Röntgenstrukturanalyse (AC-3) P. G. Jones Inst. Anorg. Analyt. Chemie, TU Braunschweig Version: SS 2016 Letzte Änderung: 22.07.15 Vorwort Dieses Skript kann uneingeschränkt kopiert und weitergegeben werden. Verbesserungsvorschläge sind immer willkommen: [email protected]. Es werden Dezimalpunkte verwendet! Zusammenfassungen einiger wichtiger Prinzipien befinden sich am Ende der Kapitel 2 und 4. Einige wichtige Tabellen sind ebenfalls am Ende des 2. Kapitels zu finden. Viele Abbildungen wurden folgenden Büchern (alle empfehlenswert!) entnommen: W. Massa, Kristallstrukturbestimmung, 7. Auflage, Teubner-Verlag, 2011. (Mit Abstand das beste Buch in deutscher Sprache). J. N. Glusker, K. N. Trueblood, Crystal Structure Analysis, 3. Auflage, OUP 2010. (Relativ einfaches Niveau, für Anfänger gut geeignet). W. Clegg, A. J. Blake, R. O. Gould, P. Main, Crystal Structure Analysis, Principles and Practice, 2. Auflage, OUP 2009. P. Luger, Modern X-Ray Analysis on Single Crystals, 2. Auflage, de Gruyter 2014. C. Hammond, The Basics of Crystallography and Diffraction, 3. Auflage, OUP 2009. (Aus der Sicht eines Physikers, trotzdem hilfreich!). C. Giacovazzo (Ed.), Fundamentals of Crystallography, 3. Auflage, OUP 2011. (Mathematisch ausführlich). D. W. Bennett, Understanding Single Crystal X-Ray Crystallography, Wiley-VCH 2010. 2 Aufgaben, Seminare Die allgemeinen Aufgaben sind im Kap. 8 und die "Seminaraufgaben" im Kap. 9 zu finden. Der Unterschied ist, dass man für viele Seminaraufgaben einen Computer mit speziellen kristallographischen Programmen benötigt. Es werden bei den Seminaren auch viele allgemeine Aufgaben diskutiert. Die Seminare finden jede Woche in kleinen Gruppen (max. neun Teilnehmer) statt. Es werden in der Regel sieben verschiedene Termine angeboten. Die Teilnahme ist freiwillig (dafür gibt es keine klausurrelevanten Punkte, Testate oder Ähnliches). Nach der ersten Vorlesung werden die Teilnehmerlisten zusammengestellt; man verpflichtet sich durch seine Unterschrift, einen bestimmten Termin wahrzunehmen. Man hat das Recht, ein Mal an den Seminaren teilzunehmen; aus Platzgründen kann eine wiederholte Seminarteilnahme für Studenten, die bereits teilgenommen haben, nicht angeboten werden. Wer zweimal unentschuldigt fehlt, verliert seinen Platz. Bitte informieren Sie den Seminarleiter rechtzeitig, wenn Sie zu einem Seminar nicht können. Die Seminare beginnen in der Woche nach der 2. Vorlesung. Ort: Zi. 36 (Erdgeschoss, im Flur neben dem Hörsaal). Bitte mitbringen: Skript, Bleistift, Radiergummi, Taschenrechner. Zeitplan (Änderungen vorbehalten!!) Woche Seminaraufgabe(n) (Kapitel 9) Allg. Aufgabe(n) (Kapitel 8) 1 1a 4, 7(i,ii) 2 1b 5, 6, 10(a) 3 2 16, 17 4 3 19, 28 5 9, 4(1) 27, 30a 6 4(2) 26, 23 7 5, 6 35, 36 8 10 18(iii), 37 9 7, 15, 16 25 10 11, 14 31 (a und b) 11 13, 8 Diffraktometerbesichtigung (Abschn. 6.7) Wenn die Zeit reicht, kann man irgendwelche anderen allgemeinen Aufgaben, z.B. 7(iii, iv), 10(b), 13(b), 18(iv), 25b, 30b, 38, 39, 40, 42, 44, 46 machen. Wenn die Zeit zu knapp wird, kann man Seminaraufgaben 14 bzw. allg. Aufgabe 35 weglassen. 3 Inhaltsverzeichnis Kap. 0: Einführung ...................................................................................................................6 0.1 Vorbemerkungen .......................................................................................................6 0.2 Woraus besteht ein Kristall? .....................................................................................7 0.3 Verlauf einer typischen Strukturbestimmung ...........................................................8 Kap. 1: Grundbegriffe der kristallographischen Symmetrie..............................................10 1.1 Gitter, Elementarzelle..............................................................................................10 1.2 Kristallsysteme, Bravais-Gitter ...............................................................................14 1.3 Koordinatensystem ..................................................................................................16 1.4 Symmetrieelemente und –operationen: (a) Punktsymmetrie ..................................17 1.5 Symmetrieelemente und –operationen: (b) Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen .....................................................................................................20 1.6 Raumgruppen ..........................................................................................................24 1.7 Deutung der Raumgruppensymbole ........................................................................27 1.8 Kristallklassen .........................................................................................................29 1.9 Kristallographische Dichte und die 18-Regel .........................................................29 1.10 Spezielle Lagen .....................................................................................................29 1.11 Ebenenscharen, Miller'sche Indizes ......................................................................31 1.12 Umorientierung .....................................................................................................32 Kap. 2: Röntgenbeugung an Atomen und Kristallen ..........................................................36 2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung ...........................................................................36 2.2 Beugungswinkel, Atomare Streufaktoren ...............................................................37 2.3 Das Bragg'sche Gesetz ............................................................................................39 2.4 Der Strukturfaktor und die Strukturfaktorgleichung ...............................................40 2.5 Das Phasenproblem .................................................................................................43 2.6 Das Reziproke Gitter ...............................................................................................43 2.7 Symmetrie der Beugungsbilder (i): Das Friedel'sche Gesetz ..................................46 2.8 Symmetrie der Beugungsbilder (ii): Laue-Gruppen und aquivalente Reflexe........47 2.9 Auslöschungen ........................................................................................................48 Zusammenfassung Kap. 1-2 ...................................................................................................55 4 Kap. 3: Strukturlösung I: die Schweratommethode ............................................................57 3.1 Die Differenz-Synthese ...........................................................................................57 3.2 Die Patterson-Synthese ...........................................................................................58 3.3 Nachteile der Schweratommethode.........................................................................60 3.4 Weitere Vorteile der Schweratommethode .............................................................61 Kap. 4: Strukturlösung II: Direkte Methoden .....................................................................62 4.1 Philosophie der Direkten Methoden ........................................................................62 4.2 E-Werte ...................................................................................................................62 4.3 Die Sayre-Gleichung ...............................................................................................64 4.4 Tripel-Produkt-Beziehungen ...................................................................................64 4.5 Multisolution-Methoden : alt und neu .....................................................................66 Zusammenfassung Kap. 3-4 ...................................................................................................68 Kap. 5: Kristallzüchtung ........................................................................................................69 5.1 Die Methoden und ihre Vor- und Nachteile ............................................................69 5.2 Auswahl der Kristalle ..............................................................................................70 5.3 Bevorzugte Gruppen, Derivate, Gegenionen ..........................................................73 5.4 Strukturziele und Kristallqualität ............................................................................73 Kap. 6: Messmethoden: das Diffraktometer ........................................................................74 6.1 Aufbau eines Diffraktometers .................................................................................74 6.2 Ein typischer Messvorgang .....................................................................................76 6.3 Datenqualität ...........................................................................................................79 6.4 Tieftemperaturmessungen .......................................................................................79 6.5 Die Auflösung .........................................................................................................80 6.6 Messungen mit Cu-Strahlung ..................................................................................82 6.7 Kristallgröße ............................................................................................................83 Kap. 7: Strukturverfeinerung ................................................................................................84 7.1 Least-Squares-Verfeinerung....................................................................................84 7.2 Der R-Wert ..............................................................................................................85 7.3 Isotrope Verfeinerung .............................................................................................85 7.4 Anisotrope Verfeinerung .........................................................................................86 7.5 Wasserstoffatome ....................................................................................................88 7.6 Gewichtsschemata ...................................................................................................89 7.7 Computerdateien .....................................................................................................90 5 7.8 Verfeinerung gegen |F|2 ...........................................................................................91 7.9 Elektronendichte und Atomtyp ...............................................................................92 7.10 Anomale Streuung und Absolute Konfiguration...................................................92 7.11 Unordnung.............................................................................................................94 7.12 Libration ................................................................................................................95 7.13 Constraints.............................................................................................................96 7.14 Starre Gruppen ......................................................................................................96 7.15 Restraints ...............................................................................................................97 7.16 Extinktion ..............................................................................................................98 7.17 Kriterien einer guten Strukturanalyse ...................................................................99 7.18 Beschreibung einer Struktur ..................................................................................99 Kap. 8: Allgemeine Aufgaben ..............................................................................................101 Kap. 9: Seminaraufgaben .....................................................................................................109 6 0. Einführung 0.1 Vorbemerkungen Als Röntgenstrahlung wird elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von etwa 0.01 bis 10 nm bezeichnet; für die Röntgenstrukturanalyse werden Wellenlängen von etwa 1 Å (10–10 m, 0.1 nm) eingesetzt.1 Jeder kennt die medizinische Röntgenaufnahme, die einen Gegenstand, der schwerere Elemente enthält, als Schatten darstellt. Wenn man hingegen die Streuung von Röntgenstrahlen untersucht, entstehen normalerweise diffuse Muster. Max von Laue vermutete, dass der ungewöhnlich regelmäßige Aufbau eines Kristalls (Abb. 0.1), zusammen mit der groben Übereinstimmung zwischen interatomaren Abständen (ca. 1 Å) und Röntgenwellenlängen, die Erzeugung von Beugungsbildern (Interferenzmustern) ermöglichen würde. Er hatte recht; solche Bilder (Abb. 0.2) bestehen aus scharfen Maxima.2 Jedes Maximum hat eine Position und eine Intensität; das Gesamtbild hat eine bestimmte Symmetrie. Abb. 0.1. Kristallproben (max. Größe ca. 0.3 mm). 1 Å ist das Symbol der Ångström-Einheit, einer Nicht-SI-Einheit, die bei der RSA sehr häufig verwendet wird. 2 Absolute Anfänger denken oft, verständlich- aber auch fälschlicherweise, die Maxima seien direkte Darstellungen der Atome (besonders bei Beugungsbildern mit wenigen Maxima). 