassen.
3
Inhaltsverzeichnis
Kap. 0: Einführung ...................................................................................................................6
0.1 Vorbemerkungen .......................................................................................................6
0.2 Woraus besteht ein Kristall? .....................................................................................7
0.3 Verlauf einer typischen Strukturbestimmung ...........................................................8
Kap. 1: Grundbegriffe der kristallographischen Symmetrie..............................................10
1.1 Gitter, Elementarzelle..............................................................................................10
1.2 Kristallsysteme, Bravais-Gitter ...............................................................................14
1.3 Koordinatensystem ..................................................................................................16
1.4 Symmetrieelemente und –operationen: (a) Punktsymmetrie ..................................17
1.5 Symmetrieelemente und –operationen: (b) Gleitspiegelebenen und
Schraubenachsen .....................................................................................................20
1.6 Raumgruppen ..........................................................................................................24
1.7 Deutung der Raumgruppensymbole ........................................................................27
1.8 Kristallklassen .........................................................................................................29
1.9 Kristallographische Dichte und die 18-Regel .........................................................29
1.10 Spezielle Lagen .....................................................................................................29
1.11 Ebenenscharen, Miller'sche Indizes ......................................................................31
1.12 Umorientierung .....................................................................................................32
Kap. 2: Röntgenbeugung an Atomen und Kristallen ..........................................................36
2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung ...........................................................................36
2.2 Beugungswinkel, Atomare Streufaktoren ...............................................................37
2.3 Das Bragg'sche Gesetz ............................................................................................39
2.4 Der Strukturfaktor und die Strukturfaktorgleichung ...............................................40
2.5 Das Phasenproblem .................................................................................................43
2.6 Das Reziproke Gitter ...............................................................................................43
2.7 Symmetrie der Beugungsbilder (i): Das Friedel'sche Gesetz ..................................46
2.8 Symmetrie der Beugungsbilder (ii): Laue-Gruppen und aquivalente Reflexe........47
2.9 Auslöschungen ........................................................................................................48
Zusammenfassung Kap. 1-2 ...................................................................................................55
4
Kap. 3: Strukturlösung I: die Schweratommethode ............................................................57
3.1 Die Differenz-Synthese ...........................................................................................57
3.2 Die Patterson-Synthese ...........................................................................................58
3.3 Nachteile der Schweratommethode.........................................................................60
3.4 Weitere Vorteile der Schweratommethode .............................................................61
Kap. 4: Strukturlösung II: Direkte Methoden .....................................................................62
4.1 Philosophie der Direkten Methoden ........................................................................62
4.2 E-Werte ...................................................................................................................62
4.3 Die Sayre-Gleichung ...............................................................................................64
4.4 Tripel-Produkt-Beziehungen ...................................................................................64
4.5 Multisolution-Methoden : alt und neu .....................................................................66
Zusammenfassung Kap. 3-4 ...................................................................................................68
Kap. 5: Kristallzüchtung ........................................................................................................69
5.1 Die Methoden und ihre Vor- und Nachteile ............................................................69
5.2 Auswahl der Kristalle ..............................................................................................70
5.3 Bevorzugte Gruppen, Derivate, Gegenionen ..........................................................73
5.4 Strukturziele und Kristallqualität ............................................................................73
Kap. 6: Messmethoden: das Diffraktometer ........................................................................74
6.1 Aufbau eines Diffraktometers .................................................................................74
6.2 Ein typischer Messvorgang .....................................................................................76
6.3 Datenqualität ...........................................................................................................79
6.4 Tieftemperaturmessungen .......................................................................................79
6.5 Die Auflösung .........................................................................................................80
6.6 Messungen mit Cu-Strahlung ..................................................................................82
6.7 Kristallgröße ............................................................................................................83
Kap. 7: Strukturverfeinerung ................................................................................................84
7.1 Least-Squares-Verfeinerung....................................................................................84
7.2 Der R-Wert ..............................................................................................................85
7.3 Isotrope Verfeinerung .............................................................................................85
7.4 Anisotrope Verfeinerung .........................................................................................86
7.5 Wasserstoffatome ....................................................................................................88
7.6 Gewichtsschemata ...................................................................................................89
7.7 Computerdateien .....................................................................................................90
5
7.8 Verfeinerung gegen |F|2 ...........................................................................................91
7.9 Elektronendichte und Atomtyp ...............................................................................92
7.10 Anomale Streuung und Absolute Konfiguration...................................................92
7.11 Unordnung.............................................................................................................94
7.12 Libration ................................................................................................................95
7.13 Constraints.............................................................................................................96
7.14 Starre Gruppen ......................................................................................................96
7.15 Restraints ...............................................................................................................97
7.16 Extinktion ..............................................................................................................98
7.17 Kriterien einer guten Strukturanalyse ...................................................................99
7.18 Beschreibung einer Struktur ..................................................................................99
Kap. 8: Allgemeine Aufgaben ..............................................................................................101
Kap. 9: Seminaraufgaben .....................................................................................................109
6
0. Einführung
0.1 Vorbemerkungen
Als Röntgenstrahlung wird elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von
etwa 0.01 bis 10 nm bezeichnet; für die Röntgenstrukturanalyse werden Wellenlängen von
etwa 1 Å (10–10 m, 0.1 nm) eingesetzt.1
Jeder kennt die medizinische Röntgenaufnahme, die einen Gegenstand, der schwerere
Elemente enthält, als Schatten darstellt. Wenn man hingegen die Streuung von Röntgenstrahlen untersucht, entstehen normalerweise diffuse Muster. Max von Laue vermutete,
dass der ungewöhnlich regelmäßige Aufbau eines Kristalls (Abb. 0.1), zusammen mit der
groben Übereinstimmung zwischen interatomaren Abständen (ca. 1 Å) und Röntgenwellenlängen, die Erzeugung von Beugungsbildern (Interferenzmustern) ermöglichen
würde. Er hatte recht; solche Bilder (Abb. 0.2) bestehen aus scharfen Maxima.2 Jedes
Maximum hat eine Position und eine Intensität; das Gesamtbild hat eine bestimmte
Symmetrie.
Abb. 0.1. Kristallproben (max. Größe ca. 0.3 mm).
1
Å ist das Symbol der Ångström-Einheit, einer Nicht-SI-Einheit, die bei der RSA sehr häufig verwendet
wird.
2
Absolute Anfänger denken oft, verständlich- aber auch fälschlicherweise, die Maxima seien direkte
Darstellungen der Atome (besonders bei Beugungsbildern mit wenigen Maxima).
7
Abb. 0.2. Röntgenaufnahme eines Kristalls.
Eine mathematische Bearbeitung der Beugungsbilder eines Kristalls führt zur Struktur der
Moleküle, aus denen der Kristall besteht: "Der Kristall ist das Fenster zu den Atomen". Es
ist das Ziel dieser Vorlesung, den Weg von den Beugungsbildern zum Molekülbild zu
schildern. Der Prozess nennt sich Röntgenstrukturanalyse, obwohl viele namhafte
Wissenschaftler dagegen protestieren, denn man bestimmt die Struktur der Moleküle bzw.
des Kristalls und nicht die Struktur der Röntgen! Gegen den alternativen Namen
Kristallstrukturanalyse könnte man allerdings einwenden, die Rolle der Röntgenstrahlung
gehe unter.
0.2 Woraus besteht ein Kristall?
Man stelle sich die Lagerhalle einer Schuhfabrik vor. Die Halle sei komplett ausgefüllt
(keine Lücken!) mit parallel aufeinandergestapelten, deckungsgleichen Schuhkartons;
benachbarte Kartons wären dann über Translation miteinander verwandt. In jedem Karton
befinde sich ein Paar Schuhe (Abb. 0.3; in jedem Karton gleiches Modell, gleiche Größe,
gleiche Orientierung; wie man an die Schuhe kommt, sei dahingestellt!3). Es besteht
zwischen beiden Schuhen ein definiertes räumliches Verhältnis, eine Symmetrieoperation
(denkbar wäre z.B. eine Spiegelung, durch die der eine Schuh deckungsgleich auf den
anderen käme). So sieht auch ein Kristall aus. Der Kristall entspricht der Lagerhalle, die
3
Tatsächlich würden einige "Gänge" (analog wären z.B. Lufteinschlüsse im Kristall) für alle praktischen
Zwecke nichts an der Kristallinität andern.
8
Moleküle sind die Schuhe;4 der Karton ist äquivalent zur Elementarzelle (Abb. 0.4), kurz:
Zelle. Der Inhalt einer jeden Zelle ist deckungsgleich. Die Unterschiede zur
Schuhanalogie5 sind: (i) es müssen nicht gerade zwei Moleküle in der Zelle sein (der
häufigste Wert ist vier), und die Moleküle müssen nicht Spiegelbilder voneinander sein
(z.B. bei enantiomerenreinen Verbindungen!); (ii) Molekülteile können in
Nachbarzelle hineinragen (entsprechende Molekülteile gibt es dann auch in
Stammzelle); (iii) Elementarzellen müssen nicht rechtwinkelig sein (Schuhkartons
metrisch6 rechtwinkelig – genauer, orthorhombisch – s. Abschn. 1.2). Abb. 0.5 zeigt
eine
der
sind
eine
andere Struktur projiziert auf die Papierfläche. Wo sollte die (zweidimensionale) Zelle
eingezeichnet werden?
Wie wir sehen werden, bestimmen die Dimensionen der Zelle die Positionen der
Beugungsmaxima; der Inhalt der Zelle (die Atomlagen!) bestimmt die Intensitäten der
Maxima.
0.3 Verlauf einer typischen Strukturbestimmung
Am Anfang ist der Kristall (Kristallzüchtung: Kap. 5). Am Kristall werden die
Elementarzelle und Raumgruppe bestimmt (Kap. 1 & 2) und anschließend das vollständige
Beugungsmuster gemessen (die Position und die Intensität aller Maxima werden bestimmt;
Kap. 6). Die Strukturlösung (Kap. 3 & 4) liefert das erste (oft recht ungenaue) Strukturmodell, das anschließend verfeinert wird (Kap. 7).
Abb. 0.3: Ein (etwas wackeliger) Schuhkarton (Elementarzelle) mit zwei gleichen Schuhen (Molekülen).
Links sind die Schuhe über eine Spiegelebene miteinander verwandt; welche Operation gilt rechts? (s. Kap.
1).
4
Sind beide Schuhe im Karton "gleich"?! Es gibt bei Molekülen (wie bei Schuhen) Rechts- und
Linkshändige (bzw. -füßige)!
5
Abgesehen von der trivialen Bemerkung, dass Schuhkartons tatsächlich existieren, Elementarzellen jedoch
nur eine Hilfskonstruktion sind!
6
d.h. bezogen auf die Maße des Kartons und nicht auf seinen Inhalt.
9
Abb. 0.4: Eine Elementarzelle mit vier Molekülen.
Abb. 0.5: Zweidimensionale Projektion einer Struktur (Ausschnitt).
10
1. Grundbegriffe der kristallographischen Symmetrie
1.1 Gitter, Elementarzelle
Die äußere Regelmäßigkeit eines Kristalls (Flächen, Kanten; Abb. 0.1) ist die Folge einer
inneren Regelmäßigkeit; die Struktur auf molekularer Ebene wiederholt sich unendlich in
allen drei Raumrichtungen, und somit gibt es Translationssymmetrie. Ein solches sich über
Translation wiederholendes Muster dient als Basis für den Begriff eines Gitters.
Abb. 1.1. Einige Gitter. (a): eine Reihe Bauklötze; (b): Darstellung der Bauklötze als Punkte (an der gleichen
Stelle eines jeden Bauklotzes); (c): Mauer mit versetzten Bauklotzreihen.
In Abb. 1.1a sehen wir einen Teil einer unendlichen Reihe identischer Bauklötze (der sich
wiederholenden Einheiten). Nun wird stellvertretend für jeden Klotz _ an einer beliebigen,
jedoch für jeden Klotz gleichen Stelle _ ein Punkt (Gitterpunkt) gezeichnet (Abb. 1.1b).
Die resultierende regelmäßige Anordnung der Punkte ist ein eindimensionales Gitter. Man
kann einen Ursprung (einen beliebigen Gitterpunkt) und einen Basisvektor a (die
vektorielle Bauklotzlänge in Richtung der Klotzreihe) zuordnen.7 Es gilt dann für jeden
Gitterpunkt: r = ua; r ist der Vektor vom Ursprung zum Gitterpunkt (ein Gittervektor), u
ist eine ganze Zahl, die auch negativ oder Null sein kann. Jeder Gitterpunkt besitzt eine
identische Umgebung (genauer: Vektorumgebung). Das Gitter besteht somit aus parallelen,
aneinandergereihten Elementarzellen (kurz: Zellen) mit Länge a = |a|. Bauen wir jetzt eine
unendliche Mauer aus Bauklötzen; diese ist in Abb. 1.1c als zweidimensionales Gitter
dargestellt. Wie sind dort die Basisvektoren und wie ist die Elementarzelle? Offensichtlich
kann man dieses Prinzip auf drei Dimensionen erweitern.
7
In diesem Skript werden Vektoren durch Fettschrift gekennzeichnet.
11
Die Translationssymmetrie in drei Dimensionen ist eine notwendige Voraussetzung für
einen idealen Kristall (Einkristall). Alle weiteren Symmetriearten (Abschn. 1.4, 1.5) sind
"optional".
In drei Dimensionen gibt es drei Basisvektoren a, b, c, die ein rechtshändiges Achsensystem bilden müssen.8 Der Gittervektor r vom Ursprung zu einem Gitterpunkt ist gegeben
durch
r = ua + vb + wc
(Gl. 1)
wo u, v, w ganze Zahlen sind. Ein (unendliches) Gitter ändert sich nicht, wenn man den
Ursprung auf einen anderen Gitterpunkt (nach Gl. 1) verschiebt; Kristalle sind als gute
Näherung unendlich (vgl. Aufgabe 1).
Die Achsenlängen a, b, c sind die Beträge der Basisvektoren (also |a|, |b|, |c|). Der Winkel
zwischen b und c ist α; der Winkel zwischen a und c ist β; und der Winkel zwischen a und
b ist γ (Abb. 1.2). Die Achsenlängen und Winkel heißen zusammen Gitterkonstanten.
Typische Achsenlängen betragen etwa 3–40 Å. Die Winkel müssen nicht 90° betragen!
Aufgabe: Sind die Zahlenwerte von Gitterkonstanten prinzipiell eingeschränkt? Falls ja,
durch welche Faktoren?
Hier soll betont werden: der Inhalt der Zelle ist bei diesen Überlegungen vollkommen
irrelevant, er soll sich lediglich durch Translation wiederholen. (Mathematisch gesehen:
ein Gitter besteht nur aus den Gitterpunkten, so dass z.B. der Begriff "NatriumchloridGitter" unsinnig ist!). Insbesondere werden (vorerst!) keine Gedanken über etwaige
Symmetrie des Zellinhalts gemacht; nur Translationssymmetrie wird berücksichtigt.
8
Definiert man die Richtungen von a und b (z.B. in der Papierebene), so könnte c prinzipiell aus dieser
Ebene entweder nach unten oder nach oben zeigen. Die Richtung wird gewählt, um ein rechtshändiges
Achsensystem zu bilden (a Daumen, b Zeigefinger, c Mittelfinger, die man alle senkrecht zueinander hält).
12
Abb. 1.2: Ausschnitt aus einem dreidimensionalen Translationsgitter mit Definitionen der Gitterkonstanten.
Die Wahl der Elementarzelle unterliegt einigen Konventionen; um diese übersichtlicher zu
präsentieren, werden zunächst zweidimensionale Fälle diskutiert (Abb. 1.3; vgl. Aufgabe
2). Die konventionelle Zelle I, mit Basisvektoren a, b, enthält einen Gitterpunkt, d.h. sie ist
primitiv (Abkürzung: P). Zelle II ist auch primitiv und hat somit die gleiche Fläche wie I,
der Winkel zwischen a und b ist jedoch größer. Zelle III enthält zwei Gitterpunkte (ist also
nicht primitiv) und hat somit die doppelte Fläche wie I und II. In der Regel wird ein
primitives, möglichst „unschiefes“ Gitter gewählt (Ausnahme s.u.!).
Abb. 1.3. Allgemeines (schiefes) zweidimensionales Gitter: I ist die konventionsmäßige, II und III andere
mögliche Zellen. Die geringfügige Versetzung von I zeigt, dass die Zelle primitiv ist. Zelle III jedoch enthält
zwei Gitterpunkte.
Ist der Winkel eines zweidimensionalen Gitters 90°, so ist die Symmetrie erhöht (es gibt
z.B. Spiegelebenen; Abb. 1.4). Die Wahl der konventionellen Zelle I verdeutlicht die
Symmetrie. Bei Zellen II, III würde man die wahre Symmetrie verkennen. In Abb. 1.4b
enthält die rechteckige Zelle zwei Gitterpunkte (sie ist zentriert); die alternative Zelle
(rechts) ist primitiv, jedoch wegen Verkennung der vollen Symmetrie nicht konventionsmäßig. In zentrierten Zellen sind die Konstanten u, v, w (Gl. 1) nicht unbedingt nur ganzzahlig (z.B. gilt hier in zwei Dimensionen neben ganzzahligen Werten die Kombination u
= ½, v = ½).
13
(b)
Abb. 1.4: Rechteckige zweidimensionale Gitter. (a): konventionsmäßige Zelle I mit Achsen in den Spiegelebenen; II und III sind (flächenmäßig) gleich groß, entsprechen jedoch nicht den Spiegeln; (b) die Zelle mit
Vektoren a, b ist konventionsmäßig jedoch nicht primitiv, vgl. die Zelle mit Vektoren a', b' – primitiv,
jedoch nicht konventionsmäßig.
Konvention bei der Wahl einer Elementarzelle: es wird eine primitive vor einer zentrierten
Zelle gewählt, es sei denn, das zentrierte Gitter zeige eine höhere Symmetrie als das
primitive.
Auch dreidimensionale Gitter unterliegen analogen Konventionen und können zentriert
sein; es gibt folgende Zentrierungstypen:9
A-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der bc-Fläche (u = 0, v = ½, w = ½ in Gl.1);
B-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der ac-Fläche (u = ½, v = 0, w = ½ in Gl.1);
C-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der ab-Fläche (u = ½, v = ½, w = 0 in Gl.1);
F-zentriert (flächenzentriert): Gitterpunkte in der Mitte aller Flächen;
I-zentriert (innenzentriert): Gitterpunkt in der Mitte der Zelle (im Schnittpunkt der
Raumdiagonalen) (u = ½, v = ½, w = ½ in Gl.1).
Bei A-Zentrierung ist der Zentrierungsvektor (der Vektor vom Ursprung zum
"zusätzlichen" Gitterpunkt) ½(b+c), usw. (Aufgabe: wie sind die entsprechenden Vektoren
bei den anderen Zentrierungen?). Bei zentrierten Gittern umfassen die Gittervektoren dann
alle ganzzahligen Vektoren (bezogen auf u, v, w, wie bei primitiven Gittern), den
Zentrierungsvektor und alle möglichen Kombinationen aus beiden.
9
Der Sonderfall R-zentriert (rhomboedrisch) wird unter Bravais-Fall 8, Abschn. 1.2 kurz diskutiert.
14
1.2 Kristallsysteme, Bravais-Gitter
In drei Dimensionen gibt es 14 grundsätzlich verschiedene Gitter, die sogennanten
Bravais-Gitter (Abb. 1.5). Diese unterscheiden sich durch (i) spezielle Gitterkonstanten
(gleiche Achsenlängen, 90°- oder 120°-Winkel) und (ii) Zentrierungen. Werden die
Zentrierungen vernachlässigt und wird somit nur die geometrische Form der Zelle
berücksichtigt, so bleiben die sieben Kristallsysteme (triklin, monoklin, orthorhombisch,
tetragonal, trigonal, hexagonal, kubisch) übrig (Aufgabe 3).10 Die niedrigeren Symmetrien
sind bei organischen und organometallischen Strukturen wesentlich häufiger; (triklin +
monoklin + orthorhombisch) macht etwa 95% aller solchen Strukturen aus.
Hier folgt eine vollständige Liste der 14 Bravais-Gitter, geordnet nach Kristallsystem in
der ungefähren Reihenfolge "zunehmender Symmetrie" (die Numerierung 1–14 entspricht
der Reihenfolge der Abb. 1.5):
1. Kristallsystem Triklin. Gitterkonstanten: a ≠ b ≠ c, α, β, γ ≠ 90° (also keine speziellen
Werte). Konventionen: a < b < c; α, β, γ entweder alle > 90° oder alle < 90°.11 BravaisGittertypen: nur P (es gibt nur ein triklines Bravais-Gitter, das primitive).
Das Symbol "≠" soll gelesen werden: "muss nicht gleich sein" (kann aber!). Das kann zu
Problemen führen: hat z.B. eine trikline Zelle zwei Winkel von 90.005°, so ist sie
innerhalb der Messfehler (etwa 0.01°) metrisch so gut wie monoklin (s.u.), und man könnte
die falsche Symmetrie annehmen (vgl. Abschn. 2.8).
2, 3. Kristallsystem Monoklin. A ≠ b ≠ c, α = γ = 90°, β ≠ 90°.12 Konventionen: die bAchse ist die Achse, die senkrecht auf die anderen beiden Achsen ist (die sog.
Symmetrieachse, s.u., vgl. Abschn. 1.6), und β > 90°. Es gibt zwei monokline BravaisGittertypen P bzw. C (C-zentriert s. Abb. 1.6). Die Zentrierungen A, I, F sind äquivalent zu
C. Eine B-Zelle kann in eine halb so große P-Zelle umgewandelt werden (s. Aufgabe 18).
(Fortsetzung übernächste Seite!)
10
Manchmal werden die trigonalen und hexagonalen Systeme zur hexagonalen Familie zusammengelegt,
wobei es nur noch sechs "Familien" gibt (das ist etwas moderner und wird sich wahrscheinlich durchsetzen).
Manche Experten wiederum erkennen zwei trigonale Systeme an, wobei es acht Systeme gäbe. Die
Argumente für und gegen diese Betrachtungsweisen sollen uns hier nicht beschäftigen. Die Bravais-Gitter
selbst bleiben dabei unverändert!
11
Bei einer gegebenen triklinen Struktur gibt es eine unendliche Zahl an Möglichkeiten, eine trikline Zelle zu
definieren. Eindeutig ist die Zelle, wenn man die drei kürzesten nicht-koplanaren Gittervektoren nimmt und
diese nach den o.a. Konventionen aufstellt.
12
Äquivalent zum 2D schiefen Gitter deckungsgleich (senkrecht und in gleichen Abständen) auf sich selbst
gestapelt.
15
Abb. 1.5. Die 14 Bravais-Gitter. In Reihen von oben links: triklin, monoklin P, C; orthorhombisch P, C, I, F;
trigonal rhomboedrisch, tetragonal P, I, hexagonal; kubisch P, I, F. Die Symmetriebezeichnungen
[Zentrierung + Lauegruppe (Abschn. 2.8), wie Fm3m für kubisch F] sind der Vollständigkeit halber
angegeben, aber zunächst nicht direkt relevant.
Abb. 1.6. Eine C-zentrierte monokline Struktur, entlang der c-Achse betrachtet. Alle Moleküle liegen in der
gleichen Ebene. Es gibt zwei Gitterpunkte pro Zelle. Wo liegt der C-Zentrierungsvektor?
16
4–7. Kristallsystem Orthorhombisch. A ≠ b ≠ c, α = β = γ = 90° (der "Schuhkarton"!). Es
gibt vier orthorhombische Bravais-Gittertypen P, C (äquivalent zu A und B), I, F.
9,10. Kristallsystem Tetragonal. Konvention: vierzählige Symmetrie || c (a und b bilden
ein Quadrat, vgl. Aufgabe 16). A = b ≠ c, α = β = γ = 90°. Es gibt zwei tetragonale BravaisGittertypen P, I (vgl. Aufgabe 18(iii)).
11. Kristallsystem Hexagonal. A = b ≠ c, α = β = 90°, γ = 120°. Konvention: sechszählige
Symmetrie || c. Bravais-Gittertypen: nur P.13
8. Kristallsystem Trigonal. Trigonal (rhomboedrisch) hat zwei alternative Aufstellungen:
(i, selten verwendet!) wie abgebildet, primitive Zelle, a = b = c, α = β = γ ≠ 90°, oder (ii)
mit hexagonaler Form der Zelle, jedoch Zentrierungstyp R (Zentrierungsvektoren u = ⅔, v
= ⅓, w = ⅓ sowie u = ⅓, v = ⅔, w = ⅔, drei Gitterpunkte pro Zelle). Konvention: bei
Aufstellung (ii) ist die dreizählige Symmetrie || c.
12,13,14. Kristallsystem Kubisch. A = b = c, α = β = γ = 90°. Es gibt drei kubische
Bravais-Gittertypen P, I, F.
In der Grundvorlesung beginnt man im Kapitel "Ionische Strukturen" mit dem kubischen
NaCl-Gitter. Bei solchen hochsymmetrischen Strukturen liegen Atome oft auf
Gitterpunkten (bzw. in den Zellflächen oder entlang der Kanten). Aber:
Bei den meisten Strukturen sind Gitterpunkte nicht durch Atome besetzt.
1.3 Koordinatensystem
Die Lage eines Atoms wird durch Koordinaten x, y, z dargestellt; der Vektor r vom
Ursprung zum Atom ist
r = xa + yb + zc
Gl. 2
Gl. 2 ist die mathematische Definition eines Achsensystems mit Basisvektoren a, b, c. Hier
soll erneut daran erinnert werden, dass (im Gegensatz z.B. zum Quadratpapier) die Achsen
weder gleich lang noch rechtwinkelig zueinander sein müssen (Aufgabe 8).
Aus Gl. 2 folgt: x, y, z sind Bruchteile der jeweiligen Achsen und damit dimensionslose
Zahlen (innerhalb der Zelle gilt 0 ≤ x, y, z ≤ 1).14 Die Addition von ganzen Zahlen
(und/oder einem Zentrierungsvektor) zu den Koordinaten entspricht der Verschiebung
eines Atoms um einen Gittervektor und somit auf ein translationsäquivalentes Gegenstück
13
Trigonale und hexagonale Strukturen sind für Anfänger wegen z.T. (scheinbar?) inkonsistenter bzw.
revidierter Nomenklatur etwas schwierig. Auf eine detaillierte Beschreibung trigonaler, hexagonaler und
kubischer Strukturen (bei Molekülstrukturen alle selten!) wird in diesem Skript verzichtet.
14
(i) vgl. Gl. 1; x, y, z in Gl. 2 sind im Allgemeinen keine ganzen Zahlen! (ii) Man redet oft (salopp) von der
x-Achse statt der a-Achse, usw. Sollte man nicht … (iii) Damit jeder Punkt nur zu einer Zelle gehört, sollte
man genauer definieren: innerhalb der Zelle gilt 0 ≤ x, y, z < 1. Streng genommen wiederholt sich der Punkt
0,0,0 translationssymmetrisch im Punkt 1,0,0, usw. (iv) Die Zelle mit allen Koordinaten zwischen 0 und 1
heißt die Stammzelle, die Basiszelle oder die Referenzzelle.
17
in einer anderen Zelle (bei Werten ±1 in eine Nachbarzelle); der Inhalt aller Zellen ist nach
dem Prinzip aus Abschn. 1.1 gleich.15 Aufgabe: Wie sind die Koordinaten aller Ecken
einer Zelle?
Die Koordinaten sind eine Art dreidimensionales Buchhaltesystem für die Atome. Daraus
lassen sich z.B. molekulare Dimensionen berechnen und Molekülbilder zeichnen. Auch die
Auswirkung verschiedener Symmetrieoperationen (nächster Abschnitt) kann an den
numerischen Werten der Atomkoordinaten erkannt werden.
1.4 Symmetrieelemente und –operationen: (a) Punktsymmetrie 16
Bisher wurde nur kurz und beiläufig erwähnt (vgl. Aufgabe 1), dass Gitter verschiedene
Symmetrien aufweisen; es wurde hauptsächlich die bei Gittern viel wichtigere
Translationssymmetrie diskutiert. Im folgenden diskutieren wir Symmetrieelemente, wie
sie innerhalb der Zelle (zwischen Molekülen, seltener auch innerhalb der Moleküle)
vorkommen.
Definition 1: Symmetrieelemente sind Punkte, Achsen oder Ebenen, an denen
Symmetrieoperationen ausgeführt werden. Symmetrieoperationen sind die formalen
Bewegungen z.B. eines Moleküls an den (bzw. um die) dazugehörigen Symmetrieelementen. Sowohl Symmetrieelemente als auch Symmetrieoperationen werden mit
verwandten Namen sowie den gleichen Symbolen bezeichnet.
Definition 2: Ein Gegenstand (bzw. der in der Strukturchemie häufigere Fall, eine
Gruppe von gleichen Gegenständen) besitzt Symmetrie, wenn die Ausführung der
entsprechenden Symmetrieoperation am Gegenstand (bzw. an der Gruppe) zu einem
"unveränderten" (vom ursprünglichen Zustand ununterscheidbaren) Zustand führt. Gleiche
Gegenstände bedeutet: entweder einfach so oder erst nach Spiegelung bzw. Inversion
gleich;
z.B. Man drehe ein gleichseitiges Dreieck um 120° um seine dreizählige Achse (verläuft
durch den Schwerpunkt, senkrecht auf die Dreiecksfläche).
Definition 3: Ein Symmetrieoperator ist der mathematische Ausdruck einer Symmetrieoperation. Man merke: Kristallographen verwenden die drei Ausdrucke Symmetrieelement, Symmetrieoperation, Symmetrieoperator sehr salopp und verwechseln sie oft
(womöglich auch in diesem Skript!!).
15
Bei zentrierten Zellen gilt die Translationssymmetrie auch bei Verschiebungen entsprechend den
Zentrierungsvektoren, z.B. bei C-Zentrierung der Vektor ½(a+b), vgl. Abb. 1.6; ein Atom auf x, y, z
wiederholt sich nach Translation durch den Zentrierungsvektor bei ½+x, ½+y, z (vgl. Aufgabe 4).
16
Kristallographen verwenden üblicherweise die Hermann-Mauguin-Symbole, sonstige Chemiker die
Schönflies-Symbole, die trotz unterschiedlicher Schreibweise (fast) genau äquivalent sind (Anhang 2).
18
Hier werden alle Symmetrieoperationen vorgestellt, zusammen mit ihrer Wirkung auf die
Stammkoordinaten x, y, z. Punktsymmetrien sind diejenigen, die ein einzelner endlicher
Gegenstand aufweisen kann; die Symmetrieelemente wirken durch mindestens einen
zentralen Punkt (ggf. eine Linie oder Ebene) des Gegenstands.
(i) Inversion. Als Inversion (Symbol i) bezeichnen wir die Koordinatentransformation x, y,
z → –x, –y, –z (über ein Inversionszentrum im Ursprung).17 Nach den o.g. Definitionen:
Das Symmetrieelement ist das Inversionszentrum; es liegt im Ursprung. Die Symmetrieoperation ist die Invertierung (= Inversion) eines Gegenstands im Ursprung. Der
Symmetrieoperator ist –x, –y, –z.
Beim Invertieren wird die Chiralität eines chiralen Gegenstands ebenfalls invertiert (z.B.
rechte Hand → linke). Die Inversion ist eigentlich ein Sonderfall von Typ (iii), s.u. Als
einzige Operation wirkt sie nur durch einen Punkt und nicht über eine Achse oder Fläche.
Aufgabe: Welche folgender Formen besitzen Inversionssymmetrie: Kreis, Ellipse,
Quadrat, gleichseitiges Dreieck, Tetraeder?
(ii) Drehachsen oder echte Drehungen18 (1-, 2-, 3-, 4-, 6-zählig), Symbole 1, 2, 3, 4, 6,
entsprechend einer Drehung von 360/n° um eine bestimmte Achse. Weder die Chiralität
des Gegenstands noch die Koordinate parallel zur Drehachse ändert sich! Drehachse 1 ist
die Identität.
2-zählige Achse entlang c: x, y, z → –x, –y, z. Nach den o.g. Definitionen: Das
Symmetrieelement ist die zweizählige Drehachse; es liegt entlang der c-Achse. Die
Symmetrieoperation ist die zweizählige Drehung, eine Drehung um 180° um die Achse.
Der Symmetrieoperator ist –x, –y, z.
17
Alternativbeschreibung: um den invertierten Punkt zu bekommen, zeichne man eine Linie vom
Ausgangspunkt zum Ursprung und verlängere diese in derselben Richtung um die gleiche Länge (Abb.: vgl.
Aufgabe 5). Synonyme: Symmetriezentrum (schlechter Name!) = Inversionszentrum; Punktspiegelung
(dito!) = Inversion.
18
Echte Drehungen heißen so, weil sie prinzipiell physikalisch durchführbar sind. Unechte Drehungen sind
das nicht; reale Gegenstände lassen sich weder invertieren noch spiegeln!
19
4-zählige Achse entlang c: x, y, z → y, –x, z → –x, –y, z → –y, x, z durch wiederholte
Ausführung des Operators (Abb. 1.7). Man betone: das Vorzeichen der Koordinate parallel
zur Drehachse ändert sich nicht.
Abb. 1.7. Wirkung einer vierzähligen Drehachse. Links werden der Übersichtlichkeit halber nur zwei der vier
Positionen gezeigt. Die Gruppe von vier Händen besitzt als Gesamtgefüge vierzählige Symmetrie. Rechts
bilden die vier Punkte ein Quadrat.
Warnung: Die Beschreibung der Symmetrieoperationen könnte ein dynamisches
Verfahren implizieren; man drehe das Stammolekül um 90° um die vierzählige Achse und
erzeuge dabei die zweite Postion des Vierersatzes. Vielmehr ist es so, dass alle vier
Moleküle als statisches Gefüge bereits da sind; Symmetrie "erzeugt" keine Moleküle!
(iii) Inversionsdrehachsen oder unechte Drehungen (1-, 2-, 3-, 4-, 6-zählig), Symbole n
(gelesen "n-quer"), sind "doppelte" Symmetrieoperationen bestehend aus zwei Schritten:
einer Drehung um 360/n° mit anschließender Invertierung. Als Beispiel eine 4 -Achse ("4quer-Achse") entlang c (doppelt unterstrichene Positionen werden tatsächlich generiert;
4
i
4
andere sind nur "Zwischenstopps"): x, y, z 
→ y, –x, z 
→ –y, x, –z 
→ x, y, –z
i
4
i

→ –x, –y, z 
→ –y, x, z 
→ y, –x, –z.19
Für die Darstellung der 4 -Achse als stereographische Projektion s. Abb. 1.8. Die
Operation 1 ist reine Inversion (warum?),20 2 eine Spiegelung (m, engl. Mirror): x, y, z
19
vgl. Schönflies-Symbol "Sn" für eine Drehspiegelung; x, y, z
4
m

→ y, –x, z → y, –x,–z. Die
Begriffe sind nicht exakt gleich!
20
1 ist Alternativsymbol zu i und wird z.B. beim Raumgruppensymbol P 1 (Abschn. 1.6) verwendet; m
hingegen wird immer statt 2 verwendet. Der Querbalken ist mit MS-Word schwer zu erzeugen; im Skript
wird stellenweise (z.B. Raumgruppentabelle) die inoffizielle Schreibweise (–1), mit Klammern und
Minuszeichen, verwendet.
20
2
i

→ –x, y, –z 
→ x, –y ,z (2-zählige Achse entlang b ergibt nach Inversion eine
Spiegelung in der ac-Ebene).21 Die Operation 3 lässt sich am besten durch eine
stereographische Projektion darstellen (vgl. Aufgabe 9(ii)). Alle Drehinversionen ändern
die Chiralität.
Für den Beweis, dass Gitter keine anderen Symmetrien als zwei-, drei-, vier- und
sechszählig aufweisen können, s. Anhang 1 zu diesem Kapitel.
Abb. 1.8. Stereographische Projektion einer vierzähligen Inversionsdrehachse senkrecht zum Papier
(ausgemalte Kreise verstehen sich oberhalb der Papierebene, offene Kreise im gleichen Abstand unterhalb
der Ebene). In der Projektion bilden die vier Punkte ein Quadrat.
Punktsymmetrieoperationen können miteinander kombiniert werden, um die 32
Punktgruppen zu erzeugen (vgl. Abschn. 1.8, 2.9). Beispiel: Das Benzolmolekül hat eine
sechszählige Achse senkrecht auf eine Spiegelebene (6/m, gelesen "6 über m"; der
Schrägstrich bedeutet, dass sich beide Operationen auf dieselbe Richtung beziehen) sowie
zwei Sätze zusätzlicher Spiegelebenen parallel zur sechszähligen Achse und 30°
voneinander entfernt (vollständiges Punktgruppensymbol 6/mmm). Alle Moleküle gehören
einer der 32 Punktgruppen an – und sei sie nur die 1!
1.5 Symmetrieelemente und –operationen: (b) Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen
Translationen um Gittervektoren sind auch Symmetrieoperationen; der Inhalt aller Zellen
ist gleich, und Gitter sind formal unendlich! Bei den hier vorgestellten Symmetrieelementen werden Translationen um bestimmte Bruchteile der Achsen mit Drehungen und
Spiegelungen kombiniert (es handelt sich, wie bei den unechten Drehungen, um
"Doppeloperationen"). Solche Symmetrien können wegen ihrer Translationsteile nicht von
einzelnen endlichen Gegenständen aufgewiesen werden.