7 Abb. 0.2. Röntgenaufnahme eines Kristalls. Eine mathematische Bearbeitung der Beugungsbilder eines Kristalls führt zur Struktur der Moleküle, aus denen der Kristall besteht: "Der Kristall ist das Fenster zu den Atomen". Es ist das Ziel dieser Vorlesung, den Weg von den Beugungsbildern zum Molekülbild zu schildern. Der Prozess nennt sich Röntgenstrukturanalyse, obwohl viele namhafte Wissenschaftler dagegen protestieren, denn man bestimmt die Struktur der Moleküle bzw. des Kristalls und nicht die Struktur der Röntgen! Gegen den alternativen Namen Kristallstrukturanalyse könnte man allerdings einwenden, die Rolle der Röntgenstrahlung gehe unter. 0.2 Woraus besteht ein Kristall? Man stelle sich die Lagerhalle einer Schuhfabrik vor. Die Halle sei komplett ausgefüllt (keine Lücken!) mit parallel aufeinandergestapelten, deckungsgleichen Schuhkartons; benachbarte Kartons wären dann über Translation miteinander verwandt. In jedem Karton befinde sich ein Paar Schuhe (Abb. 0.3; in jedem Karton gleiches Modell, gleiche Größe, gleiche Orientierung; wie man an die Schuhe kommt, sei dahingestellt!3). Es besteht zwischen beiden Schuhen ein definiertes räumliches Verhältnis, eine Symmetrieoperation (denkbar wäre z.B. eine Spiegelung, durch die der eine Schuh deckungsgleich auf den anderen käme). So sieht auch ein Kristall aus. Der Kristall entspricht der Lagerhalle, die 3 Tatsächlich würden einige "Gänge" (analog wären z.B. Lufteinschlüsse im Kristall) für alle praktischen Zwecke nichts an der Kristallinität andern. 8 Moleküle sind die Schuhe;4 der Karton ist äquivalent zur Elementarzelle (Abb. 0.4), kurz: Zelle. Der Inhalt einer jeden Zelle ist deckungsgleich. Die Unterschiede zur Schuhanalogie5 sind: (i) es müssen nicht gerade zwei Moleküle in der Zelle sein (der häufigste Wert ist vier), und die Moleküle müssen nicht Spiegelbilder voneinander sein (z.B. bei enantiomerenreinen Verbindungen!); (ii) Molekülteile können in Nachbarzelle hineinragen (entsprechende Molekülteile gibt es dann auch in Stammzelle); (iii) Elementarzellen müssen nicht rechtwinkelig sein (Schuhkartons metrisch6 rechtwinkelig – genauer, orthorhombisch – s. Abschn. 1.2). Abb. 0.5 zeigt eine der sind eine andere Struktur projiziert auf die Papierfläche. Wo sollte die (zweidimensionale) Zelle eingezeichnet werden? Wie wir sehen werden, bestimmen die Dimensionen der Zelle die Positionen der Beugungsmaxima; der Inhalt der Zelle (die Atomlagen!) bestimmt die Intensitäten der Maxima. 0.3 Verlauf einer typischen Strukturbestimmung Am Anfang ist der Kristall (Kristallzüchtung: Kap. 5). Am Kristall werden die Elementarzelle und Raumgruppe bestimmt (Kap. 1 & 2) und anschließend das vollständige Beugungsmuster gemessen (die Position und die Intensität aller Maxima werden bestimmt; Kap. 6). Die Strukturlösung (Kap. 3 & 4) liefert das erste (oft recht ungenaue) Strukturmodell, das anschließend verfeinert wird (Kap. 7). Abb. 0.3: Ein (etwas wackeliger) Schuhkarton (Elementarzelle) mit zwei gleichen Schuhen (Molekülen). Links sind die Schuhe über eine Spiegelebene miteinander verwandt; welche Operation gilt rechts? (s. Kap. 1). 4 Sind beide Schuhe im Karton "gleich"?! Es gibt bei Molekülen (wie bei Schuhen) Rechts- und Linkshändige (bzw. -füßige)! 5 Abgesehen von der trivialen Bemerkung, dass Schuhkartons tatsächlich existieren, Elementarzellen jedoch nur eine Hilfskonstruktion sind! 6 d.h. bezogen auf die Maße des Kartons und nicht auf seinen Inhalt. 9 Abb. 0.4: Eine Elementarzelle mit vier Molekülen. Abb. 0.5: Zweidimensionale Projektion einer Struktur (Ausschnitt). 10 1. Grundbegriffe der kristallographischen Symmetrie 1.1 Gitter, Elementarzelle Die äußere Regelmäßigkeit eines Kristalls (Flächen, Kanten; Abb. 0.1) ist die Folge einer inneren Regelmäßigkeit; die Struktur auf molekularer Ebene wiederholt sich unendlich in allen drei Raumrichtungen, und somit gibt es Translationssymmetrie. Ein solches sich über Translation wiederholendes Muster dient als Basis für den Begriff eines Gitters. Abb. 1.1. Einige Gitter. (a): eine Reihe Bauklötze; (b): Darstellung der Bauklötze als Punkte (an der gleichen Stelle eines jeden Bauklotzes); (c): Mauer mit versetzten Bauklotzreihen. In Abb. 1.1a sehen wir einen Teil einer unendlichen Reihe identischer Bauklötze (der sich wiederholenden Einheiten). Nun wird stellvertretend für jeden Klotz _ an einer beliebigen, jedoch für jeden Klotz gleichen Stelle _ ein Punkt (Gitterpunkt) gezeichnet (Abb. 1.1b). Die resultierende regelmäßige Anordnung der Punkte ist ein eindimensionales Gitter. Man kann einen Ursprung (einen beliebigen Gitterpunkt) und einen Basisvektor a (die vektorielle Bauklotzlänge in Richtung der Klotzreihe) zuordnen.7 Es gilt dann für jeden Gitterpunkt: r = ua; r ist der Vektor vom Ursprung zum Gitterpunkt (ein Gittervektor), u ist eine ganze Zahl, die auch negativ oder Null sein kann. Jeder Gitterpunkt besitzt eine identische Umgebung (genauer: Vektorumgebung). Das Gitter besteht somit aus parallelen, aneinandergereihten Elementarzellen (kurz: Zellen) mit Länge a = |a|. Bauen wir jetzt eine unendliche Mauer aus Bauklötzen; diese ist in Abb. 1.1c als zweidimensionales Gitter dargestellt. Wie sind dort die Basisvektoren und wie ist die Elementarzelle? Offensichtlich kann man dieses Prinzip auf drei Dimensionen erweitern. 7 In diesem Skript werden Vektoren durch Fettschrift gekennzeichnet. 11 Die Translationssymmetrie in drei Dimensionen ist eine notwendige Voraussetzung für einen idealen Kristall (Einkristall). Alle weiteren Symmetriearten (Abschn. 1.4, 1.5) sind "optional". In drei Dimensionen gibt es drei Basisvektoren a, b, c, die ein rechtshändiges Achsensystem bilden müssen.8 Der Gittervektor r vom Ursprung zu einem Gitterpunkt ist gegeben durch r = ua + vb + wc (Gl. 1) wo u, v, w ganze Zahlen sind. Ein (unendliches) Gitter ändert sich nicht, wenn man den Ursprung auf einen anderen Gitterpunkt (nach Gl. 1) verschiebt; Kristalle sind als gute Näherung unendlich (vgl. Aufgabe 1). Die Achsenlängen a, b, c sind die Beträge der Basisvektoren (also |a|, |b|, |c|). Der Winkel zwischen b und c ist α; der Winkel zwischen a und c ist β; und der Winkel zwischen a und b ist γ (Abb. 1.2). Die Achsenlängen und Winkel heißen zusammen Gitterkonstanten. Typische Achsenlängen betragen etwa 3–40 Å. Die Winkel müssen nicht 90° betragen! Aufgabe: Sind die Zahlenwerte von Gitterkonstanten prinzipiell eingeschränkt? Falls ja, durch welche Faktoren? Hier soll betont werden: der Inhalt der Zelle ist bei diesen Überlegungen vollkommen irrelevant, er soll sich lediglich durch Translation wiederholen. (Mathematisch gesehen: ein Gitter besteht nur aus den Gitterpunkten, so dass z.B. der Begriff "NatriumchloridGitter" unsinnig ist!). Insbesondere werden (vorerst!) keine Gedanken über etwaige Symmetrie des Zellinhalts gemacht; nur Translationssymmetrie wird berücksichtigt. 8 Definiert man die Richtungen von a und b (z.B. in der Papierebene), so könnte c prinzipiell aus dieser Ebene entweder nach unten oder nach oben zeigen. Die Richtung wird gewählt, um ein rechtshändiges Achsensystem zu bilden (a Daumen, b Zeigefinger, c Mittelfinger, die man alle senkrecht zueinander hält). 12 Abb. 1.2: Ausschnitt aus einem dreidimensionalen Translationsgitter mit Definitionen der Gitterkonstanten. Die Wahl der Elementarzelle unterliegt einigen Konventionen; um diese übersichtlicher zu präsentieren, werden zunächst zweidimensionale Fälle diskutiert (Abb. 1.3; vgl. Aufgabe 2). Die konventionelle Zelle I, mit Basisvektoren a, b, enthält einen Gitterpunkt, d.h. sie ist primitiv (Abkürzung: P). Zelle II ist auch primitiv und hat somit die gleiche Fläche wie I, der Winkel zwischen a und b ist jedoch größer. Zelle III enthält zwei Gitterpunkte (ist also nicht primitiv) und hat somit die doppelte Fläche wie I und II. In der Regel wird ein primitives, möglichst „unschiefes“ Gitter gewählt (Ausnahme s.u.!). Abb. 1.3. Allgemeines (schiefes) zweidimensionales Gitter: I ist die konventionsmäßige, II und III andere mögliche Zellen. Die geringfügige Versetzung von I zeigt, dass die Zelle primitiv ist. Zelle III jedoch enthält zwei Gitterpunkte. Ist der Winkel eines zweidimensionalen Gitters 90°, so ist die Symmetrie erhöht (es gibt z.B. Spiegelebenen; Abb. 1.4). Die Wahl der konventionellen Zelle I verdeutlicht die Symmetrie. Bei Zellen II, III würde man die wahre Symmetrie verkennen. In Abb. 1.4b enthält die rechteckige Zelle zwei Gitterpunkte (sie ist zentriert); die alternative Zelle (rechts) ist primitiv, jedoch wegen Verkennung der vollen Symmetrie nicht konventionsmäßig. In zentrierten Zellen sind die Konstanten u, v, w (Gl. 1) nicht unbedingt nur ganzzahlig (z.B. gilt hier in zwei Dimensionen neben ganzzahligen Werten die Kombination u = ½, v = ½). 13 (b) Abb. 1.4: Rechteckige zweidimensionale Gitter. (a): konventionsmäßige Zelle I mit Achsen in den Spiegelebenen; II und III sind (flächenmäßig) gleich groß, entsprechen jedoch nicht den Spiegeln; (b) die Zelle mit Vektoren a, b ist konventionsmäßig jedoch nicht primitiv, vgl. die Zelle mit Vektoren a', b' – primitiv, jedoch nicht konventionsmäßig. Konvention bei der Wahl einer Elementarzelle: es wird eine primitive vor einer zentrierten Zelle gewählt, es sei denn, das zentrierte Gitter zeige eine höhere Symmetrie als das primitive. Auch dreidimensionale Gitter unterliegen analogen Konventionen und können zentriert sein; es gibt folgende Zentrierungstypen:9 A-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der bc-Fläche (u = 0, v = ½, w = ½ in Gl.1); B-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der ac-Fläche (u = ½, v = 0, w = ½ in Gl.1); C-zentriert: Gitterpunkt in der Mitte der ab-Fläche (u = ½, v = ½, w = 0 in Gl.1); F-zentriert (flächenzentriert): Gitterpunkte in der Mitte aller Flächen; I-zentriert (innenzentriert): Gitterpunkt in der Mitte der Zelle (im Schnittpunkt der Raumdiagonalen) (u = ½, v = ½, w = ½ in Gl.1). Bei A-Zentrierung ist der Zentrierungsvektor (der Vektor vom Ursprung zum "zusätzlichen" Gitterpunkt) ½(b+c), usw. (Aufgabe: wie sind die entsprechenden Vektoren bei den anderen Zentrierungen?). Bei zentrierten Gittern umfassen die Gittervektoren dann alle ganzzahligen Vektoren (bezogen auf u, v, w, wie bei primitiven Gittern), den Zentrierungsvektor und alle möglichen Kombinationen aus beiden. 9 Der Sonderfall R-zentriert (rhomboedrisch) wird unter Bravais-Fall 8, Abschn. 1.2 kurz diskutiert. 14 1.2 Kristallsysteme, Bravais-Gitter In drei Dimensionen gibt es 14 grundsätzlich verschiedene Gitter, die sogennanten Bravais-Gitter (Abb. 1.5). Diese unterscheiden sich durch (i) spezielle Gitterkonstanten (gleiche Achsenlängen, 90°- oder 120°-Winkel) und (ii) Zentrierungen. Werden die Zentrierungen vernachlässigt und wird somit nur die geometrische Form der Zelle berücksichtigt, so bleiben die sieben Kristallsysteme (triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal, kubisch) übrig (Aufgabe 3).10 Die niedrigeren Symmetrien sind bei organischen und organometallischen Strukturen wesentlich häufiger; (triklin + monoklin + orthorhombisch) macht etwa 95% aller solchen Strukturen aus. Hier folgt eine vollständige Liste der 14 Bravais-Gitter, geordnet nach Kristallsystem in der ungefähren Reihenfolge "zunehmender Symmetrie" (die Numerierung 1–14 entspricht der Reihenfolge der Abb. 1.5): 1. Kristallsystem Triklin. Gitterkonstanten: a ≠ b ≠ c, α, β, γ ≠ 90° (also keine speziellen Werte). Konventionen: a < b < c; α, β, γ entweder alle > 90° oder alle < 90°.11 BravaisGittertypen: nur P (es gibt nur ein triklines Bravais-Gitter, das primitive). Das Symbol "≠" soll gelesen werden: "muss nicht gleich sein" (kann aber!). Das kann zu Problemen führen: hat z.B. eine trikline Zelle zwei Winkel von 90.005°, so ist sie innerhalb der Messfehler (etwa 0.01°) metrisch so gut wie monoklin (s.u.), und man könnte die falsche Symmetrie annehmen (vgl. Abschn. 2.8). 2, 3. Kristallsystem Monoklin. A ≠ b ≠ c, α = γ = 90°, β ≠ 90°.12 Konventionen: die bAchse ist die Achse, die senkrecht auf die anderen beiden Achsen ist (die sog. Symmetrieachse, s.u., vgl. Abschn. 1.6), und β > 90°. Es gibt zwei monokline BravaisGittertypen P bzw. C (C-zentriert s. Abb. 1.6). Die Zentrierungen A, I, F sind äquivalent zu C. Eine B-Zelle kann in eine halb so große P-Zelle umgewandelt werden (s. Aufgabe 18). (Fortsetzung übernächste Seite!) 10 Manchmal werden die trigonalen und hexagonalen Systeme zur hexagonalen Familie zusammengelegt, wobei es nur noch sechs "Familien" gibt (das ist etwas moderner und wird sich wahrscheinlich durchsetzen). Manche Experten wiederum erkennen zwei trigonale Systeme an, wobei es acht Systeme gäbe. Die Argumente für und gegen diese Betrachtungsweisen sollen uns hier nicht beschäftigen. Die Bravais-Gitter selbst bleiben dabei unverändert! 11 Bei einer gegebenen triklinen Struktur gibt es eine unendliche Zahl an Möglichkeiten, eine trikline Zelle zu definieren. Eindeutig ist die Zelle, wenn man die drei kürzesten nicht-koplanaren Gittervektoren nimmt und diese nach den o.a. Konventionen aufstellt. 12 Äquivalent zum 2D schiefen Gitter deckungsgleich (senkrecht und in gleichen Abständen) auf sich selbst gestapelt. 15 Abb. 1.5. Die 14 Bravais-Gitter. In Reihen von oben links: triklin, monoklin P, C; orthorhombisch P, C, I, F; trigonal rhomboedrisch, tetragonal P, I, hexagonal; kubisch P, I, F. Die Symmetriebezeichnungen [Zentrierung + Lauegruppe (Abschn. 2.8), wie Fm3m für kubisch F] sind der Vollständigkeit halber angegeben, aber zunächst nicht direkt relevant. Abb. 1.6. Eine C-zentrierte monokline Struktur, entlang der c-Achse betrachtet. Alle Moleküle liegen in der gleichen Ebene. Es gibt zwei Gitterpunkte pro Zelle. Wo liegt der C-Zentrierungsvektor? 