(i) Gleitspiegelebenen (kurz: Gleitspiegel): Symbole a, b, c, n, d. Diese bestehen aus einer
Spiegelung in einer bestimmten Ebene und einer anschließenden Translation (Gleiten) um
21
Vorsicht: wird parallel zu b gespiegelt, so liegt die Spiegelebene senkrecht zu b!
21
einen gegebenen Vektor (oft die Hälfte eines Basisvektors) in derselben Ebene (Abb. 1.9).
z.B. c-Gleitspiegelebene ⊥ b; der entsprechende Operator besteht aus einer Spiegelung in
der ac-Ebene (ac ⊥ b, also Spiegelung in b-Richtung) und anschließender Translation um
c/2
m
c/2 (⊥ b); x, y, z → x, –y, z 
→ x, –y, ½+z (vgl. Aufgabe 11(i)). Das Symbol n
bedeutet (nach der Spiegelung) eine Translation um eine halbe Flächendiagonale (z.B. ½a
+ ½c), d (selten) um ein Viertel der Flächendiagonalen.22 Alle Gleitspiegelungen (wie
Spiegelungen) ändern die Chiralität.
Man merke: (i) Es werden zwei Buchstaben benötigt, um eine Gleitspiegelung zu
definieren; der erste ist die Translations- (Gleit-)richtung und der zweite die Richtung, in
der gespiegelt wird. (ii) Bei der Beschreibung z.B. "c-Gleitspiegelebene senkrecht zu b"
bezieht sich das Wort "senkrecht" auf die Spiegelebene (sowie den Translationsvektor); die
Spiegelung findet parallel zu b statt!
Abb. 1.9a. Gleitspiegelebene bei Ruderern.
Abb. 1.9b. Gleitspiegelebene im Kristall; c-Gleitspiegelebene senkrecht zu b (Spiegelung mit anschließender
Translation; Zwischenstopp als "Geisterbild" dargestellt!). Alle Moleküle liegen in gleicher Höhe (auf die
Papierebene bezogen). Nach einer Gleitspiegelung hat das Molekül die entgegengesetzte Chiralität.
22
Solche Gleitspiegelungen kommen in der Diamantstruktur vor; man redet also von Diamantgleitspiegeln (d
wie Diamant!). In bestimmten hochsymmetrischen Raumgruppen können bei n und d die Translationsvektoren ein Viertel bestimmter Raumdiagonalen sein.
22
Abb. 1.9c. Erweitertes Bild nach wiederholter Ausführung der Gleitspiegelung.
(ii) Schraubenachsen (kurz: Schrauben): Symbole 21, 31, 32, 41, 42, 43, 61, 62, 63, 64, 65
(allg. nm) (gelesen: "zwei-eins" usw.). Diese (Abb. 1.10) bestehen aus einer Drehung von
360/n° um eine Achse (im Uhrzeigersinn, wenn man in die positive Achsenrichtung
schaut, also eine rechtshändige Schraube) und einer anschließenden Translation um einen
Bruchteil (m/n) parallel zur selben Achse. Die bei weitem häufigste Schraube ist die 212
b/2
Schraube; z.B. 21 || b: x, y, z 
→ –x, y, –z 
→ –x, ½+y, –z (vgl. Aufgabe 11(ii)).
Schraubenachsen (wie echte Drehungen) ändern die Chiralität nicht.
Abb. 1.10a. Eine 61-Wendeltreppe (Achsenrichtung nach oben; bei entgegengesetztem Drehsinn 65).
Abb. 1.10b. Eine 31-Schraubenachse parallel zu c (die gebrochenen Bindungen zwischen Molekülen sind HBrücken). Molekülhöhen (bezogen auf die Papierebene) sind unterschiedlich.
23
Abb. 1.10c. Schraubenachsen des Typs 4m, mit m = 1 (a), 2 (b), 3 (c). Die fetten Buchstaben 1-4 stellen die
vier Lagen dar, die durch wiederholte Ausführung der Schraubenoperation entstehen; sollten diese außerhalb
der Stammzelle liegen, so werden auch die translationsäquivalenten Lagen innerhalb der Stammzelle
gekennzeichnet. Die c-Achse beginnt unten; die gepunktete waagerechte Linie liegt bei z = 1. Weitere
Erläuterung s. Text.
Man kann Schraubenachsen statt mit Koordinaten auch mit der definierten Kombination
aus Drehung und Translation beschreiben.23 Die Startposition ist immer Translation 0 und
Drehung 0° oder [0, 0°]. Eine 21-Schraube erzeugt dann die Position [½, 180°]; die
Wiederholung ergibt [1, 360°], translationsäquivalent zur Startposition.
Die Schraubenachsen n1 sind die einfachsten. Etwas komplizierter sind die Fälle mit m > 1,
weil bei wiederholter Durchführung die Translationsanteile >1 sein können. Abb. 1.10c
zeigt den kompletten Satz 4m-Schrauben. Die 41-Schraube ist der Standardfall. Bei der 42Schraube sind die Positionen [0, 0°], [½, 90°], [1, 180°], [1½, 270°]. Die letzten beiden
sind translationsäquivalent zu [0, 180°] sowie [½, 270°], so dass die vier Lagen innerhalb
der Stammzelle paarweise bei je gleichen Translationen liegen. Bei der 43-Schraube
erzeugt man auf ähnliche Weise Positionen, die durch eine linkshändige Schraube
entstünden; 41- und 43-Schrauben sind also enantiomorphe Symmetrieelemente
(Entsprechendes gilt bei 31/32, 61/65, 62/64).
23
Das ist eine rein inoffizielle Schreibweise und in keinem Lehrbuch zu finden!
24
1.6 Raumgruppen
1.6.1 Allgemeines; zentrosymmetrische und nicht-zentrosymmetrische Raumgruppen
Der Begriff Raumgruppe entsteht, wenn man Translations- mit Punktsymmetrieoperationen kombiniert (vgl. Aufgabe 12).
Unter Annahme eines unendlichen Gitters gibt es 230 prinzipiell unterschiedliche
Möglichkeiten,
eine
räumliche
Anordnung
identischer
(deckungsgleicher,
ggf.
invertierter!) Gegenstände über Symmetrieelemente aufzustellen; das sind die 230
Raumgruppen (Tab. 2.4).24 Innerhalb einer Elementarzelle befindet sich im allgemeinen
nicht nur ein Molekül, sondern mehrere über verschiedene Symmetrieelemente verwandte
Moleküle (vgl. Abb. 0.4). Ein Symmetrieelement gilt für eine bestimmte Anordnung von
Gegenständen,
wenn
durch
seine
Ausführung
das
Referenzobjekt
(Molekül!)
deckungsgleich auf ein anderes (oder auf sich selbst) gebracht wird.
Bei der Aufstellung eines Gitters (Abschn. 1.1) kann der Ursprung an einen beliebigen
Punkt der Elementarzelle gesetzt werden; etwaige Symmetrie innerhalb der Zelle wird
nicht berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der Raumgruppensymmetrie(n) innerhalb der
Zelle ist es jedoch sinnvoll und deswegen konventionell, den Ursprung auf bestimmte
Symmetrieelemente bzw. in einem definierten einfachen Abstand (z.B. um ¼ eines
Basisvektors versetzt, s. Abschn. 1.6.4) zu diesen zu setzen.
Man unterscheidet zwischen zentrosymmetrischen Raumgruppen, mit Inversionszentren,25
und
nicht-zentrosymmetrischen
Raumgruppen,
ohne
Inversionszentren.
Bei
zentrosymmetrischen Raumgruppen liegt der Ursprung konventionsmäßig auf einem
Inversionszentrum.
Vorsicht: Zentrosymmetrisch und zentriert (zentrierte Gitter, Abschn. 1.1 & 1.2) sind
ähnliche Wörter, aber völlig unterschiedliche Begriffe!
24
Das große Tabellenwerk International Tables for X-Ray Crystallography, Volume A, fasst alle Symmetrie-
eigenschaften aller Raumgruppen zusammen. Bei den Seminaraufgaben werden wir diese Tabellen
verwenden (ggf. in verkürzter Fassung). Für eine allgemeine Einleitung (in englischer Sprache) zu den dort
verwendenten Formalismen s. Z. Dauter & M. Jaskolski, J. Appl. Cryst. 43, 1150–1171 (2010), auch im
Internet unter http://journals.iucr.org/j/issues/2010/05/02/issconts.html frei zugänglich.
25
Der Unterschied zwischen zentrosymmetrischen und nicht-zentrosymmetrischen Strukturen ist wichtig,
weil man die zwei Typen oft unterschiedlich handhabt (z.B. bei der Strukturlösung, Abschn. 4.4, und bei
einigen Aspekten der Strukturverfeinerung, Abschn. 7.9). Zentrosymmetrische Strukturen sind etwas leichter
zu bearbeiten als nicht-zentrosymmetrische, solange der Ursprung auf einem Inversionszentrum liegt
(warum?).
25
Es gibt 138 nicht-zentrosymmetrische und 92 zentrosymmetrische Raumgruppen;
zentrosymmetrische Strukturen sind aber etwa dreimal häufiger als nichtzentrosymmetrische.
1.6.2 Allgemeine Lagen, asymmetrische Einheit, Multiplizität
Zur Analyse der Symmetrieoperatoren einer typischen Raumgruppe nehmen wir die
häufigste Raumgruppe P21/c (gelesen: "P zwei eins über c").26 Aus dem Namen ist ersichtlich: (i) die Raumgruppe ist primitiv; (ii) es gibt eine 21-Schraubenachse (parallel zu b)
und eine c-Gleitspiegelebene (senkrecht zu b).27 Der Schrägstrich bedeutet, dass sich beide
Operatoren auf dieselbe Richtung beziehen. Die vier konventionellen Operationen sind die
Identität (Referenzobjekt auf x, y, z), Inversion (führt das Referenzobjekt auf ein weiteres
bei –x, –y, –z), c-Gleitspiegelebene (x, ½–y, ½+z), und 21-Schraubenachse (–x, ½+y, ½–z);
vgl. die vier Hände bei Punktgruppe 4, Abb. 1.7. Eine genauere Ableitung wird unten
(Abschn. 1.6.4) angegeben, wobei die scheinbar unpassenden Konstanten von ½ erklärt
werden.
Die Gruppe von Atomen, die das Referenzobjekt (normalerweise das Stammolekül) bildet,
heißt die asymmetrische Einheit.
Die Operatoren (x, y, z usw.) nennt man die allgemeinen Lagen; die entsprechende Zahl
der Operatoren, hier vier, nennt man die Multiplizität.
Die Multiplizität der allgemeinen Lagen versehen wir in diesem Skript mit dem Symbol M.
Für die Raumgruppe P21/c gilt somit M = 4, und es gibt normalerweise vier Moleküle in
der Zelle.
Durch Anwendung der Symmetrieoperatoren an der asymmetrischen Einheit wird der
ganze Zellinhalt erzeugt. Bei kristallographischen Berechnungen geht es üblicherweise
(außer bei Packungsdiagrammen) nur um die asymmetrische Einheit; die Programme
berücksichtigen die anderen Moleküle, die in der Elementarzelle vorhanden sind,
automatisch.
26
Die 230 Raumgruppen haben sehr unterschiedliche Häufigkeiten. Bei organischen Strukturen ist die
häufigste Raumgruppe P21/c (35%), gefolgt von P 1 (23%), P212121 (8.1%), C2/c (7.9%), P21 (5.5%), Pbca
(3.5%), Pna21 (1.4%), Pnma (1.3%), Cc (1.1%) und P1 (1.0%).
27
Warum auf b bezogen? Siehe Abschn. 1.7!
26
1.6.3 Der Z-Wert
Z (= Zähligkeit) ist die Zahl der Moleküle in der Zelle.
Die Standardwerte von Z bei primitiven, zentrosymmetrischen Strukturen sind: triklin 2;
monoklin 4; orthorhombisch 8. Diese Werte werden bei A-, B-, C- sowie I-Zentrierungen
um Faktor 2 größer, bei F-Zentrierung um Faktor 4 größer und bei nichtzentrosymmetrischen Strukturen um Faktor 2 kleiner.28
Man verwendet für die Zahl der Moleküle in der asymmetrischen Einheit das Symbol Z′;
im Normalfall gilt Z′ = 1, und der Z-Wert ist gleich M, der Multiplizität der allgemeinen
Lagen.
Die asymmetrische Einheit muss aber nicht aus einem Molekül (oder Ionenpaar, usw.)
bestehen; sie kann aus mehreren gleichen Molekülen/Spezies bestehen (Z' > 1; Abb. 7.3,
Seminaraufgabe 10), oder aus einem bestimmten Bruchteil eines Moleküls, das auf einem
Symmetrieelement liegt (Z' < 1; Abschn. 1.10). Es gilt dann Z = MZ'.
1.6.4 Deutung von Operatoren; Ableitung der Operatoren für P21/c
Wie erkennt man an der mathematischen Form eines Operators, was er tatsächlich ist? Für
die einfacheren Kristallsysteme (triklin, monoklin, orthorhombisch) gilt: (i) Translationen
ändern kein Vorzeichen von x, y, z (ii) Spiegelungen und Gleitspiegelungen ändern ein
Vorzeichen (iii) Drehungen und Schrauben ändern zwei Vorzeichen (iv) Inversionen
ändern alle drei Vorzeichen.29
Es ist instruktiv, die Operatoren der Raumgruppe P21/c genauer abzuleiten. Die üblichen
Operatoren 21-Schraube entlang b bzw. c-Gleitspiegel senkrecht zu b bewirken zunächst x,
2
c
1
y, z →
–x, ½+y, –z bzw. x, y, z 
→ x, –y, ½+z. Die Kombination 21 und dann c
ergibt (nach erlaubter b-Translation) –x, ½–y, ½–z. Dieser Satz Operatoren
1. x, y, z; 2. –x, ½+y, –z; 3. x, –y, ½+z; 4. –x, ½–y, ½–z
ist aber noch nicht konventionsmäßig, denn das Inversionszentrum liegt nicht auf 0, 0, 0,
sondern auf 0, ¼, ¼ (vgl. Aufgabe 5). Wir verschieben die Operatoren um 0, –¼, –¼, und
bekommen
1. x, –¼+y, –¼+z; 2. –x, ¼+y, –¼–z; 3. x, –¼–y, ¼+z; 4. –x, ¼–y, ¼–z.
28
Die Unterschreitung des erwarteten Werts um Faktor 2 (z.B. orthorhombisch, aber Z = 4) liegt
normalerweise an einem der folgenden Gründe: (i) die Raumgruppe ist nicht-zentrosymmetrisch, so dass die
Multiplizität um Faktor 2 kleiner ist; (ii) das Molekül liegt auf einer speziellen Lage (Abschn. 1.10); (iii) die
wahre Symmetrie ist niedriger als zunächst angenommen (z.B. monoklin mit β ≈ 90° statt orthorhombisch).
29
Bei höheren Symmetrien (tetragonal usw.) können x, y, z untereinander vertauscht werden (z.B. bei einer
4-zähligen Achse y, –x, z), wobei diese Faustregeln nicht mehr allgemein gelten.
27
Setzen wir jetzt y–¼ = Y, z–¼ = Z (damit der Stammoperator x, Y, Z heißt), so erhalten wir
schließlich
1. x, Y, Z; 2. –x, ½+Y, ½–Z; 3. x, ½–Y, ½+Z; 4. –x, –Y, –Z,
die vier konventionellen Operatoren; es ist unwichtig, ob man Groß- oder Kleinbuchstaben
verwendet! Wichtig: die 21-Achse liegt nicht mehr entlang der b-Achse, sondern nur
parallel zu b (verschoben um c/4); der Spiegel der Gleitspiegelebene liegt nicht mehr in
der ac-Ebene, sondern ist um b/4 verschoben.30
1.6.5 Raumgruppen enantiomerenreiner Verbindungen
Eine enantiomerenreine Verbindung kann nur in einer der 65 Raumgruppen ohne unechte
Operationen
(Inversionszentren,
Inversionsdrehachsen,
Spiegel
und
Gleitspiegel)
kristallisieren; die einzigen erlaubten Operationen sind Drehungen und Schrauben (oder
bei Raumgruppe P1 nur die Identität). Im Raumgruppensymbol darf also weder ein
Kleinbuchstabe noch ein n -Symbol stehen.31 Solche Raumgruppen heißen üblicherweise
chiral, obwohl diese Nomenklatur umstritten ist und man sie auch Sohncke-Raumgruppen
nennt.
1.7 Deutung der Raumgruppensymbole
Der erste Buchstabe eines Raumgruppensymbols ist immer ein Großbuchstabe und gibt
den Zentrierungstyp an (zur Erinnerung: P = primitiv = nicht-zentriert).
Triklin: Es gibt nur zwei trikline Raumgruppen. P1 hat keine Symmetrie außer der
Identität.32 P 1 hat Inversionszentren; diese wirken über Punkte, sind nicht auf Achsen
bezogen, und setzen somit keine 90°-Winkel voraus (vgl. monoklin und andere Kristallsysteme, s.u.). Außer bei P 1 stehen in Raumgruppensymbolen die Inversionszentren nie
explizit!
Bei allen Symmetrieelementen, die sich auf Achsen beziehen (also bei allen Kristallsystemen außer triklin), ist es sinnvoll, entsprechende Symmetrierichtungen (Blick-
richtungen, oft gleich den Achsenrichtungen) zu definieren.
30
Bei P21/c als einziger Raumgruppe gibt es eine erlaubte alternative Aufstellung: P21/n (s. Anhang 3 zu
diesem Kapitel).
31
Das entspricht denjenigen Kristallklassen (Abschn. 1.8), deren Symbole nur aus Ziffern bestehen (z.B.
222).
32
... und Translation, die es bei Gittern immer gibt!
28
Monoklin:
Alle Symmetrieelemente/-operationen (außer etwaiger Inversion) beziehen sich auf die bAchse.
Die b-Achse wird damit zur Hauptblickrichtung. Mögliche Operationen sind 2, 21, m,
Gleitspiegelebenen;33 von diesen muss mindestens eine vorhanden sein. Voraussetzung für
diese Operationen ist, dass die Symmetrierichtung auf die anderen beiden Achsen
senkrecht ist. Inversionszentren dürfen auch vorhanden sein (vgl. triklin). Beispiele: (i)
P21/c (s.o.). (ii) C2/c; C-zentriert, zweizählige Achse || b, c-Gleitspiegel ⊥ b.34 Vorsicht:
nicht alle Symmetrieelemente der Raumgruppe müssen explizit im Symbol stehen (z.B.
P21/c enthält Inversionszentren; C2/c enthält 21 -Achsen, Inversionszentren und nGleitspiegelebenen).
Orthorhombisch: Die drei Blickrichtungen sind die a-, b- und c-Achsen in dieser
Reihenfolge. Auf jede Achse muss sich mindestens eine Operation (Typen wie im
monoklinen Fall) beziehen. Z.B. Pca21: c-Gleitspiegel ⊥ a, a-Gleitspiegel ⊥ b, 21Schraube || c.
Tetragonal: Die drei Blickrichtungen sind (i) die c-Achse, (ii) die a- und b-Achsen, (iii)
die Diagonalen a+b, a–b. z.B. P41212: 41-Schraube || c; 21-Schrauben || a und b;
zweizählige Achsen || a+b und a–b. Bei "Fehlanzeige" entfallen die Positionen (ii) und (iii)
(z.B. I 4). Alle tetragonalen Raumgruppen haben in der ersten Blickrichtung ein
vierzähliges Symmetrieelement. 35
Raumgruppen und Blickrichtungen in anderen Kristallsystemen (trigonal, hexagonal,
kubisch) werden hier nicht diskutiert.
Übung s. Aufgabe 13! Achtung: Das Raumgruppensymbol enthält keine expliziten
Informationen (i) über das Kristallsystem (ii) ob die Raumgruppe zentrosymmetrisch ist
oder nicht (außer bei P 1).
33
Im monoklinen System ist nur die c-Gleitspiegelebene konventionsgemäß; unter Umständen kann es
hilfreich sein, die nicht-konventionelle Gleitspiegelebene n zu verwenden. Die a-Gleitspiegelebene, der man
manchmal begegnet, ist im monoklinen System weder konventionell noch hilfreich.
34
(i) Konventionsmäßig werden bei gleicher Blickrichtung Dreh- oder Schraubenachsen vor Gleitspiegel-
ebenen angegeben. (ii) Im monoklinen Fall gibt es formal auch Blickrichtungen parallel zu den a- und cAchsen. Da hier keine Symmetrie außer der Identität sein kann, sind die entsprechenden Angaben "1" und
das volle Raumgruppensymbol ist z.B. P121/c1 statt P21/c. Auf die Einsen wird jedoch üblicherweise (wie in
diesem Skript) verzichtet.
35
Alle trigonalen bzw. hexagonalen Raumgruppen haben in der ersten Blickrichtung einen dreizähligen bzw.
sechszähligen Operator. Ansonsten werden die Raumgruppensymbole der höhersymmetrischen Systeme
(hexagonal, trigonal, kubisch) in diesem Skript nicht diskutiert.
29
1.8 Kristallklassen
Die Kristallklasse (die Punktgruppe entsprechend der Raumgruppe) wird für einige
spezielle Zwecke benötigt. Man bekommt sie, indem man alle Translationsteile der
Symmetrieoperatoren weglässt; dabei werden alle Schraubenachsen zu reinen Drehachsen
und alle Gleitspiegelebenen zu einfachen Spiegelungen. Da auch etwaige Zentrierungen
dabei wegfallen, trifft der erste Buchstabe (P, C, usw.) des Raumgruppensymbols nicht
mehr zu. Beispiele: P21/c gehört zu Kristallklasse 2/m; I 212121 zu 222. In der Raumgruppentabelle (Tab. 2.4) sind die Kristallklassen mit angegeben. Übung s. Aufgabe 21.
Zu einem speziellen Zweck sind Punktgruppen manchmal hilfreich; man muss nach einem
Raumgruppensymbol entscheiden, ob die Raumgruppe zentrosymmetrisch oder nichtzentrosymmetrisch ist. Man kann nach der Punktgruppe schauen, ob sich die Lage x, y, z
durch eine oder mehrere Operationen in –x, –y, –z umwandeln lässt. Falls ja, so ist die
Raumgruppe zentrosymmetrisch; falls nicht, ist sie nicht-zentrosymmetrisch.
1.9 Kristallographische Dichte und die 18-Regel
Kennen wir den Inhalt (Masse) und das Volumen der Elementarzelle, so können wir die
Dichte der Substanz berechnen. Achtung: Einheiten müssen konsistent sein (Aufgabe 14).
Da viele organische Verbindungen eine ähnliche Packungseffizienz (Volumen der Atome /
Volumen der Zelle) haben, und diese von einigen schwereren "Fremdatomen" nicht
signifikant gestört wird, gilt für die meisten organischen Verbindungen und
Metallkomplexe die 18-Regel:
Dividiert man das Zellvolumen in Å3 durch 18, so erhält man die Zahl der Nicht-H-Atome
in der Zelle.
1.10 Spezielle Lagen
Eine allgemeine Lage (Abschn. 1.6) hat Punktsymmetrie 1 ("keine" Symmetrie). Spezielle
Lagen liegen auf Symmetrieelementen (Drehachsen, Inversionsdrehachsen, Spiegeln,
Inversionszentren); sie kommen zustande, wenn zwei oder mehr allgemeine Lagen, eine
davon die Stammlage x, y, z, wegen spezieller Koordinaten (wie 0, ½, K) formal
zusammenschmelzen.
Als Beispiel: P 1, allgemeine Lagen x, y, z und –x, –y, –z; diese sind identisch, wenn jede
Koordinate entweder 0 oder ½ beträgt. Wenn Moleküle diese speziellen Lagen (hier:
Inversionszentren) besetzen, verringert sich Z von 2 auf 1 (Z′ = ½). Liegt ein Atom auf
einer dieser speziellen Lagen, so ist sein Besetzungsfaktor (ansonsten allgemein 1 ≡
vollbesetzt) auf ½ herabgesetzt (Abb. 1.11). 36
36
Je nach Art der speziellen Lage kann der Besetzungsfaktor (in anderen Raumgruppen) andere Bruchteile
als ½ betragen.
30
Nicht alle Raumgruppen habe spezielle Lagen. Als Beispiel: Pc, allgemeine Lagen x, y, z
und x, –y, ½+z. Es gibt keine Koordinaten, bei denen x, y, z ≡ x, –y, ½+z (warum?)
Sind weniger Moleküle in der Zelle vorhanden als die Zahl der allgemeinen Lagen (z.B.
halb so viele, etwa Z = 2 in P21/c; Z′ = ½), so müssen die Moleküle auf speziellen Lagen
liegen; die asymmetrische Einheit besteht aus einem entsprechenden Bruchteil des
Moleküls, z.B. der Hälfte (Aufgabe 15). Ein Beispiel für die Besetzung verschiedener
spezieller Lagen ist [Ph4As]+[Au(CN)4]– CH2Cl2, Raumgruppe Pbcm (M = 8 allgemeine
Lagen), Z = 4; das As-Atom liegt in einer Spiegelebene, das Au-Atom auf einem
Inversionszentrum, das Dichlormethan-C-Atom auf einer zweizähligen Achse (Abb. 1.12).
Abb. 1.11. Oben: Aus einem [AuCl2] –-Ion wird über das Inversionszentrum i das symmetrieäquivalente Ion (Atomnamen mit Strichen) erzeugt. Alle Atome liegen allgemein (Besetzungsfaktor =
1). Unten: Das Au-Atom eines [AuCl2] –-Ions liegt auf einem Inversionszentrum. Aus dem Chloratom
Cl1 wird Cl1' erzeugt. Da Cl1 allgemein liegt, muss der Besetzungsfaktor des Goldatoms 0.5
betragen, um die Stöichiometrie aufrechtzuerhalten. Wie ist der Winkel Cl1–Au–Cl1'?
Abb. 1.12. [Ph4As]+ [Au(CN)4] – CH2Cl2, eine Struktur mit spezieller Symmetrie aller drei Reste (s.
Text). Nur die asymmetrische Einheit ist
Spiegelebene?
ie viele . Durch welche Atome das Kations verläuft die
31
Umgekehrt ist es aber nicht der Fall, dass ein Molekül mit Punktsymmetrie höher als 1 auf
einer speziellen Lage mit derselben Symmetrie liegen muss; es kann ganz allgemein oder
auf einer speziellen Lage mit niedrigerer Symmetrie liegen (z.B. Benzol hat als isoliertes
Molekül Punktsymmetrie 6/mmm, kristallisiert aber "nur" auf Inversionszentren – wobei
die sogenannte nicht-kristallographische Symmetrie innerhalb der Messfehler exakt
6/mmm ist).
1.11 Ebenenscharen, Miller'sche Indizes
Diese Hilfskonstruktion wurde entwickelt, um die Morphologie (die äußere Form;
Synonym: der Habitus, Abschn. 5.2) von Kristallen zu beschreiben (Abb. 1.13b);
heutzutage verwenden wir sie öfter, um die Folgen der Röntgenbeugung an Einkristallen
zu beschreiben.
Eine beliebige Ebene schneide die Achsen der Elementarzelle (Abb. 1.13a) bei a/h, b/k,
c/l. Diese Ebene kann durch die Miller'schen Indizes (oder Miller-Indizes) h, k, l definiert
werden und heißt eine Miller-Ebene (oder Netzebene). Die drei Indizes werden einfach
hintereinander geschrieben (bei zweistelligen Zahlen mit Trennkommata).
Es sind für kristallographische Zwecke nur ganzzahlige Werte der Miller-Indizes wichtig;
diese sollen auch teilerfremd sein, d.h. z.B. die Kombination (630) ist ungültig und wird
als (210) angegeben.37 Der senkrechte Abstand der Ebene zum Ursprung beträgt d (nicht
abgebildet; kann aus den Gitterkonstanten berechnet werden) mit entsprechendem Vektor
d. Parallel zur Stammebene hkl verläuft eine ganze Ebenenschar hkl,38 jeweils mit gleichen
Abständen d zueinander; es gibt immer eine Ebene der Schar, die durch den Ursprung
verläuft (warum?), aber die Stammebene tut das nicht! Je höher die Indizes sind, desto
kleiner werden die Abstände d.
Ist ein Miller-Index gleich Null, so wird die entsprechende Achse von der Ebene nicht
geschnitten, sondern liegt in der Ebene. Negative Miller-Indizes werden mit einem
Querbalken geschrieben (z.B. 3 statt –3; nicht mit 3 -Achsen usw. verwechseln!); die
Achse wird in der negativen Richtung geschnitten (z.B. bei Index 3 wird die Achse bei –⅓
geschnitten; vgl. Aufgabe 17).
37
Um die Flächen eines Kristalls zu beschreiben, dürfen die Indizes keine gemeinsamen Faktoren enthalten.
Zu diesem Zweck werden sie mit runden Klammern angegeben; maximale (Absolut-)Werte liegen etwa bei
3. Für die Beschreibung des Beugungsbildes (Reflexe entstehen durch Beugung an den Miller-Ebenen; Kap.
2, 6) entfällt die Einschränkung "teilerfremd" (vgl. Abschnitt 2.4), und die Indizes werden ohne Klammern
angegeben; maximale Indizes sind dann in etwa gleich der entsprechenden Achsenlänge in Å (oder knapp
darüber); s. Aufgabe 20.
38
Vorsucht: ohne Zusammenhang ist es ggf. nicht klar, ob sich hkl auf die Stammebene (häufiger) oder die
ganze Ebenenschar (seltener) bezieht!
32
Kristallflächen bekommen die Miller-Indizes der Miller-Ebene zugeordnet, zu der sie
parallel sind. Eine Kristallfläche mit negativen Miller-Indizes hkl liegt exakt gegenüber
seinem positiven Gegenpart hkl.
Abb. 1.13a. Miller'sche Indizes. Links: eine Ebene schneidet die Kristallachsen. Rechts: Indizes
verschiedener Ebenen in einem kubischen System. Vorsicht: der Ursprung ist je nach Bild an
unterschiedlicher Stelle!
Abb. 1.13b. Indexierte Flächen des Minerals Pucherit (hintere Flächen nicht dargestellt).
1.12 Umorientierung
Für viele Raumgruppen gibt es im Symbol eine konventionelle Reihenfolge der
Symmetrieelemente, z.B. heißt die orthorhombische Raumgruppe mit zwei zweizähligen
Achsen und einer 21-Schraubenachse P2221 und nicht etwa P2212; die Schraubenachse soll
konventionsmäßig parallel zur c-Achse sein. Ein weiteres Beispiel: Wir haben eine
primitive monokline Zelle, bei der wir die Raumgruppe als P21/a bestimmen, so dass wir
die a- und c-Achsen vertauschen müssen, um zur konventionsmäßigen Raumgruppe P21/c
zu gelangen. Es kommt oft vor, dass eine zuerst gewählte Zelle umorientiert werden muss
(d.h. ihre Achsen werden vertauscht oder vektoriell kombiniert), um die konventionelle
Aufstellung zu erreichen.
Nehmen wir das o.g. Beispiel, P21/a → P21/c. Schreiben wir die neuen Achsen der P21/cZelle groß (A, B, C), so ist die Umorientierung
A = 0a + 0b + 1c
B = 0a + 1b + 0c
C = 1a + 0b + 0c
33
Diese Verhältnisse können auch als Matrixgleichung zusammengefasst werden:
 A 0 0 1  a 
  
 
 B  =  0 1 0 b  ,
 C   1 0 0  c 
  
 
wo die 3×3-Matrix die Umorientierungsmatrix ist.39
Die ausmultiplizierte Determinante einer Umorientierungsmatrix ist das Verhältnis der
Zellvolumina (neue Zelle zu alter Zelle; hier nicht bewiesen) und muss positiv sein, sonst
hat man ein linkshändiges Achsensystem erzeugt (verboten!). Hier ist die Determinante
tatsächlich gleich –1 (wie immer beim Vertauschen zweier Achsen). Somit müssen wir
auch die Richtung von B ändern (warum ändert dieses die Winkel nicht?) gemäß
B = 0a –1b +0c
0 0 1


mit Matrix  0 − 1 0  (Det = +1). Die Miller-Indizes müssen auch transformiert werden,
1 0 0


wenn sich das Achsensystem ändert; es gilt dieselbe Matrix. Übungen s. Aufgaben 18, 19.
39
Für beide Orientierungen sollte der Ursprung gleich bleiben, was sich oft automatisch ergibt.
34
Anhang 1 zu Kap. 1: Warum gibt es keine fünfzähligen Gitter?
In der Abb. 1.14 liegen die benachbarten Gitterpunkte A und B in derselben Gitterzeile.
Der Repetierabstand AB beträgt t. Es gelten senkrecht zum Papier durch jeden Gitterpunkt
n-zählige Drehachsen. Durch Drehung um A (im Uhrzeigersinn) werden Gitterpunkte
äquivalent zu B erzeugt; der vorletzte von diesen (bevor der Punkt B als letzter wieder
erreicht wird) sei B'. Analog werden durch Drehung um B (im Uhrzeigersinn) Gitterpunkte
äquivalent zu A erzeugt; der erste von diesen sei A'. Um einen Teil eines Gitters zu bilden,
müssen die vier Punkte A, B, A', B' so liegen, dass der Abstand A'B' ein ganzes Vielfaches
des Repetierabstands t ist, d.h.
A'B' = mt = t – 2t cos δ = t (1–2 cos δ)
cos δ = (1–m)/2
oder
wo m eine ganze Zahl ist. Da aber
–1 ≤ cos δ ≤ 1
gilt
–2 ≤ (1–m) ≤ 2
Mögliche Werte von n sind also nur 1, 2, 3, 4 oder 6 (s. Tabelle).
Bei der sechszähligen Achse fallen A' und B' zusammen. Bei der vierzähligen Achse ist
AB = A'B', und ein quadratisches Gitter entsteht. Bei der zweizähligen Achse sind A, B, A'
und B' kollinear! Aufgabe: Was passiert bei n = 3? Zeichnen Sie eine entsprechende
Skizze, von drei kollinearen Gitterpunkten ausgehend.
Abb. 1.14. Aus den Gitterpunkten A und B werden durch Drehung B' bzw. A' erzeugt (s. Text).
Tabelle 1.1. Mögliche Drehachsen bei Kristallgittern
1–m
cos δ
δ (°)
n =360/δ
A'B'
–2
–1
0
+1
+2
–1
–½
0
+½
+1
180
±120
±90
±60
0 oder 360
2
3
4
6
1
3AB
2AB
AB
0
AB
35
Anhang 2 zu Kap. 1:
Symmetriesymbole nach den Schoenflies- und Hermann-Maugin-Systemen
Oft werden die Großbuchstaben schräggeschrieben.
Nicht alle Symmetrien der ersten Tabelle sind RSA-relevant!
36
2. Röntgenbeugung an Atomen und Kristallen
2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung
(Zur apparativen Aufbau eines typischen Röntgenexperiments s. auch Kap. 6).
In einem Röntgengenerator wird in einer unter Hochvakuum abgeschmolzenen Röntgenröhre (Abb. 2.1, oben) ein fein fokussierter Elektronenstrahl durch eine Hochspannung (ca.
50 kV) von der geheizten Kathode auf die Anode, eine reine Metallplatte (Mo oder Cu),
gelenkt. Hierbei wird ca. 2-3kW Wärme frei, es muss also gekühlt werden. Im Metall wird
die kinetische Energie der Elektronen in Strahlung umgesetzt. Erstens wird durch Abbremsung die Bremsstrahlung (kontinuierlicher Wellenlängenbereich) erzeugt. Zweitens
werden Elektronen z.B. aus der K-Schale herausgeschlagen; der instabile Zustand relaxiert
durch den Sprung eines Elektrons aus einer höheren Schale (z.B. L) in die K-Lücke.
Hierdurch wird die zu unseren Zwecken wichtige charakteristische Röntgenstrahlung mit
scharf definierter Wellenlänge emittiert. Diese Kα-Strahlung besteht aus einem Dublett
Kα1 / Kα2 (Spin-Bahn-Kopplung!).40 Aus dem Sprung M→K entsteht die Kβ-Strahlung,
die bei der Strukturanalyse nicht verwendet wird. Das Spektrum der emittierten
Wellenlängen ist in Abb. 2.1 (unten) zu sehen.
Wellenlängen (Å) für die am häufigsten verwendeten Strahlungsarten (Kα1 / Kα2 /
gewichteter Mittelwert, der für alle Berechnungen verwendet wird) sind: Cu 1.54051 /
1.54433 / 1.54184; Mo 0.70926 / 0.71354 / 0.71073 (vgl. Abschn. 6.6).
Die Röntgen werden in alle Richtungen ausgestrahlt, gelangen jedoch nur durch das BeFenster nach außen. Um die unerwünschten Wellenlängen zu entfernen, verwendet man
entweder (i) eine Zr-Folie als Filter (absorbiert Kβ-Strahlung von Mo sehr stark, denn
diese Energie reicht exakt aus, um innere Elektronen aus dem Zr freizusetzen) oder,
häufiger, (ii) einen Monochromator aus Graphit, eine große Einkristallplatte in definierter
Orientierung, um durch Interferenzeffekte nur die Kα-Strahlung in das Messgerät zu
lenken. Methode (ii) liefert wesentlich besser monochromatisierte Strahlung, aber auf
Kosten der Intensität. Durch einen Kollimator wird der Röntgenstrahl (Primärstrahl) mit
einem Durchmesser von etwa 0.3 – 0.8 mm auf den Kristall gelenkt.