16 4–7. Kristallsystem Orthorhombisch. A ≠ b ≠ c, α = β = γ = 90° (der "Schuhkarton"!). Es gibt vier orthorhombische Bravais-Gittertypen P, C (äquivalent zu A und B), I, F. 9,10. Kristallsystem Tetragonal. Konvention: vierzählige Symmetrie || c (a und b bilden ein Quadrat, vgl. Aufgabe 16). A = b ≠ c, α = β = γ = 90°. Es gibt zwei tetragonale BravaisGittertypen P, I (vgl. Aufgabe 18(iii)). 11. Kristallsystem Hexagonal. A = b ≠ c, α = β = 90°, γ = 120°. Konvention: sechszählige Symmetrie || c. Bravais-Gittertypen: nur P.13 8. Kristallsystem Trigonal. Trigonal (rhomboedrisch) hat zwei alternative Aufstellungen: (i, selten verwendet!) wie abgebildet, primitive Zelle, a = b = c, α = β = γ ≠ 90°, oder (ii) mit hexagonaler Form der Zelle, jedoch Zentrierungstyp R (Zentrierungsvektoren u = ⅔, v = ⅓, w = ⅓ sowie u = ⅓, v = ⅔, w = ⅔, drei Gitterpunkte pro Zelle). Konvention: bei Aufstellung (ii) ist die dreizählige Symmetrie || c. 12,13,14. Kristallsystem Kubisch. A = b = c, α = β = γ = 90°. Es gibt drei kubische Bravais-Gittertypen P, I, F. In der Grundvorlesung beginnt man im Kapitel "Ionische Strukturen" mit dem kubischen NaCl-Gitter. Bei solchen hochsymmetrischen Strukturen liegen Atome oft auf Gitterpunkten (bzw. in den Zellflächen oder entlang der Kanten). Aber: Bei den meisten Strukturen sind Gitterpunkte nicht durch Atome besetzt. 1.3 Koordinatensystem Die Lage eines Atoms wird durch Koordinaten x, y, z dargestellt; der Vektor r vom Ursprung zum Atom ist r = xa + yb + zc Gl. 2 Gl. 2 ist die mathematische Definition eines Achsensystems mit Basisvektoren a, b, c. Hier soll erneut daran erinnert werden, dass (im Gegensatz z.B. zum Quadratpapier) die Achsen weder gleich lang noch rechtwinkelig zueinander sein müssen (Aufgabe 8). Aus Gl. 2 folgt: x, y, z sind Bruchteile der jeweiligen Achsen und damit dimensionslose Zahlen (innerhalb der Zelle gilt 0 ≤ x, y, z ≤ 1).14 Die Addition von ganzen Zahlen (und/oder einem Zentrierungsvektor) zu den Koordinaten entspricht der Verschiebung eines Atoms um einen Gittervektor und somit auf ein translationsäquivalentes Gegenstück 13 Trigonale und hexagonale Strukturen sind für Anfänger wegen z.T. (scheinbar?) inkonsistenter bzw. revidierter Nomenklatur etwas schwierig. Auf eine detaillierte Beschreibung trigonaler, hexagonaler und kubischer Strukturen (bei Molekülstrukturen alle selten!) wird in diesem Skript verzichtet. 14 (i) vgl. Gl. 1; x, y, z in Gl. 2 sind im Allgemeinen keine ganzen Zahlen! (ii) Man redet oft (salopp) von der x-Achse statt der a-Achse, usw. Sollte man nicht … (iii) Damit jeder Punkt nur zu einer Zelle gehört, sollte man genauer definieren: innerhalb der Zelle gilt 0 ≤ x, y, z < 1. Streng genommen wiederholt sich der Punkt 0,0,0 translationssymmetrisch im Punkt 1,0,0, usw. (iv) Die Zelle mit allen Koordinaten zwischen 0 und 1 heißt die Stammzelle, die Basiszelle oder die Referenzzelle. 17 in einer anderen Zelle (bei Werten ±1 in eine Nachbarzelle); der Inhalt aller Zellen ist nach dem Prinzip aus Abschn. 1.1 gleich.15 Aufgabe: Wie sind die Koordinaten aller Ecken einer Zelle? Die Koordinaten sind eine Art dreidimensionales Buchhaltesystem für die Atome. Daraus lassen sich z.B. molekulare Dimensionen berechnen und Molekülbilder zeichnen. Auch die Auswirkung verschiedener Symmetrieoperationen (nächster Abschnitt) kann an den numerischen Werten der Atomkoordinaten erkannt werden. 1.4 Symmetrieelemente und –operationen: (a) Punktsymmetrie 16 Bisher wurde nur kurz und beiläufig erwähnt (vgl. Aufgabe 1), dass Gitter verschiedene Symmetrien aufweisen; es wurde hauptsächlich die bei Gittern viel wichtigere Translationssymmetrie diskutiert. Im folgenden diskutieren wir Symmetrieelemente, wie sie innerhalb der Zelle (zwischen Molekülen, seltener auch innerhalb der Moleküle) vorkommen. Definition 1: Symmetrieelemente sind Punkte, Achsen oder Ebenen, an denen Symmetrieoperationen ausgeführt werden. Symmetrieoperationen sind die formalen Bewegungen z.B. eines Moleküls an den (bzw. um die) dazugehörigen Symmetrieelementen. Sowohl Symmetrieelemente als auch Symmetrieoperationen werden mit verwandten Namen sowie den gleichen Symbolen bezeichnet. Definition 2: Ein Gegenstand (bzw. der in der Strukturchemie häufigere Fall, eine Gruppe von gleichen Gegenständen) besitzt Symmetrie, wenn die Ausführung der entsprechenden Symmetrieoperation am Gegenstand (bzw. an der Gruppe) zu einem "unveränderten" (vom ursprünglichen Zustand ununterscheidbaren) Zustand führt. Gleiche Gegenstände bedeutet: entweder einfach so oder erst nach Spiegelung bzw. Inversion gleich; z.B. Man drehe ein gleichseitiges Dreieck um 120° um seine dreizählige Achse (verläuft durch den Schwerpunkt, senkrecht auf die Dreiecksfläche). Definition 3: Ein Symmetrieoperator ist der mathematische Ausdruck einer Symmetrieoperation. Man merke: Kristallographen verwenden die drei Ausdrucke Symmetrieelement, Symmetrieoperation, Symmetrieoperator sehr salopp und verwechseln sie oft (womöglich auch in diesem Skript!!). 15 Bei zentrierten Zellen gilt die Translationssymmetrie auch bei Verschiebungen entsprechend den Zentrierungsvektoren, z.B. bei C-Zentrierung der Vektor ½(a+b), vgl. Abb. 1.6; ein Atom auf x, y, z wiederholt sich nach Translation durch den Zentrierungsvektor bei ½+x, ½+y, z (vgl. Aufgabe 4). 16 Kristallographen verwenden üblicherweise die Hermann-Mauguin-Symbole, sonstige Chemiker die Schönflies-Symbole, die trotz unterschiedlicher Schreibweise (fast) genau äquivalent sind (Anhang 2). 18 Hier werden alle Symmetrieoperationen vorgestellt, zusammen mit ihrer Wirkung auf die Stammkoordinaten x, y, z. Punktsymmetrien sind diejenigen, die ein einzelner endlicher Gegenstand aufweisen kann; die Symmetrieelemente wirken durch mindestens einen zentralen Punkt (ggf. eine Linie oder Ebene) des Gegenstands. (i) Inversion. Als Inversion (Symbol i) bezeichnen wir die Koordinatentransformation x, y, z → –x, –y, –z (über ein Inversionszentrum im Ursprung).17 Nach den o.g. Definitionen: Das Symmetrieelement ist das Inversionszentrum; es liegt im Ursprung. Die Symmetrieoperation ist die Invertierung (= Inversion) eines Gegenstands im Ursprung. Der Symmetrieoperator ist –x, –y, –z. Beim Invertieren wird die Chiralität eines chiralen Gegenstands ebenfalls invertiert (z.B. rechte Hand → linke). Die Inversion ist eigentlich ein Sonderfall von Typ (iii), s.u. Als einzige Operation wirkt sie nur durch einen Punkt und nicht über eine Achse oder Fläche. Aufgabe: Welche folgender Formen besitzen Inversionssymmetrie: Kreis, Ellipse, Quadrat, gleichseitiges Dreieck, Tetraeder? (ii) Drehachsen oder echte Drehungen18 (1-, 2-, 3-, 4-, 6-zählig), Symbole 1, 2, 3, 4, 6, entsprechend einer Drehung von 360/n° um eine bestimmte Achse. Weder die Chiralität des Gegenstands noch die Koordinate parallel zur Drehachse ändert sich! Drehachse 1 ist die Identität. 2-zählige Achse entlang c: x, y, z → –x, –y, z. Nach den o.g. Definitionen: Das Symmetrieelement ist die zweizählige Drehachse; es liegt entlang der c-Achse. Die Symmetrieoperation ist die zweizählige Drehung, eine Drehung um 180° um die Achse. Der Symmetrieoperator ist –x, –y, z. 17 Alternativbeschreibung: um den invertierten Punkt zu bekommen, zeichne man eine Linie vom Ausgangspunkt zum Ursprung und verlängere diese in derselben Richtung um die gleiche Länge (Abb.: vgl. Aufgabe 5). Synonyme: Symmetriezentrum (schlechter Name!) = Inversionszentrum; Punktspiegelung (dito!) = Inversion. 18 Echte Drehungen heißen so, weil sie prinzipiell physikalisch durchführbar sind. Unechte Drehungen sind das nicht; reale Gegenstände lassen sich weder invertieren noch spiegeln! 19 4-zählige Achse entlang c: x, y, z → y, –x, z → –x, –y, z → –y, x, z durch wiederholte Ausführung des Operators (Abb. 1.7). Man betone: das Vorzeichen der Koordinate parallel zur Drehachse ändert sich nicht. Abb. 1.7. Wirkung einer vierzähligen Drehachse. Links werden der Übersichtlichkeit halber nur zwei der vier Positionen gezeigt. Die Gruppe von vier Händen besitzt als Gesamtgefüge vierzählige Symmetrie. Rechts bilden die vier Punkte ein Quadrat. Warnung: Die Beschreibung der Symmetrieoperationen könnte ein dynamisches Verfahren implizieren; man drehe das Stammolekül um 90° um die vierzählige Achse und erzeuge dabei die zweite Postion des Vierersatzes. Vielmehr ist es so, dass alle vier Moleküle als statisches Gefüge bereits da sind; Symmetrie "erzeugt" keine Moleküle! (iii) Inversionsdrehachsen oder unechte Drehungen (1-, 2-, 3-, 4-, 6-zählig), Symbole n (gelesen "n-quer"), sind "doppelte" Symmetrieoperationen bestehend aus zwei Schritten: einer Drehung um 360/n° mit anschließender Invertierung. Als Beispiel eine 4 -Achse ("4quer-Achse") entlang c (doppelt unterstrichene Positionen werden tatsächlich generiert; 4 i 4 andere sind nur "Zwischenstopps"): x, y, z → y, –x, z → –y, x, –z → x, y, –z i 4 i → –x, –y, z → –y, x, z → y, –x, –z.19 Für die Darstellung der 4 -Achse als stereographische Projektion s. Abb. 1.8. Die Operation 1 ist reine Inversion (warum?),20 2 eine Spiegelung (m, engl. Mirror): x, y, z 19 vgl. Schönflies-Symbol "Sn" für eine Drehspiegelung; x, y, z 4 m → y, –x, z → y, –x,–z. Die Begriffe sind nicht exakt gleich! 20 1 ist Alternativsymbol zu i und wird z.B. beim Raumgruppensymbol P 1 (Abschn. 1.6) verwendet; m hingegen wird immer statt 2 verwendet. Der Querbalken ist mit MS-Word schwer zu erzeugen; im Skript wird stellenweise (z.B. Raumgruppentabelle) die inoffizielle Schreibweise (–1), mit Klammern und Minuszeichen, verwendet. 20 2 i → –x, y, –z → x, –y ,z (2-zählige Achse entlang b ergibt nach Inversion eine Spiegelung in der ac-Ebene).21 Die Operation 3 lässt sich am besten durch eine stereographische Projektion darstellen (vgl. Aufgabe 9(ii)). Alle Drehinversionen ändern die Chiralität. Für den Beweis, dass Gitter keine anderen Symmetrien als zwei-, drei-, vier- und sechszählig aufweisen können, s. Anhang 1 zu diesem Kapitel. Abb. 1.8. Stereographische Projektion einer vierzähligen Inversionsdrehachse senkrecht zum Papier (ausgemalte Kreise verstehen sich oberhalb der Papierebene, offene Kreise im gleichen Abstand unterhalb der Ebene). In der Projektion bilden die vier Punkte ein Quadrat. Punktsymmetrieoperationen können miteinander kombiniert werden, um die 32 Punktgruppen zu erzeugen (vgl. Abschn. 1.8, 2.9). Beispiel: Das Benzolmolekül hat eine sechszählige Achse senkrecht auf eine Spiegelebene (6/m, gelesen "6 über m"; der Schrägstrich bedeutet, dass sich beide Operationen auf dieselbe Richtung beziehen) sowie zwei Sätze zusätzlicher Spiegelebenen parallel zur sechszähligen Achse und 30° voneinander entfernt (vollständiges Punktgruppensymbol 6/mmm). Alle Moleküle gehören einer der 32 Punktgruppen an – und sei sie nur die 1! 1.5 Symmetrieelemente und –operationen: (b) Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen Translationen um Gittervektoren sind auch Symmetrieoperationen; der Inhalt aller Zellen ist gleich, und Gitter sind formal unendlich! Bei den hier vorgestellten Symmetrieelementen werden Translationen um bestimmte Bruchteile der Achsen mit Drehungen und Spiegelungen kombiniert (es handelt sich, wie bei den unechten Drehungen, um "Doppeloperationen"). Solche Symmetrien können wegen ihrer Translationsteile nicht von einzelnen endlichen Gegenständen aufgewiesen werden. (i) Gleitspiegelebenen (kurz: Gleitspiegel): Symbole a, b, c, n, d. Diese bestehen aus einer Spiegelung in einer bestimmten Ebene und einer anschließenden Translation (Gleiten) um 21 Vorsicht: wird parallel zu b gespiegelt, so liegt die Spiegelebene senkrecht zu b! 21 einen gegebenen Vektor (oft die Hälfte eines Basisvektors) in derselben Ebene (Abb. 1.9). z.B. c-Gleitspiegelebene ⊥ b; der entsprechende Operator besteht aus einer Spiegelung in der ac-Ebene (ac ⊥ b, also Spiegelung in b-Richtung) und anschließender Translation um c/2 m c/2 (⊥ b); x, y, z → x, –y, z → x, –y, ½+z (vgl. Aufgabe 11(i)). Das Symbol n bedeutet (nach der Spiegelung) eine Translation um eine halbe Flächendiagonale (z.B. ½a + ½c), d (selten) um ein Viertel der Flächendiagonalen.22 Alle Gleitspiegelungen (wie Spiegelungen) ändern die Chiralität. Man merke: (i) Es werden zwei Buchstaben benötigt, um eine Gleitspiegelung zu definieren; der erste ist die Translations- (Gleit-)richtung und der zweite die Richtung, in der gespiegelt wird. (ii) Bei der Beschreibung z.B. "c-Gleitspiegelebene senkrecht zu b" bezieht sich das Wort "senkrecht" auf die Spiegelebene (sowie den Translationsvektor); die Spiegelung findet parallel zu b statt! Abb. 1.9a. Gleitspiegelebene bei Ruderern. Abb. 1.9b. Gleitspiegelebene im Kristall; c-Gleitspiegelebene senkrecht zu b (Spiegelung mit anschließender Translation; Zwischenstopp als "Geisterbild" dargestellt!). Alle Moleküle liegen in gleicher Höhe (auf die Papierebene bezogen). Nach einer Gleitspiegelung hat das Molekül die entgegengesetzte Chiralität. 