Die Mikroquelle ist eine moderne Entwicklungen der Röntgenröhre und kann sehr hohe
Intensitäten liefern. Die Methode beruht darauf, dass der limitierende Faktor der
konventionellen Röhre die Wegleitung der Wärme (ca. 2-3 kW) ist. Hat man einen
kleineren Brennfleck auf der Anode (etwa 50 µm statt einiger mm) so kann dieser besser
gekühlt werden, so dass ein intensiverer Elektronstrahl verwendet werden kann. Die ersten
Versuche waren zu instabil; inzwischen hat man die Methode besser im Griff. Kombiniert
40
Der Kα1-Anteil ist etwa zweimal so stark wie Kα2 (Abb. 2.1b).
37
mit neuen Röntgenspiegeln (Multischichten), die den Röntgenstrahl ohne Monochromator
auf den Kristall lenken, führt das zu eine Intensitätserhöhung um Faktor etwa 100. Der
kleinere Fleck erzeugt nur ca. 50 W Wärme und kann luftgekühlt werden. Nachteil ist der
kleine Durchmesser des Strahls (ca. 0.1–0.2 mm), so dass nur kleine Kristalle geeignet sind
(aber gerade diese profitieren von der höheren Intensität).
Abb. 2.1. Aspekte der Röntgenerzeugung. Links, Röntgenröhre; rechts, Röntgenspektrum.
Trotz seiner relativ geringen Leistung von einigen Watt ist der Primärstrahl gefährlich,
besonders bei längeren Wellenlängen. Auch die Streustrahlung kann auf Dauer die
Gesundheit gefährden.
2.2 Beugungswinkel, Atomare Streufaktoren
Vorsicht: In den Abschnitten 2.2 sowie 2.5 diskutieren wir Streufaktoren f und Strukturfaktoren F. Die Wörter und Symbole sind leicht zu verwechseln!
Röntgen sind eine Art elektromagnetischer Strahlung; bewegliche Elektronen in Kristallen
erzeugen ein sich veränderndes elektrisches Feld;
auf dieser Basis gehen Röntgen und Elektronen eine Wechselwirkung ein, die der
Röntgenbeugung zugrunde liegt. Die Röntgenstrukturanalyse liefert daher ein Bild der
Elektronendichte und somit der Atompositionen.
Alle Atome senden Röntgenquanten aus, und es entsteht dabei das Beugungsbild
(Interferenzbild; Abb. 0.2). Wegen der dreidimensionalen Periodizität eines Einkristalls
besteht sein Beugungsbild aus scharfen Maxima (Reflexen);
jeder Reflex entsteht durch Beugung an einer bestimmten Ebenenschar (hkl) und wird
somit mit deren Miller'schen Indizes hkl (ohne Klammern, ggf. mit Trennkommata)
gekennzeichnet.
Beim typischen Röntgenexperiment (Kap. 6) werden etwa 1000–500000 solche Reflexe
gemessen (Intensität und Lage).
Der Beugungswinkel 2θ (Abb. 2.2) eines bestimmten gebeugten Strahls wird definiert als
der Winkel zwischen gebeugtem Strahl und Primärstrahl (Maximalwert 180°!).
38
Abb. 2.2. Definition des Beugungswinkels 2θ.
Das Streuvermögen (Atomarer Streufaktor oder Formfaktor f ) einiger Atomtypen ist in
Abb. 2.3 als Funktion von θ – eigentlich bezogen auf (sin θ)/λ – dargestellt. Die f -Kurven
sind unter Annahme kugelförmiger Atome aus atomaren Wellenfunktionen berechenbar;
sie sind normiert relativ zum Streuvermögen eines einzelnen Elektrons.
Abb. 2.3. Atomare Streufaktoren (λ = Wellenlänge) unter Annahme kugelförmiger Atome – ist das realistisch?
Aus der Abb. 2.3 ist einiges ersichtlich:
(i) Bei 2θ = 0° 41 ist f gleich der Ordnungszahl
(bei neutralen Atomen);42 Schweratome streuen also gut, Wasserstoffatome schwach (da
die Intensitäten mit den quadrierten Werten von f zusammenhängen (s.u.), sind die
41
42
Experimentell nicht realisierbar - warum ?
Abb. 2.3 macht deutlich, dass (strenggenommen) bei Ionen die Elektronenzahl (und nicht die
Kernladungszahl) als Basis für den Streufaktor gilt. Trotzdem verwendet man in der Regel die für neutrale
Atome gültigen Streufaktoren; nach Paulings Elektroneutralitätsprinzip sind tatsächliche Ladungen i.A.
kleiner als theoretische, und die Kurven für Neutralatome und Ionen desselben Elements unterscheiden sich
signifikant nur bei niedrigem Beugungswinkel.
39
Wasserstoffbeträge zum Beugungsbild sehr gering). (ii) Weil die Dimensionen der
Elektronenhülle eines Atoms vergleichbar mit der Wellenlänge der Röntgenstrahlung sind,
wird f bei zunehmendem 2θ kleiner;43 bei hohem Beugungswinkel nehmen also Röntgenintensitäten ab (vgl. Abb. 0.2). (iii) Die Form der f -Kurven ist für verschiedene Atomtypen
ähnlich, jedoch unterschiedlich. (iv) Die Streufaktoren sind skalare Größen.
2.3 Das Bragg'sche Gesetz 44
Der Beugungswinkel 2θ eines Reflexes hkl ist gegeben durch
2d hkl sin θ = nλ
Gl. 3
(Abb. 2.4); d hkl ist der senkrechte Abstand zwischen benachbarten Ebenen der Schar (hkl),
bzw. vom Ursprung zur Stammebene. In der Praxis können wir die Zahl n gleich 1 setzen,
weil der Fall n = 2 für hkl equivalent ist zu n = 1 für 2h, 2k, 2l.45 Obwohl 2θ alleine die
Lage eines Reflexes im Beugungsbild nicht vollständig bestimmt (die Orientierung des
Kristalls muss auch bekannt sein), ist das Bragg'sche Gesetz ein Spezialfall des Prinzips,
dass die Gitterkonstanten – und Kristallorientierung – die Lage eines Reflexes bestimmen;
denn d hkl ist eine berechenbare Funktion der Gitterkonstanten. Die Intensität eines
Reflexes wird durch den Zellinhalt (d.h. die eigentliche Molekülstruktur) bestimmt.
Abb. 2.4. Bragg’sches Gesetz. Bei konstruktiver Interferenz muss der Gangunterschied ∆ ein ganzzahliges
Vielfaches der Wellenlänge λ betragen. Wo genau liegt der eigentliche Beugungswinkel 2θ?
Es gibt ein reziprokes Verhältnis zwischen sin θ und d: sin θ = λ / 2d hkl . Bei größeren
Indizes hkl werden (bei gegebenem λ) die Abstände d kleiner (Abschn. 1.10); somit
werden die θ-Werte wiederum größer. Reflexe mit höheren Indizes liegen also bei höheren
Beugungswinkeln; maximal erreichbare Indizes werden durch den maximalen 2θ-Winkel
180° limitiert (vgl. Aufgabe 20).
43
Bei Punktatomen bliebe f gegenüber (sin θ)/λ in etwa konstant (vgl. Abschn. 4.2). Diesen Effekt sieht man
bei der Neutronenbeugung (die Kerne gehen Wechselwirkungen mit den Neutronen ein, sind aber im
Vergleich zur Neutronenwellenlänge verschwindend klein).
44
Das Bragg'sche Gesetz (oder Bragg'sche Gleichung) ist eine der vier Gleichungen, die auswendig gelernt
werden sollten. Die anderen sind: die Strukturfaktorgleichung (Abschn. 2.5); die Sayre-Gleichung (4.3); und
die Definition des R-Werts (7.2).
45
vgl. Beispiel aus Abschn. 1.11: 630 ist die 3. Ordnung von 210.
40
2.4 Der Strukturfaktor und die Strukturfaktorgleichung
2.4.1 Komplexe Zahlen
Es sei zunächst an einige Eigenschaften von Komplexen Zahlen der allgemeinen Form (a +
ib) erinnert, die eine imaginäre Komponente basierend auf i ( − 1 ) enthalten. Komplexe
Zahlen werden in der Gauß'schen Zahlenebene beschrieben; die reelle Achse ist
waagerecht und die imaginäre Achse senkrecht. Eine alternative Darstellung als Exponent
p exp (iq) bedeutet p(cos q + i sin q); die Zahl hat Betrag p und Winkel q (Bogenmaß, 2π
entspricht 360°), wobei der Nullpunkt der Winkelskala die positive reelle Achse ist und der
Winkel gegen Uhrzeigersinn von dort aus gemessen wird.
Spezielle Werte: exp (0) = exp(2πi) = 1; exp(πi/2) = i; exp (πi) = –1; exp(3πi/2) = –i.
Periodizität: exp (iq) = exp (iq + 2nπ) bei ganzzahligem n. Drehung von Vektoren:
Multipliziert man eine komplexe Kahl mit exp (iκ) (κ = Konstante), so dreht sich der
Vektor um einen Winkel κ gegen Uhrzeigersinn.
Zu einer komplexen Zahl K = (a + ib) gibt es eine komplex konjugierte Zahl K* = (a – ib).
Der Betrag der komplexen Zahl K (die Länge des entsprechenden Vektors in der
Gauß'schen Zahlenebene) ist |K|; |K|2 = KK*.
2.4.2 Der Strukturfaktor
Jedes Atom einer Struktur funktioniert als Streuquelle und übt dabei seine Streukraft f
(Abschn. 2.2) aus. Obwohl die Streufaktoren skalare Größen sind, sind die atomaren
Beiträge zu einem Reflex Vektoren; sie addieren sich vektoriell, wobei die jeweiligen
Richtungen eine Funktion der Atomlagen sind. Der Betrag (die Länge) eines solchen
einzelnen Vektors ist der Streufaktor f; es muss noch bestimmt werden, in welcher
Richtung der Vektor zeigt (s. u.).
Die zentrale Größe bei der Röntgenstrukturanalyse ist der Strukturfaktor Fhkl (ein Vektor).
Erstens ist (für jeden Reflex hkl) der quadrierte Betrag von F proportional zur gemessenen
Intensität I:46
|F|2 = FF* ∝ I
Gl. 4
und |F| somit zugänglich (die Proportionalitätskonstante ist prinzipiell berechenbar47).
Zweitens ist F die Vektorsumme aller atomaren Streubeiträge (Abb. 2.5a). Es gilt die
Strukturfaktorgleichung (Gl. 5), die hier ohne Ableitung vorgestellt wird:
Fhkl =
∑
fj exp [2πi(hxj + kyj + lzj)]
Gl. 5
j
Man summiert über alle j Atome in der Zelle,48 mit jeweiligen Streufaktoren fj und
Koordinaten xj, yj, zj.49
46
Bei Wellen ist die Intensität proportional zum Quadrat der Amplitude.
47
Wir können die Intensitäten so skalieren, dass|F|2 = I.
41
Der Exponent aus Gl. 5 entspricht mathematisch einer Drehung in der Gauß'schen
Zahlenebene und versieht somit die einzelnen Streufaktoren fj, die ansonsten skalare
Größen sind, mit jeweils einer Richtung.
Aus Gl. 5 geht hervor, dass alle Atome zu jedem Reflex beitragen. Auch wenn man sich
für nur einen Teil der Struktur (z.B. für einen kationischen Metallkomplex, aber nicht für
das Gegenanion) interessiert, muss man das ganze Beugungsbild messen.
Folgende Argumentationsweisen sollen helfen, die Form der Strukturfaktorgleichung zu
verstehen. Falls ein Atom in einer Ebene der Schar hkl liegt, so ist die Richtung seines
Streubeitrags zu Fhkl definiert als 0° (parallel zur positiven reellen Achse in der
Gauß’schen Zahlenebene). Als Gedankenexperiment verschieben wir dieses Atom
allmählich auf die nächste Ebene der Schar; die Richtung seines Streubeitrags dreht sich
dabei um 360° (Bogenmaß 2π).
Liegen alle Atome in den Ebenen hkl, so streuen sie alle in Phase (positive Interferenz)
und erzeugen einen Reflex hkl mit hoher Intensität und Richtung 0°; liegen alle Atome
versetzt um d/2 (Abb. 4.2), so ist die Intensität gleich hoch, die Richtung ist aber 180° (π)
(Aufgabe 28). Eine willkürlichere Atomverteilung mit z.T. negativer Interferenz führt zu
einer niedrigeren Intensität. Die Menge 2π(hxj + kyj + lzj) ist ein Maß für die relative
Versetzung eines Atoms aus den Ebenen hkl [in einer Dimension 2πaxj/(a/h); Anhang 1,
Aufgabe 29] und soll berücksichtigen, dass die streuenden Atome im allgemeinen nicht in
den Miller-Ebenen hkl liegen.
Abb. 2.5. (a) Links: Strukturfaktor als Summe einzelner atomarer Beiträge. Die einzelnen Winkel φ n ergeben
sich aus den Exponenten der Gl. 5 (vgl. Aufgabe 29). (b) Rechts: Darstellung eines Strukturfaktors F in der
Gauß’schen Zahlenebene (r = reelle, i = imaginäre Achse); vgl. Gl. 6-8. F muss nicht im ersten Quadranten
liegen (vgl. Aufgabe 27!).
48
d.h. die asymmetrische Einheit sowie alle symmetrieerzeugten Atome. Bei der normalen Handhabung sieht
man nur die asymmetrische Einheit, das Programmsystem berücksichtigt automatisch die Symmetrie.
49
Die Summe ist als Fourier-Serie (Summe von Wellen) zu erkennen; vgl. Anhang 2.
42
Der Strukturfaktor lässt sich als Summe von Real- und Imaginärteil darstellen (Abb. 2.5b):
Fhkl = Ahkl + iBhkl
wobei
Ahkl =
∑
Gl. 6
fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)]
Gl. 7
fj sin [2π (hxj + kyj + lzj)]
Gl. 8
j
und
Bhkl =
∑
j
Da F ein Vektor ist, hat er auch eine Richtung, gegeben durch den Phasenwinkel (kurz:
Phase) φ:
φhkl = arctan (Bhkl /Ahkl)
Gl. 9
Die Phase ist die Richtung des Strukturfaktors F in der Gauß’schen Zahlenebene.
Nullpunkt (0°) ist die positive reelle Achse; der Winkel wird von dort aus gegen
Uhrzeigersinn definiert.
Alle Phasen zwischen 0° und 360° (2π) sind prinzipiell möglich. Einschränkung:
Die Phasen einer zentrosymmetrischen Struktur betragen 0° oder 180° (π) 50, d.h. der
Strukturfaktor ist eine positive bzw. eine negative reelle Zahl, vorausgesetzt, der
Ursprung liegt auf einem Inversionszentrum.
Spezialfall |F000|: dieser Strukturfaktor kann nicht gemessen werden, denn die Ebenen
(000) existieren nicht, ist aber gleich der Gesamtzahl der Elektronen in der Zelle und hat
Phase 0°. |F000| heißt so, weil man ihn bekäme, wenn man in der Strukturfaktorgleichung h
= k = l = 0 setzte. Er ist der größtmögliche Strukturfaktor, so dass |Fhkl| ≤ |F000| für alle hkl;
bei |Fhkl| = |F000| müssten für Fhkl alle Atome der Zelle positive Interferenz miteinander
eingehen, was extrem selten passiert (vgl. Aufgabe 28).
Wir können Gl.5 umdrehen, so dass die Elektronendichte ρ (Einheiten: e Å–3) als eine
Funktion aller Strukturfaktoren gegeben wird:
ρ(x, y, z) = (1/V)
∑
Fhkl exp [–2πi(hx + ky + lz)]
Gl. 10
hkl
(summiert für alle hkl) wobei V das Volumen der Elementarzelle ist.51 Diese Funktion hat
deutliche Maxima dort, wo die Atome sind. Somit scheint eine Strukturbestimmung sehr
einfach zu sein; wir messen die Intensitäten Ihkl (Messmethoden s.u.), berechnen Fhkl und
50
Beweis: Man teile den Zellinhalt in zwei Hälften; Hälfte 1 sei die Stammatome auf x, y, z und Hälfte 2 die
inversionsäquivalenten Atome auf –x, –y, –z. Gleichung 6 wird dann zu Fhkl = [Ahkl + iBhkl (Hälfte 1)] + [Ahkl
+ iBhkl (Hälfte 2)] = {Σ fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)] + iΣ fj sin [2π (hxj + kyj + lzj)]} + {Σ fj cos [2π (–hxj – kyj –
lzj)] + iΣ fj sin [2π (–hxj – kyj – lzj)]} (alles über Hälfte 1 summiert).
Bei der Sinusfunktion gilt aber sin(–x) = –sin(x), so dass der imaginäre Teil verschwindet;
Fhkl = 2{Σ fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)} (ebenfalls über Hälfte 1 summiert). Bleibt nur der reelle Teil, so liegt der
Strukturfaktor in der Gauß'schen Zahlenebene waagerecht, die Phase ist 0° oder 180°.
51
Man braucht den Faktor 1/V wegen der Einheiten; Elektronendichte e Å–3, Strukturfaktoren e.
43
anschließend mit Gl. 10 die Elektronendichte (d.h. die Atomlagen). Leider ist es nicht ganz
so einfach.
2.5 Das Phasenproblem
Aus den Intensitäten Ihkl können wir Fhkl nicht berechnen, sondern nur die Beträge |Fhkl|.
Das Phasenproblem lautet: Die Phasen φ sind experimentell nicht zugänglich!
Um die Atomlagen mit Gl. 10 zu berechnen, brauchen wir jedoch die Phasen. Somit bleibt
Gl. 10 vorerst völlig wertlos! Wir werden aber sehen (Kap. 3 & 4), dass sich das Phasenproblem im allgemeinen lösen lässt.52
2.6 Das Reziproke Gitter
Es kommt oft vor (s.u.), dass man viele Reflexe gleichzeitig graphisch darstellen will.
Verwendet man alle Miller-Ebenen (Abschn. 1.11) explizit, so wird das Gesamtbild sehr
schnell unübersichtlich (vgl. Aufgabe 17). Als Alternative könnte man die Reflexe durch
die Vektoren dhkl (oder deren Endpunkte in der jeweiligen Miller-Ebene) darstellen. Diese
liegen allerdings (bei positiven Indizes) alle innerhalb der Elementarzelle (warum?), wobei
das Gesamtbild, viele Vektoren auf engem Raum, ebenfalls unübersichtlich ist. Es ist
besser, die reziproken Vektoren dhkl* (Betrag 1/dhkl, in derselben Richtung wie dhkl) zu
verwenden (vgl. Aufgabe 26). Die Endpunkte der Vektoren dhkl*, und somit auch die
Reflexe hkl, bilden ein Gitter (hier nicht bewiesen!), das reziproke Gitter (Reziprok =
Kehrwert).53 Die reziproken Achsen sind a*, b*, c*.
Reziproke Gitterkonstanten (und andere reziproke Größen) werden mit einem Sternchen *
gekennzeichnet. (Nicht mit dem Sternchen bei komplex konjugierten Zahlen verwechseln!)
Bei orthogonalen direkten54 Achsen a, b, c sind im reziproken Gitter die reziproken
Achsenlängen a* = 1/a usw.; die Einheiten sind Å–1; außerdem sind die direkten und
reziproken Achsen kollinear (Abb. 2.6). Bei nicht-orthogonalen Achsen sind die
Zusammenhänge zwischen direkten und reziproken Achsen komplizierter (Tab. 2.1,
Angaben ohne Beweise!), und die direkten und reziproken Achsen sind im allgemeinen
nicht kollinear (es gilt: a* ist senkrecht auf die bc-Fläche, usw.).
52
Manche sehr einfache Struktur lässt sich mit der "Trial-and-Error"-Methode lösen (vgl. Aufgabe 30).
53
Beim Bragg'schen Gesetz wurde bereits auf die Reziprozität zwischen sin θ und d hingewiesen.
54
Die direkten Gitterkonstanten sind die "normalen", im Gegensatz zu den reziproken, Gitterkonstanten.
44
Im reziproken Raum liefern die reziproken Achsen die Basisvektoren a*, b*, c* eines
Koordinatensystems für die Vektoren h (Abb. 2.7), wobei die Miller-Indizes h, k, l die
entsprechenden Koordinaten sind (vgl. Abschn. 1.3); der Vektor h 55 zu einem allgemeinen
reziproken Gitterpunkt hkl ist gegeben durch
h = ha* + kb* + lc*
Die reziproken Achsen beginnen im Ursprung des RG und enden in den reziproken
Gitterpunkten 100, 010, 001; diese stellen somit die entsprechenden Miller-Ebenen sowie
Reflexe dar.
Abb. 2.6. Direkte und reziproke Achsen einer rechtwinkligen Zelle (a = 10, b, c = 5 Å; a* = 0.1, b*, c* = 0.2
Å–1). In dieser Abb. Sind die Maßstäbe der direkten bzw. reziproken Zellen unabhängig voneinander!
Im reziproken Gitter haben nur ganzzahlige Koordinaten h, k, l (die reziproken
Gitterpunkte, nicht die Strecken dazwischen) einen physikalischen Sinn.56
Man kann das reziproke Gitter in zweidimensionale Schichten (Abb. 2.7) aufteilen; eine
Schicht ist ein Satz reziproker Gitterpunkte mit einem konstanten Index.
Wir verstehen jeden Punkt hkl des RG als stellvertretend für den Reflex hkl. Das RG
bedeutet also oft nicht mehr als "der volle Satz der Reflexe hkl", den man als Gitter
darstellen kann. Versieht man jeden reziproken Gitterpunkt mit einem ausgemalten Kreis,
dessen Fläche proportional zur Intensität des Reflexes hkl ist, so bekommt man das
Beugungsmuster als reziprokes Gitter dargestellt (Abb. 2.8). Übungen s. Aufgaben 23
(benötigt Abschn. 1.10), 26.
Man verwendet das RG auch, um Beugungsexperimente mit kristallographischen Messgeräten (Kap. 6) zu steuern.
55
Das Symbol h ist unglücklich gewählt, denn h (Vektor) ist eine Funktion von h, k und l (Indizes)!
56
Vgl. Definition Miller-Ebenen!
45
Abb. 2.7. Reziprokes Gitter (unterschiedliche Maße zum reziproken Gitter der Abb. 2.6), hier aufgeteilt in
Schichten senkrecht zur langen reziproken Achse c* (kurze direkte c-Achse ergibt lange reziproke c*Achse!). Nur der Bereich mit positiven Indizes ist dargestellt (auch negative Indizes sind möglich!).
Aufgabe: Zeichnen Sie die reziproke Zelle ein, die als Basis für das Gitter dient.
Abb 2.8. Darstellung gemessener Intensitäten als reziprokes Gitter. Schicht h0l aus dem reziproken Gitter
einer monoklinen Struktur. Ursprung und Achsenrichtungen sind eingezeichnet. Man kann die Indizes h und
l als Koordinaten ablesen, um festzustellen, wo ein Reflex liegt und (entsprechend der Punktgröße) wie stark
er ist. Die Kreise entsprechen bestimmten Beugungswinkeln und sind (hier) nicht wichtig.
46
Tab. 2.1. Direkte und reziproke Gitterkonstanten
bc sin α
V
V = 1/V* = abc√(1 – cos2α – cos2β – cos2γ
b * c * sin α *
V*
V* = 1/V =a*b*c*√(1 – cos2α* – cos2β* –
+2 cos α cos β cos γ)
cos2γ* +2 cos α* cos β* cos γ*)
a* =
cos α* =
a=
cos β cos γ − cos α
sin β sin γ
sin α* = V/(abc sin β sin γ)
cos α =
cos β * cos γ * − cos α *
sin β * sin γ *
sin α = V*/(a*b*c* sin β* sin γ*)
Notizen: (i) Andere Werte ergeben sich durch symmetrische Permutationen von a, b, c bzw. α, β, γ. (ii) Diese
Formeln beziehen sich auf ein triklines System und werden bei höherer Symmetrie wesentlich einfacher.
Aufgabe: Beweisen Sie aus den Formeln, dass für eine monokline Zelle V = abc sin β.
2.7 Symmetrie des Beugungsmusters (i): Das Friedel'sche Gesetz
Das Friedel'sche Gesetz besagt, dass das Beugungsbild – auch bei nicht-
zentrosymmetrischen Strukturen – immer zentrosymmetrisch ist:
I(hkl) = I( hkl )
Gl. 11 57
Die Reflexe hkl und hkl bilden ein Friedelpaar. Nach den Definitionen (Gl. 6–8, 4) gilt
F(–h) = F*(h)
I(h) ∝ F(h)F*(h) = F(h)F(–h)
I(–h) ∝ F(–h)F*(–h) = F(–h)F(h),
so dass die Intensitäten I(h) und I(–h) gleich sind. Abb. 2.9 zeigt dieses Ergebnis
graphisch; die reellen Teile A der entsprechenden Strukturfaktoren F sind gleich, die
imaginären Teile B haben gleiche Beträge, aber entgegengesetzte Vorzeichen.
Abb. 2.9. Strukturfaktoren eines Friedelpaares (r reelle Achse, i imaginäre Achse). Handelt es sich um eine
zentrosymmetrische oder eine nicht-zentrosymmetrische Struktur?!
57
(hkl) und ( hkl ) sind dieselben Ebenenscharen (Aufgabe 17)! Die entsprechenden Reflexe kommen durch
Beugung an gegenüberliegenden Seiten der Ebenen zustande.
47
2.8 Symmetrie des Beugungsmusters (ii): Laue-Gruppen und äquivalente Reflexe
Intuitiv erwartet man, die Symmetrie eines Beugungsmusters wäre mit der Symmetrie der
Raumgruppe verwandt. Man kann zeigen, dass sie gleich der Kristallklasse (Abschn. 1.8)
ist, ergänzt durch ein Inversionszentrum (falls dieses nicht bereits vorhanden ist;
Friedel'sches Gesetz!). Es gibt nur 11 unterschiedliche Symmetrien, die Laue-Symmetrien
(Laue-Gruppen). Etwaige Zentrierungen spielen keine Rolle.
Reflexe, die durch die Laue-Symmetrie gleiche Intensität haben müssen, heißen äquivalent
(Tab. 2.2).58
Triklin: Laue-Gruppe 1 gilt für beide trikline Raumgruppen; I(hkl) = I( hkl ) entsprechend
dem Friedel'schen Gesetz.
Monoklin: Laue-Gruppe 2/m (Symmetrieachse: b*) gilt für alle monoklinen Raumgruppen.
Im monoklinen Fall gilt also I(hkl) = I(h k l) = I( h k l ) = I( hkl ) (vgl. Punktsymmetrieoperatoren, Abschn. 1.4).
Orthorhombisch: Laue-Gruppe mmm (Abkürzung von 2/m 2/m 2/m) gilt für alle ortho-
rhombischen Raumgruppen. Äquivalente Reflexe s. Tab. 2.2.
Tetragonal: (a) ohne Symmetrieelemente bezogen auf x, y: Laue-Gruppe 4/m; (b) mit
solchen Symmetrieelementen: 4/mmm. Die Z-Standardwerte (vgl. Abschn. 1.6) sind 8 bzw.
16. Äquivalente Reflexe s. Tab. 2.2.
[Hexagonal: 6/m und 6/mmm; Trigonal: 3 und 3 m;59 Kubisch: m3 und m3m].
Übungen s. Aufgaben 21, 22!
Tab. 2.2 Äquivalente Reflexe nach Laue-Gruppe
Lauegruppe
Kristallsystem
Äquivalente Reflexe zu hkl; zu ergänzen durch
Anwendung des Friedel'schen Gesetzes hkl ≡ hkl .
1
2/m
triklin
keine
monoklin
hk l
mmm
orthorhombisch
h kl, h k l, hk l
4/m
4/mmm
3
tetragonal
tetragonal
trigonal
k h l, h k l, k hl
Wie 4/m, aber die ersten zwei Indizes sind vertauschbar
kil, ihl [i = – (h+k)]
3 m1
trigonal
3 1m
6/m
6/mmm
trigonal
kil, ihl, hi l , ik l , kh l
kil, ihl, hil, ikl, khl
hexagonal
hexagonal
m3
kubisch
m3m
kubisch
hk l , kil, ki l , ihl, ih l
Wie 6/m, aber die ersten zwei Indizes sind vertauschbar
(i) alle zyklischen Permutationen (ii) alle Permutationen
von Vorzeichen
Wie m3, aber auch nicht-zyklische Permutationen
58
Äquivalente Reflexe müssen allerdings nicht gleiche Phasen besitzen! – vgl. Aufgabe 37.
59
3 m hat strenggenommen zwei Varianten, 3 1m und 3 m1 (für Anfänger nicht so wichtig!)
48
Der volle Reflexsatz muss also nicht unbedingt gemessen werden, nur der unabhängige
Teil (moderne Röntgengeräte messen sowieso einen vollen Satz; die Mittelung
äquivalenter Reflexe verbessert die Genauigkeit).
Ist die Lauegruppe korrekt zugeordnet worden, so sollten die vermeintlich äquivalenten
Reflexe in etwa (Messfehler!) gleiche Intensitäten aufweisen. Ein Maß hierfür ist R (int)
(vgl. Aufgabe 40):
R (int) = Σ | I – 〈 I 〉 | / Σ I
Dabei ist 〈 I 〉 die mittlere Intensität über einen Satz äquivalenter Reflexe, und die
Summation gilt für alle solchen Sätze (Reflexe ohne Äquivalente werden nicht berücksichtigt). Beim R (int)-Wert gilt: je kleiner, desto besser. Ein kleiner Wert (etwa < 0.05)
deutet in der Regel auf eine korrekte Laue-Gruppe hin (wobei bei passenden
Gitterkonstanten eine höhere Symmetrie nicht ausgeschlossen ist); bei falscher (z.B. zu
hoher) Symmetrie liegt R (int) wesentlich höher (etwa 0.3 – 0.7).60
2.9 Auslöschungen
Die Bestimmung der korrekten Raumgruppe ist eine absolute Vorbedingung für eine
erfolgreiche Strukturbestimmung. Im allgemeinen bestimmt man zuerst das Kristallsystem
anhand der Gitterkonstanten und dann (falls notwendig) die Laue-Gruppe mittels der
äquivalenten Reflexe. Stellt man so fest, eine Struktur ist triklin, so gibt es nur zwei
mögliche Raumgruppen, und man könnte beide testen, um die richtige zu finden.61 Hat
man hingegen eine orthorhombische Struktur, so wird bei etwa 50 orthorhombischen
Raumgruppen die Zuordnung nach Zufallsprinzip wahrscheinlich nicht gelingen.
Die Zuordnung der Raumgruppe innerhalb der Laue-Gruppe erfolgt auf Basis der
systematischen Auslöschungen. Bestimmte Symmetrieelemente bewirken, dass ganze
Reflexklassen systematisch ausgelöscht sind (keine Intensität besitzen):
Gitterzentrierungen, Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen führen zu systematischen
Auslöschungen. Dreh- und Inversionsdrehachsen (einschl. Inversion, Spiegelung) führen
zu keinen Auslöschungen.
60
Als Beispiel: Eine Struktur sei monoklin mit β = 90.01° (also von 90° praktisch ununterscheidbar). Über
die äquivalenten Reflexe (Tab. 2.3) wird R (int) = 0.04 ermittelt. Für die zu niedrigere trikline Symmetrie ist
R (int) mit 0.035 noch gut, denn im triklinen wie im monoklinen Fall gilt mindestens I(hkl) = I( hkl )
(warum?). Nimmt man hingegen die falsche (zu hohe) orthorhombische Symmetrie an, so ist wider Erwarten
z.B. I(hkl) ≠ I( h kl), – diese müssten bei orthorhombisch äquivalent sein – und R (int) wird sehr hoch (vgl.
Aufgabe 40).
61
Beginnend mit P1 , der Raumgruppe höherer Symmetrie (warum?).
49
Als Beispiel nehmen wir eine 21-Schraubenachse || b, bei der es zu jedem Atom x, y, z auch
eines mit –x, ½+y, –z gibt. Für dieses Paar gleicher Atome gilt für die Reflexe 0k0 nach der
Strukturfaktorgleichung:
F0k0 = f {exp 2π iky + exp [2π ik(½+y)]} = f {exp 2π iky + [exp π ik exp 2π iky]}.
Bei ungeradem k gilt exp π ik = –1; die zwei Terme heben sich auf, F = 0. Es sind also alle
Reflexe 0k0 mit ungeradem k ausgelöscht.
Tab. 2.3 fasst alle Auslöschungen zusammen. Anfänger haben die meisten Probleme mit
den Auslöschungen der Gleitspiegelebenen. Dazu gibt es einfache Regeln:
(i) Die Position der Null entspricht der Achse, zu der die Gleitspiegelebene senkrecht ist.
(ii) Der ausgelöschte Index entspricht der Translationsrichtung der Gleitspiegelebene.
z.B. 0kl fehlt bei ungeradem k ⇒ b-Gleitspiegelebene ⊥ a.
Ist mein Glas halb voll oder halb leer?! – Man kann die Auslöschungsbedingungen
entweder wie in der Tab. 2.3 ausdrücken (Reflex fehlt bei ungeradem Index) oder, wie bei
den International Tables for X-Ray Crystallography, Reflex ist nur bei geradem Index da.
Anhand der beobachteten Auslöschungen kann in vielen Fällen die Raumgruppe eindeutig
bestimmt werden; z.B. monoklin, {0k0 fehlt bei ungeradem k, h0l bei ungeradem (h+l)}
bedeutet P21/n.62 Ansonsten wird die Wahl auf zwei bis maximal vier Raumgruppen
eingeschränkt.63 Man sucht Symmetrieelemente in der Reihenfolge: zentrierte Gitter
(Wirkung auf alle Reflexe), dann Gleitspiegelebenen (Reflexe mit einem Null-Index), dann
Schraubenachsen (Reflexe mit zwei Null-Indizes) (warum diese Reihenfolge? – vgl.
Aufgabe 24 & Seminaraufgabe 4).
62
In der Abb. 2.8 ist eine solche Auslöschung {n-Gleitspiegelebene, h0l fehlt bei ungeradem (h+l)} zu
erkennen; die ungeraden Diagonalen parallel zu den Hauptdiagonalen h = l und h = –l weisen keine
signifikante Intensität auf.
63
Es bleiben einige Möglichkeiten, aus diesen die korrekte Raumgruppe zu finden: (i) statistische Tests
(Abschn. 4.1); (ii) Enantiomerenreinheit oder racemische Natur der Probe (soweit bekannt); (iii) Analyse der
Harker-Vektoren (Kap. 3); (iv) Trial-and-Error, beginnend mit der höchstsymmetrischen Raumgruppe!
50
Tab. 2.3. Systematische Auslöschungen
Symmetrieelement:
Achse
Gitterzentrierungen:
A-zentriertes Gitter
B-zentriertes Gitter
C-zentriertes Gitter
F-zentriertes Gitter
Reflexe
Bedingung, dass der Reflex fehlt
("n" bedeutet eine ganze Zahl)
hkl
hkl
hkl
hkl
k + l = 2n + 1 [d. h. k + l ungerade!]
h + l = 2n + 1
h + k = 2n + 1
k + l = 2n + 1 oder h + l = 2n + 1 oder h + k = 2n
+ 1, d. h. h, k, l gehören nicht zu ggg oder uuu
h + k + l = 2n + 1
I-zentriertes Gitter
Gleitspiegelebenen:
Translation:
a/2 (a-Gleitspiegelebene)
senkrecht
auf *
c
hk0
b/2 (b-Gleitspiegelebene)
(a+b)/2 (n-Gleitspiegelebene)
(a+b)/4 (d-Gleitspiegelebene)
c
c
c
hk0
hk0
hk0
Schraubenachsen:
parallel
zu *
c
21-, 42- oder 63-Schraubenachse **
31-, 32-, 62- oder 64-Schraubenachse
41- oder 43-Schraubenachse
61- oder 65-Schraubenachse
hkl
c
c
00l
00l
00l
c
00l
h = 2n + 1 (analog: senkrecht auf a, b betrifft 0kl
bzw. h0l, dann auch c-Gleitspiegel möglich)
k = 2n + 1
h + k = 2n + 1
h + k = 4n + 1, 4n + 2, 4n + 3 (d. h. nicht durch 4
teilbar)
l = 2n + 1 (analog: parallel zu a, b)
l = 3n + 1, 3n + 2 (d. h. nicht durch 3 teilbar)
l = 4n + 1, 4n + 2, 4n + 3 (d. h. nicht durch 4
teilbar)
l = 6n + 1, 6n + 2, 6n + 3, 6n + 4, 6n + 5 (d. h.
nicht durch 6 teilbar)
* Bei Gleitspiegelebenen sowie Schraubenachsen beziehen sich die Definitionen auf die c-Achse; bei
anderen Richtungen permutiere man die Indizes!
** 3-, 4- bzw. 6-zählige Schraubenachsen kommen nur in trigonalen, tetragonalen bzw. hexagonalen (ggf.
auch kubischen) Strukturen vor und sind somit selten.