22 Solche Gleitspiegelungen kommen in der Diamantstruktur vor; man redet also von Diamantgleitspiegeln (d wie Diamant!). In bestimmten hochsymmetrischen Raumgruppen können bei n und d die Translationsvektoren ein Viertel bestimmter Raumdiagonalen sein. 22 Abb. 1.9c. Erweitertes Bild nach wiederholter Ausführung der Gleitspiegelung. (ii) Schraubenachsen (kurz: Schrauben): Symbole 21, 31, 32, 41, 42, 43, 61, 62, 63, 64, 65 (allg. nm) (gelesen: "zwei-eins" usw.). Diese (Abb. 1.10) bestehen aus einer Drehung von 360/n° um eine Achse (im Uhrzeigersinn, wenn man in die positive Achsenrichtung schaut, also eine rechtshändige Schraube) und einer anschließenden Translation um einen Bruchteil (m/n) parallel zur selben Achse. Die bei weitem häufigste Schraube ist die 212 b/2 Schraube; z.B. 21 || b: x, y, z → –x, y, –z → –x, ½+y, –z (vgl. Aufgabe 11(ii)). Schraubenachsen (wie echte Drehungen) ändern die Chiralität nicht. Abb. 1.10a. Eine 61-Wendeltreppe (Achsenrichtung nach oben; bei entgegengesetztem Drehsinn 65). Abb. 1.10b. Eine 31-Schraubenachse parallel zu c (die gebrochenen Bindungen zwischen Molekülen sind HBrücken). Molekülhöhen (bezogen auf die Papierebene) sind unterschiedlich. 23 Abb. 1.10c. Schraubenachsen des Typs 4m, mit m = 1 (a), 2 (b), 3 (c). Die fetten Buchstaben 1-4 stellen die vier Lagen dar, die durch wiederholte Ausführung der Schraubenoperation entstehen; sollten diese außerhalb der Stammzelle liegen, so werden auch die translationsäquivalenten Lagen innerhalb der Stammzelle gekennzeichnet. Die c-Achse beginnt unten; die gepunktete waagerechte Linie liegt bei z = 1. Weitere Erläuterung s. Text. Man kann Schraubenachsen statt mit Koordinaten auch mit der definierten Kombination aus Drehung und Translation beschreiben.23 Die Startposition ist immer Translation 0 und Drehung 0° oder [0, 0°]. Eine 21-Schraube erzeugt dann die Position [½, 180°]; die Wiederholung ergibt [1, 360°], translationsäquivalent zur Startposition. Die Schraubenachsen n1 sind die einfachsten. Etwas komplizierter sind die Fälle mit m > 1, weil bei wiederholter Durchführung die Translationsanteile >1 sein können. Abb. 1.10c zeigt den kompletten Satz 4m-Schrauben. Die 41-Schraube ist der Standardfall. Bei der 42Schraube sind die Positionen [0, 0°], [½, 90°], [1, 180°], [1½, 270°]. Die letzten beiden sind translationsäquivalent zu [0, 180°] sowie [½, 270°], so dass die vier Lagen innerhalb der Stammzelle paarweise bei je gleichen Translationen liegen. Bei der 43-Schraube erzeugt man auf ähnliche Weise Positionen, die durch eine linkshändige Schraube entstünden; 41- und 43-Schrauben sind also enantiomorphe Symmetrieelemente (Entsprechendes gilt bei 31/32, 61/65, 62/64). 23 Das ist eine rein inoffizielle Schreibweise und in keinem Lehrbuch zu finden! 24 1.6 Raumgruppen 1.6.1 Allgemeines; zentrosymmetrische und nicht-zentrosymmetrische Raumgruppen Der Begriff Raumgruppe entsteht, wenn man Translations- mit Punktsymmetrieoperationen kombiniert (vgl. Aufgabe 12). Unter Annahme eines unendlichen Gitters gibt es 230 prinzipiell unterschiedliche Möglichkeiten, eine räumliche Anordnung identischer (deckungsgleicher, ggf. invertierter!) Gegenstände über Symmetrieelemente aufzustellen; das sind die 230 Raumgruppen (Tab. 2.4).24 Innerhalb einer Elementarzelle befindet sich im allgemeinen nicht nur ein Molekül, sondern mehrere über verschiedene Symmetrieelemente verwandte Moleküle (vgl. Abb. 0.4). Ein Symmetrieelement gilt für eine bestimmte Anordnung von Gegenständen, wenn durch seine Ausführung das Referenzobjekt (Molekül!) deckungsgleich auf ein anderes (oder auf sich selbst) gebracht wird. Bei der Aufstellung eines Gitters (Abschn. 1.1) kann der Ursprung an einen beliebigen Punkt der Elementarzelle gesetzt werden; etwaige Symmetrie innerhalb der Zelle wird nicht berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der Raumgruppensymmetrie(n) innerhalb der Zelle ist es jedoch sinnvoll und deswegen konventionell, den Ursprung auf bestimmte Symmetrieelemente bzw. in einem definierten einfachen Abstand (z.B. um ¼ eines Basisvektors versetzt, s. Abschn. 1.6.4) zu diesen zu setzen. Man unterscheidet zwischen zentrosymmetrischen Raumgruppen, mit Inversionszentren,25 und nicht-zentrosymmetrischen Raumgruppen, ohne Inversionszentren. Bei zentrosymmetrischen Raumgruppen liegt der Ursprung konventionsmäßig auf einem Inversionszentrum. Vorsicht: Zentrosymmetrisch und zentriert (zentrierte Gitter, Abschn. 1.1 & 1.2) sind ähnliche Wörter, aber völlig unterschiedliche Begriffe! 24 Das große Tabellenwerk International Tables for X-Ray Crystallography, Volume A, fasst alle Symmetrie- eigenschaften aller Raumgruppen zusammen. Bei den Seminaraufgaben werden wir diese Tabellen verwenden (ggf. in verkürzter Fassung). Für eine allgemeine Einleitung (in englischer Sprache) zu den dort verwendenten Formalismen s. Z. Dauter & M. Jaskolski, J. Appl. Cryst. 43, 1150–1171 (2010), auch im Internet unter http://journals.iucr.org/j/issues/2010/05/02/issconts.html frei zugänglich. 25 Der Unterschied zwischen zentrosymmetrischen und nicht-zentrosymmetrischen Strukturen ist wichtig, weil man die zwei Typen oft unterschiedlich handhabt (z.B. bei der Strukturlösung, Abschn. 4.4, und bei einigen Aspekten der Strukturverfeinerung, Abschn. 7.9). Zentrosymmetrische Strukturen sind etwas leichter zu bearbeiten als nicht-zentrosymmetrische, solange der Ursprung auf einem Inversionszentrum liegt (warum?). 25 Es gibt 138 nicht-zentrosymmetrische und 92 zentrosymmetrische Raumgruppen; zentrosymmetrische Strukturen sind aber etwa dreimal häufiger als nichtzentrosymmetrische. 1.6.2 Allgemeine Lagen, asymmetrische Einheit, Multiplizität Zur Analyse der Symmetrieoperatoren einer typischen Raumgruppe nehmen wir die häufigste Raumgruppe P21/c (gelesen: "P zwei eins über c").26 Aus dem Namen ist ersichtlich: (i) die Raumgruppe ist primitiv; (ii) es gibt eine 21-Schraubenachse (parallel zu b) und eine c-Gleitspiegelebene (senkrecht zu b).27 Der Schrägstrich bedeutet, dass sich beide Operatoren auf dieselbe Richtung beziehen. Die vier konventionellen Operationen sind die Identität (Referenzobjekt auf x, y, z), Inversion (führt das Referenzobjekt auf ein weiteres bei –x, –y, –z), c-Gleitspiegelebene (x, ½–y, ½+z), und 21-Schraubenachse (–x, ½+y, ½–z); vgl. die vier Hände bei Punktgruppe 4, Abb. 1.7. Eine genauere Ableitung wird unten (Abschn. 1.6.4) angegeben, wobei die scheinbar unpassenden Konstanten von ½ erklärt werden. Die Gruppe von Atomen, die das Referenzobjekt (normalerweise das Stammolekül) bildet, heißt die asymmetrische Einheit. Die Operatoren (x, y, z usw.) nennt man die allgemeinen Lagen; die entsprechende Zahl der Operatoren, hier vier, nennt man die Multiplizität. Die Multiplizität der allgemeinen Lagen versehen wir in diesem Skript mit dem Symbol M. Für die Raumgruppe P21/c gilt somit M = 4, und es gibt normalerweise vier Moleküle in der Zelle. Durch Anwendung der Symmetrieoperatoren an der asymmetrischen Einheit wird der ganze Zellinhalt erzeugt. Bei kristallographischen Berechnungen geht es üblicherweise (außer bei Packungsdiagrammen) nur um die asymmetrische Einheit; die Programme berücksichtigen die anderen Moleküle, die in der Elementarzelle vorhanden sind, automatisch. 26 Die 230 Raumgruppen haben sehr unterschiedliche Häufigkeiten. Bei organischen Strukturen ist die häufigste Raumgruppe P21/c (35%), gefolgt von P 1 (23%), P212121 (8.1%), C2/c (7.9%), P21 (5.5%), Pbca (3.5%), Pna21 (1.4%), Pnma (1.3%), Cc (1.1%) und P1 (1.0%). 27 Warum auf b bezogen? Siehe Abschn. 1.7! 26 1.6.3 Der Z-Wert Z (= Zähligkeit) ist die Zahl der Moleküle in der Zelle. Die Standardwerte von Z bei primitiven, zentrosymmetrischen Strukturen sind: triklin 2; monoklin 4; orthorhombisch 8. Diese Werte werden bei A-, B-, C- sowie I-Zentrierungen um Faktor 2 größer, bei F-Zentrierung um Faktor 4 größer und bei nichtzentrosymmetrischen Strukturen um Faktor 2 kleiner.28 Man verwendet für die Zahl der Moleküle in der asymmetrischen Einheit das Symbol Z′; im Normalfall gilt Z′ = 1, und der Z-Wert ist gleich M, der Multiplizität der allgemeinen Lagen. Die asymmetrische Einheit muss aber nicht aus einem Molekül (oder Ionenpaar, usw.) bestehen; sie kann aus mehreren gleichen Molekülen/Spezies bestehen (Z' > 1; Abb. 7.3, Seminaraufgabe 10), oder aus einem bestimmten Bruchteil eines Moleküls, das auf einem Symmetrieelement liegt (Z' < 1; Abschn. 1.10). Es gilt dann Z = MZ'. 1.6.4 Deutung von Operatoren; Ableitung der Operatoren für P21/c Wie erkennt man an der mathematischen Form eines Operators, was er tatsächlich ist? Für die einfacheren Kristallsysteme (triklin, monoklin, orthorhombisch) gilt: (i) Translationen ändern kein Vorzeichen von x, y, z (ii) Spiegelungen und Gleitspiegelungen ändern ein Vorzeichen (iii) Drehungen und Schrauben ändern zwei Vorzeichen (iv) Inversionen ändern alle drei Vorzeichen.29 Es ist instruktiv, die Operatoren der Raumgruppe P21/c genauer abzuleiten. Die üblichen Operatoren 21-Schraube entlang b bzw. c-Gleitspiegel senkrecht zu b bewirken zunächst x, 2 c 1 y, z → –x, ½+y, –z bzw. x, y, z → x, –y, ½+z. Die Kombination 21 und dann c ergibt (nach erlaubter b-Translation) –x, ½–y, ½–z. Dieser Satz Operatoren 1. x, y, z; 2. –x, ½+y, –z; 3. x, –y, ½+z; 4. –x, ½–y, ½–z ist aber noch nicht konventionsmäßig, denn das Inversionszentrum liegt nicht auf 0, 0, 0, sondern auf 0, ¼, ¼ (vgl. Aufgabe 5). Wir verschieben die Operatoren um 0, –¼, –¼, und bekommen 1. x, –¼+y, –¼+z; 2. –x, ¼+y, –¼–z; 3. x, –¼–y, ¼+z; 4. –x, ¼–y, ¼–z. 28 Die Unterschreitung des erwarteten Werts um Faktor 2 (z.B. orthorhombisch, aber Z = 4) liegt normalerweise an einem der folgenden Gründe: (i) die Raumgruppe ist nicht-zentrosymmetrisch, so dass die Multiplizität um Faktor 2 kleiner ist; (ii) das Molekül liegt auf einer speziellen Lage (Abschn. 1.10); (iii) die wahre Symmetrie ist niedriger als zunächst angenommen (z.B. monoklin mit β ≈ 90° statt orthorhombisch). 29 Bei höheren Symmetrien (tetragonal usw.) können x, y, z untereinander vertauscht werden (z.B. bei einer 4-zähligen Achse y, –x, z), wobei diese Faustregeln nicht mehr allgemein gelten. 27 Setzen wir jetzt y–¼ = Y, z–¼ = Z (damit der Stammoperator x, Y, Z heißt), so erhalten wir schließlich 1. x, Y, Z; 2. –x, ½+Y, ½–Z; 3. x, ½–Y, ½+Z; 4. –x, –Y, –Z, die vier konventionellen Operatoren; es ist unwichtig, ob man Groß- oder Kleinbuchstaben verwendet! Wichtig: die 21-Achse liegt nicht mehr entlang der b-Achse, sondern nur parallel zu b (verschoben um c/4); der Spiegel der Gleitspiegelebene liegt nicht mehr in der ac-Ebene, sondern ist um b/4 verschoben.30 1.6.5 Raumgruppen enantiomerenreiner Verbindungen Eine enantiomerenreine Verbindung kann nur in einer der 65 Raumgruppen ohne unechte Operationen (Inversionszentren, Inversionsdrehachsen, Spiegel und Gleitspiegel) kristallisieren; die einzigen erlaubten Operationen sind Drehungen und Schrauben (oder bei Raumgruppe P1 nur die Identität). Im Raumgruppensymbol darf also weder ein Kleinbuchstabe noch ein n -Symbol stehen.31 Solche Raumgruppen heißen üblicherweise chiral, obwohl diese Nomenklatur umstritten ist und man sie auch Sohncke-Raumgruppen nennt. 1.7 Deutung der Raumgruppensymbole Der erste Buchstabe eines Raumgruppensymbols ist immer ein Großbuchstabe und gibt den Zentrierungstyp an (zur Erinnerung: P = primitiv = nicht-zentriert). Triklin: Es gibt nur zwei trikline Raumgruppen. P1 hat keine Symmetrie außer der Identität.32 P 1 hat Inversionszentren; diese wirken über Punkte, sind nicht auf Achsen bezogen, und setzen somit keine 90°-Winkel voraus (vgl. monoklin und andere Kristallsysteme, s.u.). Außer bei P 1 stehen in Raumgruppensymbolen die Inversionszentren nie explizit! Bei allen Symmetrieelementen, die sich auf Achsen beziehen (also bei allen Kristallsystemen außer triklin), ist es sinnvoll, entsprechende Symmetrierichtungen (Blick- richtungen, oft gleich den Achsenrichtungen) zu definieren. 30 Bei P21/c als einziger Raumgruppe gibt es eine erlaubte alternative Aufstellung: P21/n (s. Anhang 3 zu diesem Kapitel). 31 Das entspricht denjenigen Kristallklassen (Abschn. 1.8), deren Symbole nur aus Ziffern bestehen (z.B. 222). 32 ... und Translation, die es bei Gittern immer gibt! 28 Monoklin: Alle Symmetrieelemente/-operationen (außer etwaiger Inversion) beziehen sich auf die bAchse. Die b-Achse wird damit zur Hauptblickrichtung. Mögliche Operationen sind 2, 21, m, Gleitspiegelebenen;33 von diesen muss mindestens eine vorhanden sein. Voraussetzung für diese Operationen ist, dass die Symmetrierichtung auf die anderen beiden Achsen senkrecht ist. Inversionszentren dürfen auch vorhanden sein (vgl. triklin). Beispiele: (i) P21/c (s.o.). (ii) C2/c; C-zentriert, zweizählige Achse || b, c-Gleitspiegel ⊥ b.34 Vorsicht: nicht alle Symmetrieelemente der Raumgruppe müssen explizit im Symbol stehen (z.B. P21/c enthält Inversionszentren; C2/c enthält 21 -Achsen, Inversionszentren und nGleitspiegelebenen). Orthorhombisch: Die drei Blickrichtungen sind die a-, b- und c-Achsen in dieser Reihenfolge. Auf jede Achse muss sich mindestens eine Operation (Typen wie im monoklinen Fall) beziehen. Z.B. Pca21: c-Gleitspiegel ⊥ a, a-Gleitspiegel ⊥ b, 21Schraube || c. Tetragonal: Die drei Blickrichtungen sind (i) die c-Achse, (ii) die a- und b-Achsen, (iii) die Diagonalen a+b, a–b. z.B. P41212: 41-Schraube || c; 21-Schrauben || a und b; zweizählige Achsen || a+b und a–b. Bei "Fehlanzeige" entfallen die Positionen (ii) und (iii) (z.B. I 4). Alle tetragonalen Raumgruppen haben in der ersten Blickrichtung ein vierzähliges Symmetrieelement. 35 Raumgruppen und Blickrichtungen in anderen Kristallsystemen (trigonal, hexagonal, kubisch) werden hier nicht diskutiert. Übung s. Aufgabe 13! Achtung: Das Raumgruppensymbol enthält keine expliziten Informationen (i) über das Kristallsystem (ii) ob die Raumgruppe zentrosymmetrisch ist oder nicht (außer bei P 1). 