51
Tab. 2.4. Die 230 Raumgruppen
Triklin
alle Laue (–1)
Kristallklasse
(Punktsymm.)
1
(–1)
monoklin
2
P2
P21
C2
alle Laue 2/m
m
Pm
Cm
Cc
2/m
P2/m
Pc
P21/m
C2/m
P2/c
P21/c
C2/c
222
P222
P2221
P212121
C2221
C222
F222
I 222
P21212
I 212121
mm2
Pmm2
Pmc21
Pcc2
Pma2
Pca21
Pnc2
Pmn21
Pba2
Pna21
Pnn2
Cmm2
Cmc21
Ccc2
Fdd2
Pmmm
Pmna
Pmmn
Cmmm
Immm
Amm2
Imm2
Pnnn
Pcca
Pbcn
Cccm
Ibam
Abm2
Iba2
Pccm
Pbam
Pbca
Cmma
Ibca
Ama2
Ima2
Pban
Pccn
Pnma
Ccca
Imma
Aba2
Fmm2
Pmma
Pbcm
Cmcm
Fmmm
Pnna
Pnnm
Cmca
Fddd
P41
I (–4)
P42/m
P42
P43
I4
I 41
P4/n
P42/n
I 4/m
I 41/a
P4222
P42212
Kristallsystem
orthorhombisch
alle Laue mmm
mmm
RAUMP1
P(–1)
4
P4
(–4)
P(–4)
Laue 4/m
4/m
P4/m
Laue 4/mmm
422
tetragonal
GRUPPEN
P4212
P43212
P4122
P41212
P4322
I 422
I 4122
P4mm
P4bm
P42cm
P42nm
P4cc
P4nc
P42mc
P42bc
I 4mm
I 4cm
I 41md
I 41cd
(–4)2m
P(–4)2m
P(–4)2c
P(–4)21m
P(–4)21c
P(–4)m2
P(–4)c2
4/mmm
P(–4)b2
P4/mmm
P(–4)n2
P4/mcc
P4/nmm
P4/ncc
I (–4)m2
P4/nbm
P42/mmc
I (–4)c2
P4/nnc
P42/mcm
I (–4)2m
P4/mbm
P42/nbc
I (–4)2d
P4/mnc
P42/nnm
P42/mbc
P42/mnm
P42/nmc
P42/ncm
I4/mmm
I4/mcm
I 41/amd
I 41/acd
4mm
P422
trigonal
3
P3
R3
(–3)
P(–3)
P31
R(–3)
P32
Laue (–3)
Laue (–3)m
32
P312
P321
P3112
P3121
P3212
P3221
3m
(–3)m
R32
P31m
P(–3)1m
P31c
P(–3)1c
P3m1
P(–3)m1
P3c1
P(–3)c1
R3 m
R(–3)m
R3 c
R(–3)c
P61
P62
P63
P64
P65
P6522
P63cm
P6222
P63mc
P6422
P6322
6
P6
(–6)
P(–6)
Laue 6/m
6/m
P6/m
P63/m
Laue 6/mmm
622
P622
P6122
hexagonal
kubisch
6mm
P6mm
P6cc
(–6)m2
P(–6)m2
P(–6)c2
6/mmm
P6/mmm
P6/mcc
P(–6)2m
P63/mcm
P(–6)2c
P63/mmc
23
P23
F23
I 23
P213
I 213
m(–3)
Pm(–3)
Ia(–3)
Pn(–3)
Fm(–3)
Fd(–3)
Im(–3)
Pa(–3)
F432
F4132
I432
P4332
I(–4)3m
Pm(–3)n
Im(–3)m
P(–4)3n
Pn(–3)m
Ia(–3)d
F(–4)3c
Fm(–3)m
I(–4)3d
Fm(–3)c
Laue m3
Laue m3m
432
(–4)3m
m(–3)m
P432
P4232
P4132
I4132
P(–4)3m
Pm(–3)m
Fd(–3)m
F(–4)3m
Pn(–3)n
Fd(–3)c
52
Anhang 1 zu Kap. 2: Phasenverschiebungen zwischen streuenden Atomen
In Abb. 2.4a streuen Atome erst dann in Phase miteinander, wenn sie exakt in denselben
Ebenen hkl liegen. Ansonsten gibt es eine Phasenverschiebung, die den Bereich 0° zu 360°
(Bogenmaß 0 bis 2π) durchläuft, wie sich die Versetzung aus der Ebene von 0 bis d ändert.
In Abb. 2.10 sieht man eine Struktur, die aus zwei Atomsorten besteht; Atom 1 im
Ursprung (auf den Gitterpunkten; der Ursprung liegt in jeder Ebenenschar!) und Atom 2
mit Koordinaten x2, y2 (in zwei Dimensionen dargestellt).
Abb. 2.10. Zweidimensionale Struktur mit zwei Atomen.
Für den Reflex hkl streuen alle Atome 1 in Phase; entsprechendes gilt für Atome 2, für die
jedoch die Streuwelle durch die räumliche Versetzung x2, y2 "ihres" Translationsgitters
phasenverschoben ist; die Verschiebung ist abhängig vom Abstand des Atoms 2 von der
Netzebene hkl.
Abb. 2.11 zeigt die Achsenabschnitte der Netzebene hk0 bezogen auf die Gitterkonstanten
a und b. Der Gang von einer Ebene der Schar zur nächsten entspricht einem
Phasenunterschied von 0 bis 2π.
Abb. 2.11. Berechnung der Phasenverschiebung zwischen Atomsorten 1 und 2.
Wir können die Phasenverschiebung φ in zwei axiale Komponenten aufteilen und nach
dem Dreisatz ausrechnen, weil die Verhältnisse (Gangunterschied : Ebenenabstand) und
(Phasenverschiebung : 2π) gleich sind:
53
∆φ(a)/ 2π = xa/(a/h) oder ∆φ(a) = 2πhx; analog gilt ∆φ(b) = 2πky
φ = ∆φ(a) + ∆φ(b) = 2π(hx + ky)
In drei Dimensionen gilt: φ = ∆φ(a) + ∆φ(b) + ∆φ(c) = 2π(hx + ky + lz).
Das Prinzip lässt sich für eine beliebige Atomzahl verallgemeinern, und es muss kein
Atom auf dem Ursprung liegen; dieses war nur eine Hilfskonstruktion.
Anhang 2 zu Kap. 2: Elektronendichte als Fouriersummation von Strukturfaktoren
Wir nehmen ein sehr einfaches Beispiel, eine eindimensionale, zentrosymmetrische
Struktur mit nur zwei Atomen in der Zelle, und zwar bei 1/3 und 2/3. Wir summieren nur
die Reflexe 0
64
(|F|=2, Phase 0°), 1 (|F|=1, Phase 180°), 2 (|F|=1, Phase 180°) und 3
(|F|=2, Phase 0°) und bekommen starke Maxima in der Elektronendichte an den erwarteten
Stellen. Die zusätzlichen falschen Maxima (bei 0 und 1) und Minima (bei 1/6, 1/2, 5/6)
verschwinden allmählich, wenn man immer mehr Reflexe berücksichtigt.
Abb. 2.12: Fouriertransformation mit bekannten Phasen.
64
|F0|: vgl. |F000|, Abschn. 2.5.2.
54
Anhang 3 zu Kap. 2: Die Raumgruppe(n) P21/c und P21/n 65
Für den Anfänger ist es verwirrend, das gerade bei der häufigsten Raumgruppe zwei
verschiedene Aufstellungen (Achsensysteme) erlaubt sind. Die offizielle Aufstellung (laut
"International Tables") ist P21/c; warum lässt man P21/n noch zu?!
Der Sachverhalt wird in der Abb. 2.13, einer Projektion entlang der b-Achse (die senkrecht
auf die ac-Ebene steht), veranschaulicht. Oben mit durchgezogenen Linien sieht man die
P21/c-Zelle, mit Achsen a und c, sowie eine benachbarte Zelle (unten); die
Translationskomponente der Gleitspiegelebene ist in dieser Zelle c/2. Für die Aufstellung
in P21/n, mit Achsen a' und c' (Letzteres in der Abb. gestrichelt), ist dieselbe Translation
die halbe Diagonale, also (a' + c')/2. Nach einer halb-offiziellen Konvention verwendet
man die Zelle, deren β-Winkel näher an 90° liegt (in diesem Fall die erste Zelle, doch in
P21/c; manchmal hat aber die P21/n-Zelle den kleineren β-Winkel). Verständnisfragen: (i)
Sind die Achsen a und a' gleich lang? (ii) Sind die Achsen c und c' gleich lang? (iii)
Welche Umorientierungsmatrix wandelt die zweite Zelle in die erste um?
Eine analoge Argumentationsweise gilt, falls die erste Zelle der Raumgruppe P21/n
entspricht; dann ist die Translationskomponente der Gleitspiegelebene die halbe
Diagonale, (a + c)/2. In der zweiten Zelle ist dieselbe Translation die Hälfte der c'-Achse,
so dass die Raumgruppe P21/c ist.
Abb. 2.13: Zwei Aufstellungen "derselben" Raumgruppe: P21/c (Achsen a und c) bzw. P21/n (Achsen a' und c'),
beide projiziert entlang der b-Achse.
65
Eine zweite inoffizielle Beschreibung betrifft monokline C-zentrierte Raumgruppen, für die eine
Alternativbeschreibung als I-zentriert toleriert wird, wenn der β-Winkel näher an 90° liegt. So wird z.B. die
offizielle Aufstellung C2/c zu I2/a. Über diesen Brauch scheiden sich die Geister! Der Autor dieses Skripts
hat mit P21/n keine Probleme, bei I2/a sieht er aber rot (ein inkonsistenter moralischer Standpunkt!).
55
Zusammenfassung Kap. 1 & 2
Kristallstrukturen
•
Kristallstrukturen bestehen aus Elementarzellen, alle mit gleichem Inhalt
•
Die Elementarzelle wiederholt sich unendlich durch Translation in allen drei Achsenrichtungen
•
Es gibt 7 Kristallsysteme mit 14 verschiedenen Gittergeometrien (den Bravais-Gittern)
•
3D-Koordinaten (Einheiten: Bruchteile der Achsenlängen) definieren die Lage eines Atoms in der Zelle
Symmetrie
•
Ein Gegenstand (bzw. eine Gruppe von gleichen Gegenständen) besitzt Symmetrie, wenn die
Ausführung der entsprechenden Operation zu einem "unveränderten" Zustand führt
•
Einzelne Moleküle weisen Punktsymmetrien (echte und unechte Drehungen) auf
•
Schraubenachsen bzw. Gleitspiegelebenen sind "Doppeloperationen" Drehung + Translation bzw.
Spiegelung + Translation
Raumgruppen
•
Verteilung von Molekülen in einer Zelle: Stammolekül (asymmetrische Einheit), aus dem weitere durch
Symmetrieoperationen generiert werden
•
Die 230 prinzipiell unterschiedlichen Symmetrieanordnungen heißen Raumgruppen
Röntgenbeugung
•
Die Streukraft eines Atoms ist proportional zu Z und nimmt mit zunehmendem 2θ ab
•
Die Beugung findet an Miller-Ebenen hkl statt und führt zu Intensitätsmaxima, den Reflexen hkl
•
Die Vektorsumme aller atomaren Streubeiträge zu einem Reflex hkl ist der Strukturfaktor Fhkl
•
Der Betrag von Fhkl ist proportional zur Quadratwurzel der Intensität Ihkl
•
Strukturfaktoren Fhkl ⇔ Elektronendichte ρ durch Fourier-Transformation
•
Phasenproblem: Phasen von F sind nicht direkt zugänglich
Reziprokes Gitter
•
Das Reziproke Gitter ist eine Darstellung der Reflexe als Gitter
•
Bei rechtwinkeligen Systemen sind die reziproken Achsen die Kehrwerte der direkten Achsen
•
Die 11 verschiedenen reziproken Gittersymmetrien heißen Lauegruppen
•
Die Lauesymmetrie bestimmt, welche Reflexe äquivalent sind (gleiche Intensität haben)
Auslöschungen
•
Gitterzentrierungen, Gleitspiegelebenen und
Schraubenachsen führen dazu, dass bestimmte
Reflexklassen Intensität Null haben. Durch Analyse dieser Auslöschungen bestimmt man die
Raumgruppe
56
Testfrage zum Verständnis der Symmetrielehre – Kapitel 1 & 2
Das bei weitem häufigste Kristallssytem ist das monokline. Aus diesem Grunde ist es
sinnvoll (sowohl für den praktischen Alltag als auch für Klausuren), sich mit der
monoklinen Symmetrie vertraut zu machen, z.B. schiefe Achsensysteme, konventionsmäßige Gitterkonstanten, Zellvolumen, Blickrichtung, reziproke Zelle, Z-Wert, LaueSymmetrie.
Die monokline Raumgruppe P2/c hat folgende allgemeine Lagen: x, y, z; –x, –y, –z;
–x, y, ½–z; x, –y, ½+z. Bei einer Struktur in dieser Raumgruppe wird die Zelle mit a =
10.000, b = 8.000, c = 5.000 Å, β = 60.00° angegeben.
(i) Ist die Struktur zentrosymmetrisch?
(ii) Ist die Struktur zentriert?
(iii) Welchen Symmetrieelementen entsprechen die angegebenen Lagen, und wo liegen
diese Symmetrieelemente? Welches Symmetrieelement (außer der Identität) erscheint
nicht im Raumgruppensymbol?
(iv) Was passiert, wenn man den Operatoren –x, y, ½–z und anschließend den Operator x,
–y, ½+z ausführt?
(v) In dieser Raumgruppe gibt es zwei Arten spezieller Lage. Welche Arten sind das, und
wo liegen diese? (je eine Lage angeben)
(vi) Wie ist in dieser Raumgruppe der normale Z-Wert? Wie würde sich dieser ändern,
wenn das Molekül auf einer speziellen Lage läge?
(vii) Welche andere monokline Raumgruppe hat die gleichen systematischen
Auslöschungen? Monokline Raumgruppen sind: P2, P21, C2, Pm, Pc, Cm, Cc, P2/m,
P21/m, C2/m, P2/c, P21/c, C2/c.
(viii) Wie ist die konventionsmäßige Zelle, und welche Umorientierungsmatrix wird
benötigt, um diese zu erzeugen?
(ix)
Zeichnen
Sie
zweidimensional
und
maßstabsgetreu
die
ac-Ebene
der
konventionsmäßigen Zelle. Zeichnen Sie die Geraden x = 0.3 und z = 0.2 sowie den Punkt
(0.3, 0, 0.2) ein. Tragen Sie auch folgende Punkte ein: (0.5, 0, 1.1), (–0.2, 0, 0.5).
(x) Wie ist das Zellvolumen?
(xi) Die Laue-Gruppe ist 2/m. Welche Reflexe sind zum Reflex 12 4 äquivalent?
(xii) Skizzieren Sie maßstabsgetreu und entsprechend der konventionsmäßigen Zelle die
h0l-Schicht (Indexbereiche 0 bis 5) des reziproken Raumes; nur Reflexe, die nicht
systematisch ausgelöscht sind, sollten eingezeichnet werden.
57
3. Strukturlösung I : Die Schweratommethode
In den Kapiteln "Strukturlösung" beschreiben wir die zwei allgemeinen Methoden, das
Phasenproblem zu lösen (d.h. die Struktur zu lösen): die Schweratommethode (Kap. 3) und
die Direkten Methoden (Kap. 4).66
3.1 Die Differenz-Synthese
Nehmen wir an, wir haben bei einer Schweratomstruktur die Koordinaten des Schweratoms gefunden.67 Weil Schweratome den überwiegenden Teil des Streuvermögens
darstellen (Abb. 3.1) können wir davon ausgehen, dass
F ≈ Fs
Gl.12
wobei Fs die Strukturfaktoren nur vom Schweratombeitrag sind. Wir berechnen Fs
(einschl. Phase) aus den bekannten Schweratomlagen (Gl. 5). Die beobachteten
Strukturfaktoren |Fo|, vorerst ohne Phase, bekommen die Phasen von Fs zugeordnet. Mit
den Fo-Werten könnten wir dann die übliche Fourier-Synthese durchführen (Gl. 10), um
die restlichen Atome zu finden. Als wesentlich zuverlässigere Methode hat sich jedoch die
Differenz-Synthese erwiesen (Abb. 3.2). Hierzu berechnen wir ∆F-Werte, wobei
∆F = |Fo| – |Fs|
Gl. 13
und machen eine entsprechende Fourier-Synthese mit den ∆F-Werten (und den Phasen von
Fs), um die restlichen Atome zu finden (vgl. Seminaraufgaben 3, 9).
Abb. 3.1: (links) Darstellung eines Strukturfaktors F als Vektorsumme einzelner (hier 5) gerichteter atomarer
Streubeiträge fi ; (rechts) Der Spezialfall mit einem Schweratom S, wobei F ≈ FS und α ≈ αS. Die Wahl des
ersten Quadranten ist willkürlich.
66
Eigentlich muss man die Intensitätsdaten messen, bevor die Struktur gelöst werden kann! Hier gehen wir
davon aus, dass die Daten (mehrere Tausend Intensitäten mit verschiedenen hkl-Werten) bereits vorhanden
sind. Wie die Messung erfolgt, wird im Kap. 6 beschrieben.
67
(a) Wir gehen davon aus, es gibt ein Schweratom in der asymmetrischen Einheit. Prinzipiell ist die
Patterson-Methode auch bei mehr als einem Schweratom anwendbar. (b) vgl. Seminaraufgaben 3, 8!
58
Abb. 3.2: Die Differenz-Methode. Der wahre Strukturfaktor F liegt irgendwo auf einem Kreis mit Radius |F |
(wir kennen den Betrag, die Phase ist jedoch unbekannt). Aus der Schweratomlage berechnen wir FS und Phase
φS. ∆F ist die Differenz; wir gehen davon aus, dass φ = φS.
3.2 Die Patterson-Synthese
Aus dem Vorhergehenden ist noch unklar, woher man die Schweratomlagen hat! Macht
man eine Fourier-Synthese (vgl. Gl. 10) mit |F |2 (d.h. ohne Phasen), so erhält man eine
Funktion, die nach Patterson benannt wird.
P® = (1/V)
∑
|Fhkl|2 exp [–2πi(hx + ky + lz)]
Gl. 14a
hkl
Patterson erkannte, dass die Maxima der Funktion allen interatomaren Vektoren in der
Elementarzelle entsprechen (hier nicht bewiesen) (Abb. 3.3); die Höhe H eines Peaks
(Vektors) zwischen Atomen 1 und 2 ist gegeben durch
H ∝ N1N2 / ΣN2
Gl.14b
(N sind die Ordnungszahlen; die Summierung ist über alle Atome der Zelle); oder für eine
gegebene Struktur
H ∝ N1N2
Gl.14c
H ist also proportional zum Produkt der Ordnungszahlen des jeweiligen Atompaars. Das
heißt: die Schweratomvektoren sind die größten Peaks in der Patterson-Funktion.
Abb. 3.3. Links: Struktur mit zwei ungleichen unabhängigen Atomen und Inversionszentrum (kleiner Kreis
am Ursprung; dort liegt kein Atom). Vektoren sind
ie viele . Rechts: Pattersonvektoren (Vektoren vom
linken Bild, aber mit Ausgangspunkten auf den Ursprung gelegt). Kreisgrößen sind proportional zum Produkt
der Atomgrößen. Fett umrandete Kreise (Nr. 1, 2) deuten auf doppelte Vektoren hin.
59
Der allergrößte Peak in jeder Pattersonfunktion liegt jedoch im Ursprung, weil jedes Atom
einen Nullvektor zu sich selbst macht. In der Regel wird dieser Peak, obwohl er immer
vorhanden ist,68 bei der Analyse der Pattersonfunktion vernachlässigt.
Die Patterson-Funktion muss zentrosymmetrisch sein, weil jeder interatomare Vektor in
beiden Richtungen betrachtet werden kann. Die Symmetrie der Patterson-Funktion ist die
der entsprechenden Laue-Gruppe (hier nicht bewiesen).69 Das ist wichtig, um zu
entscheiden, welche Vektoren symmetrieäquivalent oder kurz äquivalent sind (vielleicht
ist der Peak, den man sucht, durch einen Symmetrieäquivalenten vertreten); z.B. monoklin,
Laue-Gruppe 2/m: u, v, w ≡ u, –v, w ≡ –u, v, –w ≡ –u, –v, –w in der Pattersonfunktion.70
Durch eine Analyse der größten Patterson-Peaks leitet man die Schweratomlage(n) ab
(Abb. 3.3 rückwärts!). Als einfachstes Beispiel nehmen wir eine Struktur mit einem
Schweratom in der Raumgruppe P 1 .71 Dieses liege auf x, y, z, sein Symmetrieäquivalentes
auf –x, –y, –z. Der Vektor zwischen diesen Lagen ist 2x, 2y, 2z. Man nimmt also den
größten Vektor (abgesehen vom Ursprungspeak), teilt durch 2, fertig.72
In Raumgruppen mit höherer Symmetrie wird es etwas komplizierter (Tab. 3.1). Bei Drehund Schraubenachsen sowie Spiegel- und Gleitspiegelebenen entstehen Harker-Vektoren,
bei denen eine oder zwei Koordinaten Konstanten sind; z.B. bei einer Schraubenachse mit
Symmetrieoperator –x, ½+y, –z ergibt das Stammatom x, y, z den Vektor 2x, ½, 2z; bei
einer Gleitspiegelebene mit Operator x, –y, ½+z den Vektor 0, 2y, ½. Erst durch eine
Analyse der Harker-Vektoren kann man entscheiden, welcher Vektor 2x, 2y, 2z ist.
Das Gewicht eines Vektors ist auch wichtig. Mancher Vektor (z.B. 2x, 2y, 2z) ist nur
einmal vorhanden, hat also Gewicht 1. Harker-Vektoren besitzen üblicherweise Gewicht 2
(Abb. 3.3) (manchmal höher, je nach Raumgruppe) und damit doppelte Peakhöhe H.
68
Bei dem Programm, das wir verwenden, wird die Pattersonfunktion so skaliert, dass H000 = 999.
69
Ein trivialer Unterschied ist, dass die Patterson-Funktion eine etwaige Zentrierung der Raumgruppe behält;
bei Laue-Gruppen treffen Zentrierungen nicht zu.
70
Patterson-Koordinaten werden manchmal mit den Symbolen u, v, w, versehen, um sie von den Koordinaten
x, y, z im Kristall zu unterscheiden.
71
Der Fall "ein Schweratom in P 1 " ist mit der Patterson-Methode trivial, die direkten Methoden (Kap. 4)
versagen jedoch hier am häufigsten. Somit ergänzen sich die Methoden sehr gut.
72
(a) Da Patterson-Peaks um einen Faktor etwa √ 2 breiter als Atome sind, sind die exakten Positionen der
Patterson-Maxima schwer zu bestimmen und die daraus gewonnenen Schweratomlagen mit relativ hohen
Unsicherheiten behaftet. Die Genauigkeit ist jedoch für die weitere Bearbeitung der Struktur (Differenzsynthesen, Verfeinerung (Kap. 7)) völlig ausreichend. (b) Die Patterson-Funktion ist in jeder Zelle identisch,
also gibt es auch z.B. den Peak 1+2x, 2y, 2z und die Lösung ½+x, y, z. Diese Lösung ist äquivalent zu x, y, z;
beide sind korrekt und beide führen erfolgreich zur Reststruktur.
60
Tab. 3.1. Patterson-Vektoren bei einem unabhängigen Schweratom, P21/c
x, y, z
–x, –y, –z
–x, ½+y, ½–z
x, ½–y, ½+z
x, y ,z
0
–2x, –2y, –2z
–2x, ½, ½–2z
0, ½–2y, ½
–x, –y ,–z
2x, 2y, 2z
0
0, ½+2y, ½
2x, ½, ½+2z
–x, ½+y, ½–z
2x, ½, ½+2z
0, ½–2y, ½
0
2x, –2y, 2z
x, ½–y, ½+z
0, ½+2y, ½
–2x, ½, ½–2z
–2x, 2y, –2z
0
Warum wird z.B. (x, y, z) – (–x, ½+y, ½–z) zu 2x, ½, ½+2z und nicht zu 2x, –½, –½+2z
(Spalte 1, Zeile 3)?
Schnellmethode: wenn, wie üblich, nur die unabhängigen Vektoren benötigt werden,
nehme man am besten die Reihe oder Spalte, wo sich der (2x, 2y, 2z)-Vektor befindet!
Kristallographische Programme drucken nur eine Liste der unabhängigen Patterson-Peaks
aus (s. Seminaraufgaben).
Zusammenfassung
der
Patterson-Methode:
Die
Maxima
der
Patterson-Funktion
entsprechen allen interatomaren Vektoren in der Elementarzelle. Die Schweratomvektoren
sind die größten Peaks; durch eine Analyse dieser Vektoren leitet man die Schweratomlage(n) ab. Eine Differenz-Synthese ergibt dann die restlichen Atome.
Übungen s. Aufgaben 33, 35, 36.
3.3 Nachteile der Schweratommethode
Liegen Schweratome vor, so muss man hinnehmen:
(i) Absorptionseffekte. Der Faktor, um den ein Röntgenstrahl geschwächt wird, wenn er
einen Weg t durch eine Substanz mit Absorptionskoeffizient µ zurücklegt, ist exp(–µ t).73
Dieser Faktor beträgt bei t = 0.1 mm für eine organische Substanz (µ ≈ 0.1/mm) etwa 0.99,
für extreme Schweratomderivate (µ ≈ 100/mm) etwa 5 × 10–5! Absorptionskorrekturen
(Kap. 6) sind nur bis etwa (µ t) ≈ 1 zuverlässig.
(ii) Weniger präzise Leichtatomlagen. Vor 50 Jahren musste man bei organischen
(Leichtatom-) Verbindungen immer ein Schweratomderivat untersuchen, um die Struktur
lösen zu können. Heute ist das meistens nicht mehr nötig (Kap. 4).
(iii) In bestimmten Fällen Pseudosymmetrie (Aufgabe 34).
73
3
Die Abhängigkeit des Absorptionskoeffizienten von Wellenlänge und Kernladungszahl ist in etwa µ ∝
λ Z 4.
61
Die Patterson-Funktion hat auch inhärente Nachteile; es gibt sehr viele Peaks ( ie viele
bei N Atomen pro Zelle?), die auch breiter sind als normale Fourier-Peaks, und deswegen
z.T. schwere Überlappungseffekte. Insbesondere können zufällig gleiche (oder um 0.5
differierende) Koordinaten, z.B. zwei Schweratome mit gleicher y-Koordinate, zu
irreführenden Pseudo-Harker-Vektoren führen. Bei zu vielen Schweratomen ist die
Patterson-Funktion nicht mehr übersichtlich; die Anzahl der Kreuzvektoren wächst
exponentiell, und die Stelle, wo die Schweratompeaks in der Liste aufhören, ist nicht
immer eindeutig. Da funktionieren die direkten Methoden (nächstes Kapitel) besser.
3.4 Weitere Vorteile der Schweratommethode
Der erste Versuch, eine Struktur zu lösen, erfolgt in der Regel mit direkten Methoden
(nächstes Kapitel). Diese sind ziemlich robust, hängen aber davon ab, ob man die
chemische Zusammensetzung in etwa richtig angegeben hat. Bei lösungsresistenten
Strukturen kann man "einfach so" die Patterson-Funktion berechnen. Da sieht man (a) ob
unerwartete Schweratome vorhanden sind bzw. erwartete Schweratome fehlen und/oder
(b) – auch bei Leichtatomstrukturen – wie die Harker-Vektoren aussehen; da kann man in
schwierigen Fällen mit undeutlichen Auslöschungen zwischen Raumgruppen unterscheiden, z.B. P2/c und P21/c (Operatoren x, –y, ½+z bzw. x, ½–y, ½+z; die relevanten
Harker-Vektoren haben y = 0 bzw. y = ½).
62
4. Strukturlösung II : Direkte Methoden
4.1 Philosophie der Direkten Methoden
Provozierend könnte man meinen: Es sei ein weit verbreitetes Märchen, dass die Phasen
von Röntgenreflexen nicht gemessen werden könnten. Wenn wir eine Struktur gelöst
haben, kennen wir die Phasen! Im Datensatz sind also die Phasen schon vorhanden, wenn
auch in stark verschlüsselter Form. Die direkten Methoden verwenden wir, um diese
Phaseninformationen direkt herauszuholen, und somit die Struktur zu lösen.
Die Phasen eines Datensatzes unterliegen einigen allgemeinen Einschränkungen. Da die
Elektronendichte nirgendwo im Kristall negativ sein darf (ρ ≥ 0, vgl. Gl. 10), sind z.B.
Phasenkombinationen, die zu signifikanten Bereichen negativer Elektronendichte führen,
nicht möglich. Alleine aus dieser Vorbedingung können Phasenbeziehungen abgeleitet
werden, was hier jedoch nicht vertieft wird.
4.2 E-Werte
Es wird bei den direkten Methoden nicht mit F-Werten, sondern mit E-Werten ("normalisierten Strukturfaktoren") gearbeitet. Bei realen Atomen nimmt das Streuvermögen mit
zunehmendem 2θ ab (und bei Beugungsbildern die Intensität; vgl. Abb. 0.2, 2.3 und
Abschn. 7.3). Ein fiktives Punktatom ohne Thermalbewegung hätte ein konstantes Streuvermögen (Abb. 4.1). E-Werte sind Strukturfaktoren, die von solchen Atomen entstünden.
Abb. 4.1. Streufaktoren von fiktiven Punktatomen ohne Thermalbewegung.
Für jeden Reflex h (= Vektor hkl im reziproken Raum) in jedem kleinen 2θ-Bereich wird
definiert
|E(h)|2 = |F(h)|2 / 〈 I 〉
Gl.15
63
wobei 〈 I 〉 die mittlere Intensität in der jeweiligen 2θ-Schale darstellt (somit ist der
Mittelwert von |E(h)|2 definitionsgemäß gleich 1 74). Das bedeutet, dass bei hohem 2θ auch
relativ schwache Reflexe hohe E-Werte besitzen können, vorausgesetzt, sie weisen höhere
Intensitäten als die meisten anderen Reflexe im selben 2θ-Bereich auf. Die Phase von E(h)
ist (definiert) gleich der Phase von F(h).
In der Praxis werden die 〈 I 〉-Werte als Erwartungswerte entsprechend der angegebenen
chemischen Zusammensetzung (und somit den Streufaktoren) berechnet, so dass eine
völlig falsche angenommene Zusammensetzung zu falschen |E|-Werten führt; unter diesen
Umständen kann die Strukturlösung ausbleiben.
E-Werte sind eine Art Strukturfaktor (Abb. 4.2, 4.3; vgl. Abschn. 2.4).
Wir könnten aus E-Werten (mit Phasen) durch eine Fourier-Synthese ein Bild der
Elektronendichte (eine E-Map) erzeugen;
vgl. Aufgaben "Malen-nach-Zahlen". Im folgenden beschäftigen wir uns mit Methoden,
ausreichenden |E|-Werten (in der Praxis reichen etwa 10 E's pro Atom) Phasen
zuzuordnen, um erkennbare E-Maps zu bekommen.
Abb. 4.2. Hohe |E|- (und |F|-) Werte entstehen, wenn viele Atome in den entsprechenden Ebenen liegen; hier
liegen viele Atome zwischen den Ebenen 4 02, also ist das E-Vorzeichen negativ.
Einige Funktionen der E-Werte dienen zur Unterscheidung zwischen zentrosymmetrischen
und nichtzentrosymmetrischen Raumgruppen. Am häufigsten verwendet man den
Mittelwert von (|E|2–1), der die Idealwerte 0.968 (zentrosymmetrisch) bzw. 0.736
(nichtzentrosymmetrisch) aufweist (das bedeutet, nicht-zentrosymmetrische Strukturen
weisen gleichmäßigere Intensitätsverteilungen auf als zentrosymmetrische Strukturen; mit
etwas Erfahrung kann man das an den Beugungsbildern erkennen). Diese Werte sollte man
74
(a) Gl. 15 setzt voraus, dass |F|2 und I auf derselben absoluten Skala sind (vgl. Gl. 4). (b) Ein |E|-Wert von
2 gilt schon als hoch und 3 als sehr hoch (bei zentrosymmetrische Strukturen liegen theoretisch 4.6% der |E|Werte über 2 und nur 0.3% über 3).
64
jedoch mit Vorsicht interpretieren, denn sie beruhen auf willkürlichen Atomverteilungen
und können durch verschiedene Spezialfaktoren (z.B. lokale Symmetrie, Schweratome,
Atome auf speziellen Lagen) empfindlich gestört werden.
4.3 Die Sayre-Gleichung
Unter der Annahme, eine Struktur bestehe aus gleichen Punktatomen ohne Thermalbewegung (vgl. Definition E-Werte!), kann man die Sayre-Gleichung, die zentrale
Gleichung der direkten Methoden, ableiten:
E(h) = A Σh' E(h') E(h–h')
Gl.16a75
Gl. 16a ist exakt; A ist eine berechenbare Konstante. Also: wir können einen E-Wert samt
Phase berechnen, und zwar aus den Produkten
76
aller jener Strukturfaktorpaare, deren
Summe von Indizes gleich h ist. Hierzu zwei Kommentare: (i) Die Annahme gleicher
Atome ist bei vielen organischen Strukturen näherungsweise gültig (C, N, O-Atome sind
etwa gleich; H streuen sowieso zu schwach und werden bei direkten Methoden nicht
gefunden), und in der Praxis stören einige etwas schwerere Atome nicht. (ii) Wir brauchen
trotzdem einige Startphasen, um Gl. 16a anwenden zu können. Woher diese kommen, wird
unten erklärt.
4.4 Tripel-Produkt-Beziehungen
Gl. 16a lässt sich vereinfachen; gibt es ein einziges Produkt, für das E(h), E(h') und E(h–
h') alle groß sind, so ist es wahrscheinlich, dass eine korrekte Phase durch dieses Produkt
alleine erhalten wird (das eine Glied E(h') E(h–h') überwiegt in der Summation über alle
h'). Der Faktor A wird vernachlässigt (warum?!).
Es gilt also unter der Bedingung h1 = h2 + h3
E(h1) ≈ E(h2) E(h3)
Gl.16b
(wobei das Symbol "≈" "wahrscheinlich gleich" bedeutet). Somit erhalten wir die
Phasenbeziehung
φ(h1) ≈ φ(h2) + φ(h3)
Gl.17a
Anders ausgedrückt gilt unter der Bedingung h1 + h2 + h3 = 0 die Phasenbeziehung
φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) ≈ 0
75
Gl.17b77
D. Sayre verwendete eigentlich in der ursprünglichen Version seiner Gleichung (1952) F-Werte sowie
Normalatome; die entwickelten Anwendungen verwenden E-Werte, die Punktatomen entsprechen.
76
Produktregel: Das Produkt aus den Vektoren E1 (Betrag |E1|, Phase φ1) und E2 (Betrag |E2|, Phase φ2) ist
ein Vektor mit Betrag |E1||E2|, Phase (φ1 + φ2).
77
Beweis: Es gilt (aus Gl. 16b und der Produktregel) φ(h1) = φ(h2) + φ(h3) bei h1 = h2 + h3. Triviales
Umformen ergibt –φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) = 0 bei –h1 + h2 + h3 = 0. Da aber φ(h1) = –φ(–h1) (Abb. 2.9), erfolgt
φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) = 0 bei h1 + h2 + h3 = 0.
65
Bei zentrosymmetrischen Strukturen betragen die Phasen 0° oder 180°, und deshalb gilt
E(h) = ±|E(h)|
Gl.18
(Phase 0° bzw. 180° bedeutet Vorzeichen +1 bzw. –1, vgl. Gauß'sche Zahlenebene). Gl.
17b wird zur Tripel-Produkt-Beziehung (TPR) (auch Triplett oder Σ2 -Beziehung genannt):
S(h1)S(h2)S(h3) ≈ 1
Gl.17c
(wieder unter der Bedingung h1 + h2 + h3 = 0), wobei S ein Vorzeichen ±1 darstellt.
Bei zentrosymmetrischen Strukturen reduziert sich das Phasenproblem also auf ein
Vorzeichenproblem.
Abb. 4.3 ist die graphische Darstellung eines zweidimensionalen TPRs. Die drei Reflexe
340, 7 3 0 und 4 7 0 sind sehr stark (viele Atome liegen in den Ebenen) und bilden ein TPR
(warum?).78 Alle Phasen sind 0°; die Atome liegen dann dort, wo die drei Sätze MillerEbenen sich treffen.
Abb. 4.3. Graphische Darstellung eines TPRs bei der Struktur von Hexamethylbenzol.
Die Wahrscheinlichkeit P, dass ein TPR korrekt ist, wird gegeben durch
P = ½ + ½ tanh [ |E(h1)E(h2)E(h3)| / √N]
Gl.19
N ist die Anzahl der Atome in der Zelle; große Strukturen sind also schwieriger zu lösen!79
Bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen schreibt man die Sayre-Gleichung in die
Tangens-Formel um:
tan φh = [Σh' |E(h')E(h–h')|sin(φh' + φh-h')]/[Σ|E(h')E(h–h')|cos(φh' + φh-h')]
78
Aufgabe 37 dient als Übung für die Anwendung der TPRs; s. dortigen Hinweis, was die Wahl des dritten
Reflexes betrifft.
79
Gl.20
tanh x = (ex – e–x)/(ex + e–x); bei großem x gilt tanh x ≈ 1.
66
4.5 Multisolution-Methoden :80 alt und neu
(i) Die alte Methode mit kleinem Startsatz. Wir beschränken uns zunächst auf zentrosymmetrische Strukturen. Es kann gezeigt werden, dass (normalerweise) drei Reflexen
willkürlich die Phase 0° zugeordnet werden kann (entsprechend der Wahl des Ursprungs
auf einem der acht (= 23) Inversionszentren der Zelle, vgl. Aufgabe 6a). Nehmen wir hinzu
weitere 12 starke Reflexe (d.h. Reflexe mit hohen |E|-Werten, damit die TPR-Wahrscheinlichkeiten möglichst hoch sind) und bilden 212 Phasenpermutationen, indem wir jedem
Reflex jeweils eine von beiden erlaubten Phasen (Vorzeichen) zuordnen. Jeder Phasensatz
wird nun durch wiederholte Anwendung der Sayre-Gleichung erweitert, wenn möglich
unter Berücksichtigung mehrerer Produktglieder. Selbst mit alten Rechnern konnte dieser
mathematische Aufwand bewältigt werden. Der "beste" Phasensatz
81
wird dann durch
Fourier-Transformation in eine E-Map umgewandelt, wo das Molekül erkannt werden
kann (allerdings müssen noch die Atomtypen korrekt zugeordnet werden – "alle
Elektronen sind grün"). Aus Erfahrung hat sich gezeigt, dass etwa 10 Reflexe (mit Phasen)
pro Atom reichen, um eine erkennbare E-Map zu erzeugen; man nimmt also alle |E|-Werte
oberhalb einer bestimmten Schwelle (z.B. |E| > 1.2). Dadurch bleiben die
Wahrscheinlichkeiten ausreichend hoch.
Bei den TPR’s werden auch äquivalente Reflexe eingesetzt (mit gleichen |E|-Werten aber
ggf. unterschiedlichen Phasen – s. Aufgabe 37).
Bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen hat man Phasen willkürlich aus jedem
Quadranten zugeordnet (45°, 135°, 225°, 315°); bei n Reflexen sind das 4n Phasenpermutationen. Die Erfahrung zeigt, dass recht große mittlere Phasenfehler (um 60°) noch
tolerierbar sind.
Die alte Methode war nicht schlecht, hatte jedoch einen großen Nachteil; falls eine Phasenbeziehung im frühen Stadium falsch ist, d.h. mit S(h1)S(h2)S(h3) = –1, hat die Methode
keine Chance mehr. (Zur Erinnerung; die Sayre-Gleichung und die Tangens-Formel sind
äquivalent und exakt, während einzelne TPR's nur einer Wahrscheinlichkeit entsprechen).
Die Erfolgschancen hingen also sehr kritisch von der Wahl der wenigen Startreflexe ab.
(ii) Die neue Methode mit großem Startsatz. Mit modernen Hochleistungsrechnern ist es
wesentlich besser, einen großen Startsatz (ca. 200-400 Reflexe mit hohem |E|) mit Willkürphasen (im zentrosymmetrischen Fall nur erlaubte Phasen!) zu nehmen. Es gibt unter
diesen Reflexen wesentlich mehr Phasenbeziehungen als Phasen, d.h. das System ist
überbestimmt, und man kann die Phasen nach der Tangensformel (gültig auch für nicht-
zentrosymmetrische Strukturen) verfeinern (vgl. Kap. 7!). Man ist nicht mehr auf einzelne
80
81
Der Name ist schlecht; es gibt viele Versuche, aber nur eine Lösung!
Man verwendet statistische Gütekriterien ("Figures of Merit", FOM), um automatisch zu beurteilen,
welcher Phasensatz tatsächlich der beste ist; dieses Thema wird hier nicht vertieft.
67
(ggf. falsche!) TPR's angewiesen. Mehrere Willkürphasensätze (etwa 100 bei normalen
Strukturen) werden erzeugt. Nach erfolgter Verfeinerung wird der nach Gütekriterien beste
Phasensatz ebenfalls mit der Tangensformel um mehrere Hundert Phasen erweitert und
anschließend die E-Map errechnet.
Abb. 4.4. Allgemeiner Eindruck über die direkten Methoden (und ihre Erklärung).
68
Zusammenfassung Kap. 3 & 4
Problemstellung
•
Wir brauchen die Phasen!
•
Es gibt zwei Hauptmethoden:
(i) über Schweratomlagen
(ii) direkt über Phasenbeziehungen
Differenzsynthese
•
Bei bekannten Schweratomlagen gilt F ≈ Fschwer
•
Eine Differenzsynthese ist eine Fouriersynthese von Fobs–Fschwer mit den Phasen von Fschwer
•
Dort sind die restlichen (leichteren) Atome zu erkennen, aber woher haben wir die
Schweratomlagen?!
Pattersonfunktion
•
Die Pattersonfunktion ist eine Fouriersynthese mit Fobs2 (also ohne Phasen)
•
Die Maxima entsprechen interatomaren Vektoren
•
Die Höhe eines Peaks zwischen zwei Atomen ist proportional zum Produkt der Kernladungszahlen
•
Harkervektoren (über Drehungen, Spiegelungen usw. generiert) haben doppeltes Gewicht
•
Eine Analyse der größten Peaks, z.B. über den (2x, 2y, 2z)-Vektor, führt zu den Schweratomlagen
•
Eine Differenz-Synthese liefert die Reststruktur (die leichteren Atome)
Direkte Methoden
•
E-Werte: Strukturfaktoren, normalisiert für Punktatome ohne Thermalbewegung
•
E(h) ist aus F(h) berechenbar; E(h) hat die gleiche Phase wie F(h)
•
Die Sayre-Gleichung nimmt gleiche, punktförmige Atome ohne Thermalbewegung an; daraus
resultieren Phasenbeziehungen zwischen Reflexen
•
Die vereinfachte Form der Sayre-Gleichung sind die TPR’s (gültig nur bei hohen E-Werten)
•
Aus einem kleinen Phasen-Startsatz kann man weitere Phasen berechnen
•
Vom besten Phasensatz entspricht die Fouriersynthese (eine E-Map) den Atompositionen
•
Neue Methode: großer Startsatz mit Willkürphasen, die verfeinert werden
69
5. Kristallzüchtung
5.1 Die Methoden und ihre Vor- und Nachteile
1. Flüssig-flüssig-Diffusion (Abb. 5.1, links) ist normalerweise die beste Methode und ist
auch schnell (über Nacht). Es müssen geeignete Lösungsmittel (bzw. Fällungsmittel)82
gefunden werden.
2. Dampfdiffusion (Abb. 5.1, rechts) dauert etwas länger (mehrere Tage). Die Wahl der
Lösungsmittel kann schwierig sein.
Abb. 5.1. Kristallzüchtung. Links, Flüssig/flüssig-Diffusion; Mitte, Ergebnis einer Flüssig/flüssig-Diffusion;
rechts, Dampfdiffusion.
3. Langsame Abkühlung einer gesättigten Lösung. Die klassische Methode, die jedoch oft
zu verwachsenen Kristallen führt. Bei mancher Substanzklasse (z.B. Kohlenwasserstoffen)
ist diese die einzige Methode. Die Lösungen müssen staubfrei sein. Vorsicht: Beim
Wiederaufwärmen lösen sich die Kristalle wieder!
4. Verdampfung eines flüchtigen Lösungsmittels.83 Im allgemeinen ist diese Methode nicht
zu empfehlen, denn es bildet sich oft eine polykristalline Kruste. Bei Methoden 3 und 4
kann die Bearbeitung der Kristalle schwierig sein, weil die Mutterlauge immer noch eine
gesättigte Lösung ist (woraus sich kleine Kristalle noch bilden) und darüber hinaus einen
zähen Kleister bilden kann (vgl. Diffusionsmethoden, bei denen die Konzentrationen
gegen Null tendieren). Bei komplett verdampften Lösungsmitteln ist es oft sehr schwer, die
Kristalle vom Boden des Gefäßes zu entfernen, ohne dass sie kaputtgehen.
5. Sublimierung: führt selten zu Einkristallen, bringt jedoch gelegentlich eine positive
Überraschung.
82
Synonyme: Solvens bzw. Antisolvens!
83
Auch bekannt als "NMR-Röhrchen-im-Schrank-vergessen"-Methode; bei dieser Variante sind die Kristalle
wegen der sehr langsamen Kristallisation oft von hoher Qualität.
70
5.2 Auswahl der Kristalle
Kristallproben werden unter dem Mikroskop optisch untersucht (Abb. 0.1, 5.2a); die
Handhabung und Auswahl erfolgt auf einem Objektträger in Inertöl, das die Kristalle
(außer bei den instabilsten Verbindungen) einige Minuten vor dem Zerfall schützt.
(Weitere Handhabung: s. Kap. 6).
Es ist günstig, bei der Kristallsuche polarisiertes Licht einzusetzen. Bei gekreuzten
Polarisationsfiltern (dunklem Hintergrund) erscheinen Kristalle meistens gleichmäßig hell;
wenn ein solcher Kristall gedreht wird, so erreicht er Positionen, wo er plötzlich dunkel
wird (das polarisierte Licht auslöscht). Kubische Kristalle und amorphes Material bleiben
immer dunkel. Hochsymmetrische Kristalle (selten!) sind dunkel, wenn sie entlang der
Symmetrieachse (4 oder 6) betrachtet werden, verhalten sich aber in anderen Richtungen
normal.
Gute Einkristalle sollten klar und gleichmäßig sein, mit gut ausgebildeten Kanten und
Flächen sowie deutlicher und gleichmäßiger Auslöschung polarisierten Lichts (Abb. 5.2b).
Ungünstige Anzeichen sind: gespaltene oder rissige Kristalle; zusammengewachsene
Kristalle (z.B. mit "Satelliten"); verfilzte oder matte Kristalle (Lösungsmittel verloren? –
da sieht die makroskopische Probe oft weiß aus); Kristalle mit internen Winkel >180°;
Kristalle ohne gleichmäßige Auslöschung. Die Kristallform sollte möglichst gleichmäßig
sein (kugelförmige Kristalle sind jedoch selten!); Nadeln und Plättchen sind ungünstig,
aber meistens brauchbar. Der gewählte (beste!) Kristall sollte typisch für die ganze Probe
sein.
Abb. 5.2a: Eine typische Kristallprobe (max. Größe etwa 0.4 mm). Welche Kristalle wären für die RSA
geeignet?
71
Abb. 5.2b: Ein Kristall, der polarisiertes Licht definitiv NICHT gleichmäßig löscht (Bilder Mitte & rechts).
Dieser klassische Zwilling wurde geschnitten, um ein einkristallines Stück (fehlt!) zu bekommen.
Gesamtlänge ca. 3 mm.
Abb. 5.3. Links: Erfolgreich gemessene Kristalle neben einem Streichholzkopf. Rechts: Erfolgreich
gemessene Kristalle (zwei Kristallformen derselben Verbindung) und ein Haar (Durchmesser etwa 0.05 mm).
Der Kristall links war wie bei Abb. 5.2b wegen Verzwillingung in der Längsrichtung geschnitten worden.
Abb. 5.4. Kristallschneiden: der große Kristall (oben, Kantenlänge etwa 2 mm) wurde geschnitten, ging aber
größtenteils kaputt. Eines der Fragmente (Pfeil) war doch für die RSA geeignet.
72
Wie groß sollte ein Kristall sein? Der maximale Durchmesser des Röntgenstrahls ist etwa
0.5 mm. Bei modernen Diffraktometern reichen oft kleinere Kristalle (etwa 0.02 mm; Abb.
5.3). Bei starker Absorption (Schweratome!) darf der Kristall nicht zu groß sein (s.
Abschnitt 6.7). Es ist möglich, Kristalle mit einer Rasierklinge zu schneiden, dabei werden
jedoch viele zerstört oder verformt (verbogen oder schieferartig verzerrt), was sie
unbrauchbar macht (Abb. 5.4). Das Präparieröl verhindert, dass geschnittene Fragmente
wegfliegen!
Im Laufe der Seminare gibt es bei der Diffraktometerbesichtigung (Kap. 6) die Möglichkeit, Kristallproben unter dem Mikroskop zu untersuchen und mit der Präpariernadel zu
sortieren.
Kristalle wurden früher auf Glasfäden geklebt oder in Glaskapillaren fixiert (langwierig! –
Abb. 5.5). Bei TT-Messmethoden (s.u.) werden sie auf Glasfäden mit Inertöl (in Abb. 5.2,
5.3 als Schliere erkennbar) montiert. Instabile Kristalle (z.B. BuLi, fängt bei –60°C an der
Luft Feuer) bedürfen einer besonderen Handhabung (Abb. 5.6).
Abb. 5.5. Zwei Möglichkeiten, Kristalle zu montieren.
Abb. 5.6. Apparatur zur Handhabung sehr instabiler Kristallen. Links: gekühlter Mikroskoptisch; rechts:
kurzfristige Lagerung eines montierten Kristalls im Trockeneisblock (D. Stalke).
73
Der Habitus eines Kristalls ist seine äußere geometrische Form (Abb. 5.7). Es wird nicht
definiert, wie dünn eine Tafel werden darf, bevor sie zum Plättchen wird; gleiches gilt bei
Prismen/Nadeln!
Abb. 5.7. Kristallhabitus: I, Tafel (engl. Tablet); II, Plättchen (plate); III, Prisma (prism); IV, Nadel (needle);
V, Brett / Latte (oder ist das Kaffee?) (lath).
5.3 Bevorzugte Gruppen, Derivate, Gegenionen
Wegen einer Tendenz zur Unordnung sind folgende Gruppen ungünstig: lange
Alkylketten, kugelförmige Ionen wie BF4– (lieber SbF6– ); frei drehbare Gruppen wie
C(sp2)–CF3 oder C(sp2)–CH3; statisch ungeordnete Gruppen wie o-C6H4F. Große,
symmetrische Gegenionen wie Ph4As+ bilden oft zu symmetrische Lücken, in denen die
Stammionen ungeordnet sein können (Abschn. 7.11). Mitkristallisierendes Lösungsmittel
ist ebenfalls oft ungeordnet; der absolute Liebling des Kristallographen ist THF (warum?!).
5.4 Strukturziele und Kristallqualität
Eine einfache Charakterisierung der Verbindung, mit Konnektivität und Konformation
(Torsionswinkel) ist auch bei mäßig guten Kristallen erreichbar. Höhere Ansprüche wie
sehr präzise Bindungslängen und –winkel, Lokalisierung der H-Atome (insbesondere
neben Schweratomen) oder absolute Konfiguration (Kap. 7) brauchen sehr gute Daten und
entsprechende Kristallqualität. Den letzten Beweis der Kristallqualität liefern die
Beugungsbilder, die erst auf dem Diffraktometer (nächstes Kapitel) erfolgen.
Auch tadellose Einkristalle können sich als für die Strukturanalyse ungeeignet erweisen!
Neben Unordnung ist die Hauptursache Tieftemperaturempfindlichkeit. Messungen
werden in der Regel bei etwa 100 K durchgeführt (Gründe s. nächstes Kapitel). Manche
Kristalle gehen wegen einer Phasenumwandlung oder thermischen Stresses beim Kühlen
mechanisch kaputt; sie zerbröseln und sind nicht mehr zu gebrauchen.
74
6. Messmethoden: das Diffraktometer
Die ersten Strukturanalysen (bis etwa 1970) erfolgten über Filmaufnahmen. Diese
Methode hat viele Nachteile: der Kristall muss exakt parallel zu einer Achse montiert sein;
die Aufnahme eines kompletten Satzes kann Monate dauern (wobei der Kristall zerstrahlt
werden kann); man muss die Reflexe indexieren und die Intensitäten per Auge abschätzen.
Da war man heilfroh, als die ersten halb-automatisierten Messgeräte entwickelt wurden.
6.1 Aufbau eines Diffraktometers
Das Messgerät der Röntgenstrukturanalyse ist das Diffraktometer.
Der allgemeine Aufbau eines Vierkreis-Diffraktometers ist in der Abb. 6.1a zu sehen. Der
Röntgenstrahl wird wie in Kap. 2 beschrieben erzeugt, an einem Graphitkristall monochromatisiert und durch den Kollimator geleitet, der für einen parallel gebündelten Strahl
sorgt. Der Monochromator kann allerdings die α1- und α2-Komponenten (Abb. 2.1) nicht
trennen, so dass ein gewichteter Mittelwert der beiden Wellenlängen verwendet werden
muss (vgl. Aufgabe 39); bei sehr hohem Beugungswinkel gehen die zwei Komponenten
der gebeugten Strahlen geringfügig auseinander, was aber vom Gerät und Steuerprogramm
korrekt berücksichtigt wird. Der gefährliche Primärstrahl wird hinter dem Kristall vom
Beamstop aus Blei aufgefangen, der in der Abb. 6.1a fehlt (aber in 6.1b zu sehen ist).
Das Kernstück des Diffraktometers ist das Kreissystem (oder Eulerwiege, Abb. 6.2b),
dessen Zweck es ist, durch passende Drehungen des Kristalls alle Reflexe für die Messung
erreichbar zu machen. Die Intensitäten der gebeugten Strahlen werden am Zähler, einem
Punktdetektor, gemessen. Das Kreissystem muss sehr präzise zusammengestellt sein, denn
die Mittelpunkte aller Kreise müssen innerhalb ca. 0.01 mm gleich sein (der Kristall muss
an derselben Stelle bleiben, wenn die Kreise gedreht werden).
Gegenüber der bereits erheblich veralteten, aber didaktisch noch wertvollen Abb. 6.1a hat
das moderne Diffraktometer (der Flächenzähler, Abb. 6.1b) einen wichtigen Unterschied;
der Röntgenzähler ist kein Punktzähler mehr, sondern zweidimensional (und es fehlt der
große χ-Kreis). Es können also gleichzeitig mehrere gebeugte Röntgenstrahlen über eine
Fläche von etwa 10 × 10 cm registriert werden. In Braunschweig werden Geräte der Fa.
Bruker sowie Oxford Diffraction verwendet. Es wird mit Mo-Strahlung (Normalfall, λ =
0.71073 Å) bzw. Cu-Strahlung (Sondermessungen, λ = 1.5418 Å) und bei tiefer
Temperatur (etwa 100 K; s.u.) gemessen.
75
Abb. 6.1a. Verallgemeinerter Aufbau eines Vierkreis-Diffraktometers (etwa 1975 – 1990, ohne Generator
und Steuereinheit)
Abb. 6.1b. Verallgemeinerter Aufbau eines "Flächenzählers" mit Kappa-Geometrie, der alternativen
Geometrie zur Eulerwiege (gezeichnet von Herrn D. Bockfeld). Der Goniometerkopf ist nur angedeutet (φKreis), und die Videokamera fehlt!
Abb. 6.2. (a) Links, Goniometerkopf;
(b) rechts, Eulerwiege mit ω-, χ-, φ- sowie 2θ-Achsen.
76
6.2 Ein typischer Messvorgang
Es wird angenommen, dass Mo-Strahlung verwendet wird; bei Cu-Strahlung ist der
Vorgang ähnlich, die 2θ-Winkel sind aber wegen der größeren Wellenlänge größer!
1. Montierung (Zeitaufwand: einige Minuten). Der Kristall wird auf einen Goniometerkopf
(Abb. 6.2a) montiert, und anschließend der Kopf auf das Diffraktometer festgeschraubt.
Der Kristall wird mittels der Verstellschrauben des Goniometerkopfes optisch (über eine
Videokamera) justiert, so dass er exakt in der Mitte des Kreissystems liegt.
2. Zellbestimmung und Kontrolle der Kristallqualität (Zeitaufwand: etwa 20 min). Aus
vorläufigen Aufnahmen werden Reflexpositionen bestimmt; von einer Aufnahme zur
nächsten wird einer der Diffraktometerwinkel (üblich: ω, selten auch φ) in kleinen
Winkelschritten (etwa 1°) gedreht. Eine Einzelaufnahme heißt ein Frame (Abb. 6.3) und
ein Satz zusammenhängender Frames ist ein Run. Die Daten werden vom Flächendetektor
über den CCD-Chip übertragen (Abb. 6.4). Auf diese Weise werden Reflexe durchlaufen
(Abb. 6.5) und ihre genauen Positionen durch Intrapolation bestimmt. Bei der
Zellbestimmung verwendet man 3-6 Runs von je 5 Frames.
Der Kristall wird anschließend autoindexiert;84 das Programm schlägt auf der Basis der
Reflexpositionen eine Elementarzelle vor, zusammen mit der Kristallorientierung. Das
Zellvolumen sollte mit dem erwarteten Z-Wert und der erwarteten Struktur konsistent sein
(18-Regel! – vgl. Abschn. 1.6, Aufgaben 14, 15, Seminaraufgabe 2), und die Zelle sollte
keiner bekannten Struktur entsprechen! Die Reflexform wird kontrolliert; sie sollte weder
zu breit noch gespalten sein (Abb. 6.6).
Der Kristall soll bis zu einem ausreichenden Beugungswinkel (etwa 50° bei Mo-Strahlung)
signifikant streuen (Abschn. 6.5). Ist das nicht der Fall, sind die üblichen Ursachen hohe
Thermalbewegung und/oder Unordnung (nächstes Kapitel), verursacht z.B. durch
mitkristallisierendes Lösungsmittel. In solchen Fällen kann es auch bei bester Reflexform
schwierig sein, eine gute Struktur zu bestimmen.
3. Die Datensammlung wird gestartet und läuft etwa 18-24 St., wobei schrittweise (s.o.)
etwa 1000-4000 Einzelaufnahmen gemacht werden. Es wird bei Mo-Strahlung
üblicherweise bis 2θ etwa 60° gemessen; wegen der Abnahme der Streufaktoren mit
zunehmendem 2θ-Winkel (Abb. 2.3; s. auch Kap. 7) ist bei höherem Winkel wenig
84
Autoindexieren ist die Bestimmung der Orientierungsmatrix A, einer 3×3-Matrix, die die
Diffraktometerkoordinaten x mit den Millerindizes h verbindet: x = ATh. Die Matrix x wiederum ist eine
gerätespezifische, jedoch bekannte (trigonometrische) Funktion der Kreiswinkel (bei einem Vierkreissystem
ω, χ, φ; 2θ betrifft nur den Zähler und ergibt sich nach dem Bragg'schen Gesetz!). Die Elemente von A sind
die Komponenten der reziproken Achsen entlang der Diffraktometerachsen; die Orientierungsmatrix enthält
also die Gitterkonstanten in codierter Form (die 9 Parameter reichen für 6 Gitterparameter sowie 3
Orientierungsparameter).
77
messbare Intensität zu finden. Parallel zur Messung wird die Datenreduktion auch
gestartet;
diese
analysiert
die
Einzelaufnahmen
und
wandelt
die
Pixels
in
Reflexintensitäten (mit Standardabweichungen) um.
Abb. 6.3. Einzelaufnahme (Frame) bei einem Flächenzähler. Die Zahlen sind die Auflösungen (s.u.).
Abb. 6.4. Signalübertragung mit CCD-Chip. Bei modernen (größeren) Chips und kleinen Detektoren kann
auf die Faseroptik verzichtet werden, das Licht wird direkt auf den Chip übertragen.
Abb. 6.5. Reflexprofil bei einem Flächenzähler
78
Abb. 6.6. Verschiedene Reflexprofile ( ω-Scans, Vierkreisdiffraktometer, etwa 1990!) entsprechend
Kristallqualitäten sehr gut (oben links) bis unbrauchbar (unten rechts).
4. Absorptionskorrektur: Absorption ist der größte systematische Fehler der RSA. Ein
typisches Symptom nicht- oder unzureichend korrigierter Absorption ist die Anwesenheit
von großen, strukturchemisch unmöglichen Peaks dicht neben den Schweratomen (vgl.
Seminaraufgabe 11). Bei Schweratomstrukturen ist eine Absorptionskorrektur unbedingt
notwendig. Ein Absorptionsprofil wird berechnet, indem von gleichen sowie äquivalenten
Reflexen, die bei verschiedenen Geometrien gemessen wurden, die Intensitätsunterschiede
minimiert werden. Die Absorptionskorrektur wird oft in zwei Teilprozesse zerlegt: die
Skalierung (vor der Beugung; wie ändert sich die effektive Primärstrahlintensität von Bild
zu Bild?) und die eigentliche Absorptionskorrektur (wegen unterschiedlicher Weglängen
durch den Kristall).85 Eine erfolgreiche Korrektur setzt eine hohe Datenredundanz
(mindestens 10) voraus. Heutzutage wird die Korrektur (fast) immer durchgeführt, ob
Schweratome vorhanden sind oder nicht; bei sehr schwach absorbierenden Proben kann
nachträglich auf die Absorptionskorrektur verzichtet werden (vgl. Aufgabe 43), aber die
Skalierung bleibt.
Ein zusätzliches Programm (z.B. XPREP, vgl. Seminare) wird verwendet, um die
Raumgruppe zu bestimmen (automatische Analyse der Auslöschungen) und passende
Dateien für die Weiterbearbeitung der Strukturanalyse zu schreiben. Die endgültigen Daten
umfassen etwa 1000-500000 Einzelreflexe.86
85
Auch bei kugelförmigen Kristallen (selten!) gibt es systematische Fehler wegen der unterschiedlichen
Weglängen (warum?).
86
Bei einer Zelle mit Volumen V Å3 bis zu einem Beugungswinkel 2θ errechnet sich die Reflexzahl (alle hkl-
Werte, ohne etwaige Symmetrie zu berücksichtigen) zu (4π/3)(2/λ)3V sin3 θ ≈ 12V bei Mo-Kα-Strahlung bis
2θ 60°. Bei jedem Einzelschritt der Strukturlösung und -verfeinerung (Kap. 7) werden äquivalente und
redundante Reflexe gemittelt und somit nur mit den unabhängigen Daten gearbeitet.
79
6.3 Datenqualität
Die üblichen Kriteria der Datenqualität sind R (int),87 ein Maß für die Übereinstimmung
äquivalenter Reflexe (Absch. 2.9) und R (σ), ein Maß für die allgemeine Intensitätsstärke:
R (σ) = Σ[σ(I)] / ΣI. In beiden Fällen entsprechen kleinere R-Werte besseren Daten; "gute"
Werte liegen bei etwa 0.05, "schlechte" etwa > 0.2 (s. Aufgabe 40).
Ein sehr hoher R (int)-Wert kann auf eine falsch zugeordnete Laue-Gruppe hindeuten (vgl.
Aufgabe 31, Seminaraufgabe 16). Da sollte immer kontrolliert werden, ob die vermeintlich
äquivalenten Reflexe (Tab. 2.3) tatsächlich gleiche Intensität haben. Häufige Fälle/Fallen
in der Praxis: monoklin mit β ≈ 90° (Zelle sieht orthorhombisch aus), monoklin mit a ≈ c
(scheinbar C-zentriert orthorhombisch; Abb. 6.7).
Beugungsintensitäten sind näherungsweise proportional zu Io × Σf 2 × VKristall / V 2Zelle. Bei
einer gegebenen Verbindung sind die limitierenden Faktoren also Primärstrahlintensität
und Kristallgröße.
Abb. 6.7. Vortäuschung einer zu hohen Symmetrie (vgl. Abb. 0.3). Links (zweidimensional): Metrische
Symmetrie: rechteckig; wahre Symmetrie des Zellinhalts: keine! Rechts (zweidimensionale Projektion):
Metrische Symmetrie: orthorhombisch flächenzentriert; wahre Symmetrie: monoklin P mit gleichen Achsen
a und c.
6.4 Tieftemperaturmessungen
Es ist üblich, bei tiefer Temperatur zu messen. Der Kristall wird durch einen kalten Stickstoffstrom gekühlt, wobei die Temperatur durch eine Grob- sowie eine Feineinstellung
(Verdampfungsgeschwindigkeit aus dem Stickstoffbehälter sowie Wiedererwärmung des
Kaltgases kurz vorm Kristall, falls notwendig) gesteuert wird. Um Vereisung am Kristall
87
Synonym: R (sym) (wird z.B. vom Programm XPREP verwendet, Seminaraufgabe 16).
80
zu verringern, wird ein Doppelstrom verwendet; der Kaltgasstrom wird von einem
parallelen trockenen Warmgasstrom ummantelt, der die feuchte Laborluft vom Kristall
fernhält.
Einige Vorteile der TT-Messungen sind: die U-Werte sind niedriger, es gibt weniger
Librationseffekte (Kap. 7); man kann bis zu höherem 2θ(max) (etwa 60° bei TT, 50° bei
RT) messen; die Chancen sind besser, schwierige (große) Strukturen zu lösen; es erfolgt
ein besseres Verhältnis (beobachtete Daten)/Parameter und somit niedrigere esd's der
Moleküldimensionen; H-Atome sind leichter zu finden (Kap. 7); dynamische Unordnung
wird größtenteils unterdrückt, etwaige statische Unordnung ist leichter zu erkennen und
verfeinern (Kap. 7); die Intensitäten sind höher (Faktor etwa ×6 bei –170°C!). Nachteile:
experimenteller
Aufwand
(Abb.
6.8),
Vereisung
(selten),
Stickstoffverbrauch,
Phasenumwandlungen (Kristalle platzen beim Kühlen!).
6.5 Die Auflösung
Aus der Bragg'schen Gleichung gilt d = λ/(2 sin θ). Wollen wir also Gegenstände (Atome!)
voneinander auflösen, die einen Abstand d (den Abstand zwischen Miller-Ebenen in der
Ebenenschar) zueinander haben, so müssen wir das Beugungsmuster mindestens bis zu
einem entsprechenden 2θ-Wert (2θmax genannt) messen. Betrachten wir atomare Auflösung
als etwa 1 Å, so beträgt 2θmax für Mo-Strahlung (λ = 0.71073 Å) 41°. Wird dieser Wert bei
der Messung nicht erreicht, so ist es unwahrscheinlich, dass die Struktur gelöst werden
kann (Abb. 6.9).88
Abb. 6.8. Aufbau des Kühlgeräts bei TT-Messungen
88
Heutzutage würde niemand daran denken, bis nur 41° zu messen, allerdings wäre es bei sehr schlechten
Kristallen schon möglich, dass bei einer Messung bis 50° (den allgemein empfohlenen Mindestwert) die
signifikante Intensität bei wesentlich kleinerem 2θ als 50° aufhört.
81
Abb. 6.9. Verschiedene Auflösungsgrade derselben Struktur
Statt des maximalen 2θ-Winkels einer Messung kann man auch den entsprechenden dWert anzugeben (Tab. 6.1). Ein weiteres alternatives Maß für die Auflösung ist (sin θ)/λ in
Å–1. Die Zahl der zu messenden Reflexe ist proportional zu sin3θ (s.o.).
Tab. 6.1: Beugungswinkel und Auflösung (Mo-Strahlung)
2θmax
d (Å)
(sin θ)/λ (Å–1)
sin3θ/sin3(25°)
(rel. Reflexzahl)
40
1.04
0.48
0.53
45
0.93
0.54
0.74
50
0.84
0.59
1.00
55
0.77
0.65
1.30
60
0.71 (=λ!)
0.70
1.66
65
0.66
0.76
2.05
70
0.62
0.81
2.50
82
6.6 Messungen mit Cu-Strahlung
Die Methoden der Röntgenstrukturanalyse unterliegen Modeerscheinungen! In den Jahren
etwa 1980-2000 hätte niemand mehr daran gedacht, mit Cu-Strahlung (λ = 1.54184 Å) zu
messen. Seit einigen Jahren erlebt die Cu-Strahlung eine Wiederbelebung, besonders bei
sehr kleinen Kristallen. Vorteile und Nachteile sind in Tabelle 6.2 zusammengefasst.
Bei gut streuenden Kristallen ist die Mo-Strahlung zu bevorzugen, denn mit ihr man kann
mehr Daten messen (höhere Auflösungen sind wegen der kleineren Wellenlänge
zugänglich), wobei die molekularen Dimensionen kleinere Standardabweichungen haben.
Ausnahme: man müsste bei einer Leichtatomstruktur die absolute Konfiguration
bestimmen.
Tab. 6.2. Eigenschaften von Mo- bzw. Cu-Strahlung
Mo-Strahlung
Cu-Strahlung
Wellenlänge (Å)
0.71073
1.54184
Primärstrahlintensität Niedriger
Höher (Faktor ≈ 10, bei
speziellen Geräten wesentlich
mehr)
Absorption
Weniger
Mehr
(durch
moderne
Absorptionskorrekturen
zu
beheben)
Zahl der zugänglichen Mehr; dadurch deutlichere Weniger (theoretische max.
Peaks in Fourier-Synthesen Auflösung ist λ/2 = 0.77 Å bei
Reflexe (∝ λ–3, s.o.)
(z.B. bei der H-Atom-Suche), 2θ 180°, entsprechend 2θ etwa
kleinere
Standardabweich- 55° bei Mo-Strahlung).
ungen bei der Verfeinerung.
Die meisten Kristalle streuen
Man misst bis 2θ etwa 60°, bei über die 2θ-Messgrenze (etwa
höherem Winkel ist wenig 150°) hinaus, viele Reflexe
Intensität da.
können also gar nicht registriert
Es gibt auch mehr Reflexe pro werden.
Frame, was eine Messung
etwas beschleunigt.
Anomale
Streuung Kleiner;
bei
Leichtatom- Größer (dient der Bestimmung
(Abschn. 7.10)
strukturen effektiv gleich Null der absoluten Konfiguration)
Bei langen Achsen
K schwer zu trennen
K leichter zu trennen
(>
35
Å)
sind
benachbarte Reflexe:
83
6.7 Kristallgröße
Dieses Problem wurde im Abschn. 5.2 kurz andiskutiert. Große Kristalle streuen stärker
(die Streukraft ist proportional zum Kristallvolumen), und stärkere Daten (niedrigere R(σ)Werte) sind immer besser! Wenn alles Andere gleich bleibt (keine schweren Absorptionseffekte, also bei organischen Substanzen) kann man ruhig große Kristalle verwenden, also
bis etwa 0.5 mm (Durchmesser des Primärstrahls bei normalen Röntgenröhren). Bei
solchen Kristallen kann man oft einen Datensatz in 2-3 Stunden aufnehmen. Bei starker
Absorption (Schweratomverbindungen) muss der Kristall klein sein (z.B. etwa 0.1 mm bei
Goldverbindungen), damit die Absorptionskorrektur noch greift. Die gewählte Kristallgröße ist also oft ein Kompromiss. Bei Mikroquellen, die schmalere Primärstrahlen (0.2
mm) erzeugen, reichen sowieso oft kleinere Kristalle (etwa 0.02 mm), bei denen
Absorptionseffekte nicht so schwerwiegend sind.
Im Laufe der Seminare gibt es eine Diffraktometerbesichtigung der beiden Diffraktometer
im Institut. Schlüsselwörter: Hardwarekomponenten; Darstellung eines Frames (kleines
Info-Fenster, Auflösungsringe, Anzeige der hkl-Werte); eine Messung in Zeitraffe;
Informationsfenster "Crystal", "Data collection", "Data reduction"; Blicke ins reziproke
Gitter; Unterschiede zwischen Messungen mit Mo- bzw. Cu-Strahlung. Dabei gibt es auch
die Möglichkeit, Kristallproben unter dem Mikroskop zu untersuchen und mit der
Präpariernadel zu sortieren.
84
7. Strukturverfeinerung
Patterson-Peaks sind sehr breit, und ihre exakten Lagen schwer zu bestimmen; direkte
Methoden beruhen auf einem stark reduzierten Datensatz (nur Reflexe mit |E| > 1.2). Aus
diesen Gründen sind die Atomkoordinaten, die durch Schweratom- oder direkte Methoden
ermittelt werden, nur vorläufig (typische Abweichungen von den endgültigen Lagen
betragen ca. 0.1 Å). Um bessere Werte zu bekommen, muss das vorläufige Modell
verfeinert werden.
7.1 Least-Squares-Verfeinerung
Das System ist überbestimmt; es gibt viel mehr gemessene Intensitäten als zu bestimmende
Atomparameter (Daten/Parameter-Verhältnis >> 1).89 Wir können also Least-SquaresMethoden verwenden. Für ein gegebenes Strukturmodell kann man |F|c-Werte berechnen
(c = engl. calculated) und mit den beobachteten |F|o-Werten (o = engl. observed)
vergleichen. Die Summe der quadrierten Unterschiede zwischen |Fo| und |Fc| sei L:
L = ∑ (|Fo(h)| – |Fc(h)|)2
h
Gl.22
Das Prinzip der Least-Squares-Verfeinerung besteht darin, die Atomparameter so zu
ändern (verschieben), dass L minimiert wird. Die Mathematik dieses Verfahrens ist nicht
schwierig, aber rechenintensiv.
Die Parameterverschiebungen beruhen auf einer Näherung (mathematisch gesehen: das
Verfahren ist nicht linear) und sind somit nicht endgültig korrekt; eine normale
Verfeinerung besteht deswegen aus mehreren (etwa 4–10) Zyklen, wobei die neuen
Parameter jeweils als Startposition für einen weiteren Zyklus verwendet werden. Der
Prozess wird so lange wiederholt, bis die Verschiebungen gegen Null tendieren (bis die
Verfeinerung konvergiert hat).