33 Im monoklinen System ist nur die c-Gleitspiegelebene konventionsgemäß; unter Umständen kann es hilfreich sein, die nicht-konventionelle Gleitspiegelebene n zu verwenden. Die a-Gleitspiegelebene, der man manchmal begegnet, ist im monoklinen System weder konventionell noch hilfreich. 34 (i) Konventionsmäßig werden bei gleicher Blickrichtung Dreh- oder Schraubenachsen vor Gleitspiegel- ebenen angegeben. (ii) Im monoklinen Fall gibt es formal auch Blickrichtungen parallel zu den a- und cAchsen. Da hier keine Symmetrie außer der Identität sein kann, sind die entsprechenden Angaben "1" und das volle Raumgruppensymbol ist z.B. P121/c1 statt P21/c. Auf die Einsen wird jedoch üblicherweise (wie in diesem Skript) verzichtet. 35 Alle trigonalen bzw. hexagonalen Raumgruppen haben in der ersten Blickrichtung einen dreizähligen bzw. sechszähligen Operator. Ansonsten werden die Raumgruppensymbole der höhersymmetrischen Systeme (hexagonal, trigonal, kubisch) in diesem Skript nicht diskutiert. 29 1.8 Kristallklassen Die Kristallklasse (die Punktgruppe entsprechend der Raumgruppe) wird für einige spezielle Zwecke benötigt. Man bekommt sie, indem man alle Translationsteile der Symmetrieoperatoren weglässt; dabei werden alle Schraubenachsen zu reinen Drehachsen und alle Gleitspiegelebenen zu einfachen Spiegelungen. Da auch etwaige Zentrierungen dabei wegfallen, trifft der erste Buchstabe (P, C, usw.) des Raumgruppensymbols nicht mehr zu. Beispiele: P21/c gehört zu Kristallklasse 2/m; I 212121 zu 222. In der Raumgruppentabelle (Tab. 2.4) sind die Kristallklassen mit angegeben. Übung s. Aufgabe 21. Zu einem speziellen Zweck sind Punktgruppen manchmal hilfreich; man muss nach einem Raumgruppensymbol entscheiden, ob die Raumgruppe zentrosymmetrisch oder nichtzentrosymmetrisch ist. Man kann nach der Punktgruppe schauen, ob sich die Lage x, y, z durch eine oder mehrere Operationen in –x, –y, –z umwandeln lässt. Falls ja, so ist die Raumgruppe zentrosymmetrisch; falls nicht, ist sie nicht-zentrosymmetrisch. 1.9 Kristallographische Dichte und die 18-Regel Kennen wir den Inhalt (Masse) und das Volumen der Elementarzelle, so können wir die Dichte der Substanz berechnen. Achtung: Einheiten müssen konsistent sein (Aufgabe 14). Da viele organische Verbindungen eine ähnliche Packungseffizienz (Volumen der Atome / Volumen der Zelle) haben, und diese von einigen schwereren "Fremdatomen" nicht signifikant gestört wird, gilt für die meisten organischen Verbindungen und Metallkomplexe die 18-Regel: Dividiert man das Zellvolumen in Å3 durch 18, so erhält man die Zahl der Nicht-H-Atome in der Zelle. 1.10 Spezielle Lagen Eine allgemeine Lage (Abschn. 1.6) hat Punktsymmetrie 1 ("keine" Symmetrie). Spezielle Lagen liegen auf Symmetrieelementen (Drehachsen, Inversionsdrehachsen, Spiegeln, Inversionszentren); sie kommen zustande, wenn zwei oder mehr allgemeine Lagen, eine davon die Stammlage x, y, z, wegen spezieller Koordinaten (wie 0, ½, K) formal zusammenschmelzen. Als Beispiel: P 1, allgemeine Lagen x, y, z und –x, –y, –z; diese sind identisch, wenn jede Koordinate entweder 0 oder ½ beträgt. Wenn Moleküle diese speziellen Lagen (hier: Inversionszentren) besetzen, verringert sich Z von 2 auf 1 (Z′ = ½). Liegt ein Atom auf einer dieser speziellen Lagen, so ist sein Besetzungsfaktor (ansonsten allgemein 1 ≡ vollbesetzt) auf ½ herabgesetzt (Abb. 1.11). 36 36 Je nach Art der speziellen Lage kann der Besetzungsfaktor (in anderen Raumgruppen) andere Bruchteile als ½ betragen. 30 Nicht alle Raumgruppen habe spezielle Lagen. Als Beispiel: Pc, allgemeine Lagen x, y, z und x, –y, ½+z. Es gibt keine Koordinaten, bei denen x, y, z ≡ x, –y, ½+z (warum?) Sind weniger Moleküle in der Zelle vorhanden als die Zahl der allgemeinen Lagen (z.B. halb so viele, etwa Z = 2 in P21/c; Z′ = ½), so müssen die Moleküle auf speziellen Lagen liegen; die asymmetrische Einheit besteht aus einem entsprechenden Bruchteil des Moleküls, z.B. der Hälfte (Aufgabe 15). Ein Beispiel für die Besetzung verschiedener spezieller Lagen ist [Ph4As]+[Au(CN)4]– CH2Cl2, Raumgruppe Pbcm (M = 8 allgemeine Lagen), Z = 4; das As-Atom liegt in einer Spiegelebene, das Au-Atom auf einem Inversionszentrum, das Dichlormethan-C-Atom auf einer zweizähligen Achse (Abb. 1.12). Abb. 1.11. Oben: Aus einem [AuCl2] –-Ion wird über das Inversionszentrum i das symmetrieäquivalente Ion (Atomnamen mit Strichen) erzeugt. Alle Atome liegen allgemein (Besetzungsfaktor = 1). Unten: Das Au-Atom eines [AuCl2] –-Ions liegt auf einem Inversionszentrum. Aus dem Chloratom Cl1 wird Cl1' erzeugt. Da Cl1 allgemein liegt, muss der Besetzungsfaktor des Goldatoms 0.5 betragen, um die Stöichiometrie aufrechtzuerhalten. Wie ist der Winkel Cl1–Au–Cl1'? Abb. 1.12. [Ph4As]+ [Au(CN)4] – CH2Cl2, eine Struktur mit spezieller Symmetrie aller drei Reste (s. Text). Nur die asymmetrische Einheit ist Spiegelebene? ie viele . Durch welche Atome das Kations verläuft die 31 Umgekehrt ist es aber nicht der Fall, dass ein Molekül mit Punktsymmetrie höher als 1 auf einer speziellen Lage mit derselben Symmetrie liegen muss; es kann ganz allgemein oder auf einer speziellen Lage mit niedrigerer Symmetrie liegen (z.B. Benzol hat als isoliertes Molekül Punktsymmetrie 6/mmm, kristallisiert aber "nur" auf Inversionszentren – wobei die sogenannte nicht-kristallographische Symmetrie innerhalb der Messfehler exakt 6/mmm ist). 1.11 Ebenenscharen, Miller'sche Indizes Diese Hilfskonstruktion wurde entwickelt, um die Morphologie (die äußere Form; Synonym: der Habitus, Abschn. 5.2) von Kristallen zu beschreiben (Abb. 1.13b); heutzutage verwenden wir sie öfter, um die Folgen der Röntgenbeugung an Einkristallen zu beschreiben. Eine beliebige Ebene schneide die Achsen der Elementarzelle (Abb. 1.13a) bei a/h, b/k, c/l. Diese Ebene kann durch die Miller'schen Indizes (oder Miller-Indizes) h, k, l definiert werden und heißt eine Miller-Ebene (oder Netzebene). Die drei Indizes werden einfach hintereinander geschrieben (bei zweistelligen Zahlen mit Trennkommata). Es sind für kristallographische Zwecke nur ganzzahlige Werte der Miller-Indizes wichtig; diese sollen auch teilerfremd sein, d.h. z.B. die Kombination (630) ist ungültig und wird als (210) angegeben.37 Der senkrechte Abstand der Ebene zum Ursprung beträgt d (nicht abgebildet; kann aus den Gitterkonstanten berechnet werden) mit entsprechendem Vektor d. Parallel zur Stammebene hkl verläuft eine ganze Ebenenschar hkl,38 jeweils mit gleichen Abständen d zueinander; es gibt immer eine Ebene der Schar, die durch den Ursprung verläuft (warum?), aber die Stammebene tut das nicht! Je höher die Indizes sind, desto kleiner werden die Abstände d. Ist ein Miller-Index gleich Null, so wird die entsprechende Achse von der Ebene nicht geschnitten, sondern liegt in der Ebene. Negative Miller-Indizes werden mit einem Querbalken geschrieben (z.B. 3 statt –3; nicht mit 3 -Achsen usw. verwechseln!); die Achse wird in der negativen Richtung geschnitten (z.B. bei Index 3 wird die Achse bei –⅓ geschnitten; vgl. Aufgabe 17). 37 Um die Flächen eines Kristalls zu beschreiben, dürfen die Indizes keine gemeinsamen Faktoren enthalten. Zu diesem Zweck werden sie mit runden Klammern angegeben; maximale (Absolut-)Werte liegen etwa bei 3. Für die Beschreibung des Beugungsbildes (Reflexe entstehen durch Beugung an den Miller-Ebenen; Kap. 2, 6) entfällt die Einschränkung "teilerfremd" (vgl. Abschnitt 2.4), und die Indizes werden ohne Klammern angegeben; maximale Indizes sind dann in etwa gleich der entsprechenden Achsenlänge in Å (oder knapp darüber); s. Aufgabe 20. 38 Vorsucht: ohne Zusammenhang ist es ggf. nicht klar, ob sich hkl auf die Stammebene (häufiger) oder die ganze Ebenenschar (seltener) bezieht! 32 Kristallflächen bekommen die Miller-Indizes der Miller-Ebene zugeordnet, zu der sie parallel sind. Eine Kristallfläche mit negativen Miller-Indizes hkl liegt exakt gegenüber seinem positiven Gegenpart hkl. Abb. 1.13a. Miller'sche Indizes. Links: eine Ebene schneidet die Kristallachsen. Rechts: Indizes verschiedener Ebenen in einem kubischen System. Vorsicht: der Ursprung ist je nach Bild an unterschiedlicher Stelle! Abb. 1.13b. Indexierte Flächen des Minerals Pucherit (hintere Flächen nicht dargestellt). 1.12 Umorientierung Für viele Raumgruppen gibt es im Symbol eine konventionelle Reihenfolge der Symmetrieelemente, z.B. heißt die orthorhombische Raumgruppe mit zwei zweizähligen Achsen und einer 21-Schraubenachse P2221 und nicht etwa P2212; die Schraubenachse soll konventionsmäßig parallel zur c-Achse sein. Ein weiteres Beispiel: Wir haben eine primitive monokline Zelle, bei der wir die Raumgruppe als P21/a bestimmen, so dass wir die a- und c-Achsen vertauschen müssen, um zur konventionsmäßigen Raumgruppe P21/c zu gelangen. Es kommt oft vor, dass eine zuerst gewählte Zelle umorientiert werden muss (d.h. ihre Achsen werden vertauscht oder vektoriell kombiniert), um die konventionelle Aufstellung zu erreichen. Nehmen wir das o.g. Beispiel, P21/a → P21/c. Schreiben wir die neuen Achsen der P21/cZelle groß (A, B, C), so ist die Umorientierung A = 0a + 0b + 1c B = 0a + 1b + 0c C = 1a + 0b + 0c 33 Diese Verhältnisse können auch als Matrixgleichung zusammengefasst werden: A 0 0 1 a B = 0 1 0 b , C 1 0 0 c wo die 3×3-Matrix die Umorientierungsmatrix ist.39 Die ausmultiplizierte Determinante einer Umorientierungsmatrix ist das Verhältnis der Zellvolumina (neue Zelle zu alter Zelle; hier nicht bewiesen) und muss positiv sein, sonst hat man ein linkshändiges Achsensystem erzeugt (verboten!). Hier ist die Determinante tatsächlich gleich –1 (wie immer beim Vertauschen zweier Achsen). Somit müssen wir auch die Richtung von B ändern (warum ändert dieses die Winkel nicht?) gemäß B = 0a –1b +0c 0 0 1 mit Matrix 0 − 1 0 (Det = +1). Die Miller-Indizes müssen auch transformiert werden, 1 0 0 wenn sich das Achsensystem ändert; es gilt dieselbe Matrix. Übungen s. Aufgaben 18, 19. 39 Für beide Orientierungen sollte der Ursprung gleich bleiben, was sich oft automatisch ergibt. 34 Anhang 1 zu Kap. 1: Warum gibt es keine fünfzähligen Gitter? In der Abb. 1.14 liegen die benachbarten Gitterpunkte A und B in derselben Gitterzeile. Der Repetierabstand AB beträgt t. Es gelten senkrecht zum Papier durch jeden Gitterpunkt n-zählige Drehachsen. Durch Drehung um A (im Uhrzeigersinn) werden Gitterpunkte äquivalent zu B erzeugt; der vorletzte von diesen (bevor der Punkt B als letzter wieder erreicht wird) sei B'. Analog werden durch Drehung um B (im Uhrzeigersinn) Gitterpunkte äquivalent zu A erzeugt; der erste von diesen sei A'. Um einen Teil eines Gitters zu bilden, müssen die vier Punkte A, B, A', B' so liegen, dass der Abstand A'B' ein ganzes Vielfaches des Repetierabstands t ist, d.h. A'B' = mt = t – 2t cos δ = t (1–2 cos δ) cos δ = (1–m)/2 oder wo m eine ganze Zahl ist. Da aber –1 ≤ cos δ ≤ 1 gilt –2 ≤ (1–m) ≤ 2 Mögliche Werte von n sind also nur 1, 2, 3, 4 oder 6 (s. Tabelle). Bei der sechszähligen Achse fallen A' und B' zusammen. Bei der vierzähligen Achse ist AB = A'B', und ein quadratisches Gitter entsteht. Bei der zweizähligen Achse sind A, B, A' und B' kollinear! Aufgabe: Was passiert bei n = 3? Zeichnen Sie eine entsprechende Skizze, von drei kollinearen Gitterpunkten ausgehend. Abb. 1.14. Aus den Gitterpunkten A und B werden durch Drehung B' bzw. A' erzeugt (s. Text). Tabelle 1.1. Mögliche Drehachsen bei Kristallgittern 1–m cos δ δ (°) n =360/δ A'B' –2 –1 0 +1 +2 –1 –½ 0 +½ +1 180 ±120 ±90 ±60 0 oder 360 2 3 4 6 1 3AB 2AB AB 0 AB 35 Anhang 2 zu Kap. 1: Symmetriesymbole nach den Schoenflies- und Hermann-Maugin-Systemen Oft werden die Großbuchstaben schräggeschrieben. Nicht alle Symmetrien der ersten Tabelle sind RSA-relevant! 36 2. Röntgenbeugung an Atomen und Kristallen 2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung (Zur apparativen Aufbau eines typischen Röntgenexperiments s. auch Kap. 6). In einem Röntgengenerator wird in einer unter Hochvakuum abgeschmolzenen Röntgenröhre (Abb. 2.1, oben) ein fein fokussierter Elektronenstrahl durch eine Hochspannung (ca. 50 kV) von der geheizten Kathode auf die Anode, eine reine Metallplatte (Mo oder Cu), gelenkt. Hierbei wird ca. 2-3kW Wärme frei, es muss also gekühlt werden. Im Metall wird die kinetische Energie der Elektronen in Strahlung umgesetzt. Erstens wird durch Abbremsung die Bremsstrahlung (kontinuierlicher Wellenlängenbereich) erzeugt. Zweitens werden Elektronen z.B. aus der K-Schale herausgeschlagen; der instabile Zustand relaxiert durch den Sprung eines Elektrons aus einer höheren Schale (z.B. L) in die K-Lücke. Hierdurch wird die zu unseren Zwecken wichtige charakteristische Röntgenstrahlung mit scharf definierter Wellenlänge emittiert. Diese Kα-Strahlung besteht aus einem Dublett Kα1 / Kα2 (Spin-Bahn-Kopplung!).40 Aus dem Sprung M→K entsteht die Kβ-Strahlung, die bei der Strukturanalyse nicht verwendet wird. Das Spektrum der emittierten Wellenlängen ist in Abb. 2.1 (unten) zu sehen. Wellenlängen (Å) für die am häufigsten verwendeten Strahlungsarten (Kα1 / Kα2 / gewichteter Mittelwert, der für alle Berechnungen verwendet wird) sind: Cu 1.54051 / 1.54433 / 1.54184; Mo 0.70926 / 0.71354 / 0.71073 (vgl. Abschn. 