Jeder verfeinerte Parameter ist mit einer Standardabweichung (e.s.d. = "estimated standard
deviation", moderner s.u. = "standard uncertainty") versehen. Je zahlreicher und präziser
die Daten, desto kleiner die Standardabweichungen. Aus den e.s.d.'s der Atomkoordinaten
können auch e.s.d.'s der Bindungslängen und -winkel berechnet werden (typisch für eine
C–C-Bindung: 0.004 Å). Die e.s.d.'s sind untere Fehlergrenzen (systematische Fehler
werden nicht berücksichtigt), erlauben aber eine Beurteilung der Zuverlässigkeit bzw.
Signifikanz der molekularen Dimensionen.
89
(a) Intensitäten werden vom Programm Zeile für Zeile [als h k l I σ(I)] eingelesen; vgl. Übungen. (b)
Eine gute Strukturverfeinerung setzt ein Daten/Parameter-Verhältnis von mindestens 10 voraus.
85
7.2 Der R-Wert
Als Maß für die Übereinstimmung zwischen |Fo| und |Fc| wird nicht direkt L (Gl. 22)
verwendet, sondern der R-Wert (residual, dt. Rest):
R = ∑ ||Fo(h)| – |Fc(h)|| / ∑ |Fo(h)|
h
Gl.23
h
oder in verkürzter/vereinfachter Form (die Summierung über alle h sei implizit)
R = Σ ||Fo| – |Fc|| / Σ |Fo|
Gl.23 (Kurzform)
R-Werte werden oft als Prozentwerte angegeben. Korrekte Strukturmodelle vor der
Verfeinerung liegen bei etwa R = 15–40%, bei guten Daten nach abgeschlossener
Verfeinerung bei etwa R = 2–5%.90 Ein perfektes Modell bei fehlerfreien Daten (beides
unerreichbar!) hätte R = 0.
7.3 Isotrope Verfeinerung
Die erste Verfeinerung eines Strukturmodells umfasst die Atomkoordinaten. Es muss aber
auch die Thermalbewegung der Atome, die um die Ruhelage ausgeführt wird, berücksichtigt werden. Mittlere Schwingungsamplituden liegen bei Zimmertemperatur bei etwa
0.2 Å.
Die atomaren Streufaktoren f (Abb. 2.3) gelten nur für starre Atome. Wird die
Elektronendichte durch Thermalbewegung "verschmiert", so klingen die f-Werte bei
zunehmendem Beugungswinkel stärker ab (Abb. 7.1):
fj = f0 exp{–B(sin θ/ λ)2}
Gl.24
wobei f0 der Abb. 2.3 entspricht (vgl. Aufgabe 42).
Abb. 7.1. Links: die Funktion exp{-B (sin θ/ λ)2}; rechts: Streufaktor des Kohlenstoffatoms bei B = 0
und B = 4 (man merke die sehr hohe Auswirkung auf die Streuung bei hohem Winkel!).
90
Wie unten beschrieben (Abschn. 7.7), wird jetzt üblicherweise gegen |F|2 statt |F| verfeinert; die
abschließenden R (|F|2)-Werte sind um einen Faktor ca. 2-3 höher als R (|F|).
86
B, der Debye-Waller-Faktor, beschreibt eine in allen Richtungen gleichmäßige (isotrope)
Thermalbewegung. Es ist üblich, statt B-Werte U-Werte anzugeben; U ist die mittlere
quadrierte Schwingungsamplitude, gegeben durch
U = B / 8π2
Gl.25
(d.h. B ≈ 8 entspricht U ≈ 0.1). U (und B) heißen Temperaturfaktoren, Thermal- oder
Auslenkungsparameter (Einheiten: Å2). Typische U-Werte wären bei RT 0.05–0.10 und
bei TT 0.02–0.05 Å2. Bei der isotropen Verfeinerung werden also für jedes Atom vier
Parameter (x, y, z, U) verfeinert. Nach der ersten isotropen Verfeinerung werden etwaige
fehlende Atome (außer H-Atomen) durch Differenz-Synthesen gefunden.
7.4 Anisotrope Verfeinerung
Die isotrope Atombewegung ist eine schlechte Näherung (Abb. 7.2), insbesondere für
endständige Atome. Eine ausführlichere Beschreibung, unter der Annahme, dass die
Bewegung ellipsoidenförmig ist, lautet:
2
Tanis = 2π
fj = f0 exp(–Tanis), wobei
2
2
2
2
(U11h a* +U22k b* +U33l2c*2+2U12hka*b*+2U13hla*c*+2U23klb*c*)
Gl.26 91
Abb. 7.2. Links: Anisotrop schwingendes Atom (z.B. Au einer senkrecht stehenden, linearen L–Au–
L-Einheit). Mitte: Isotropes Modell. Rechts: Restelektronendichte beim isotropen Modell.
Die Komponenten Uii bestimmen die Form (Hauptachsen) des Ellipsoids und Uij seine
Orientierung (Abb. 7.3a). Diese anisotrope Verfeinerung, mit 9 Parametern pro Atom,
kann auch kein absolut präzises Bild der Atombewegung liefern, ist jedoch in der Praxis
eine gute Näherung, besonderes bei tiefer Temperatur. Die sog. ORTEP-Bilder (Oak Ridge
Thermal Ellipsoid Program, Abb. 7.3b) stellen die Atome als Wahrscheinlichkeits-
ellipsoiden dar.92
Bei "50%igen Ellipsoiden" hat das Atom eine 50%ige Chance, sich innerhalb des
Ellipsoids zu befinden.
Man merke: (i) Ellipsoidbilder ohne Wahrscheinlichkeitsangabe sind nur begrenzt
sinnvoll. (ii) Eine schlechte Strukturbestimmung sieht oft besser aus, wenn man mit dem
Wahrscheinlichkeitsniveau heruntergeht. (iii) Bei schlechtem Verfeinerungsmodell (z.B.
91
Hinter dieser Gleichung steckt sehr viel komplizierte Physik/Mathematik!
92
Ein Ellipsoidbild ist erst dann ein ORTEP-Bild, wenn es mit ORTEP gezeichnet wurde; es gibt andere
Programme!
87
falsche Atomtypen, nicht erkannte Unordnung (s.u.)) bzw. schlechten Daten können
insbesondere anisotrope Auslenkungsparameter extreme Werte annehmen, die sogar einer
negativen Thermalbewegung entsprechen (das Ellipsoid hat ein negatives Volumen).
Solche physikalisch sinnlosen Werte werden als NPD (engl. "non-positive-definite")
bezeichnet.
Abb. 7.3a. Ellipsoid-Darstellung von Atomen mit unterschiedlichen Uij-Werten (alle in Å2;
Blickrichtung parallel zur c-Achse). C1 und C2 sind isotrop!
Atom
C1
C2
C3
C4
C5
C6
U11
0.05
0.15
0.05
0.15
0.15
0.15
U22
0.05
0.15
0.15
0.05
0.05
0.05
U33
0.05
0.15
0.05
0.05
0.05
0.05
U23
0
0
0
0
0
0
U13
0
0
0
0
0
0
U12
0
0
0
0
0.05
–0.05
Abb. 7.3b. Ellipsoid-Darstellung einer Struktur mit zwei unabhängigen Molekülen (Z ' = 2).
Aufenthaltswahrscheinlichkeit: 50%. H-Atome werden als Kugeln (Kreise) gezeichnet, weil sie NICHT
anisotrop verfeinert werden können/dürfen.
88
Es muss überlegt werden, welche Atome anisotrop verfeinert werden sollten. Neben
schweren Atomen (z.B. Gold) streuen Leichtatome wie Kohlenstoff verhältnismäßig so
schwach, dass ihre anisotropen U-Werte außer bei guter Datenqualität unzuverlässig sein
können. Wasserstoffatome dürfen selbst bei organischen Strukturen nur isotrop verfeinert
werden (s.u.).
Nach der anisotropen Verfeinerung entsprechen die größten Differenz-Peaks den HAtomen; vorausgesetzt, die Daten sind gut (Abb. 7.4; vgl. Seminaraufgabe 7). H-AtomPeaks betragen bei RT etwa 0.3–0.7, bei TT etwa 0.5–1.1 e Å–3. 93
7.5 Wasserstoffatome
Wasserstoffatome streuen schwächer als alle anderen Atome (Abb. 2.3) und sind
schwieriger zu finden. Sind die Daten gut und in ausreichender Zahl vorhanden, so können
H-Atome in Differenz-Fourier-Synthesen gefunden (Abb. 7.6) und normal verfeinert
werden.
Da nach Gl. 5 alle Atome zu allen Strukturfaktoren beitragen, gibt es keine
"Wasserstoffreflexe", die schwach seien (ein häufiges Missverständnis bei Anfängern),
sondern vielmehr sind die Beiträge der H-Atome zu allen Strukturfaktoren gering.
Bei Röntgenstrukturanalysen sind die X–H-Bindungslängen systematisch zu kurz, z.B. C–
H ca. 0.98 statt des richtigen Abstands 1.08 Å (aus Neutronenbeugung), weil das HElektron an der kovalenten Bindung zu X teilnimmt.
In den meisten Fällen ist es besser, die H-Atome an idealisierte Lagen zu setzen (mit
vorgegebenen X–H-Bindungslängen und ggf. H–X–H-Winkeln; Aufgabe 45). Danach wird
der X–H-Vektor während der Verfeinerung konstant gehalten (Reiter-Modell, Abb. 7.4).
Das automatische Setzen von H-Atomen kann jedoch gefährlich sein (warum? vgl.
Seminaraufgabe 7). Die U-Werte der H-Atome werden in der Regel nicht verfeinert,
sondern nach U(H) = 1.2U(C) 94 festgehalten (endständige Atome bewegen sich mehr!).
93
vgl. etwa 1–4 e Å–3 bei Peaks, die neben Schweratomen liegen und auf Restabsorptionsfehlern beruhen, s.
Seminaraufgabe 11, bzw. etwa 10 e Å–3 bei Peaks, die bei TT fehlenden C-Atomen entsprechen.
94
Bei Methylgruppen U(H) = 1.5U(C); wegen der Drehbarkeit bewegen sich diese H-Atome etwas mehr.
89
Abb. 7.4. Das Reiter-Modell. (i) In einer C–C–C–C-Kette (links) soll das zweite Kohlenstoffatom als
Methylengruppe verfeinert werden. (ii) Zunächst werden die H-Atome an berechnete Stelle mit definierter
Geometrie eingeführt (Mitte). (iii) Die CH2-Gruppe (Kästchen, rechts) bewegt sich während der
anschließenden Verfeinerung als komplette Einheit. Nur Teil (iii) ist das eigentliche Reiter-Modell (die HAtome "reiten" auf dem C-Atom 95).
Eine komplette Verfeinerung umfasst also folgende Vorgänge: (i) das ursprüngliche
Modell (R etwa 0.4); (ii) isotrope Verfeinerung (0.2); (iii) anisotrope Verfeinerung (0.1);
(iv) Verfeinerung mit H-Atomen (0.05).
Die Zahl der Parameter beträgt etwa 9N (bei N Nicht-Wasserstoff-Atomen). Dazu kommen
Parameter für etwaige frei verfeinerte H-Atome, ein Skalierungsparameter (beschreibt die
Skalierung zwischen |Fo| und |Fc|), sowie ggf. Spezialparameter wie Extinktion (Abschn.
7.16); vgl. Aufgabe 41.
Eine Strukturverfeinerung ist prinzipiell fertig, wenn alle Atome gefunden worden sind
und die Parameterverschiebungen gegen Null tendieren (in der Praxis: < 0.01σ bei allen
Parametern).
7.6 Gewichtsschemata
Eine gewichtete Verfeinerung berücksichtigt, dass |F|-Werte mit unterschiedlicher
Präzision gemessen werden. Jedem Reflex wird ein Gewicht w(h) (kurz: w) zugeordnet,
und Gl. 22 und 23 modifiziert:
L = Σ w (|Fo| – |Fc|)2
Gl.22a
Rw = Σ w||Fo| – |Fc|| / Σ w|Fo|
Gl.23a
Nach reiner Zählstatistik müsste gelten w –1 = σ 2(|F|); schwächere Reflexe werden weniger
genau gemessen. Ein in der Praxis oft eingesetztes Gewichtsschema ist w –1 = σ 2(|F|) +
g|F|2, wobei g eine kleine Konstante (10 –4 –10 –3) ist. Diese berücksichtigt systematische
Fehler, die in etwa proportional zu I sind. Gewichtsschemata werden erst gegen Ende der
Verfeinerung eingesetzt.
95
Die relative Position von Reiter und Pferd bleibt konstant!
90
7.7 Computerdateien
Alle Strukturverfeinerungen sind sehr rechenintensiv und werden am Computer gemacht.
Dabei muss es eine wohldefinierte "Dateistruktur" geben. Beim Programmsystem, das am
häufigsten verwendet wird ("SHELX", G. M. Sheldrick, Uni. Göttingen), werden die
Dateien wie folgt organisiert (Abb. 7.5):
Jede Struktur hat einen Namen, die auch alle Dateien tragen; hier lautet er einfach "name".
Die Intensitätsdatei name.hkl enthält für jeden Reflex (mindestens) die Werte h, k, l, I, σ(I).
Diese Datei bleibt während der ganzen Bearbeitung der Struktur unverändert. Die Befehlsdatei name.ins (ins = instructions) enthält Informationen über z.B. die Gitterkonstanten, die
Symmetrieoperationen, die aktuellen Atomkoordinaten und die Auslenkungsparameter;
darüber hinaus sind dort die Verfeinerungsbefehle wie: Zahl der Zyklen, Gewichtsschema,
Differenz-Fourier, Berechnung von Bindungslängen/-winkel. Am Ende der Verfeinerung
werden neue Dateien geschrieben: name.res (res = results) enthält die neuen Atomparameter und die gleichen Befehle wie ins; sie wird editiert und für die nächste
Verfeinerung auf ins umbenannt. Die Datei name.cif (cif = crystallographic information
file) enthält nach einem international akzeptierten und normierten Format alle möglichen
Informationen über die Strukturbestimmung, und wird nach (bzw. statt) Veröffentlichung
der Struktur beim Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) deponiert.
Die HKL-Datei enthält die Intensitäten, aber nicht die Gitterkonstanten; die INS-Datei
enthält die Gitterkonstanten, aber nicht die Intensitäten. Sollte die Zelle, mit der gemessen
wurde, später umorientiert werden, so entspricht die alte HKL-Datei der falschen Zelle.
Man muss die hkl-Indizes dieser Datei mit der Umorientierungsmatrix multiplizieren, um
auf die neuen Indizes zu kommen. Das ist eine gefährliche Fehlerquelle, wenn man nicht
aufpasst!
Abb. 7.5. Dateiorganisation beim Verfeinerungsprogramm SHELXL.
91
7.8 Verfeinerung gegen |F|2
Dass bis etwa 1990 immer gegen |F| verfeinert wurde, war ein historischer Zufall;
jahrelang meinten viele Experten, man müsste auf |F|2 umsteigen (die Intensitätswerte, die
tatsächlich gemessen werden). Das meist verwendete Programmsystem (SHELXL, Prof.
G. M. Sheldrick, Uni. Göttingen) wurde 1992 grundsätzlich umgeschrieben, so dass nun
gegen |F|2 verfeinert wird.96 Für die R-Werte verwendet man unterschiedliche Symbole R 1
(für den „alten“ R-Wert wie oben, gegen |F| verfeinert) und R 2 (der „neue“ R-Wert gegen
|F|2 verfeinert). Der R 2-Wert ist nicht exakt analog zum konventionellen R-Wert, sondern
wird definiert (ungewichtet/gewichtet) als
R 2 = [Σ (|Fo|2 – |Fc| 2) 2 / Σ (|Fo| 2) 2]0.5
wR 2 = [Σ w(|Fo| 2 – |Fc| 2) 2 / Σ w(|Fo| 2) 2]0.5
Gl.24a
Gl.24b 97
Bei der Verfeinerung wird wR 2 minimiert. Die neuen R 2-Werte sind ungefähr doppelt so
groß wie bei der |F|-Verfeinerung (ein rein kosmetischer Nachteil!). Einige Vorteile: (i)
Gewichtsschemata der allgemeinen Form w –1 = σ 2 (I) + k 1I + k 2|F| (k 1 und k 2 sind
Konstanten, bei guten Daten tendiert k2 zu Null) werden verwendet; dabei ist σ(I) für alle
Reflexe relativ problemlos zu schätzen und bei der Verfeinerung einzusetzen (vgl. σ(|F|),
wobei |F| ∝ √I, d.h. d|F| ∝ dI/|F|; was tun bei |F| ≈ 0?). (ii) Es gibt keine Probleme, Reflexe
mit negativem |F|2 (wie kann so etwas entstehen?) zu berücksichtigen. (iii) Die alte
Unsitte, schwache Reflexe einfach wegzulassen (Ausrede: bei negativem |F|2 kann ich
nichts machen, also lasse ich alle schwachen Reflexe weg, der R-Wert wird sowieso
besser), was zu statistisch verzerrten Datensätzen führt, wird im Programmsystem
unterbunden. (iv) Die Verfeinerung gegen |F|2 ist wesentlich empfindlicher gegenüber
Fehlern wie dem falschen Setzen von H-Atomen oder dem falschen Zuordnen von
Atomtypen (z.B. C/N/O).98
96
Platzsparend schreibt man oft (strenggenommen inkorrekt) "gegen F 2 ". Wie ist der Unterschied zwischen
A2 und |A|2 bei einer komplexen Zahl A?!
97
Das unerwartete Quadrieren mit anschließender Wurzelziehung beruht auf computertechnisch
effizienterem Rechnen.
98
Das hat zwei Gründe: (i) H-Atome streuen bei niedrigem Beugungswinkel, wo |F|-Werte verhältnismäßig
größer sind, stärker; (ii) Die Unterschiede zwischen Streufaktorkurven für benachbarte Atome wie N und O
sind ebenfalls bei niedrigem Beugungswinkel größer. Bei |F|2-Werten werden diese Effekte hervorgehoben.
92
7.9 Elektronendichte und Atomtyp
Bei röntgenographischen Methoden muss jeder Peak der Elektronendichte als bestimmter
Atomtyp interpretiert werden. Der richtige Atomtyp (und somit der Streufaktor) kann aus
einer Betrachtung der Chemie, der Geometrie und der Zahl der gebundenen H-Atome
(soweit gefunden) zugeordnet werden. Weitere Hinweise liefern die Temperaturfaktoren.
Wird ein Peak versehentlich als ein zu großes Atom verfeinert, so wird die
Elektronendichte "verschmiert", und der U-Wert wird zu groß. Bei einem zu klein
gesetzten Atomtyp wird U zu klein …
(sogar Null bzw. negativ), und signifikante Restelektronendichte taucht in der Nähe des
Atoms auf (Abb. 7.6).
Abb. 7.6. Restelektronendichte bei falscher Atomzuordnung. (a) verfeinertes Modell; (b) richtige
Atomzuordnung. Die Restelektronendichte zeigt Maxima in der Nähe der "zu leichten" Atome sowie an den
H-Positionen (H-Atome der Ethylgruppe liegen außerhalb dieses Querschnitts).
7.10 Anomale Streuung und Absolute Konfiguration
Die sogenannte anomale Streuung bei Schweratomen besteht in einer Phasenverschiebung
des gebeugten Strahls, die immer in derselben Richtung wirkt (in der Gauß'schen
Zahlenebene gegen Uhrzeigersinn). Das Ausmaß des Effekts ist klein, nimmt aber mit
zunehmender Kernladungszahl unregelmäßig zu.99 Die wichtigste Folge der anomalen
Streuung ist, dass bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen mit ausreichend schweren
Atomen die Beträge der Vektoren F(hkl) und F( hkl ) nicht mehr exakt gleich sind (Abb.
7.7), d.h. das Friedel'sche Gesetz |F(hkl)| = |F( hkl )| ist nur noch eine Näherung. Somit
99
Wie schwer ist ein "Schweratom"? Bei Mo-Strahlung ist die anomale Streuung bei Atomen der ersten
beiden Perioden im allgemeinen vernachlässigbar; erst ab Atomen der 3. Periode wird der Effekt signifikant.
Bei Cu-Strahlung ist der Effekt ausgeprägter und wird bereits bei Sauerstoff signifikant. Beispiel: für
Silizium gilt f = 14 (bei 2θ = 0°), anomale Streuung f " = 0.07 (Mo-Strahlung) bzw. 0.33 (Cu-Strahlung).
93
weisen auch die Intensitäten der Reflexe hkl und hkl
kleine (einige Prozent der
Intensität), jedoch messbare Friedel- oder Bijvoet-Unterschiede auf. Bei zentrosymmetrischen Strukturen gilt das Friedel'sche Gesetz trotz anomaler Streuung immer
noch exakt.
Ohne anomale Streuung gelten äquivalente Reflexe nach der Laue-Gruppe (Abschn. 2.8);
z.B. in der orthorhombischen Raumgruppe P212121 (Laue-Gruppe mmm) sind zum Reflex
123 auch die Reflexe 123, 1 2 3, 12 3 , 1 2 3 , 12 3 , 1 2 3 und 1 2 3 äquivalent. Bei
signifikanter anomaler Streuung gilt nur noch die Punktgruppe (synonym: Kristallklasse,
Abschn. 1.8) 222; exakt äquivalent zu 123 sind nur noch 1 2 3 , 12 3 und 1 2 3. Die anderen
vier Reflexe 123, 1 2 3, 12 3 und 1 2 3 sind auch zueinander exakt äquivalent, aber die
beiden Vierersätze haben signifikant unterschiedliche Intensitäten.
Abb. 7.7. Auswirkung der anomalen Streuung (stark vereinfacht). Das wichtigste Ergebnis: |F(h)|anom
≠ |F(–h)| anom.
Ist |F(hkl)| prinzipiell ungleich |F( hkl )|, so können wir nach der Strukturfaktorgleichung
die Strukturen mit Atomlagen +x, +y, +z bzw. –x, –y, –z, d.h. Bild und Inversionsbild
("Spiegelbild"), voneinander unterscheiden; eines davon wird zu den gemessenen
Intensitäten besser passen, d.h. der R-Wert ist kleiner. Da aber der Unterschied in den RWerten recht klein sein kann, wurde eine zuverlässigere Methode von Flack entwickelt.
Dabei wird ein Bruchteil x der invertierten Struktur mitverfeinert:
|F(hkl, x)|2 = (1–x)|F (hkl)|2 + x |F ( hkl )|2
Bei x ≈ 0 ist die Struktur korrekt, bei x ≈ 1 muss sie invertiert werden.
Bei einer enantiomerenreinen Substanz bestimmt man auf diese Weise die absolute
Konfiguration.
Solche Substanzen kristallisieren zwangsläufig in chiralen Raumgruppen (Abschn. 1.6.5).
94
7.11 Unordnung 100
Lässt sich ein Atom (oder mehrere) in Differenz-Synthesen nur andeutungsweise finden,
und/oder weist ungewöhnlich hohe Temperaturfaktoren auf, so kann dies auf Unordnung
zurückzuführen sein. Wir unterscheiden zwei Fälle: (i) Dynamische Unordnung. Einige
Gruppen können sich im Kristall, z.B. wegen kleiner Rotationsbarrieren, heftig bewegen.
Beispiele: kleine, nicht koordinierte, hochsymmetrische Anionen wie ClO4–, BF4–, PF6–;
torsionssymmetrische Gruppen wie –CF3, –CH3; lange Alkylketten. (ii) Statische
Unordnung. Ein Atom bzw. eine Gruppe kann mehrere alternative Lagen mit fast gleicher
Energie einnehmen. Beispiele: o-C6H4F, –SO2F. Man ermittelt nur ein über Zeit und Raum
gemitteltes Bild aller alternativen Lagen.
Typische Symptome bei der Verfeinerung einer ungeordneten Struktur sind: schwer zu
erkennende Strukturteile; hohe U-Werte; sehr ungleiche Uii-Komponenten und somit
asymmetrische Ellipsoide; hohe Restelektronendichte; langsame Konvergenz; schlechte RWerte.
In günstigen Fällen lassen sich die teilbesetzten Lagen einer statischen Unordnung
verfeinern. Durch Tieftemperaturmessungen wird dynamische Unordnung deutlich
herabgesetzt bzw. aufgehoben; statische Unordnung wird besser aufgelöst.
In Abb. 7.8 sieht man ein Beispiel eines erfolgreich aufgelösten Unordnungsproblems.
Abb. 7.8 (links): Ein über ein Inversionszentrum ungeordnetes Toluolmolekül (ohne H-Atome);
(rechts): Die entsprechenden Peaks in der Differenz-Synthese. Warum gibt es nur 5 Peaks?
100
Das Thema wurde bereits in Kap. 5 andiskutiert.
95
7.12 Libration
Libration bedeutet Schwingung entlang eines Bogens. Die Röntgenstrukturanalyse
ermittelt
bei
schwingenden
Atomen
unter
Annahme
ellipsoidenförmiger
Thermalbewegung den Schwerpunkt; hierdurch scheinen die Bindungen etwas kürzer zu
sein, als sie tatsächlich sind (Abb. 7.9a). Bei großen Schwingungsamplituden sind
Librationseffekte erheblich (ca. 0.1 Å); die systematischen Fehler sind also viel größer als
die berechneten esd's. Tieftemperaturmessungen liefern zuverlässigere Bindungslängen
(Abb. 7.9b).
Abb. 7.9a. Librationseffekte. Die tatsächliche Atombewegung entlang des Bogens wird als Ellipsoid
verfeinert; dadurch wird die Bindungslänge von d auf d' verfälscht.
Librationskorrekturen können in Einzelfällen durchgeführt werden (Seminaraufgabe 13);
Voraussetzung ist ein starrer Körper ohne freie Drehungen um Einfachbindungen, was
leider nur bei den allerwenigsten Molekülen zutrifft.
Abb. 7.9b. Struktur von Ph3PAuCF3 bei –100°C (links) bzw. RT (rechts) mit 50%-Ellipsoiden. Werte für die
CF3-Gruppe: mittlere U(F) 0.10 bzw. 0.17Å2; mittlere C-F-Bindungslänge 1.324 bzw. 1.298Å; Au-CBindungslänge 2.045(4) bzw. 2.031(6)Å.
96
7.13 Constraints 101
Ein Constraint ist das Festhalten eines Parameters bei einem bestimmten Wert; z.B. bei
einem Atom auf dem Inversionszentrum 0, 0, 0 in P 1 sind alle Koordinaten unveränderlich
Null. Welcher andere Parameter muss in diesem Fall festgehalten werden?
Bei Atomen, die auf bestimmten speziellen Lagen liegen, unterliegen die Uij -Werte einigen
Einschränkungen. Nehmen wir als Beispiel eine zweizählige Achse || b (Abb. 7.10). Durch
die 180°-Drehung wird x in –x, z in –z umgewandelt. Folgende saloppe Argumentationsweise führt zu korrekten Ergebnissen: U12 verhält sich wie das Produkt xy (x ≡ 1 usw.).
Durch die zweizählige Achse wird xy zu –xy und deshalb U12 zu –U12. Bei U12 = –U12
muss gelten U12 = 0. U12 (und analog U23) muss also beim Wert 0 festgehalten werden.
Die meisten modernen Programme setzen korrekte Constraints automatisch.
Abb. 7.10. Bei einem Atom auf einer zweizähligen Achse parallel zu b darf die Drehung die Form des
Ellipsoids nicht ändern. Links falsch, rechts richtig!
7.14 Starre Gruppen
Bestimmte chemische Gruppen können als starre Gruppen verfeinert werden. Eine starre
Gruppe besitzt vorgegebene, idealisierte Geometrie und wird mit 6 Lageparametern (x, y, z
des ersten Atoms sowie 3 Drehungen) verfeinert. Diese Vorgehensweise entspricht
mathematisch auch einem Constraint. Die Methode hat folgende Vorteile: (i) bei
schlechtem Daten/Parameter-Verhältnis kann die Anzahl der Parameter klein gehalten
werden; (ii) bei großen Koordinationsverbindungen mit schwerem Übergangsmetall und
vielen Phenylgruppen kann die Verfeinerung ebenfalls beschleunigt werden (iii) bei
schlecht aufgelösten oder ungeordneten Atomen wird die Geometrie festgehalten.
Insbesondere werden folgende Gruppen als starre Gruppen verfeinert: Ph, Cp, Me (z.B. Ph
als regelmäßiges Sechseck mit Bindungslänge 1.395 Å). Nachteil: gilt die idealisierte
Geometrie?
101
Abschn. 7.12–7.15 (einschl.) sind kein Klausurstoff!
97
Methylgruppen (s. Abschn. 7.5) können als starre Gruppen verfeinert werden, wenn man
für die H-Atome Startpositionen findet (Restelektronendichte!).
7.15 Restraints
Ein Restraint ist eine zusätzliche Information bei einer Verfeinerung; z.B. "zwei chemisch
äquivalente Bindungen seien gleich lang", oder "ein Phenanthren-Ringsystem sei planar".
Ein Restraint ist nicht exakt; vielmehr entspricht es einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
("Bindungslänge A–B sei gleich Bindungslänge C–D ± 0.005 Å" oder allgemeiner
"verfeinerter Wert Q sei gleich Qideal ± ∆"). Mathematisch ist ein Restraint qualitativ
äquivalent zu einer beobachteten Intensität ("die Intensität des Reflexes 641 ist 23.2 ±
0.3"). Das Quadrat w(Q –Qideal)2 geht in die Verfeinerung mit Gewicht w = 1/∆2 ein, so dass
eine schlechte Übereinstimmung den R -Wert erhöht; umgekehrt ausgedrückt wird der
Wert Q gezwungen, etwa gleich Qideal zu sein.
Vernünftig angewendete Restraints erfüllen den Zweck, dass instabile Verfeinerungen
(z.B. bei freier Verfeinerung von H-Atomen oder bei Unordnung) stabilisiert werden.102
Hier einige Restraint-Typen nach Namen der jeweiligen Programmbefehle:
DFIX l ∆ At1 At2 At3 At4 ... : Abstände At1–At2, At3–At4, ... , seien gleich l±∆.
SADI l ∆ At1 At2 At3 At4 ... : Abstände At1–At2, At3–At4, ... , seien gleich ±∆,
ohne einen bestimmten Wert l anzunehmen.103
FLAT ∆ Atome : die genannten Atome seien koplanar ± ∆.
SAME At1 ... AtN ∆ : Alle 1,2- sowie 1,3-Abstände (Winkel!) der Atome At1 bis
AtN seien gleich denen der Atome in der nachstehenden Liste in derselben Reihenfolge ±
∆; z.B. bei chemisch äquivalenten Gruppen.
(Abb. 7.11): ISOR ∆: alle genannten Atome werden anisotrop verfeinert, sollten
aber in etwa isotrope Auslenkungsparameter (± ∆) haben.
SIMU ∆: alle genannten Atome sollten Auslenkungsparameter gleich denen der
Nachbaratome (± ∆) haben.
DELU ∆: alle genannten Atome sollten Auslenkungsparameter aufweisen, deren
Komponenten entlang gemeinsamer Bindungen gleich (± ∆) seien.
102
TT-Messungen sind aus bekannten Gründen weniger anfällig; die Verfeinerung einer TT-Struktur erfolgt
in der Regel ohne die Anwendung von starren Gruppen bzw. Restraints (Ausnahmen: frei verfeinerte HAtome, ungeordnete Gruppen).
103
Man könnte diesen Befehl z.B. für H-Atome eines Metallhydridclusters verwenden, wenn man davon
ausgehen dürfte, einige M–H-Abstände seien gleich (Seminaraufgabe 11!).
98
Abb. 7.11. Auswirkung einiger Restraints auf Thermalellipsoide.
7.16 Extinktion
Am Ende einer Verfeinerung wird eine Liste schlecht übereinstimmender Reflexe
ausgedruckt. Sind viele starke Reflexe mit |Fbeob| << |Fber| bei niedrigem 2θ dabei, so weist
dies auf Extinktion hin.104 Man unterscheidet zwei Typen der Extinktion:
(i) Primäre Extinktion. Von einer Ebene gebeugte Röntgen treffen die nächste Ebene der
jeweiligen Schar in einem für weitere Beugung geeigneten Winkel (Abb. 7.12a). Doppelt
gebeugte Röntgen weisen zum Primärstrahl einen Phasenunterschied von 180° auf. Damit
wird sowohl der Primärstrahl als auch der einfach gebeugte Strahl geschwächt. Weil die
meisten Kristalle nicht ideal sind (Abb. 7.12b), ist dieser Effekt normalerweise unwichtig.
(a)
(b)
(c)
Abb. 7.12. (a): Primäre Extinktion; (b): Typische Mosaikstruktur eines Kristalls; (c): Sekundäre
Extinktion.
104
Extinktion ist bei starren, idealkristallinen Substanzen (z.B. Diamant, Metalloxide bzw. -salzen) besonders
ausgeprägt.
99
(ii) Sekundäre Extinktion (Abb. 7.12c) ist eine Abschirmung der Gitterebenen im Inneren
des Kristalls vom vollen Primärstrahl, weil die äußeren Ebenen einen Teil "wegbeugen".
Dieser Effekt ist bei großen, stark streuenden Kristallen manchmal wichtig; eine von vielen
vorgeschlagenen Korrekturen verwendet einen Korrekturfaktor x, wobei :
|F|ber,korr = |F|c/[1+x|F|c2λ3/sin 2θ]¼
und der Parameter x verfeinert wird (typischer Wert bei signifikanter Extinktion: etwa 10–6;
nicht mit dem Flack-Parameter x, Abschn. 7.10, verwechseln!).
7.17 Kriterien einer guten Strukturanalyse
Am Ende einer Verfeinerung sollten folgende Kriterien erfüllt sein:
1. Die R-Werte sollten niedrig sein (wR2 etwa 0.10, R1 etwa 0.04 bei organischen
Strukturen, etwas niedriger bei Schweratomstrukturen).
2. Die Verfeinerung muss gut konvergiert sein (maximale Verschiebungen < 0.01 σ).
3. Das Daten/Parameter-Verhältnis sollte hoch (> 10) sein, damit die molekularen
Dimensionen kleine Standardabweichungen aufweisen.
4. Es sollte keine signifikante Restelektronendichte vorliegen; bei organischen Strukturen
sollten die größten Peaks < 0.3 e Å–3 sein, bei Schweratomstrukturen können z.B. wegen
Restabsorptionsfehler etwas größere Peaks (bis etwa 3 e Å–3) in der Nähe der Schweratome
auftauchen.
5. Bindungslängen und –winkel sollten keine Ungereimtheiten aufweisen (vgl.
Seminaraufgabe 12); ungewöhnlich kurze intermolekulare Kontakte sollten anhand
bekannter Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrücken zu erklären sein.
6. Thermalellipsoide sollten keine extremen Formen (z.B. "Zigarren"/"Pfannkuchen")
aufweisen.
7.18 Beschreibung einer Struktur
C. Wölper (private Mitteilung, 2010) hat folgende Tipps zur ausreichenden Beschreibung
einer Struktur zusammengefasst. Seine entsprechende Liste bezüglich der Molekülpackung
wird hier nicht diskutiert; s. Master-VL.
•
Wie ist die Raumgruppe?
•
Wie ist der Inhalt der asymmetrischen Einheit? Gibt es mitkristallisierte
Lösungsmittelmoleküle?
•
Wie ist der Z-Wert? Befinden sich Moleküle/Ionen auf speziellen Lagen?
•
Ist die Substanz polymer oder oligomer? Wenn ja: über welche Symmetrieoperation/en wird das Polymer/Oligomer erzeugt?
•
Sind Bindungslängen und -winkel normal? Falls nicht, was könnte die Ursache sein?
100
•
Bei chiralen Molekülen: wie ist die Konfiguration der Stereozentren? Ist die Struktur
enantiomerenrein oder racemisch?
•
Bei nichtzentrosymmetrischen Strukturen: konnte die Struktur von der invertierten
Struktur unterschieden werden (Flack-Parameter)?
•
Wie ist die Koordinationsgeometrie an den wichtigsten Atomen / am Zentralatom?
•
Gibt es Besonderheiten bei der Konformation?
•
Gibt es Unordnung?
Aufgabe: Verwenden Sie den Ausdruck von YLITEST (Seminaraufgabe 13), um
möglichst viele der o.g. Fragen (Abschn. 7.17 sowie 7.18) zu beantworten (einige treffen
nicht zu).
101
8. Allgemeine Aufgaben
1. Wieviele kubische Zellen mit Achsenlängen 10 Å gibt es in einem würfelförmigen
Kristall mit Kantenlänge 0.1 mm?
2. Man dreht ein zweidimensionales, nicht rechteckiges Gitter in der Gitterebene um 180°
um einen Gitterpunkt. Kann man das neue Bild vom ursprünglichen unterscheiden?
Welche Symmetrie hat das Gitter?
3. Wie ist das Kristallsystem entsprechend einer primitiven Elementarzelle mit Gitterkonstanten (i) a = 5, b = 7, c = 11 Å, α = γ = 90°, β = 120°, (ii) a ≠ b ≠ c, α, β ≠ 90°, γ =
90° ?
4. Eine Verbindung kristallisiert I-Zentriert. (i) Wie sind die Koordinaten aller
Gitterpunkte der Zelle? (ii) Ein Atom liegt auf 0.2, 0.3, 0.4. Sind folgende Lagen zur
Stammlage über Translation äquivalent: 1.2, 1.3, 1.4; 1.2, 2.3, 3.4; 0.2, 0.3, –0.6; 0.8, 0.7,
0.6; 0.7, 0.8, 0.9; –0.8, –0.7, 0.9; 0.7, 0.3, 0.4; –0.3, –1.2, –2.1?