6.6). Die Röntgen werden in alle Richtungen ausgestrahlt, gelangen jedoch nur durch das BeFenster nach außen. Um die unerwünschten Wellenlängen zu entfernen, verwendet man entweder (i) eine Zr-Folie als Filter (absorbiert Kβ-Strahlung von Mo sehr stark, denn diese Energie reicht exakt aus, um innere Elektronen aus dem Zr freizusetzen) oder, häufiger, (ii) einen Monochromator aus Graphit, eine große Einkristallplatte in definierter Orientierung, um durch Interferenzeffekte nur die Kα-Strahlung in das Messgerät zu lenken. Methode (ii) liefert wesentlich besser monochromatisierte Strahlung, aber auf Kosten der Intensität. Durch einen Kollimator wird der Röntgenstrahl (Primärstrahl) mit einem Durchmesser von etwa 0.3 – 0.8 mm auf den Kristall gelenkt. Die Mikroquelle ist eine moderne Entwicklungen der Röntgenröhre und kann sehr hohe Intensitäten liefern. Die Methode beruht darauf, dass der limitierende Faktor der konventionellen Röhre die Wegleitung der Wärme (ca. 2-3 kW) ist. Hat man einen kleineren Brennfleck auf der Anode (etwa 50 µm statt einiger mm) so kann dieser besser gekühlt werden, so dass ein intensiverer Elektronstrahl verwendet werden kann. Die ersten Versuche waren zu instabil; inzwischen hat man die Methode besser im Griff. Kombiniert 40 Der Kα1-Anteil ist etwa zweimal so stark wie Kα2 (Abb. 2.1b). 37 mit neuen Röntgenspiegeln (Multischichten), die den Röntgenstrahl ohne Monochromator auf den Kristall lenken, führt das zu eine Intensitätserhöhung um Faktor etwa 100. Der kleinere Fleck erzeugt nur ca. 50 W Wärme und kann luftgekühlt werden. Nachteil ist der kleine Durchmesser des Strahls (ca. 0.1–0.2 mm), so dass nur kleine Kristalle geeignet sind (aber gerade diese profitieren von der höheren Intensität). Abb. 2.1. Aspekte der Röntgenerzeugung. Links, Röntgenröhre; rechts, Röntgenspektrum. Trotz seiner relativ geringen Leistung von einigen Watt ist der Primärstrahl gefährlich, besonders bei längeren Wellenlängen. Auch die Streustrahlung kann auf Dauer die Gesundheit gefährden. 2.2 Beugungswinkel, Atomare Streufaktoren Vorsicht: In den Abschnitten 2.2 sowie 2.5 diskutieren wir Streufaktoren f und Strukturfaktoren F. Die Wörter und Symbole sind leicht zu verwechseln! Röntgen sind eine Art elektromagnetischer Strahlung; bewegliche Elektronen in Kristallen erzeugen ein sich veränderndes elektrisches Feld; auf dieser Basis gehen Röntgen und Elektronen eine Wechselwirkung ein, die der Röntgenbeugung zugrunde liegt. Die Röntgenstrukturanalyse liefert daher ein Bild der Elektronendichte und somit der Atompositionen. Alle Atome senden Röntgenquanten aus, und es entsteht dabei das Beugungsbild (Interferenzbild; Abb. 0.2). Wegen der dreidimensionalen Periodizität eines Einkristalls besteht sein Beugungsbild aus scharfen Maxima (Reflexen); jeder Reflex entsteht durch Beugung an einer bestimmten Ebenenschar (hkl) und wird somit mit deren Miller'schen Indizes hkl (ohne Klammern, ggf. mit Trennkommata) gekennzeichnet. Beim typischen Röntgenexperiment (Kap. 6) werden etwa 1000–500000 solche Reflexe gemessen (Intensität und Lage). Der Beugungswinkel 2θ (Abb. 2.2) eines bestimmten gebeugten Strahls wird definiert als der Winkel zwischen gebeugtem Strahl und Primärstrahl (Maximalwert 180°!). 38 Abb. 2.2. Definition des Beugungswinkels 2θ. Das Streuvermögen (Atomarer Streufaktor oder Formfaktor f ) einiger Atomtypen ist in Abb. 2.3 als Funktion von θ – eigentlich bezogen auf (sin θ)/λ – dargestellt. Die f -Kurven sind unter Annahme kugelförmiger Atome aus atomaren Wellenfunktionen berechenbar; sie sind normiert relativ zum Streuvermögen eines einzelnen Elektrons. Abb. 2.3. Atomare Streufaktoren (λ = Wellenlänge) unter Annahme kugelförmiger Atome – ist das realistisch? Aus der Abb. 2.3 ist einiges ersichtlich: (i) Bei 2θ = 0° 41 ist f gleich der Ordnungszahl (bei neutralen Atomen);42 Schweratome streuen also gut, Wasserstoffatome schwach (da die Intensitäten mit den quadrierten Werten von f zusammenhängen (s.u.), sind die 41 42 Experimentell nicht realisierbar - warum ? Abb. 2.3 macht deutlich, dass (strenggenommen) bei Ionen die Elektronenzahl (und nicht die Kernladungszahl) als Basis für den Streufaktor gilt. Trotzdem verwendet man in der Regel die für neutrale Atome gültigen Streufaktoren; nach Paulings Elektroneutralitätsprinzip sind tatsächliche Ladungen i.A. kleiner als theoretische, und die Kurven für Neutralatome und Ionen desselben Elements unterscheiden sich signifikant nur bei niedrigem Beugungswinkel. 39 Wasserstoffbeträge zum Beugungsbild sehr gering). (ii) Weil die Dimensionen der Elektronenhülle eines Atoms vergleichbar mit der Wellenlänge der Röntgenstrahlung sind, wird f bei zunehmendem 2θ kleiner;43 bei hohem Beugungswinkel nehmen also Röntgenintensitäten ab (vgl. Abb. 0.2). (iii) Die Form der f -Kurven ist für verschiedene Atomtypen ähnlich, jedoch unterschiedlich. (iv) Die Streufaktoren sind skalare Größen. 2.3 Das Bragg'sche Gesetz 44 Der Beugungswinkel 2θ eines Reflexes hkl ist gegeben durch 2d hkl sin θ = nλ Gl. 3 (Abb. 2.4); d hkl ist der senkrechte Abstand zwischen benachbarten Ebenen der Schar (hkl), bzw. vom Ursprung zur Stammebene. In der Praxis können wir die Zahl n gleich 1 setzen, weil der Fall n = 2 für hkl equivalent ist zu n = 1 für 2h, 2k, 2l.45 Obwohl 2θ alleine die Lage eines Reflexes im Beugungsbild nicht vollständig bestimmt (die Orientierung des Kristalls muss auch bekannt sein), ist das Bragg'sche Gesetz ein Spezialfall des Prinzips, dass die Gitterkonstanten – und Kristallorientierung – die Lage eines Reflexes bestimmen; denn d hkl ist eine berechenbare Funktion der Gitterkonstanten. Die Intensität eines Reflexes wird durch den Zellinhalt (d.h. die eigentliche Molekülstruktur) bestimmt. Abb. 2.4. Bragg’sches Gesetz. Bei konstruktiver Interferenz muss der Gangunterschied ∆ ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ betragen. Wo genau liegt der eigentliche Beugungswinkel 2θ? Es gibt ein reziprokes Verhältnis zwischen sin θ und d: sin θ = λ / 2d hkl . Bei größeren Indizes hkl werden (bei gegebenem λ) die Abstände d kleiner (Abschn. 1.10); somit werden die θ-Werte wiederum größer. Reflexe mit höheren Indizes liegen also bei höheren Beugungswinkeln; maximal erreichbare Indizes werden durch den maximalen 2θ-Winkel 180° limitiert (vgl. Aufgabe 20). 43 Bei Punktatomen bliebe f gegenüber (sin θ)/λ in etwa konstant (vgl. Abschn. 4.2). Diesen Effekt sieht man bei der Neutronenbeugung (die Kerne gehen Wechselwirkungen mit den Neutronen ein, sind aber im Vergleich zur Neutronenwellenlänge verschwindend klein). 44 Das Bragg'sche Gesetz (oder Bragg'sche Gleichung) ist eine der vier Gleichungen, die auswendig gelernt werden sollten. Die anderen sind: die Strukturfaktorgleichung (Abschn. 2.5); die Sayre-Gleichung (4.3); und die Definition des R-Werts (7.2). 45 vgl. Beispiel aus Abschn. 1.11: 630 ist die 3. Ordnung von 210. 40 2.4 Der Strukturfaktor und die Strukturfaktorgleichung 2.4.1 Komplexe Zahlen Es sei zunächst an einige Eigenschaften von Komplexen Zahlen der allgemeinen Form (a + ib) erinnert, die eine imaginäre Komponente basierend auf i ( − 1 ) enthalten. Komplexe Zahlen werden in der Gauß'schen Zahlenebene beschrieben; die reelle Achse ist waagerecht und die imaginäre Achse senkrecht. Eine alternative Darstellung als Exponent p exp (iq) bedeutet p(cos q + i sin q); die Zahl hat Betrag p und Winkel q (Bogenmaß, 2π entspricht 360°), wobei der Nullpunkt der Winkelskala die positive reelle Achse ist und der Winkel gegen Uhrzeigersinn von dort aus gemessen wird. Spezielle Werte: exp (0) = exp(2πi) = 1; exp(πi/2) = i; exp (πi) = –1; exp(3πi/2) = –i. Periodizität: exp (iq) = exp (iq + 2nπ) bei ganzzahligem n. Drehung von Vektoren: Multipliziert man eine komplexe Kahl mit exp (iκ) (κ = Konstante), so dreht sich der Vektor um einen Winkel κ gegen Uhrzeigersinn. Zu einer komplexen Zahl K = (a + ib) gibt es eine komplex konjugierte Zahl K* = (a – ib). Der Betrag der komplexen Zahl K (die Länge des entsprechenden Vektors in der Gauß'schen Zahlenebene) ist |K|; |K|2 = KK*. 2.4.2 Der Strukturfaktor Jedes Atom einer Struktur funktioniert als Streuquelle und übt dabei seine Streukraft f (Abschn. 2.2) aus. Obwohl die Streufaktoren skalare Größen sind, sind die atomaren Beiträge zu einem Reflex Vektoren; sie addieren sich vektoriell, wobei die jeweiligen Richtungen eine Funktion der Atomlagen sind. Der Betrag (die Länge) eines solchen einzelnen Vektors ist der Streufaktor f; es muss noch bestimmt werden, in welcher Richtung der Vektor zeigt (s. u.). Die zentrale Größe bei der Röntgenstrukturanalyse ist der Strukturfaktor Fhkl (ein Vektor). Erstens ist (für jeden Reflex hkl) der quadrierte Betrag von F proportional zur gemessenen Intensität I:46 |F|2 = FF* ∝ I Gl. 4 und |F| somit zugänglich (die Proportionalitätskonstante ist prinzipiell berechenbar47). Zweitens ist F die Vektorsumme aller atomaren Streubeiträge (Abb. 2.5a). Es gilt die Strukturfaktorgleichung (Gl. 5), die hier ohne Ableitung vorgestellt wird: Fhkl = ∑ fj exp [2πi(hxj + kyj + lzj)] Gl. 5 j Man summiert über alle j Atome in der Zelle,48 mit jeweiligen Streufaktoren fj und Koordinaten xj, yj, zj.49 46 Bei Wellen ist die Intensität proportional zum Quadrat der Amplitude. 47 Wir können die Intensitäten so skalieren, dass|F|2 = I. 41 Der Exponent aus Gl. 5 entspricht mathematisch einer Drehung in der Gauß'schen Zahlenebene und versieht somit die einzelnen Streufaktoren fj, die ansonsten skalare Größen sind, mit jeweils einer Richtung. Aus Gl. 5 geht hervor, dass alle Atome zu jedem Reflex beitragen. Auch wenn man sich für nur einen Teil der Struktur (z.B. für einen kationischen Metallkomplex, aber nicht für das Gegenanion) interessiert, muss man das ganze Beugungsbild messen. Folgende Argumentationsweisen sollen helfen, die Form der Strukturfaktorgleichung zu verstehen. Falls ein Atom in einer Ebene der Schar hkl liegt, so ist die Richtung seines Streubeitrags zu Fhkl definiert als 0° (parallel zur positiven reellen Achse in der Gauß’schen Zahlenebene). Als Gedankenexperiment verschieben wir dieses Atom allmählich auf die nächste Ebene der Schar; die Richtung seines Streubeitrags dreht sich dabei um 360° (Bogenmaß 2π). Liegen alle Atome in den Ebenen hkl, so streuen sie alle in Phase (positive Interferenz) und erzeugen einen Reflex hkl mit hoher Intensität und Richtung 0°; liegen alle Atome versetzt um d/2 (Abb. 4.2), so ist die Intensität gleich hoch, die Richtung ist aber 180° (π) (Aufgabe 28). Eine willkürlichere Atomverteilung mit z.T. negativer Interferenz führt zu einer niedrigeren Intensität. Die Menge 2π(hxj + kyj + lzj) ist ein Maß für die relative Versetzung eines Atoms aus den Ebenen hkl [in einer Dimension 2πaxj/(a/h); Anhang 1, Aufgabe 29] und soll berücksichtigen, dass die streuenden Atome im allgemeinen nicht in den Miller-Ebenen hkl liegen. Abb. 2.5. (a) Links: Strukturfaktor als Summe einzelner atomarer Beiträge. Die einzelnen Winkel φ n ergeben sich aus den Exponenten der Gl. 5 (vgl. Aufgabe 29). (b) Rechts: Darstellung eines Strukturfaktors F in der Gauß’schen Zahlenebene (r = reelle, i = imaginäre Achse); vgl. Gl. 6-8. F muss nicht im ersten Quadranten liegen (vgl. Aufgabe 27!). 48 d.h. die asymmetrische Einheit sowie alle symmetrieerzeugten Atome. Bei der normalen Handhabung sieht man nur die asymmetrische Einheit, das Programmsystem berücksichtigt automatisch die Symmetrie. 49 Die Summe ist als Fourier-Serie (Summe von Wellen) zu erkennen; vgl. Anhang 2. 42 Der Strukturfaktor lässt sich als Summe von Real- und Imaginärteil darstellen (Abb. 2.5b): Fhkl = Ahkl + iBhkl wobei Ahkl = ∑ Gl. 6 fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)] Gl. 7 fj sin [2π (hxj + kyj + lzj)] Gl. 8 j und Bhkl = ∑ j Da F ein Vektor ist, hat er auch eine Richtung, gegeben durch den Phasenwinkel (kurz: Phase) φ: φhkl = arctan (Bhkl /Ahkl) Gl. 9 Die Phase ist die Richtung des Strukturfaktors F in der Gauß’schen Zahlenebene. Nullpunkt (0°) ist die positive reelle Achse; der Winkel wird von dort aus gegen Uhrzeigersinn definiert. Alle Phasen zwischen 0° und 360° (2π) sind prinzipiell möglich. Einschränkung: Die Phasen einer zentrosymmetrischen Struktur betragen 0° oder 180° (π) 50, d.h. der Strukturfaktor ist eine positive bzw. eine negative reelle Zahl, vorausgesetzt, der Ursprung liegt auf einem Inversionszentrum. Spezialfall |F000|: dieser Strukturfaktor kann nicht gemessen werden, denn die Ebenen (000) existieren nicht, ist aber gleich der Gesamtzahl der Elektronen in der Zelle und hat Phase 0°. |F000| heißt so, weil man ihn bekäme, wenn man in der Strukturfaktorgleichung h = k = l = 0 setzte. Er ist der größtmögliche Strukturfaktor, so dass |Fhkl| ≤ |F000| für alle hkl; bei |Fhkl| = |F000| müssten für Fhkl alle Atome der Zelle positive Interferenz miteinander eingehen, was extrem selten passiert (vgl. Aufgabe 28). Wir können Gl.5 umdrehen, so dass die Elektronendichte ρ (Einheiten: e Å–3) als eine Funktion aller Strukturfaktoren gegeben wird: ρ(x, y, z) = (1/V) ∑ Fhkl exp [–2πi(hx + ky + lz)] Gl. 10 hkl (summiert für alle hkl) wobei V das Volumen der Elementarzelle ist.51 Diese Funktion hat deutliche Maxima dort, wo die Atome sind. Somit scheint eine Strukturbestimmung sehr einfach zu sein; wir messen die Intensitäten Ihkl (Messmethoden s.u.), berechnen Fhkl und 50 Beweis: Man teile den Zellinhalt in zwei Hälften; Hälfte 1 sei die Stammatome auf x, y, z und Hälfte 2 die inversionsäquivalenten Atome auf –x, –y, –z. Gleichung 6 wird dann zu Fhkl = [Ahkl + iBhkl (Hälfte 1)] + [Ahkl + iBhkl (Hälfte 2)] = {Σ fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)] + iΣ fj sin [2π (hxj + kyj + lzj)]} + {Σ fj cos [2π (–hxj – kyj – lzj)] + iΣ fj sin [2π (–hxj – kyj – lzj)]} (alles über Hälfte 1 summiert). Bei der Sinusfunktion gilt aber sin(–x) = –sin(x), so dass der imaginäre Teil verschwindet; Fhkl = 2{Σ fj cos [2π (hxj + kyj + lzj)} (ebenfalls über Hälfte 1 summiert). Bleibt nur der reelle Teil, so liegt der Strukturfaktor in der Gauß'schen Zahlenebene waagerecht, die Phase ist 0° oder 180°. 51 Man braucht den Faktor 1/V wegen der Einheiten; Elektronendichte e Å–3, Strukturfaktoren e. 43 anschließend mit Gl. 10 die Elektronendichte (d.h. die Atomlagen). Leider ist es nicht ganz so einfach. 2.5 Das Phasenproblem Aus den Intensitäten Ihkl können wir Fhkl nicht berechnen, sondern nur die Beträge |Fhkl|. Das Phasenproblem lautet: Die Phasen φ sind experimentell nicht zugänglich! Um die Atomlagen mit Gl. 10 zu berechnen, brauchen wir jedoch die Phasen. Somit bleibt Gl. 10 vorerst völlig wertlos! Wir werden aber sehen (Kap. 3 & 4), dass sich das Phasenproblem im allgemeinen lösen lässt.52 2.6 Das Reziproke Gitter Es kommt oft vor (s.u.), dass man viele Reflexe gleichzeitig graphisch darstellen will. Verwendet man alle Miller-Ebenen (Abschn. 1.11) explizit, so wird das Gesamtbild sehr schnell unübersichtlich (vgl. Aufgabe 17). Als Alternative könnte man die Reflexe durch die Vektoren dhkl (oder deren Endpunkte in der jeweiligen Miller-Ebene) darstellen. Diese liegen allerdings (bei positiven Indizes) alle innerhalb der Elementarzelle (warum?), wobei das Gesamtbild, viele Vektoren auf engem Raum, ebenfalls unübersichtlich ist. Es ist besser, die reziproken Vektoren dhkl* (Betrag 1/dhkl, in derselben Richtung wie dhkl) zu verwenden (vgl. Aufgabe 26). Die Endpunkte der Vektoren dhkl*, und somit auch die Reflexe hkl, bilden ein Gitter (hier nicht bewiesen!), das reziproke Gitter (Reziprok = Kehrwert).53 Die reziproken Achsen sind a*, b*, c*. Reziproke Gitterkonstanten (und andere reziproke Größen) werden mit einem Sternchen * gekennzeichnet. (Nicht mit dem Sternchen bei komplex konjugierten Zahlen verwechseln!) Bei orthogonalen direkten54 Achsen a, b, c sind im reziproken Gitter die reziproken Achsenlängen a* = 1/a usw.; die Einheiten sind Å–1; außerdem sind die direkten und reziproken Achsen kollinear (Abb. 2.6). Bei nicht-orthogonalen Achsen sind die Zusammenhänge zwischen direkten und reziproken Achsen komplizierter (Tab. 2.1, Angaben ohne Beweise!), und die direkten und reziproken Achsen sind im allgemeinen nicht kollinear (es gilt: a* ist senkrecht auf die bc-Fläche, usw.). 52 Manche sehr einfache Struktur lässt sich mit der "Trial-and-Error"-Methode lösen (vgl. Aufgabe 30). 53 Beim Bragg'schen Gesetz wurde bereits auf die Reziprozität zwischen sin θ und d hingewiesen. 54 Die direkten Gitterkonstanten sind die "normalen", im Gegensatz zu den reziproken, Gitterkonstanten. 44 Im reziproken Raum liefern die reziproken Achsen die Basisvektoren a*, b*, c* eines Koordinatensystems für die Vektoren h (Abb. 2.7), wobei die Miller-Indizes h, k, l die entsprechenden Koordinaten sind (vgl. Abschn. 1.3); der Vektor h 55 zu einem allgemeinen reziproken Gitterpunkt hkl ist gegeben durch h = ha* + kb* + lc* Die reziproken Achsen beginnen im Ursprung des RG und enden in den reziproken Gitterpunkten 100, 010, 001; diese stellen somit die entsprechenden Miller-Ebenen sowie Reflexe dar. Abb. 2.6. Direkte und reziproke Achsen einer rechtwinkligen Zelle (a = 10, b, c = 5 Å; a* = 0.1, b*, c* = 0.2 Å–1). In dieser Abb. Sind die Maßstäbe der direkten bzw. reziproken Zellen unabhängig voneinander! Im reziproken Gitter haben nur ganzzahlige Koordinaten h, k, l (die reziproken Gitterpunkte, nicht die Strecken dazwischen) einen physikalischen Sinn.56 Man kann das reziproke Gitter in zweidimensionale Schichten (Abb. 2.7) aufteilen; eine Schicht ist ein Satz reziproker Gitterpunkte mit einem konstanten Index. Wir verstehen jeden Punkt hkl des RG als stellvertretend für den Reflex hkl. Das RG bedeutet also oft nicht mehr als "der volle Satz der Reflexe hkl", den man als Gitter darstellen kann. Versieht man jeden reziproken Gitterpunkt mit einem ausgemalten Kreis, dessen Fläche proportional zur Intensität des Reflexes hkl ist, so bekommt man das Beugungsmuster als reziprokes Gitter dargestellt (Abb. 2.8). Übungen s. Aufgaben 23 (benötigt Abschn. 1.10), 26. Man verwendet das RG auch, um Beugungsexperimente mit kristallographischen Messgeräten (Kap. 6) zu steuern. 55 Das Symbol h ist unglücklich gewählt, denn h (Vektor) ist eine Funktion von h, k und l (Indizes)! 56 Vgl. Definition Miller-Ebenen! 45 Abb. 2.7. Reziprokes Gitter (unterschiedliche Maße zum reziproken Gitter der Abb. 2.6), hier aufgeteilt in Schichten senkrecht zur langen reziproken Achse c* (kurze direkte c-Achse ergibt lange reziproke c*Achse!). Nur der Bereich mit positiven Indizes ist dargestellt (auch negative Indizes sind möglich!). Aufgabe: Zeichnen Sie die reziproke Zelle ein, die als Basis für das Gitter dient. Abb 2.8. Darstellung gemessener Intensitäten als reziprokes Gitter. Schicht h0l aus dem reziproken Gitter einer monoklinen Struktur. Ursprung und Achsenrichtungen sind eingezeichnet. Man kann die Indizes h und l als Koordinaten ablesen, um festzustellen, wo ein Reflex liegt und (entsprechend der Punktgröße) wie stark er ist. Die Kreise entsprechen bestimmten Beugungswinkeln und sind (hier) nicht wichtig. 46 Tab. 2.1. Direkte und reziproke Gitterkonstanten bc sin α V V = 1/V* = abc√(1 – cos2α – cos2β – cos2γ b * c * sin α * V* V* = 1/V =a*b*c*√(1 – cos2α* – cos2β* – +2 cos α cos β cos γ) cos2γ* +2 cos α* cos β* cos γ*) a* = cos α* = a= cos β cos γ − cos α sin β sin γ sin α* = V/(abc sin β sin γ) cos α = cos β * cos γ * − cos α * sin β * sin γ * sin α = V*/(a*b*c* sin β* sin γ*) Notizen: (i) Andere Werte ergeben sich durch symmetrische Permutationen von a, b, c bzw. α, β, γ. (ii) Diese Formeln beziehen sich auf ein triklines System und werden bei höherer Symmetrie wesentlich einfacher. Aufgabe: Beweisen Sie aus den Formeln, dass für eine monokline Zelle V = abc sin β. 2.7 Symmetrie des Beugungsmusters (i): Das Friedel'sche Gesetz Das Friedel'sche Gesetz besagt, dass das Beugungsbild – auch bei nicht- zentrosymmetrischen Strukturen – immer zentrosymmetrisch ist: I(hkl) = I( hkl ) Gl. 11 57 Die Reflexe hkl und hkl bilden ein Friedelpaar. Nach den Definitionen (Gl. 6–8, 4) gilt F(–h) = F*(h) I(h) ∝ F(h)F*(h) = F(h)F(–h) I(–h) ∝ F(–h)F*(–h) = F(–h)F(h), so dass die Intensitäten I(h) und I(–h) gleich sind. Abb. 2.9 zeigt dieses Ergebnis graphisch; die reellen Teile A der entsprechenden Strukturfaktoren F sind gleich, die imaginären Teile B haben gleiche Beträge, aber entgegengesetzte Vorzeichen. Abb. 2.9. Strukturfaktoren eines Friedelpaares (r reelle Achse, i imaginäre Achse). Handelt es sich um eine zentrosymmetrische oder eine nicht-zentrosymmetrische Struktur?! 57 (hkl) und ( hkl ) sind dieselben Ebenenscharen (Aufgabe 17)! Die entsprechenden Reflexe kommen durch Beugung an gegenüberliegenden Seiten der Ebenen zustande. 47 2.8 Symmetrie des Beugungsmusters (ii): Laue-Gruppen und äquivalente Reflexe Intuitiv erwartet man, die Symmetrie eines Beugungsmusters wäre mit der Symmetrie der Raumgruppe verwandt. Man kann zeigen, dass sie gleich der Kristallklasse (Abschn. 1.8) ist, ergänzt durch ein Inversionszentrum (falls dieses nicht bereits vorhanden ist; Friedel'sches Gesetz!). Es gibt nur 11 unterschiedliche Symmetrien, die Laue-Symmetrien (Laue-Gruppen). Etwaige Zentrierungen spielen keine Rolle. Reflexe, die durch die Laue-Symmetrie gleiche Intensität haben müssen, heißen äquivalent (Tab. 2.2).58 Triklin: Laue-Gruppe 1 gilt für beide trikline Raumgruppen; I(hkl) = I( hkl ) entsprechend dem Friedel'schen Gesetz. Monoklin: Laue-Gruppe 2/m (Symmetrieachse: b*) gilt für alle monoklinen Raumgruppen. Im monoklinen Fall gilt also I(hkl) = I(h k l) = I( h k l ) = I( hkl ) (vgl. Punktsymmetrieoperatoren, Abschn. 1.4). Orthorhombisch: Laue-Gruppe mmm (Abkürzung von 2/m 2/m 2/m) gilt für alle ortho- rhombischen Raumgruppen. Äquivalente Reflexe s. Tab. 2.2. Tetragonal: (a) ohne Symmetrieelemente bezogen auf x, y: Laue-Gruppe 4/m; (b) mit solchen Symmetrieelementen: 4/mmm. Die Z-Standardwerte (vgl. Abschn. 1.6) sind 8 bzw. 16. Äquivalente Reflexe s. Tab. 2.2. [Hexagonal: 6/m und 6/mmm; Trigonal: 3 und 3 m;59 Kubisch: m3 und m3m]. Übungen s. Aufgaben 21, 22! Tab. 2.2 Äquivalente Reflexe nach Laue-Gruppe Lauegruppe Kristallsystem Äquivalente Reflexe zu hkl; zu ergänzen durch Anwendung des Friedel'schen Gesetzes hkl ≡ hkl . 1 2/m triklin keine monoklin hk l mmm orthorhombisch h kl, h k l, hk l 4/m 4/mmm 3 tetragonal tetragonal trigonal k h l, h k l, k hl Wie 4/m, aber die ersten zwei Indizes sind vertauschbar kil, ihl [i = – (h+k)] 3 m1 trigonal 3 1m 6/m 6/mmm trigonal kil, ihl, hi l , ik l , kh l kil, ihl, hil, ikl, khl hexagonal hexagonal m3 kubisch m3m kubisch hk l , kil, ki l , ihl, ih l Wie 6/m, aber die ersten zwei Indizes sind vertauschbar (i) alle zyklischen Permutationen (ii) alle Permutationen von Vorzeichen Wie m3, aber auch nicht-zyklische Permutationen 58 Äquivalente Reflexe müssen allerdings nicht gleiche Phasen besitzen! – vgl. Aufgabe 37. 59 3 m hat strenggenommen zwei Varianten, 3 1m und 3 m1 (für Anfänger nicht so wichtig!) 48 Der volle Reflexsatz muss also nicht unbedingt gemessen werden, nur der unabhängige Teil (moderne Röntgengeräte messen sowieso einen vollen Satz; die Mittelung äquivalenter Reflexe verbessert die Genauigkeit). Ist die Lauegruppe korrekt zugeordnet worden, so sollten die vermeintlich äquivalenten Reflexe in etwa (Messfehler!) gleiche Intensitäten aufweisen. Ein Maß hierfür ist R (int) (vgl. Aufgabe 40): R (int) = Σ | I – 〈 I 〉 | / Σ I Dabei ist 〈 I 〉 die mittlere Intensität über einen Satz äquivalenter Reflexe, und die Summation gilt für alle solchen Sätze (Reflexe ohne Äquivalente werden nicht berücksichtigt). Beim R (int)-Wert gilt: je kleiner, desto besser. Ein kleiner Wert (etwa < 0.05) deutet in der Regel auf eine korrekte Laue-Gruppe hin (wobei bei passenden Gitterkonstanten eine höhere Symmetrie nicht ausgeschlossen ist); bei falscher (z.B. zu hoher) Symmetrie liegt R (int) wesentlich höher (etwa 0.3 – 0.7).60 2.9 Auslöschungen Die Bestimmung der korrekten Raumgruppe ist eine absolute Vorbedingung für eine erfolgreiche Strukturbestimmung. Im allgemeinen bestimmt man zuerst das Kristallsystem anhand der Gitterkonstanten und dann (falls notwendig) die Laue-Gruppe mittels der äquivalenten Reflexe. Stellt man so fest, eine Struktur ist triklin, so gibt es nur zwei mögliche Raumgruppen, und man könnte beide testen, um die richtige zu finden.61 Hat man hingegen eine orthorhombische Struktur, so wird bei etwa 50 orthorhombischen Raumgruppen die Zuordnung nach Zufallsprinzip wahrscheinlich nicht gelingen. Die Zuordnung der Raumgruppe innerhalb der Laue-Gruppe erfolgt auf Basis der systematischen Auslöschungen. Bestimmte Symmetrieelemente bewirken, dass ganze Reflexklassen systematisch ausgelöscht sind (keine Intensität besitzen): Gitterzentrierungen, Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen führen zu systematischen Auslöschungen. Dreh- und Inversionsdrehachsen (einschl. Inversion, Spiegelung) führen zu keinen Auslöschungen. 60 Als Beispiel: Eine Struktur sei monoklin mit β = 90.01° (also von 90° praktisch ununterscheidbar). Über die äquivalenten Reflexe (Tab. 2.3) wird R (int) = 0.04 ermittelt. Für die zu niedrigere trikline Symmetrie ist R (int) mit 0.035 noch gut, denn im triklinen wie im monoklinen Fall gilt mindestens I(hkl) = I( hkl ) (warum?). Nimmt man hingegen die falsche (zu hohe) orthorhombische Symmetrie an, so ist wider Erwarten z.B. I(hkl) ≠ I( h kl), – diese müssten bei orthorhombisch äquivalent sein – und R (int) wird sehr hoch (vgl. Aufgabe 40). 61 Beginnend mit P1 , der Raumgruppe höherer Symmetrie (warum?). 49 Als Beispiel nehmen wir eine 21-Schraubenachse || b, bei der es zu jedem Atom x, y, z auch eines mit –x, ½+y, –z gibt. Für dieses Paar gleicher Atome gilt für die Reflexe 0k0 nach der Strukturfaktorgleichung: F0k0 = f {exp 2π iky + exp [2π ik(½+y)]} = f {exp 2π iky + [exp π ik exp 2π iky]}. Bei ungeradem k gilt exp π ik = –1; die zwei Terme heben sich auf, F = 0. Es sind also alle Reflexe 0k0 mit ungeradem k ausgelöscht. Tab. 2.3 fasst alle Auslöschungen zusammen. Anfänger haben die meisten Probleme mit den Auslöschungen der Gleitspiegelebenen. Dazu gibt es einfache Regeln: (i) Die Position der Null entspricht der Achse, zu der die Gleitspiegelebene senkrecht ist. (ii) Der ausgelöschte Index entspricht der Translationsrichtung der Gleitspiegelebene. z.B. 0kl fehlt bei ungeradem k ⇒ b-Gleitspiegelebene ⊥ a. Ist mein Glas halb voll oder halb leer?! – Man kann die Auslöschungsbedingungen entweder wie in der Tab. 2.3 ausdrücken (Reflex fehlt bei ungeradem Index) oder, wie bei den International Tables for X-Ray Crystallography, Reflex ist nur bei geradem Index da. Anhand der beobachteten Auslöschungen kann in vielen Fällen die Raumgruppe eindeutig bestimmt werden; z.B. monoklin, {0k0 fehlt bei ungeradem k, h0l bei ungeradem (h+l)} bedeutet P21/n.62 Ansonsten wird die Wahl auf zwei bis maximal vier Raumgruppen eingeschränkt.63 Man sucht Symmetrieelemente in der Reihenfolge: zentrierte Gitter (Wirkung auf alle Reflexe), dann Gleitspiegelebenen (Reflexe mit einem Null-Index), dann Schraubenachsen (Reflexe mit zwei Null-Indizes) (warum diese Reihenfolge? – vgl. Aufgabe 24 & Seminaraufgabe 4). 