5. In einer eindimensionalen Zelle: Welche neue Koordinate bekommt man, wenn man den
Punkt x (0 < x < 1) (i) im Ursprung (ii) im Punkt 0.5 (iii) im Punkt m (0 < m < x) invertiert?
Ändert sich etwas, wenn die Einschränkungen wegfallen? Wie ist bei (iii) die Summe des
ursprünglichen und des invertierten Punktes?
6. (a) Die Raumgruppe P 1 hat ein Inversionszentrum im Ursprung. Ein Atom liegt bei 0.2,
0.35, 0.55. Wo liegt das symmetrieäquivalente Atom? Gibt es ein solches Atom in der
Referenzzelle (d.h. alle Koordinaten zwischen 0 and 1)? Muss es zwischen dem
Stammatom und diesem neuen Atom ein Inversionszentrum geben und falls ja, wo liegt
es? Wo liegen weitere Inversionszentren? (b) Die Raumgruppe P 4 hat eine 4 -Achse im
Ursprung mit Achsenrichtung || c. Ein Atom liegt bei 0.2, 0.35, 0.55. Wo liegen die
symmetrieäquivalenten Atome (s. Abschn. 1.4)? Berechnen Sie die Koordinaten eines
äquivalenten Atoms, das in der Referenzzelle liegt.
7. (i) Mit Quadratpapier: wie ist der Abstand zwischen den Punkten (1, 2) und (4, 6), wenn
die Seitenlänge eines Quadrats 1 bzw. 0.5 cm beträgt? (ii) In einer orthorhombischen Zelle
mit a = 5, b = 10, c = 20 Å liegen die Atome A auf 0.1, 0.1, 0.1 und B auf –0.05, 0.15,
0.15. Berechnen Sie die Bindungslänge A–B. Wie könnte man (bei gegebenen
Koordinaten eines dritten Atoms C) den Winkel ABC berechnen? (iii) In einer
tetragonalen Zelle mit a = b = 10, c = 20 Å liegt Atom A auf (0.2, 0.2, 0.1), B auf (0.3, 0.3,
0.1) und C auf (0.45, 0.15, 0.1). Berechnen Sie den Winkel ABC. (iv) In einer (nicht
konventionsmäßig aufgestellten!) triklinen Zelle mit a = 10, b = 15, c = 20 Å, α = 60°, β =
70°, γ = 120° liegt das Atom C1 auf (0.5, 0.5, 0) und C2 auf (0.6, 0.6, 0). Berechnen Sie
die Bindungslänge C1–C2.
102
8. Zeichnen Sie möglichst genau (Quadratpapier, Geodreieck) eine zweidimensionale Zelle
mit a = 10, b = 6 Å, γ = 120° (Maßstab: 1 cm ≡ 1 Å). Wo liegt die Linie x = 0? Zeichnen
Sie die Linien x = 0.3 und y = 0.2 ein. Wo liegt der Punkt (0.3, 0.2)? Tragen Sie auch
folgende Punkte ein: (0.5, 1.1), (–0.2, 0.5).
9. (i) Zeigen Sie, dass die Symmetriekombination 2/m an einem Punkt (Spiegelung in
derselben Richtung wie die zweizählige Achse) auch Inversion in diesem Punkt beinhaltet.
(ii) Zeigen Sie anhand einer stereographischen Projektion, dass 6 ≡ 3 + m.
10. (i) Was für eine Gleitspiegelebene entnimmt man der Abb. 1.9a, wenn die Achsen so
definiert werden: parallel zum Boot a, senkrecht zum Boot und parallel zur Wasserfläche
b, senkrecht zur Wasserfläche c? (ii) Kann es eine b-Gleitspiegelebene senkrecht zu b
geben?
11. Was passiert, wenn man die Operationen (i) c ⊥ b bzw. (ii) 21 || b (wie in Abschn. 1.5
definiert) wiederholt?
12. Wie ist die Wirkung auf die Stammposition x, y, z (in P21/c) von den Operationen cGleitspiegelebene und anschließend 21-Schraube? (Abschn. 1.6; vgl. mathematischen
Begriff „Gruppe“!).
13. (a) Erklären Sie die Raumgruppensymbole (i) Cc (ii) Pccn (iii) I4/m. Das
Raumgruppensymbol muss nicht alle Symmetrieelemente der Raumgruppe angeben; nur
die expliziten Elemente sind zu deuten! (b) Wo liegt konventionsgemäß der Ursprung
(bezogen auf die Symmetrieelemente) in folgenden Raumgruppen: P 1 , P1, P2, Pm, P2/m,
P21/m? In welchen dieser Fälle ist der Ursprung eindeutig in allen drei Raumrichtungen
definiert?
14. [2.4]Paracyclophan, C18H20, kristallisiert in Pbca (orthorhombisch) mit Gitterkonstanten a = 11.515, b = 18.329, c = 13.041 Å. Die Dichte ist etwa 1.1 g cm–3.
Berechnen Sie (i) U, das Volumen der Zelle in Å3 (ii) Z (iii) die genaue Dichte.
Strenggenommen sollte die Dichte in SI-Einheiten Mg m–3 angegeben werden. Wie ändert
sich dabei der Zahlenwert?
15. (a) Naphthalin, C10H8, kristallisiert in P21/c mit a = 8.658, b = 6.003, c = 8.235 Å, β =
122.92°. Wieviele Moleküle gibt es (i) pro Zelle (ii) pro asymmetrischer Einheit ? Was
bedeutet dies für die Symmetrie des Moleküls? (U = abc sin β in monoklinen Zellen).
(b) Azulen, C10H8 (ein Siebenring mit einem Fünfring anneliert, s. Formelbild),
kristallisiert in P21/c mit Zellvolumen 362.6 Å3. Was kann man über die
Molekülsymmetrie aussagen?
103
16. Die rote Modifikation von PbO ist tetragonal, a = b = 3.98 Å, c = 5.02 Å, mit zwei
Formeleinheiten in der Elementarzelle. Pb liegt auf 0, 0.5, 0.237 und 0.5, 0, 0.763, O auf 0,
0, 0 und 0.5, 0.5, 0. Zeichnen Sie einen 2×2-Block von 4 Zellen mit Inhalt projiziert
parallel zur c-Achse. Dabei ist es sinnvoll, das zweite Pb-Atom um –1 in c-Richtung zu
verschieben (warum?). Die Höhen (z-Koordinaten) per Hand eintragen! Berechnen Sie den
kürzesten Pb–O- und den kürzesten PbLPb-Abstand. Wie ist die Koordinationsgeometrie
an Pb und O? Wo liegen die Symmetrieelemente: 4, 4 , m (zwei Typen), 1? Ist die
Aufstellung konventionsgemäß?
17. Zeichnen Sie eine rechteckige zweidimensionale Zelle mit a = 5 Å, b = 12 Å. Tragen
Sie die Miller-Ebene (110) ein (die c-Achse bleibt undefiniert, der l-Index ist gleich Null;
in zwei Dimensionen erscheint die Miller-Ebene als eine Linie), dann alle Ebenen
derselben Schar, die die Zelle durchlaufen bzw. berühren. Kennzeichnen Sie die
Stammebene. Wiederholen Sie den Vorgang (getrennte Diagramme!) für folgende
Millerebenen: (220), (230), (2 3 0), ( 2 30), ( 23 0). In jedem Diagramm sollten der Ursprung
und die Achsen an den gleichen Stellen sein.
18. (i) Zeigen Sie, dass ein monoklines A-Gitter einer anderen Aufstellung eines
monoklinen C-Gitters entspricht. (ii) Zeigen Sie, dass ein monoklines I-Gitter einer
anderen Aufstellung eines monoklinen C-Gitters entspricht. Hinweis: zeichnen Sie
mehrere benachbarte Zellen mit allen Gitterpunkten einschl. Höhenangaben, projiziert auf
die ac-Ebene. Wie ist die Umorientierungsmatrix? (iii) Zeigen Sie, dass sich eine Czentrierte tetragonale Zelle in eine primitive, und eine F-zentrierte tetragonale Zelle in eine
I-zentrierte transformieren lassen (Hinweis: wie bei Teil (ii), projiziert parallel zur c-
Achse).
Abb. zu Aufgabe 18(iv).
(iv) Die Abbildung zeigt die ac-Ebene einer B-zentrierten monoklinen Zelle. Die Achsen a
und c entsprechen der B-zentrierten Zelle. Aus den halben Diagonalen erzeugt man neue
Achsen a' und c', die einer primitiven monoklinen Zelle entsprechen. Wie ist die
Umorientierungsmatrix? Wie ist die Determinante dieser Matrix?
19. Eine trikline Zelle hat die Gitterkonstanten a = 5, b = 7, c = 6 Å, α = 75°, β = 80°, γ =
85°. Wie ist die konventionsmäßige Zelle, und welche Umorientierungsmatrix beschreibt
die Umwandlung der ursprünglichen zur neuen Zelle?
104
20. Es wird mit Mo-Kα-Strahlung (λ = 0.71073 Å) bis 2θ 60° gemessen. Wie ist der
maximal erreichbare Miller-Index bei einer Achsenlänge von 20 Å? (Tipp: Bragg’sche
Gleichung).
21. (vgl. Tab. 2.4). Welchen Lauegruppen bzw. welchen Kristallklassen gehören folgende
Raumgruppen an: P 1 , P2/m, C2221, Pca21, I41/a ?
22. Welche Reflexe sind äquivalent zum Reflex 123 in der Raumgruppe I 41/a? (Hinweis:
vgl. Abschn. 1.4).
23. Eine Verbindung kristallisiert orthorhombisch C-zentriert mit a = 5, b = 10, c = 20 Å.
Es gibt keine weiteren Auslöschungen (über die der C-Zentrierung hinaus). Skizzieren Sie
maßstabsgerecht die Schichten 1kl sowie hk1 des reziproken Gitters (Indexbereiche 0 bis
+5). Aus Ihren Skizzen soll deutlich hervorgehen, welche Reflexe ausgelöscht sind.
24a. Welche Auslöschungen werden verursacht durch: (i) eine 21-Schraube parallel zu a;
(ii) eine b-Gleitspiegelebene senkrecht auf a; (iii) eine n-Gleitspiegelebene senkrecht auf
b?
24b. (s. ggf. Tab. 2.2, 2.4). Welchen Raumgruppen entsprechen folgende Auslöschungen:
(i) monoklin, h0l fehlt bei ungeradem l; (ii) monoklin, hkl fehlt bei ungeradem (h+k); (iii)
orthorhombisch, h00, 0k0, 00l alle fehlen bei ungeradem Index; (iv) orthorhombisch, 0k0
und 00l fehlen bei ungeradem Index; (v) orthorhombisch, 0kl fehlt bei ungeradem l, h0l bei
ungeradem h, 00l bei ungeradem l; (vi) Wird bei (ii) die Antwort anders, wenn es sich um
ein natürliches Peptid handelt ?!
25. (vgl. Aufgabe 24b(i)). Kann man die monoklinen Raumgruppen P2/c und Pc durch
Auslöschungen unterscheiden? Was passiert, wenn man versucht, eine Struktur, die
tatsächlich in P2/c kristallisiert, in Pc zu lösen? Und umgekehrt? Für konkrete Beispiele s.
Seminar-Aufgabe 14. Reductio ad absurdum: Was passiert, wenn man versucht, eine
Struktur, die tatsächlich in P2/c kristallisiert, in P1 zu lösen?!
26. (i) Ohne Taschenrechner!! Berechnen Sie den Abstand d zwischen Miller-Ebenen
(012) einer orthorhombischen Zelle mit a = 7.0, b = 8.0 und c = 12.0 Å. Wo liegen die
Ebenen (012 )? Skizzieren Sie einen Teil der 0kl-Schicht des reziproken Gitters (vgl.
Aufgabe 23) und kennzeichnen Sie die Reflexe 012 und 012 ; berechnen Sie d*(012), den
Abstand vom Ursprung zum Punkt 012. Wie sind die Werte d und d* miteinander
verwandt? [Die beobachtete Beziehung gilt für alle Zellen (nicht nur rechtwinkelige)]. (iii)
Berechnen Sie (mit Taschenrechner!) das Volumen pro Reflex im reziproken Raum. (iv)
Der Reflex 012 hat die Phase π/2. Zeichnen Sie dieselben Reflexe 012 und 012 in der
Gauß'schen Zahlenebene (einen beliebigen |F|-Wert annehmen).
27. Zeichnen Sie in der Gauß'schen Zahlenebene (i) einen Reflex, der eine Phase von 225°
hat; (ii) ein Friedel-Paar hkl und hkl , von dem der Reflex hkl eine Phase von 135° hat;
(iii) ein beliebiges Friedel-Paar hkl und hkl einer zentrosymmetrischen Struktur.
105
28. (i) Eine Struktur enthält in der Zelle n gleiche Atome mit Streufaktor f. Wie ist der
maximale Betrag eines Strukturfaktors? (Diese Größe wird üblicherweise als |F000|
bezeichnet – warum?). (ii) Im Abschn. 2.4 hieß es: "Liegen alle Atome in den Ebenen hkl,
so erzeugen diese einen Reflex hkl mit hoher Intensität und Phase 0°; liegen die Atome
versetzt um d/2, so ist die Intensität gleich hoch, die Phase ist aber 180°." Beweisen Sie
dieses Prinzip für den Reflex 2 einer eindimensionalen Gleichatomstruktur (wo liegt bei
einer eindimensionalen Zelle die Miller-Ebene 2 und die anderen Ebenen derselben
Schar?). Sind Ihre Modellstrukturen zentrosymmetrisch? (iii) Wie ist der Strukturfaktor,
wenn beide Sätze Atompositionen (sowohl in als auch zwischen den Ebenen) besetzt sind?
29. In einer eindimensionalen Zelle: Zeichnen Sie eine beliebige Miller-Ebene h und die
Nachbarebene derselben Schar, die durch den Ursprung verläuft. Ein Atom liegt bei x
(zwischen beiden Ebenen). Der Phasenabstand zwischen den Ebenen ist definitionsgemäß
2π. Beweisen Sie, dass der Phasenunterschied vom Ursprung zum Atom 2π hx beträgt.
30a. Bei der kubischen CsCl-Struktur liegt Cs auf (0, 0, 0) und Cl auf (½, ½, ½). Wie sind
die Strukturfaktoren, wenn (h + k + l) gerade bzw. ungerade ist? Zeichnen Sie entsprechende Argand-Diagramme (Gauß’sche Zahlenebenen) [ZCs = 55, ZCl = 17]. (a) Welches
Atom bestimmt die Phasen (vgl. Kap. 3)? (b) Ändern sich die Reflexintensitäten, wenn
man den Ursprung auf die Cl-Lage umdefiniert? (c) Wie könnte man mit "Trial-andError"-Methoden die Struktur lösen? (d) Wie sind die Reflexphasen bei irgendeiner
Struktur, wo ein Schweratom auf dem Ursprung liegt? (e) Ist die Struktur primitiv oder
zentriert? (f) Sind alle Reflexe mit (h + k + l) gerade bzw. ungerade gleich stark?!
30b. Berechnen Sie einen ungefähren Zahlenwert für den Strukturfaktorbetrag |F| eines
starken Reflexes [in den üblichen Einheiten Elektronen] bei der Strukturbestimmung einer
organischen Verbindung mit Zellvolumen 1000 Å3.
31. (a) (vgl. die eng verwandte Aufgabe 40): Eine Verbindung wird am Diffraktometer
untersucht. Die vorläufige Zelle ist: a = 16.81(2), b = 16.85(2), c = 13.60(2) Å, α =
90.0(2), β = 90.0(2), γ = 90.1(2)°. Das Steuerprogramm beschreibt die Zelle als tetragonal.
Überprüfen Sie die Lauegruppe anhand folgender Intensitäten (Zahlen in Klammern sind
Standardabweichungen; die linke Spalte entspricht Äquivalenten der tetragonalen LaueGruppe 4/m und die rechte Äquivalenten der orthorhombischen Lauegruppe mmm,
deswegen sind einige Reflexe doppelt da):
1
5
-1
-5
1
5
-1
-5
5
-1
-5
1
5
-1
-5
1
3
3
3
3
-3
-3
-3
-3
285(2)
39(1)
287(2)
39(1)
290(3)
40(1)
283(2)
41(2)
1
-1
1
1
-1
-1
1
-1
5
5
-5
5
-5
5
-5
-5
3
3
3
-3
3
-3
-3
-3
285(2)
10.5(5)
10.1(4)
290(2)
287(2)
9.9(4)
10.4(5)
283(2)
Natürlich verlässt man sich in der Praxis nicht auf eine Handvoll Daten, sondern analysiert
den ganzen Datensatz (Seminaraufgabe 16).
106
(b) Die Schuhkartons in Abb. 0.3 sind metrisch (von den "Gitterkonstanten" her)
orthorhombisch. Ordnen Sie anhand des Zellinhalts die jeweilige Raumgruppe zu (kleine
Abweichungen von idealer Geometrie/Symmetrie sind zu vernachlässigen!). Wie sind die
jeweiligen Kristallsysteme? Sind die Raumgruppen zentrosymmetrisch?
32. Bei einer Patterson-Lösung in P 1 gibt es durch Halbieren von 2x, 2y, 2z die Lösung
0.1, 0.2, 0.3. Welche anderen korrekten Lösungen gibt es in der Referenzzelle
(Koordinaten zwischen 0 und 1)?
33. Die Verbindung C18H29N2O4F3SPd kristallisiert in P21/c mit Z = 4. Die höchsten
Patterson-Peaks sind (mit Höhen in Klammern): 0, 0, 0 (999); 0, 0.130, ½ (366); 0.601, ½,
0.408 (351); 0.399, 0.370, 0.092 (184). Berechnen Sie die Lage des Palladium-Atoms.
34. Ein bromierter Naturstoff mit einem Bromatom kristallisiert in P21 (Symmetrieoperatoren x, y, z; –x, ½+y, –z) mit Z = 2. Wo genau liegt der Ursprung in dieser Raumgruppe? Der größte Patterson-Peak liegt bei 0.2, ½, 0.4. Wo liegt das Bromatom? Wie
sieht eine Differenz-Fourier-Synthese aus, die vom Bromatom ausgehend gemacht wird?
35. Eine Verbindung kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c [Symmetrieoperatoren: (0, 0, 0) oder (½, ½, 0) + {(x, y, z), (–x, –y, –z), (–x, y,½–z), (x, –y, ½+z)}] mit
einem Schweratom in der asymmetrischen Einheit, und zwar auf 0.1, 0.3, 0.4. Berechnen
Sie die drei höchsten unabhängigen Patterson-Peaks (abgesehen vom Ursprungspeak). Ist
es notwendig, die ganze 8×8-Tabelle analog dem Beispiel P21/c (Aufgabe 32)
aufzustellen?
36. Die Verbindung C12H9ClF5N3Pd kristallisiert in der Raumgruppe C2/c mit einem PdAtom in der asymmetrischen Einheit. Berechnen Sie die Lage des Pd-Atoms aus der
Patterson-Funktion (nur die ersten 4 Peaks sind relevant):
Peak
1
2
3
4
Höhe
999
431
367
200
x
0.000
0.500
0.216
0.283
y
0.000
0.163
0.000
0.164
z
0.000
0.500
0.447
0.047
37. Die Verbindung C12Η12Ν2Ο6 kristallisiert in P21/c. Folgenden Reflexen werden Phasen
0° zugeordnet: 2, 1, 10; –3, 1, 2; –1, 4, 1. Welche Phasen besitzen die Reflexe 5, 0, 8; –1,
2, 12; 3, 5, 9; –2, 3, 1; –4, 3, 3? Alle Reflexe haben ausreichend hohe |E|-Werte. Wichtig:
in P21/c (aber nicht im allgemeinen!) gilt für Phasen φ äquivalenter Reflexe:
φ(hkl) = φ ( hkl )
φ( h k l ) = φ(h k l) = φ(hkl) + 180(k+l). 105
105
d.h. bei (k+l) gerade bleibt die Phase unverändert, bei (k+l) ungerade ändert sie sich um π. Äquivalente
Reflexe (Abschn. 2.9) müssen gleiche Intensität besitzen, die Phasen müssen aber nicht gleich sein!
107
Rechenbeispiel für den ersten Reflex 5, 0, 8:
Phase
Vorzeichen
gegebener Reflex*
–2, –1, –10
0
+
gegebener Reflex*
–3, 1, 2
0
+
gesuchter Reflex
5, 0, 8
?
?
Summe 0, 0, 0
Summe 0
Produkt +
* ggf. äquivalenter Reflex
Hinweis: Den Argumenten vom Abschn. 4.4 folgend ist es unwichtig, ob man zur Wahl
eines passenden dritten Reflexes ein Triplett so aufstellt, dass (h1, k1, l1) + (h2, k2, l2) + (h3,
k3, l3) = 0, oder dass (h1, k1, l1) + (h2, k2, l2) = (h3, k3, l3), obwohl die Vorzeichen der Indizes
(h3, k3, l3) in beiden Fällen umgekehrt sind; denn im zentrosymmetrischen Fall sind die
Phasen von (h3, k3, l3) und (–h3, –k3, –l3) sowieso immer gleich (Abschn. 2.7). Als
konkretes Beispiel: die Reflexe 1, 2, 3 und 4, 5, 6 können mit 5, 7, 9 oder –5, –7, –9
kombiniert werden; die Phasensumme bleibt 0 und das Vorzeichenprodukt bleibt +.
38. Der Beamstop eines Diffraktometers hat einen Durchmesser von 1 mm und liegt 20
mm hinter dem Kristall. Welcher 2θ-Bereich wird abgeschattet? Es wird Mo-Kα-Strahlung
(λ = 0.71073 Å) verwendet. Wie ist bei Reflexbreite 1° die längste Achse, deren erster
Reflex ohne Abschattungseffekte gemessen werden kann?
39. Die Kupferstrahlung besteht aus zwei Wellenlängen (mit unterschiedlichen
Intensitäten): Kα1 1.54051 sowie Kα2 1.54433 Å. Der gewichtete Mittelwert beträgt
1.54184 Å. Berechnen Sie die Aufspaltung (in Grad) zwischen den Kα1- und Kα2Komponenten eines Reflexes, dessen gewichtetes Maximum bei 2θ 140° liegt.
40. Bei einer röntgenographischen Messung wird die vorläufige Zelle wie folgt bestimmt:
a = 10.12, b = 13.87, c = 15.99 Å, α = 89.9, β = 90.0, γ = 90.1° (Fehlerwerte ca. 0.01 Å
bzw. 0.1°). Folgende Liste enthält h, k, l, und I beob (mit Standardabweichungen in
Klammern) für 16 Reflexe (einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtdatensatz).
Kommentieren Sie die Ergebnisse unter Berücksichtigung der zu erwartenden äquivalenten
Reflexe [orthorhombisch 8 Äquivalente, hkl und alle ±-Vorzeichenkombinationen;
monoklin 4 Äquivalente, hkl, h k l, h k l , hkl ], und berechnen Sie den R (int)-Wert über
alle 16 Reflexe. Berechnen Sie auch den R(sigma)-Wert.
1
-1
1
1
1
-1
-1
-1
2
2
-2
2
-2
2
-2
-2
3
3
3
-3
-3
-3
3
-3
100(2)
43(1)
39(1)
98(2)
41(1)
37(1)
97(2)
105(2)
2
-2
2
2
2
-2
-2
-2
3
3
-3
3
-3
3
-3
-3
4
4
4
-4
-4
-4
4
-4
50(1)
28(1)
24(1)
48(2)
26(1)
22(1)
47(2)
55(2)
41. Zeigen Sie, dass (wenn alles andere gleich bleibt) das Daten/Parameter-Verhältnis bei
nicht-zentrosymmetrischen Strukturen um Faktor 2 schlechter ist als bei zentrosymmetrischen Strukturen (Tipp: Raumgruppe P1 bzw. P 1 mit gleicher Zelle).
108
42. (a) Skizzieren Sie die Streufaktorkurve eines C-Atoms (i) für den theoretischen Fall
ohne Thermalbewegung (U = 0) sowie (ii) unter Berücksichtigung der Thermalbewegung
bei der echten Struktur eines langkettigen Kohlenwasserstoffs. (b) Skizzieren Sie die
Streufaktorkurve eines K-Atoms (i) für den Fall U = 0 sowie (ii) unter Berücksichtigung
der Thermalbewegung bei der echten Struktur des Kaliumchlorids. Welche Kurve
verändert sich mehr vom theoretischen zum reellen Fall und warum?
43. Wie groß in mm darf ein Kristall mit linearem Absorptionskoeffizient 0.5/mm sein, um
Absorptionseffekte (i) > 5% (ii) > 25% zu vermeiden?
44. Folgende Liste enthält h, k, l, |F|c2 und |F|o2 für alle 17 Reflexe einer kleinen kubischen
Struktur. Berechnen Sie den ungewichteten R2-Wert (bezogen auf |F|2). Welche
Gitterzentrierung liegt vor?
1
0
0
2
1
1
3
0
0
1
0
2
2
1
3
3
0
2
1
2
2
2
3
3
3
4
4
10396
38640
27142
20479
5973
3675
2419
16150
13118
10037
38083
26822
20838
5973
3693
2436
16769
13393
2
0
2
1
1
3
0
0
2
4
4
1
3
3
0
2
4
4
4
5
5
5
6
6
10880
7807
6711
2419
1685
1228
6711
5809
10903
7822
6651
2408
1679
1230
6662
5751
45. Welche der folgenden H-Atomtypen können eindeutig gesetzt werden?: (i) H-Atome
einer Ethylgruppe RCH2CH3 (ii) H-Atome eines aromatischen Ringes (iii) Methyl-HAtome bei C6H5OCH3 bzw. C6H5C(=O)CH3 (iv) H-Atome des Ferrocen-Moleküls (v)
Hydroxyl-H-Atome eines Alkohols (vi) H-Atome eines Amins R2 NH für beliebiges R (vii)
H-Atome einer R2C=CH2-Gruppe (viii) Alkin-H (ix) H-Atome eines Acetonitrilmoleküls
(z.B. bei einem Solvat) (x) Ring-H bei Cyclophanen.
109
9. Seminaraufgaben
Vorbemerkungen zu den Aufgaben 1-3:
Wasserstoffatome (nur 1 Elektron!) werden bei Aufgaben 1-3 nicht gefunden.
Die Strukturvorschläge („Lösungen“) werden vom üblichen Programmsystem über direkte
Methoden bzw. die Schweratommethode erzeugt (vgl. Skript, Kapitel 3-4), Begriffe, die
erst später im Semester erklärt werden. Für diese Aufgaben ist nur das „Malen nach
Zahlen“ (und etwas Verstand) wichtig!
Achtung: Man verwendet bei vielen Aufgaben das Programm XP. Hier eine
Zusammenfassung der wichtigsten Befehle:
FMOL:
ein.
(engl. "form molecules") Immer der erste Befehl; liest die Atome
MPLN:
("mean plane") Berechnet die "beste" Ebene für Bilder usw.
PROJ: Zeigt das Molekül als Strichdiagramm an; es kann mit dem gelben
Menü oder mit der Maus gedreht werden.
DIAG: Wie PROJ;
unbeweglich.
UNIQ:
das
kleine
Diagramm
bleibt
am
Schirm,
ist
aber
genannte
Atom
Setzt das Molekül aus losen Teilen zusammen.
UNIQ Atomname:
vorliegt.
Wählt
nur
das
Molekül,
in
dem
das
KILL Atomnamen: entfernt die genannten Atome (irreversibel!). $H = alle
H-Atome, $Q = alle Differenzpeaks, usw.
GROW: Vervollständigt das Molekül um etwaige Symmetrie (FUSE macht das
rückgängig).
PICK: Lässt Atome umbenennen (Enter = Löschen, Leertaste = Behalten,
ansonsten neuen Namen eingeben).
TELP: ("thermal ellipsoid plot", macht aber auch Kugel-Stab-Diagramme)
Zeichnet Molekülbild; immer Dateinamen TEMP wählen. Um das Bild
auszudrucken: (i) DRAW TEMP; Option "A" (PostScript) und "schwarz-weiß"
wählen. (ii) Im Explorer TEMP.PS doppelklicken (wählt das Programm
GSview), OK, File, Print.
MATR 1/2/3: ("matrix") Blickrichtung parallel zur a/b/c-Achse.
TELP CELL:
Bild mit Elementarzelle.
CELL:
Zeigt die Gitterkonstanten an.
SYMM:
Zeigt die Symmetrieoperatoren an.
INFO:
Zeigt alle Atomkoordinaten an.
BANG Atomname: ("bond lengths and angles") Zeigt Bindungslängen und
–winkel am genannten Atom innerhalb der asymmetrischen Einheit an.
ENVI Atomname: ("environment") Zeigt alle Bindungslängen und –winkel am
genannten Atom an.
110
1a. Sie bekommen für die Verbindung mit Codenamen "GARB" einen Strukturvorschlag
ausgehändigt.
Zeichnen Sie die Bindungen ein.
Schlüssel zu den Informationen:
Atom
1
Peak
x
342
.1446
y
.1454
z
.8079
sof height
1.00
2.24
Distances and angles
0 6
1.443
0 12
1.361
93.9
In dieser Reihenfolge : Lfd.Nr., Größe, Koordinaten; sof ,height & "0" ignorieren; "6" &
"12" sind andere (an "1" gebundene) Atome; dann Bindungslängen zu "1" (Å, nicht sehr
genau!), Bindungswinkel mit "1" als Zentralatom (°, hier 12–1–6). Zweites Beispiel:
unterlegter Winkel ist 7–3–12.
3
243.
0.3275
0.3760
0.8534
1.000
1.80
0
0
0
0
7
8
12
13
1.458
1.536 117.1
1.567 115.8 117.7
1.572 118.3 84.8
(7)
(8)
97.5
(12)
Wichtig: hohe laufende Nummern entsprechen kleinen Peaks und somit ggf. falschen
Atomen! H-Atome werden nicht erscheinen. Wenn man Glück hat, sind bei n erwarteten
Atomen gerade die ersten n Peaks richtig ...
Die Wahl der "korrekten" Atome kann mit dem Plotprogramm XP kontrolliert werden.
Befehle:
FMOL; MPLN; PICK, PROJ (beenden mit ESC-Taste). Anschließend wird ein Bild des
Moleküls gezeichnet und ausgedruckt; dazu Anweisungen vom Assistenten.
1b. GARB kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/n. Fertigen Sie ein
Packungsbild des Zellinhalts wie unten angegeben an (Projekt: GARB1).
XP-Befehle: FMOL; KILL $H $Q (ohne H-Atome sowie Q-Peaks); MATR 1; MGEN N2
(generiert alle Moleküle, von denen N2 in der Zelle liegt); TELP CELL (Achsen und OAtome kennzeichnen). [Mit PROJ CELL kann man die Zelle drehen, ggf. auch in Stereo!].
Weitere Anweisungen und Informationen vom Assisenten.
Wieviele Moleküle gibt es in der Zelle? Passen alle Moleküle genau in die Zelle? Welche
Symmetrieelemente gibt es? Welche Operationen erzeugen aus dem Stammolekül welche
weiteren Moleküle?
Ist das Molekül chiral? Ist die Struktur enantiomerenrein?
111
Ein weiteres Programm, um Kristallstrukturen darzustellen, ist Mercury (von der
Cambridge
Crystallographic
Database).
Öffnen
Sie
Mercury,
dann
open
D:\USER\KURS\GARB1.RES; man sieht das Molekül und kann es mit der Maus drehen.
Um den Zellinhalt zu zeigen: display packing (unten links), dann display symmetry
elements (obere Leiste). Identifizieren Sie erneut die Symmetrieelemente und finden Sie
heraus, wie sich die Moleküle durch Symmetrieoperationen ineinander umwandeln. Der
Befehl display by symmetry element kann auch hilfreich sein.
2. Manchmal muss man sich Gedanken über die Raumgruppe und die Zuverlässigkeit der
Angaben machen! Sie bekommen eine Strukturlösung für die Verbindung MMINX; auf
dem Probenetikett stand
.
MMINX kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/c mit a = 8.699, b = 11.790, c =
7.628 Å, β = 91.90°. (i) Wieviele Moleküle passen in die Zelle? Hinweis: "18-Regel",
Abschn. 1.9 (vgl. allg. Aufgabe 15!). Wieviele Moleküle erwartet man in dieser
Raumgruppe (monoklin, primitiv, zentrosymmetrisch – Abschn. 1.6)? (ii) Ist das für die
vermeintliche Verbindung möglich? Beim "Malen-nach-Zahlen" keine unnatürlich langen
Bindungen einzeichnen! (iii) Ist mit XP etwas zu erkennen? Falls der Groschen nicht fällt:
falsche Atome (zu kleine Peaks, etwa Q13-18) mit KILL Q13 TO Q18 löschen, dann
PICK; GROW; PROJ.
(iv) Handelt es sich tatsächlich um die vorgeschlagene Verbindung? (v) Wieviele Isomere
(abgesehen von Enantiomeren!) gibt es von einem Paracyclophan mit einem Ringsubstituenten (vi) Wieviele Isomere gibt es von einem Paracyclophan mit zwei gleichen
Substituenten (an jedem Ring je einem)? Welche formalen Punktsymmetrien haben diese
Isomere?
112
3. Sie bekommen für die Verbindung TALAX (Me3SiCH2)2Tl{N(SO2Me)2} den Ausdruck
einer Differenz-Fourier-Synthese nach Eingabe des Tl-Atoms (Schweratommethode, Kap.
3). Kann man die fehlenden Atome (wie immer außer H) finden? Zusatzfragen: Wie lang
ist eine Bindung (insbes. am Tl-Atom)? Warum sind einige Peaks zweimal vertreten? Was
sind die Peaks 5, 10, 17? Die Struktur kann wie gehabt mit XP kontrolliert und die Peaks
umbenannt werden. Unterscheidet sich das XP-Bild vom Malen-nach-Zahlen-Bild? Der
Befehl SGEN 1655 (erzeugt durch Translation die nächste Formeleinheit in x-Richtung –
ggf. wiederholen!) dürfte eine interessante Wirkung haben (Blickrichtung mit MATR 2
parallel zur b-Achse setzen, dann erneut mit PROJ CELL kontrollieren).
Formel zu 3
4. (ohne Computer!). Die Verbindung TINIER (4a), C3H8N2O5S2, kristallisiert monoklin
primitiv (a = 9.196, b = 9.545, c = 9.057 Å, β = 98.47°), MESFO (4b), C9H11F2P,
kristallisiert orthorhombisch primitiv (a = 13.261, b = 7.185, c = 9.735 Å). Wie sind die ZWerte? Sie bekommen für beide Verbindungen graphische Darstellungen der 0kl-, h0lsowie hk0-Schichten des reziproken Raums. Bestimmen Sie die Raumgruppen anhand der
systematischen Auslöschungen. Bei 4a ist die Raumgruppe eindeutig, aber bei MESFO
gibt es zwei Möglichkeiten. Tipps: (a) Beide Strukturen sind primitiv; es ist also nicht
notwendig, Zentrierungsauslöschungen zu suchen. (b) Die ganz leeren Bereiche wurden
nicht gemessen. (c) Bei 4a mit h0l anfangen; bei 4b 0kl, dann hk0, dann h0l. (d) Man suche
Auslöschungen in der Reihenfolge: Gleitspiegelebenen (Reflexe mit einem Null-Index),
dann Schraubenachsen (Reflexe mit zwei Null-Indizes).
O
H
O
H
N
S
CH3
Formeln zu
C
N
S
O
O
(4a)
O
CH3
(4b)
Kommentare: (i) Da die Daten etwas älter sind, fehlen Teile der Bilder; diese leeren
Bereiche ignorieren (alle unabhängigen Daten sind da, mehr braucht man nicht). (ii) Das
Programm bezeichnet die Achsen a*, b*, c* als h, k, l (das ist strenggenommen nicht
korrekt, aber wie wäre es bei z.B. einer Schicht h1l?!). (iii) Einzelne Reflexe können
immer Intensität etwa Null haben; bei dieser Aufgabe handelt es sich jedoch um
113
systematische Auslöschungen (bei denen ganze Reflexklassen fehlen). (iv) Wie schwach
muss ein Reflex sein, um als "ausgelöscht" betrachtet zu werden?
Zusatzfragen:
(a)
Falls
Achsen
vertauscht
werden
müssen:
wie
sind
die
Umorientierungsmatrizes von der jeweils ursprünglichen zur konventionellen Zelle? (b)
Wären bei 4a in der Schicht hk1 (der endgültigen Zelle) Auslöschungen zu erkennen? (c)
Was kann man über die Molekülsymmetrie von 4b aussagen? – s. "blaue Bibel"! (d) Kann
man bei 4b zwischen beiden möglichen Raumgruppen anhand des 〈|E|2–1〉-Werts von 1.01
unterscheiden? (Voraussetzung: Definition des E-Werts, Kap. 4). (e) Die E-Statistik ist
jedoch nicht immer zuverlässig. Wenn alles andere gleich bleibt, mit welcher der zwei
Raumgruppen sollte man bei 4b mit Lösungsversuchen anfangen?!
5, 6. Sie bekommen für die Verbindungen YLAU3 (5) und AUCARB (6) Ausdrucke der
Pattersonfunktionen. Die chemischen Formeln sind (R = C6F5):
Formeln zu
(5)
(6)
Die Liste der Patterson-Peaks enthält nur einen unabhängigen Satz; das Programm druckt
trotzdem viel mehr Peaks aus, als man in der Regel benötigt! Berechnen Sie die
Schweratomlagen. Wichtig sind folgende Angaben:
TITL : diese Zeile gibt die Raumgruppe an;
CELL : Wellenlänge λ, dann Gitterkonstanten a, b, c, α, β, γ;
ZERR : Z, die Zahl der Moleküle in der Zelle, dann Standardabweichungen der
Gitterkonstanten;
SFAC : die Elemente, die vorhanden sind;
UNIT : Zahl der jeweiligen Atome in der Zelle;
LATT : Gittertyp; positiv ist zentrosymmetrisch, negativ nicht-zentrosymmetrisch; 1 =
primitiv, 2 = I-, 4 = F-, 5 = A-, 6 = B-, 7 = C-zentriert (Default 1);
SYMM : gibt die Symmetrieoperatoren der Raumgruppe an. Default ist die Stammposition x, y, z. Ohne LATT- und SYMM-Befehle hat man also x, y, z und –x, –y, –z
(P 1 );
Max. single Patterson vector: erwartete Höhe eines einfachen Vektors des schwersten
Atoms (vorausgesetzt, die vorgeschlagene Zusammensetzung nach SFAC/UNIT
stimmt!);
Weight = Gewicht, Peak = Peakhöhe (= Vektorhöhe).
114
7. Schon wieder "Malen nach Zahlen". Sie bekommen für die
Verbindung TROG (C24H32, rechts) den Ausdruck einer DifferenzFourier-Synthese, in der die H-Atome zu identifizieren sind (C–HBindungslängen betragen ca. 1.0 Å).
8. Die Verbindung ULTAU (Formelvorschlag s. nächste Seite) kristallisiert in P 1 mit Z =
2. Welche Oxidationsstufe haben die Goldatome, und welche Geometrie erwartet man am
Gold? Die Schweratome (Au, Br) konnten aus der Patterson-Funktion gefunden und
anschließend verfeinert werden; Sie bekommen einen Ausdruck der Differenz-Synthese.
Alle richtigen Atome sind da; trotzdem weist das übliche "Malen nach Zahlen" einige
Schwierigkeiten auf. Versuchen Sie, das Molekül zu identifizieren (Hinweise: Au sollte
quadratisch planar und P tetraedrisch sein). Warum gibt es so viele falsche Peaks?
Br
CH2
Au
S
Ph2P
C
CH2
Au
NBz2
S
Br
8: Ph = Phenyl; Bz = Benzyl, -CH2C6H5
9. Kristalle der Verbindung NEDIC (Schmp. ca. 0°C) wurden aus Benzol bei –10°C
gewonnen. Die Raumgruppe ist Pbca (orthorhombisch, zentrosymmetrisch; wie ist der
erwartete Z-Wert?). Sie bekommen den Strukturvorschlag aus direkten Methoden und
sollen diesen entziffern. (Hinweise: XP, 18-Regel, GROW. Die Gitterkonstanten stehen in
der Zeile CELL nach der Wellenlänge). Welche Symmetrie hat das Molekül (i) als formale
Punktgruppe des isolierten Moleküls (ii) als kristallographische Symmetrie in dieser
Struktur (Befehl INFO)? Wie ist der tatsächliche Z-Wert?
Me
O
N
Me
N
PF2
N
O
Me
9: Me = Methyl
115
10. Die Verbindung CAMPOGR (rechts), ein Camphansäurederivat,
kristallisiert in der monoklinen, nicht-zentrosymmetrischen und
chiralen Raumgruppe P21 mit Z ′ = 2 (was bedeutet das alles?). Wo
Me
P
liegen die chiralen Zentren des Camphansäurerests? Verwenden Sie
Bu
das Programm XP, um die Konfigurationen an den chiralen Zentren
O
zu bestimmen (dabei können Q-Peaks sowie H-Atome mit KILL $Q
$H
gelöscht
werden).
Zur
leichteren
Erkennung
der
Konfigurationen können Sie die Moleküle mit UNIQ P (bzw. UNIQ
O
P′) einzeln betrachten (dazwischen erneut FMOL, um das jeweils
andere
Molekül
zurückzuholen).
Sind
beide
O
Molekül-
konfigurationen gleich? Wo gibt es trotzdem einen Konfigurations-
Me
Me
O
unterschied zwischen beiden Molekülen?!
Me
(Prinzipiell können auch Biphenyle chiral sein, wenn sie um die zentrale Bindung nicht
frei drehbar sind, hier trifft das aber wegen der zwei kleinen H-Substituenten nicht zu).
11. Die Verbindung RAUTH ist ein Osmiumhydridcluster, [Os6H(CO)16(SbPh3)(Et3PAu)].
Daten wurden bei Zimmertemperatur gemessen (1987!). Es wurden bisher alle Atome bis
auf den Cluster-Wasserstoff gefunden und verfeinert. Versuchen Sie, mit XP das fehlende
H-Atom zu finden. Der Übersichtlichkeit halber können die H-Atome gekillt werden. Os–
H-Abstände betragen etwa 2 Å.
Tipp: Don't throw the baby out with the bathwater!
Könnte man dieses H-Atom (vorausgesetzt, man findet es!) einfach so verfeinern?
12. Die Verbindung AXES ist ein Zinkkomplex, der in der orthorhombischen Raumgruppe
Pccn mit Achsen a 13.650, b 15.444, c 13.627 Å vorgestellt wird. Von der Struktur wird
behauptet, die molekularen Dimensionen seien normal. Verwenden Sie das Programm XP
(H-Atome können gekillt werden), um diese Behauptung für die Aromatenringe zu testen;
skizzieren Sie beide Sechsringe mit Bindungslängen und –winkeln (der Befehl BANG
Atomname liefert die Dimensionen am gewählten Atom, BANG einfach so gibt alle
Dimensionen an).
Schlagen Sie eine mögliche Ursache des Problems vor. Eine teilweise bereinigte Version
der Struktur ist unter AXES2 gespeichert. Kann man das Problem vollständig beheben?
Das Molekül besitzt zufälligerweise zweizählige Symmetrie; mit GROW/PROJ bekommt
man das komplette Molekül zu sehen.
116
13. Die endgültige Verfeinerung der Verbindung YLITEST finden Sie als Anhang am
Ende dieses Kapitels. Ihr Assistent erklärt Ihnen die wichtigsten Aspekte (vgl. Kap. 7).
YLITEST wurde bei Raumtemperatur gemessen. Mit XP: Nach Entfernung der Q-Peaks
und H-Atome korrigiert der Befehl LIBR die Bindungslängen für Librationseffekten (Kap.
7). Sind die Korrekturen größer oder kleiner als die Standardabweichungen der
Bindungslängen? Was bedeutet das für die Messstrategie?
13
Eine Librationskorrektur setzt ein starres Molekül voraus. Warum gibt es keine Drehung
um die zentrale C–S-Einfachbindung?
14. (vgl. Textaufgabe 25). Was passiert, wenn man sich bei der Wahl der Raumgruppe irrt
und zu wenig (Teil a) bzw. zu viel (Teil b) Symmetrie zuordnet? Man merke: das
Lösungsprogramm hat versucht, schwerere Atome wie Si und Cl automatisch zuzuordnen.
14a
14b
(Bu = tert-Butyl)
(a) Die Verbindung FUSSE kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P2/c mit Z = 4.
Der 〈|E|2–1〉-Wert beträgt 1.00. Aus Versehen wurde die falsche Raumgruppe Pc (gleiche
Auslöschungen!) angenommen. Kontrollieren Sie die Strukturlösung mit XP (falsche
Peaks löschen; es ist nicht notwendig, die Atome zu benennen). Was fällt auf? Erzeugen
Sie ein Bild aller vier Moleküle in der Zelle (MGEN Q1 Q4, MATR 2, TELP CELL).
Identifizieren Sie die tatsächlichen Symmetrieelemente analytisch und "per Auge". Die
Chloratomkoordinaten sind:
CL1
CL2
CL1A
CL2A
-0.3698
1.3708
-0.3698
1.3708
0.7798
0.2216
0.2202
0.7784
0.2431
0.7580
0.7431
0.2580
(nach direkten Methoden noch nicht sehr genau!). Die Symmetrieoperatoren (in Pc) sind:
1555
2555
+X,
+X,
+Y,
-Y,
+Z
0.5 + Z
117
(b) Die Verbindung GOESO kristallisiert monoklin primitiv mit Z = 4, Auslöschung {h0l
fehlt bei ungeradem l}. Welche Raumgruppen sind möglich? Kontrollieren Sie den
üblichen Lösungsversuch (Projekt GOESO; die verwendete Raumgruppe kann über den
SYMM-Befehl identifiziert werden). Ist das Molekül zu erkennen? Als Alternative
kontrollieren
Sie
GOESOPC
(Projekt
wechseln!).
Welche
Raumgruppe
liegt
2
wahrscheinlich vor? Ist das konsistent mit dem 〈|E| –1〉-Wert von 0.74? Wie ist Z′, die Zahl
der Moleküle in der asymmetrischen Einheit?
Fassen Sie Ihre Ergebnisse in folgender Tabelle zusammen:
Zu wenig Symmetrie ange- Zu
nommen, z.B. Pc statt P2/c
viel
Symmetrie
ange-
nommen, z.B. P2/c statt Pc
Lösung ja/nein
Falls
ja:
Besonderer
Aspekt der Lösung
15. Die Verbindung ZNCL sollte ein Komplex von Zink(II)chlorid mit 3-Aminopyridin
sein, vermutlich L2ZnCl2.
NH2
N
3-Aminopyridin (L)
Verwenden Sie XP, um diese Vermutung zu kontrollieren.
(i) Wie ist die Zusammensetzung der asymmetrischen Einheit? Wie ist das
(wahrscheinlichste) Kristallsystem?
(ii) SYMM.
Ist
die
Raumgruppe zentrosymmetrisch?
Welcher Art
sind
die
Symmetrieoperatoren 2, 3, 4? Wie ist die Raumgruppe? Hat sie spezielle Lagen? Wieviele
der Symmetrieelemente sind im Raumgruppensymbol explizit erwähnt?
(iii) BANG ZN1. Wie ist die Koordinationsgeometrie am Zinkatom? ENVI ZN1. Sind Sie
sicher? Wie kann das Zinkatom eine Bindung zu einer anderen asymmetrischen Einheit
bilden, wenn keine Operationen mit passenden Punktsymmetrien vorliegen?
(iv) Ein Packungsbild (ohne H-Atome, die störende H-Brücken bilden) sollte alles
klarmachen. KILL $H, PBOX 25 3 0.3 0 0.5, MATR 1 0 –1, ROTA 3 90 (diese Befehle
wurden gewählt, um optimierte Richtung und Dimensionen des Packungsbildes zu setzen),
PACK 0. Wenn Sie ein Bild zum Mitnehmen zeichnen möchten: im gelben Menü auf
SGEN/FMOL, dann TELP CELL. Was für Gebilde liegen vor? Sind diese mit den
vorhandenen Symmetrieelementen konsistent?
118
16. (a) Die Verbindung TUBER (C38H41N3O3Cl6) kennen wir aus der Textaufgabe 31. Die
Zelle ist: a = 16.804, b = 16.856, c = 13.603 Å, α = 90.00, β = 90.00, γ = 90.07°.
Verwenden Sie das Programm XPREP, um die Symmetrie zu kontrollieren. Ist sie wirklich
tetragonal? Anhand welcher Kriterien entscheidet das Programm über die wahre
Symmetrie? Hinweis: Dieses Programm verwendet das alternative Symbol R(sym) statt
R(int) (Abschn. 2.8).
Es reicht, die Zelle, dann P (wie primitiv), dann H (Symmetrie kontrollieren) einzugeben.
Sie können aber auch durch wiederholtes "enter" die Raumgruppe bestimmen lassen und
dann über R (reciprocal space plots) und Y (h0l-Reflexe) die Auslöschungen optisch
kontrollieren. Sie bekommen eine XPREP-Protokolldatei TUBER.PRP ausgehändigt.
K und zum selben Thema K (b) Die Verbindung PRINCE (C60H46N3O8P2S4Br4Au)
kristallisiert mit a = 14.715, b = 17.744, c = 23.944 Å, α = 90.07, β = 104.98, γ = 90.01°,
und Z = 4. Verwenden Sie wieder XPREP, um die Symmetrie zu kontrollieren. Ist sie
wirklich monoklin?
119
Anhang: Verfeinerungsprotokoll zu Seminaraufgabe 13 (einschl. Librationskorrektur)
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
+ XL - CRYSTAL STRUCTURE REFINEMENT - SHELXTL Ver. 6.12
+
+ W95/98/NT/2000/ME
+
+ Copyright(c) 2001 Bruker Analytical X-ray Solutions All Rights Reserved +
+ ylitest
started at 16:49:23 on 28-Apr-2008 +
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
TITL
CELL
ZERR
LATT
SYMM
SYMM
SYMM
SFAC
UNIT
V =
ylitest in P2(1)2(1)2(1)
0.71073
5.9629
9.0365 18.4009 90.000 90.000 90.000
4.00
0.0004
0.0007
0.0013
0.000 0.000 0.000
-1
0.5-X, -Y, 0.5+Z
-X, 0.5+Y, 0.5-Z
0.5+X, 0.5-Y, -Z
C H O S
44 44 8 4
991.51
F(000) =
436.0
Mu =
0.29 mm-1
Cell Wt =
829.03
Rho =
TEMP 22
L.S.
ACTA
CONF
FMAP
PLAN
4
56
2
10
WGHT
FVAR
S1
4
0.04013
0.03398 =
O1
0.05941
0.04414 =
0.04331
0.04857 =
0.08765
0.05521 =
O2
C1
AFIX
H1A
H1B
H1C
AFIX
C2
AFIX
H2A
H2B
H2C
AFIX
C3
C4
C5
C6
C7
C8
AFIX
H8
AFIX
C9
AFIX
0.0553
0.0000
0.40615
0.809685
0.318475
0.240439
11.00000
0.03932
0.00389
-0.00845 -0.00494
3
0.842139
0.589285
0.129380
11.00000
0.05123
0.00853
-0.00719 -0.01616
3
0.335481
0.197748
0.176922
11.00000
0.05670
0.01146
-0.00183 -0.01006
1
0.649456
0.324741
0.322771
11.00000
0.03630
0.00178
0.00681
0.00374
137
2
0.626848
0.425934
0.336864
11.00000
2
0.728929
0.273495
0.360523
11.00000
2
0.506753
0.278150
0.315032
11.00000
0
1
0.834320
0.122428
0.229039
11.00000
0.06077
0.00081
-0.01313
0.00739
137
2
0.687453
0.079126
0.226911
11.00000
2
0.915392
0.081364
0.269350
11.00000
2
0.913328
0.101653
0.184741
11.00000
0
1
0.636226
0.375742
0.172211
11.00000
0.03385
0.00432
-0.00468 -0.00096
1
0.689697
0.498836
0.125262
11.00000
0.03365
0.00074
-0.00182
0.00018
1
0.509727
0.497963
0.067940
11.00000
0.03194 -0.00315
-0.00447
0.00456
1
0.357739
0.386117
0.082540
11.00000
0.03468 -0.00320
-0.00289
0.00773
1
0.433004
0.304759
0.149837
11.00000
0.03715 -0.00031
0.00173
0.00166
1
0.486564
0.587840
0.007323
11.00000
0.03877
0.00338
-0.00663
0.00153
43
2
0.589826
0.661837 -0.003359
11.00000
0
1
0.298071
0.561321 -0.037419
11.00000
0.03949
0.00180
-0.01865
0.01251
43
-1.50000
-1.50000
-1.50000
0.04851
0.03601 =
-1.50000
-1.50000
-1.50000
0.03938
0.03526 =
0.04507
0.03225 =
0.05098
0.03217 =
0.04028
0.03683 =
0.03456
0.03580 =
0.07253
0.03847 =
-1.20000
0.09046
0.04670 =
1.388
120
H9
2
AFIX 0
C10
1
AFIX 43
H10
2
AFIX 0
C11
1
0.274978
0.620742
11.00000
-1.20000
0.149329
0.450846 -0.022572
11.00000
0.04774 -0.00613
-0.02378
0.01223
0.06570
0.027557
11.00000
-1.20000
0.176942
0.359464
0.038159
11.00000
0.04844 -0.00361
-0.00901
0.00466
0.04444
AFIX 43
H11
2
HKLF 4
0.435970
-0.078000
0.076486
-0.053295
0.283398
0.048123
11.00000
0.05629 =
0.05318 =
-1.20000
Covalent radii and connectivity table for ylitest in P2(1)2(1)2(1)
C
H
O
S
0.770
0.320
0.660
1.030
S1 - C3 C2 C1
O1 - C4
O2 - C7
C1 - S1
C2 - S1
C3 - C7 C4 S1
C4 - O1 C3 C5
C5 - C6 C8 C4
C6 - C11 C5 C7
C7 - O2 C3 C6
C8 - C5 C9
C9 - C10 C8
C10 - C9 C11
C11 - C6 C10
h
k
l
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
3
5
0
0
0
0
Fo^2
0.14
0.37
0.26
0.83
0.42
0.63
0.65
Sigma
0.02
0.07
0.06
0.09
0.06
0.07
0.08
Why rejected
observed
observed
observed
observed
observed
observed
observed
10260 Reflections read, of which
-7 =< h =< 7,
-11 =< k =< 12,
but
but
but
but
but
but
but
should
should
should
should
should
should
should
be
be
be
be
be
be
be
systematically
systematically
systematically
systematically
systematically
systematically
systematically
63 rejected
-24 =< l =< 24,
Max. 2-theta =
56.57
7 Systematic absence violations
2451 Unique reflections, of which
R(int) = 0.0328
R(sigma) = 0.0220
absent
absent
absent
absent
absent
absent
absent
0 suppressed
Friedel opposites not merged
Maximum memory for data reduction = 1540 /
24327
Default effective X-H distances for T =
22.0 C
AFIX m =
1
2
3
4 4[N] 3[N] 15[B] 8[O]
9 9[N] 16
d(X-H) = 0.98 0.97 0.96 0.93 0.86 0.89 1.10 0.82 0.93 0.86 0.93
Note that these distances are chosen to give the best fit to the X-ray data
and so avoid the introduction of systematic error. The true internuclear
distances are longer and do not vary with temperature ! The apparent
variation with temperature is caused by libration.
** Cell contents from UNIT instruction and atom list do not agree **
Unit-cell contents from UNIT instruction and atom list resp.
121
C
H
O
S
44.00
44.00
8.00
4.00
44.00
40.00
8.00
4.00
Least-squares cycle 1
Maximum vector length = 511
Memory required = 1897 / 163476
wR2 = 0.0797 before cycle 1 for 2451 data and 129 / 129 parameters
GooF = S =
1.067;
Restrained GooF =
1.067 for
0 restraints
Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3
N
value
esd
shift/esd parameter
1
0.40796
0.00077
2.350
OSF
Mean shift/esd = 0.401
Maximum = 2.350 for OSF
Max. shift = 0.012 A for H1A
Max. dU = 0.000 for C1
Least-squares cycle 2
Maximum vector length = 511
Memory required = 1897 / 163476
wR2 = 0.0789 before cycle 2 for 2451 data and 129 / 129 parameters
GooF = S =
1.057;
Restrained GooF =
1.057 for
0 restraints
Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3
N
value
esd
shift/esd parameter
1
0.40839
0.00076
0.573
OSF
Mean shift/esd = 0.119
Maximum = 0.573 for OSF
Max. shift = 0.003 A for H1A
Max. dU = 0.000 for C9
Least-squares cycle 3
Maximum vector length = 511
Memory required = 1897 / 163476
wR2 = 0.0789 before cycle 3 for 2451 data and 129 / 129 parameters
GooF = S =
1.056;
Restrained GooF =
1.056 for
0 restraints
Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3
N
value
esd
shift/esd parameter
1
0.40840
0.00076
0.010
OSF
Mean shift/esd = 0.006
Maximum = 0.037 for U33 C1
Max. shift = 0.000 A for H1A
Max. dU = 0.000 for C9
Least-squares cycle 4
Maximum vector length = 511
Memory required = 1897 / 163476
wR2 = 0.0789 before cycle 4 for 2451 data and 129 / 129 parameters
GooF = S =
1.056;
Restrained GooF =
1.056 for
0 restraints
Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3
N
value
esd
shift/esd parameter
1
0.40840
0.00076
0.000
OSF
Mean shift/esd = 0.002
Maximum = -0.011 for x C9
Max. shift = 0.000 A for H1A
Max. dU = 0.000 for C1
Largest correlation matrix elements
0.525 U33 S1 / OSF
0.515 U22 S1 / OSF
ylitest in P2(1)2(1)2(1)
ATOM
x
y
z
sof
U11
U22
U33
U23
U13
S1
0.00055
0.80971
0.00006
0.31849
0.00004
0.24044
0.00002
1.00000
0.00000
0.04042
0.00017
0.03430
0.00017
0.03961
0.00016
0.00393 -0.00847 -0.00491
0.00012
0.00013 0.00014
0.03811
0.00010
O1
0.00190
0.84205
0.00022
0.58920
0.00012
0.12936
0.00006
1.00000
0.00000
0.05943
0.00067
0.04451
0.00056
0.05162
0.00056
0.00875 -0.00745 -0.01632
0.00044
0.00056 0.00054
0.05185
0.00028
O2
0.00195
0.33557
0.00020
0.19771
0.00012
0.17690
0.00006
1.00000
0.00000
0.04345
0.00054
0.04862
0.00059
0.05669
0.00060
0.01148 -0.00151 -0.01010
0.00047
0.00048 0.00053
0.04959
0.00026
C1
0.00353
0.64992
0.00039
0.32452
0.00021
0.32275
0.00008
1.00000
0.00000
0.08873
0.00130
0.05561
0.00091
0.03632
0.00069
0.00187
0.00067
0.06022
0.00045
H1A
0.62900
0.42563
0.33726
1.00000
0.00000
0.09033
0.00000
0.00641
0.00078
U12
0.00408
0.00103
Ueq
122
H1B
0.72863
0.27208
0.36028
1.00000
0.00000
0.09033
0.00000
H1C
0.50644
0.27908
0.31486
1.00000
0.00000
0.09033
0.00000
C2
0.00273
0.83451
0.00031
0.12252
0.00016
0.22910
0.00009
1.00000
0.00000
0.04903
0.00080
H2A
0.68768
0.07918
0.22689
1.00000
0.00000
0.07294
0.00000
H2B
0.91536
0.08151
0.26947
1.00000
0.00000
0.07294
0.00000
H2C
0.91380
0.10173
0.18486
1.00000
0.00000
0.07294
0.00000
C3
0.00223
0.63612
0.00023
0.37570
0.00015
0.17221
0.00007
1.00000
0.00000
C4
0.00238
0.68958
0.00026
0.49878
0.00014
0.12525
0.00007
C5
0.00237
0.50993
0.00025
0.49794
0.00015
C6
0.00238
0.35774
0.00024
C7
0.00240
0.03625
0.00068
0.06060
0.00085
0.00093 -0.01301
0.00063
0.00075
0.00799
0.00068
0.04863
0.00034
0.03959
0.00070
0.03546
0.00062
0.03359
0.00060
0.00413 -0.00397 -0.00017
0.00050
0.00050 0.00053
0.03622
0.00029
1.00000
0.00000
0.04565
0.00072
0.03199
0.00057
0.03429
0.00058
0.00035 -0.00146
0.00045
0.00064
0.00044
0.00064
0.03731
0.00027
0.06800
0.00007
1.00000
0.00000
0.05133
0.00085
0.03245
0.00065
0.03213 -0.00349 -0.00418
0.00061 0.00050
0.00057
0.00480
0.00060
0.03863
0.00032
0.38607
0.00015
0.08253
0.00007
1.00000
0.00000
0.04025
0.00072
0.03681
0.00065
0.03467 -0.00362 -0.00276
0.00058 0.00052
0.00052
0.00787
0.00054
0.03724
0.00029
0.43318
0.00023
0.30493
0.00015
0.14987
0.00007
1.00000
0.00000
0.03507
0.00063
0.03645
0.00066
0.03724 -0.00083
0.00060 0.00054
0.00189
0.00050
0.00207
0.00056
0.03625
0.00027
C8
0.00277
0.48675
0.00032
0.58772
0.00016
0.00736
0.00008
1.00000
0.00000
0.07314
0.00110
0.03892
0.00075
0.03889
0.00071
0.00310 -0.00591
0.00060
0.00074
0.00184
0.00074
0.05032
0.00039
H8
0.59001
0.66174 -0.00330
1.00000
0.00000
0.06038
0.00000
C9
0.00331
0.29885
0.00041
0.56131 -0.03740
0.00019 0.00008
1.00000
0.00000
0.09094
0.00139
0.04727
0.00084
0.03957
0.00073
0.00108 -0.01864
0.00061
0.00089
0.01335
0.00103
0.05926
0.00048
H9
0.27616
0.62059 -0.07805
1.00000
0.00000
0.07111
0.00000
C10
0.00297
0.14971
0.00033
0.45102 -0.02252
0.00019 0.00009
1.00000
0.00000
0.06574
0.00111
0.05677
0.00093
0.04754 -0.00669 -0.02381
0.00080 0.00071
0.00083
0.01223
0.00088
0.05668
0.00045
H10
0.02785
0.43637 -0.05323
1.00000
0.00000
0.06802
0.00000
C11
0.00278
0.17698
0.00030
0.35952
0.00019
0.03819
0.00008
1.00000
0.00000
0.04510
0.00078
0.05282
0.00084
0.04834 -0.00388 -0.00885
0.00075 0.00061
0.00071
0.00511
0.00075
0.04875
0.00035
H11
0.07638
0.28353
0.04813
1.00000
0.00000
0.05851
0.00000
Final Structure Factor Calculation for ylitest in P2(1)2(1)2(1)
Total number of l.s. parameters =
wR2 = 0.0789 before cycle
GooF = S =
1.056;
5 for
129
Maximum vector length = 511
2451 data and
Restrained GooF =
2 /
1770 /
25046
129 parameters
1.056 for
Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 +
Memory required =
0.00 * P ]
0 restraints
where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3
R1 = 0.0299 for 2303 Fo > 4sig(Fo) and 0.0325 for all 2451 data
wR2 = 0.0789, GooF = S = 1.056, Restrained GooF =
1.056 for all data
123
Flack x parameter = -0.0546 with esd 0.0584
Expected values are 0 (within 3 esd's) for correct and +1 for inverted absolute structure.
Note that this rough estimate ignores correlation with other parameters; if the
above value differs significantly from zero, it is ESSENTIAL to test the
inverted structure or refine x as a full-matrix parameter using TWIN and BASF
Occupancy sum of asymmetric unit =
14.00 for non-hydrogen and
10.00 for hydrogen atoms
Principal mean square atomic displacements U
0.0509
0.0751
0.0671
0.0900
0.0695
0.0423
0.0458
0.0536
0.0481
0.0384
0.0742
0.0999
0.0882
0.0607
0.0323
0.0472
0.0479
0.0552
0.0457
0.0370
0.0342
0.0335
0.0336
0.0376
0.0418
0.0463
0.0507
0.0480
0.0312
0.0333
0.0338
0.0354
0.0307
0.0293
0.0319
0.0288
0.0301
0.0327
0.0350
0.0315
0.0311
0.0376
S1
O1
O2
C1
C2
C3
C4
C5
C6
C7
C8
C9
C10
C11
Analysis of variance for reflections employed in refinement
K = Mean[Fo^2] / Mean[Fc^2] for group
Fc/Fc(max)
0.000
0.024
0.036
0.045
0.056
0.067
0.081
0.102
0.130
0.192
1.000
Number in group
245.
253.
242.
241.
253.
239.
245.
245.
244.
244.
GooF
0.999
1.215
1.131
1.139
0.987
1.034
0.901
1.065
0.984
1.073
K
0.853
0.965
1.016
1.024
1.007
1.003
0.997
0.982
0.993
1.024
Resolution(A)
0.75
0.78
0.81
0.84
0.89
0.95
1.02
1.12
1.29
1.62
inf
Number in group
252.
241.
242.
245.
248.
245.
244.
246.
242.
246.
GooF
0.979
0.910
0.907
0.859
0.868
0.843
0.976
1.210
1.137
1.624
K
1.066
1.029
1.017
1.000
0.986
0.992
0.966
0.967
0.998
1.036
R1
0.065
0.052
0.042
0.038
0.033
0.027
0.028
0.027
0.022
0.031
Recommended weighting scheme: WGHT
0.0508
0.0149
Note that in most cases convergence will be faster if fixed weights (e.g. the
default WGHT 0.1) are retained until the refinement is virtually complete, and
only then should the above recommended values be used.
Most Disagreeable Reflections (* if suppressed or used for Rfree)
h
k
l
-1
1
1
0
-1
0
2
0
0
1
1
0
0
1
2
4
0
0
-3
0
3
7
3
2
7
2
0
0
5
7
0
3
6
1
1
0
1
2
1
4
6
0
6
3
4
9
5
6
6
4
6
8
5
0
11
1
10
7
11
10
Fo^2
30.58
3.29
31.19
12.21
8.39
7.70
8.72
321.68
35.36
8.85
8.03
66.19
99.53
117.14
0.05
-0.30
15.88
55.51
137.42
0.93
Fc^2
Delta(F^2)/esd Fc/Fc(max) Resolution(A)
21.29
7.26
23.83
9.04
12.97
11.12
12.66
254.23
45.86
12.73
4.37
53.30
125.97
97.14
1.31
1.08
19.78
45.48
164.77
2.31
5.84
4.61
4.51
4.43
4.39
4.39
4.35
4.10
4.06
3.95
3.89
3.75
3.52
3.31
3.29
3.28
3.24
3.22
3.02
3.01
0.048
0.028
0.051
0.031
0.038
0.035
0.037
0.166
0.071
0.037
0.022
0.076
0.117
0.103
0.012
0.011
0.046
0.070
0.134
0.016
2.02
1.26
2.02
3.64
1.22
1.86
2.32
3.07
1.56
1.22
2.73
1.83
1.39
4.98
1.44
1.49
1.80
2.27
1.27
1.43
124
Bond lengths and angles
S1 C3
C2
C1
Distance
Angles
1.7073 (0.0013)
1.7892 (0.0014) 105.31 (0.07)
1.7902 (0.0017) 106.87 (0.09) 99.95 (0.09)
S1 C3
C2
O1 C4
Distance
Angles
1.2247 (0.0017)
O1 -
O2 C7
Distance
Angles
1.2349 (0.0017)
O2 -
C1 S1
Distance
Angles
1.7902 (0.0017)
C1 -
C2 S1
Distance
Angles
1.7892 (0.0014)
C2 -
C3 C7
C4
S1
Distance
Angles
1.4291 (0.0019)
1.4440 (0.0018) 111.07 (0.12)
1.7073 (0.0013) 126.11 (0.10) 122.65 (0.10)
C3 C7
C4
C4 O1
C3
C5
Distance
Angles
1.2247 (0.0017)
1.4440 (0.0018) 129.85 (0.12)
1.5025 (0.0019) 125.16 (0.12) 104.97 (0.11)
C4 O1
C3
C5 C6
C8
C4
Distance
Angles
1.3846 (0.0020)
1.3865 (0.0020) 121.15 (0.13)
1.5025 (0.0019) 109.60 (0.11) 129.23 (0.14)
C5 C6
C8
C6 C11
C5
C7
Distance
Angles
1.3730 (0.0021)
1.3846 (0.0020) 121.83 (0.13)
1.5085 (0.0019) 129.60 (0.14) 108.55 (0.12)
C6 C11
C5
C7 O2
C3
C6
Distance
Angles
1.2349 (0.0017)
1.4291 (0.0019) 129.37 (0.13)
1.5085 (0.0019) 124.87 (0.13) 105.74 (0.12)
C7 O2
C3
C8 C5
C9
Distance
Angles
1.3865 (0.0020)
1.4108 (0.0026) 116.74 (0.16)
C8 C5
C9 C10
C8
Distance
Angles
1.3634 (0.0028)
1.4108 (0.0026) 121.63 (0.14)
C9 C10
C10 C9
C11
Distance
Angles
1.3634 (0.0028)
1.3993 (0.0023) 121.09 (0.16)
C10 C9
C11 C6
C10
Distance
Angles
1.3730 (0.0021)
1.3993 (0.0023) 117.54 (0.17)
C11 C6
Selected torsion angles
125
43.83
-61.85
-130.91
123.41
175.90
-8.66
-2.67
172.77
-176.31
2.35
4.92
-176.43
-0.46
-179.35
177.71
-1.18
-179.51
5.24
2.01
-173.24
-1.05
-179.03
177.52
-0.46
1.35
180.00
-1.23
0.21
-0.60
-178.35
0.72
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
(
0.15)
0.14)
0.13)
0.13)
0.14)
0.23)
0.15)
0.10)
0.14)
0.15)
0.24)
0.15)
0.21)
0.13)
0.13)
0.15)
0.15)
0.23)
0.15)
0.10)
0.23)
0.14)
0.15)
0.14)
0.23)
0.14)
0.26)
0.28)
0.22)
0.14)
0.26)
C2 - S1 - C3 - C7
C1 - S1 - C3 - C7
C2 - S1 - C3 - C4
C1 - S1 - C3 - C4
C7 - C3 - C4 - O1
S1 - C3 - C4 - O1
C7 - C3 - C4 - C5
S1 - C3 - C4 - C5
O1 - C4 - C5 - C6
C3 - C4 - C5 - C6
O1 - C4 - C5 - C8
C3 - C4 - C5 - C8
C8 - C5 - C6 - C11
C4 - C5 - C6 - C11
C8 - C5 - C6 - C7
C4 - C5 - C6 - C7
C4 - C3 - C7 - O2
S1 - C3 - C7 - O2
C4 - C3 - C7 - C6
S1 - C3 - C7 - C6
C11 - C6 - C7 - O2
C5 - C6 - C7 - O2
C11 - C6 - C7 - C3
C5 - C6 - C7 - C3
C6 - C5 - C8 - C9
C4 - C5 - C8 - C9
C5 - C8 - C9 - C10
C8 - C9 - C10 - C11
C5 - C6 - C11 - C10
C7 - C6 - C11 - C10
C9 - C10 - C11 - C6
FMAP and GRID set by program
FMAP
GRID
2 3 23
-1.250 -2 -2
R1 = 0.0308 for
1.250
2
2
1443 unique reflections after merging for Fourier
Electron density synthesis with coefficients Fo-Fc
Highest peak
Deepest hole
Mean =
0.26 at 0.7192 0.3502 0.2039 [ 0.80 A from C3 ]
-0.19 at 0.3190 0.4818 0.0215 [ 1.31 A from C9 ]
0.00,
Rms deviation from mean =
0.04 e/A^3,
Highest memory used = 1762 / 15307
Fourier peaks appended to .res file
Q1
Q2
Q3
Q4
Q5
Q6
Q7
Q8
Q9
Q10
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
x
y
0.7192
0.6676
0.5680
0.3852
0.5074
0.6110
0.1808
0.3246
0.7115
0.3548
0.3502
0.4365
0.3205
0.3461
0.5316
0.5036
0.3925
0.2497
0.3282
0.5908
z
0.2039
0.1556
0.1527
0.1088
0.0426
0.0917
0.0046
0.1918
0.2883
-0.0114
sof
U
Peak
Distances to nearest atoms (including symmetry equivalents)
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
1.00000
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.26
0.24
0.19
0.18
0.18
0.17
0.17
0.16
0.16
0.16
0.80
0.66
0.74
0.63
0.56
0.75
0.69
0.55
0.73
0.64
C3
C3
C3
C6
C5
C5
C11
O2
C1
C9
0.91 S1 1.98 C4 2.02 C7
0.80 C4 1.79 O1 1.84 C7
0.82 C7 1.83 O2 1.84 C4
0.89 C7 1.73 C5 1.80 C11
0.83 C8 1.53 H8 1.75 C6
0.78 C4 1.73 O1 1.85 C6
0.75 C10 1.41 H11 1.46 H10
1.12 C7 2.21 C3 2.37 C6
1.06 S1 1.35 H1A 1.39 H1C
0.86 C8 1.34 H9 1.55 H8
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
+ ylitest
finished at 16:49:23 Total CPU time:
0.3 secs +
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
126
XP – Molecular Graphics – Ver 5.10 Copyright (C) Bruker AXS 1997
Librational analysis for
ylitest in P2(1)2(1)2(1)
Center which gives symmetric S
0.5805
0.3578
RG = 0.0829
Librational corrections and corrected bond lengths
0.008
0.007
0.004
0.006
0.005
0.004
0.006
0.005
0.006
0.004
0.004
0.005
0.006
0.004
0.004
1.799
1.796
1.711
1.230
1.449
1.507
1.391
1.240
1.435
1.512
1.390
1.415
1.370
1.377
1.403
S1
S1
S1
O1
C3
C4
C5
O2
C3
C6
C5
C8
C9
C6
C10
C1
C2
C3
C4
C4
C5
C6
C7
C7
C7
C8
C9
C10
C11
C11
0.1338