62 In der Abb. 2.8 ist eine solche Auslöschung {n-Gleitspiegelebene, h0l fehlt bei ungeradem (h+l)} zu erkennen; die ungeraden Diagonalen parallel zu den Hauptdiagonalen h = l und h = –l weisen keine signifikante Intensität auf. 63 Es bleiben einige Möglichkeiten, aus diesen die korrekte Raumgruppe zu finden: (i) statistische Tests (Abschn. 4.1); (ii) Enantiomerenreinheit oder racemische Natur der Probe (soweit bekannt); (iii) Analyse der Harker-Vektoren (Kap. 3); (iv) Trial-and-Error, beginnend mit der höchstsymmetrischen Raumgruppe! 50 Tab. 2.3. Systematische Auslöschungen Symmetrieelement: Achse Gitterzentrierungen: A-zentriertes Gitter B-zentriertes Gitter C-zentriertes Gitter F-zentriertes Gitter Reflexe Bedingung, dass der Reflex fehlt ("n" bedeutet eine ganze Zahl) hkl hkl hkl hkl k + l = 2n + 1 [d. h. k + l ungerade!] h + l = 2n + 1 h + k = 2n + 1 k + l = 2n + 1 oder h + l = 2n + 1 oder h + k = 2n + 1, d. h. h, k, l gehören nicht zu ggg oder uuu h + k + l = 2n + 1 I-zentriertes Gitter Gleitspiegelebenen: Translation: a/2 (a-Gleitspiegelebene) senkrecht auf * c hk0 b/2 (b-Gleitspiegelebene) (a+b)/2 (n-Gleitspiegelebene) (a+b)/4 (d-Gleitspiegelebene) c c c hk0 hk0 hk0 Schraubenachsen: parallel zu * c 21-, 42- oder 63-Schraubenachse ** 31-, 32-, 62- oder 64-Schraubenachse 41- oder 43-Schraubenachse 61- oder 65-Schraubenachse hkl c c 00l 00l 00l c 00l h = 2n + 1 (analog: senkrecht auf a, b betrifft 0kl bzw. h0l, dann auch c-Gleitspiegel möglich) k = 2n + 1 h + k = 2n + 1 h + k = 4n + 1, 4n + 2, 4n + 3 (d. h. nicht durch 4 teilbar) l = 2n + 1 (analog: parallel zu a, b) l = 3n + 1, 3n + 2 (d. h. nicht durch 3 teilbar) l = 4n + 1, 4n + 2, 4n + 3 (d. h. nicht durch 4 teilbar) l = 6n + 1, 6n + 2, 6n + 3, 6n + 4, 6n + 5 (d. h. nicht durch 6 teilbar) * Bei Gleitspiegelebenen sowie Schraubenachsen beziehen sich die Definitionen auf die c-Achse; bei anderen Richtungen permutiere man die Indizes! ** 3-, 4- bzw. 6-zählige Schraubenachsen kommen nur in trigonalen, tetragonalen bzw. hexagonalen (ggf. auch kubischen) Strukturen vor und sind somit selten. 51 Tab. 2.4. Die 230 Raumgruppen Triklin alle Laue (–1) Kristallklasse (Punktsymm.) 1 (–1) monoklin 2 P2 P21 C2 alle Laue 2/m m Pm Cm Cc 2/m P2/m Pc P21/m C2/m P2/c P21/c C2/c 222 P222 P2221 P212121 C2221 C222 F222 I 222 P21212 I 212121 mm2 Pmm2 Pmc21 Pcc2 Pma2 Pca21 Pnc2 Pmn21 Pba2 Pna21 Pnn2 Cmm2 Cmc21 Ccc2 Fdd2 Pmmm Pmna Pmmn Cmmm Immm Amm2 Imm2 Pnnn Pcca Pbcn Cccm Ibam Abm2 Iba2 Pccm Pbam Pbca Cmma Ibca Ama2 Ima2 Pban Pccn Pnma Ccca Imma Aba2 Fmm2 Pmma Pbcm Cmcm Fmmm Pnna Pnnm Cmca Fddd P41 I (–4) P42/m P42 P43 I4 I 41 P4/n P42/n I 4/m I 41/a P4222 P42212 Kristallsystem orthorhombisch alle Laue mmm mmm RAUMP1 P(–1) 4 P4 (–4) P(–4) Laue 4/m 4/m P4/m Laue 4/mmm 422 tetragonal GRUPPEN P4212 P43212 P4122 P41212 P4322 I 422 I 4122 P4mm P4bm P42cm P42nm P4cc P4nc P42mc P42bc I 4mm I 4cm I 41md I 41cd (–4)2m P(–4)2m P(–4)2c P(–4)21m P(–4)21c P(–4)m2 P(–4)c2 4/mmm P(–4)b2 P4/mmm P(–4)n2 P4/mcc P4/nmm P4/ncc I (–4)m2 P4/nbm P42/mmc I (–4)c2 P4/nnc P42/mcm I (–4)2m P4/mbm P42/nbc I (–4)2d P4/mnc P42/nnm P42/mbc P42/mnm P42/nmc P42/ncm I4/mmm I4/mcm I 41/amd I 41/acd 4mm P422 trigonal 3 P3 R3 (–3) P(–3) P31 R(–3) P32 Laue (–3) Laue (–3)m 32 P312 P321 P3112 P3121 P3212 P3221 3m (–3)m R32 P31m P(–3)1m P31c P(–3)1c P3m1 P(–3)m1 P3c1 P(–3)c1 R3 m R(–3)m R3 c R(–3)c P61 P62 P63 P64 P65 P6522 P63cm P6222 P63mc P6422 P6322 6 P6 (–6) P(–6) Laue 6/m 6/m P6/m P63/m Laue 6/mmm 622 P622 P6122 hexagonal kubisch 6mm P6mm P6cc (–6)m2 P(–6)m2 P(–6)c2 6/mmm P6/mmm P6/mcc P(–6)2m P63/mcm P(–6)2c P63/mmc 23 P23 F23 I 23 P213 I 213 m(–3) Pm(–3) Ia(–3) Pn(–3) Fm(–3) Fd(–3) Im(–3) Pa(–3) F432 F4132 I432 P4332 I(–4)3m Pm(–3)n Im(–3)m P(–4)3n Pn(–3)m Ia(–3)d F(–4)3c Fm(–3)m I(–4)3d Fm(–3)c Laue m3 Laue m3m 432 (–4)3m m(–3)m P432 P4232 P4132 I4132 P(–4)3m Pm(–3)m Fd(–3)m F(–4)3m Pn(–3)n Fd(–3)c 52 Anhang 1 zu Kap. 2: Phasenverschiebungen zwischen streuenden Atomen In Abb. 2.4a streuen Atome erst dann in Phase miteinander, wenn sie exakt in denselben Ebenen hkl liegen. Ansonsten gibt es eine Phasenverschiebung, die den Bereich 0° zu 360° (Bogenmaß 0 bis 2π) durchläuft, wie sich die Versetzung aus der Ebene von 0 bis d ändert. In Abb. 2.10 sieht man eine Struktur, die aus zwei Atomsorten besteht; Atom 1 im Ursprung (auf den Gitterpunkten; der Ursprung liegt in jeder Ebenenschar!) und Atom 2 mit Koordinaten x2, y2 (in zwei Dimensionen dargestellt). Abb. 2.10. Zweidimensionale Struktur mit zwei Atomen. Für den Reflex hkl streuen alle Atome 1 in Phase; entsprechendes gilt für Atome 2, für die jedoch die Streuwelle durch die räumliche Versetzung x2, y2 "ihres" Translationsgitters phasenverschoben ist; die Verschiebung ist abhängig vom Abstand des Atoms 2 von der Netzebene hkl. Abb. 2.11 zeigt die Achsenabschnitte der Netzebene hk0 bezogen auf die Gitterkonstanten a und b. Der Gang von einer Ebene der Schar zur nächsten entspricht einem Phasenunterschied von 0 bis 2π. Abb. 2.11. Berechnung der Phasenverschiebung zwischen Atomsorten 1 und 2. Wir können die Phasenverschiebung φ in zwei axiale Komponenten aufteilen und nach dem Dreisatz ausrechnen, weil die Verhältnisse (Gangunterschied : Ebenenabstand) und (Phasenverschiebung : 2π) gleich sind: 53 ∆φ(a)/ 2π = xa/(a/h) oder ∆φ(a) = 2πhx; analog gilt ∆φ(b) = 2πky φ = ∆φ(a) + ∆φ(b) = 2π(hx + ky) In drei Dimensionen gilt: φ = ∆φ(a) + ∆φ(b) + ∆φ(c) = 2π(hx + ky + lz). Das Prinzip lässt sich für eine beliebige Atomzahl verallgemeinern, und es muss kein Atom auf dem Ursprung liegen; dieses war nur eine Hilfskonstruktion. Anhang 2 zu Kap. 2: Elektronendichte als Fouriersummation von Strukturfaktoren Wir nehmen ein sehr einfaches Beispiel, eine eindimensionale, zentrosymmetrische Struktur mit nur zwei Atomen in der Zelle, und zwar bei 1/3 und 2/3. Wir summieren nur die Reflexe 0 64 (|F|=2, Phase 0°), 1 (|F|=1, Phase 180°), 2 (|F|=1, Phase 180°) und 3 (|F|=2, Phase 0°) und bekommen starke Maxima in der Elektronendichte an den erwarteten Stellen. Die zusätzlichen falschen Maxima (bei 0 und 1) und Minima (bei 1/6, 1/2, 5/6) verschwinden allmählich, wenn man immer mehr Reflexe berücksichtigt. Abb. 2.12: Fouriertransformation mit bekannten Phasen. 64 |F0|: vgl. |F000|, Abschn. 2.5.2. 54 Anhang 3 zu Kap. 2: Die Raumgruppe(n) P21/c und P21/n 65 Für den Anfänger ist es verwirrend, das gerade bei der häufigsten Raumgruppe zwei verschiedene Aufstellungen (Achsensysteme) erlaubt sind. Die offizielle Aufstellung (laut "International Tables") ist P21/c; warum lässt man P21/n noch zu?! Der Sachverhalt wird in der Abb. 2.13, einer Projektion entlang der b-Achse (die senkrecht auf die ac-Ebene steht), veranschaulicht. Oben mit durchgezogenen Linien sieht man die P21/c-Zelle, mit Achsen a und c, sowie eine benachbarte Zelle (unten); die Translationskomponente der Gleitspiegelebene ist in dieser Zelle c/2. Für die Aufstellung in P21/n, mit Achsen a' und c' (Letzteres in der Abb. gestrichelt), ist dieselbe Translation die halbe Diagonale, also (a' + c')/2. Nach einer halb-offiziellen Konvention verwendet man die Zelle, deren β-Winkel näher an 90° liegt (in diesem Fall die erste Zelle, doch in P21/c; manchmal hat aber die P21/n-Zelle den kleineren β-Winkel). Verständnisfragen: (i) Sind die Achsen a und a' gleich lang? (ii) Sind die Achsen c und c' gleich lang? (iii) Welche Umorientierungsmatrix wandelt die zweite Zelle in die erste um? Eine analoge Argumentationsweise gilt, falls die erste Zelle der Raumgruppe P21/n entspricht; dann ist die Translationskomponente der Gleitspiegelebene die halbe Diagonale, (a + c)/2. In der zweiten Zelle ist dieselbe Translation die Hälfte der c'-Achse, so dass die Raumgruppe P21/c ist. Abb. 2.13: Zwei Aufstellungen "derselben" Raumgruppe: P21/c (Achsen a und c) bzw. P21/n (Achsen a' und c'), beide projiziert entlang der b-Achse. 65 Eine zweite inoffizielle Beschreibung betrifft monokline C-zentrierte Raumgruppen, für die eine Alternativbeschreibung als I-zentriert toleriert wird, wenn der β-Winkel näher an 90° liegt. So wird z.B. die offizielle Aufstellung C2/c zu I2/a. Über diesen Brauch scheiden sich die Geister! Der Autor dieses Skripts hat mit P21/n keine Probleme, bei I2/a sieht er aber rot (ein inkonsistenter moralischer Standpunkt!). 55 Zusammenfassung Kap. 1 & 2 Kristallstrukturen • Kristallstrukturen bestehen aus Elementarzellen, alle mit gleichem Inhalt • Die Elementarzelle wiederholt sich unendlich durch Translation in allen drei Achsenrichtungen • Es gibt 7 Kristallsysteme mit 14 verschiedenen Gittergeometrien (den Bravais-Gittern) • 3D-Koordinaten (Einheiten: Bruchteile der Achsenlängen) definieren die Lage eines Atoms in der Zelle Symmetrie • Ein Gegenstand (bzw. eine Gruppe von gleichen Gegenständen) besitzt Symmetrie, wenn die Ausführung der entsprechenden Operation zu einem "unveränderten" Zustand führt • Einzelne Moleküle weisen Punktsymmetrien (echte und unechte Drehungen) auf • Schraubenachsen bzw. Gleitspiegelebenen sind "Doppeloperationen" Drehung + Translation bzw. Spiegelung + Translation Raumgruppen • Verteilung von Molekülen in einer Zelle: Stammolekül (asymmetrische Einheit), aus dem weitere durch Symmetrieoperationen generiert werden • Die 230 prinzipiell unterschiedlichen Symmetrieanordnungen heißen Raumgruppen Röntgenbeugung • Die Streukraft eines Atoms ist proportional zu Z und nimmt mit zunehmendem 2θ ab • Die Beugung findet an Miller-Ebenen hkl statt und führt zu Intensitätsmaxima, den Reflexen hkl • Die Vektorsumme aller atomaren Streubeiträge zu einem Reflex hkl ist der Strukturfaktor Fhkl • Der Betrag von Fhkl ist proportional zur Quadratwurzel der Intensität Ihkl • Strukturfaktoren Fhkl ⇔ Elektronendichte ρ durch Fourier-Transformation • Phasenproblem: Phasen von F sind nicht direkt zugänglich Reziprokes Gitter • Das Reziproke Gitter ist eine Darstellung der Reflexe als Gitter • Bei rechtwinkeligen Systemen sind die reziproken Achsen die Kehrwerte der direkten Achsen • Die 11 verschiedenen reziproken Gittersymmetrien heißen Lauegruppen • Die Lauesymmetrie bestimmt, welche Reflexe äquivalent sind (gleiche Intensität haben) Auslöschungen • Gitterzentrierungen, Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen führen dazu, dass bestimmte Reflexklassen Intensität Null haben. Durch Analyse dieser Auslöschungen bestimmt man die Raumgruppe 56 Testfrage zum Verständnis der Symmetrielehre – Kapitel 1 & 2 Das bei weitem häufigste Kristallssytem ist das monokline. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll (sowohl für den praktischen Alltag als auch für Klausuren), sich mit der monoklinen Symmetrie vertraut zu machen, z.B. schiefe Achsensysteme, konventionsmäßige Gitterkonstanten, Zellvolumen, Blickrichtung, reziproke Zelle, Z-Wert, LaueSymmetrie. Die monokline Raumgruppe P2/c hat folgende allgemeine Lagen: x, y, z; –x, –y, –z; –x, y, ½–z; x, –y, ½+z. Bei einer Struktur in dieser Raumgruppe wird die Zelle mit a = 10.000, b = 8.000, c = 5.000 Å, β = 60.00° angegeben. (i) Ist die Struktur zentrosymmetrisch? (ii) Ist die Struktur zentriert? (iii) Welchen Symmetrieelementen entsprechen die angegebenen Lagen, und wo liegen diese Symmetrieelemente? Welches Symmetrieelement (außer der Identität) erscheint nicht im Raumgruppensymbol? (iv) Was passiert, wenn man den Operatoren –x, y, ½–z und anschließend den Operator x, –y, ½+z ausführt? (v) In dieser Raumgruppe gibt es zwei Arten spezieller Lage. Welche Arten sind das, und wo liegen diese? (je eine Lage angeben) (vi) Wie ist in dieser Raumgruppe der normale Z-Wert? Wie würde sich dieser ändern, wenn das Molekül auf einer speziellen Lage läge? (vii) Welche andere monokline Raumgruppe hat die gleichen systematischen Auslöschungen? Monokline Raumgruppen sind: P2, P21, C2, Pm, Pc, Cm, Cc, P2/m, P21/m, C2/m, P2/c, P21/c, C2/c. (viii) Wie ist die konventionsmäßige Zelle, und welche Umorientierungsmatrix wird benötigt, um diese zu erzeugen? (ix) Zeichnen Sie zweidimensional und maßstabsgetreu die ac-Ebene der konventionsmäßigen Zelle. Zeichnen Sie die Geraden x = 0.3 und z = 0.2 sowie den Punkt (0.3, 0, 0.2) ein. Tragen Sie auch folgende Punkte ein: (0.5, 0, 1.1), (–0.2, 0, 0.5). (x) Wie ist das Zellvolumen? (xi) Die Laue-Gruppe ist 2/m. Welche Reflexe sind zum Reflex 12 4 äquivalent? (xii) Skizzieren Sie maßstabsgetreu und entsprechend der konventionsmäßigen Zelle die h0l-Schicht (Indexbereiche 0 bis 5) des reziproken Raumes; nur Reflexe, die nicht systematisch ausgelöscht sind, sollten eingezeichnet werden. 57 3. Strukturlösung I : Die Schweratommethode In den Kapiteln "Strukturlösung" beschreiben wir die zwei allgemeinen Methoden, das Phasenproblem zu lösen (d.h. die Struktur zu lösen): die Schweratommethode (Kap. 3) und die Direkten Methoden (Kap. 4).66 3.1 Die Differenz-Synthese Nehmen wir an, wir haben bei einer Schweratomstruktur die Koordinaten des Schweratoms gefunden.67 Weil Schweratome den überwiegenden Teil des Streuvermögens darstellen (Abb. 3.1) können wir davon ausgehen, dass F ≈ Fs Gl.12 wobei Fs die Strukturfaktoren nur vom Schweratombeitrag sind. Wir berechnen Fs (einschl. Phase) aus den bekannten Schweratomlagen (Gl. 5). Die beobachteten Strukturfaktoren |Fo|, vorerst ohne Phase, bekommen die Phasen von Fs zugeordnet. Mit den Fo-Werten könnten wir dann die übliche Fourier-Synthese durchführen (Gl. 10), um die restlichen Atome zu finden. Als wesentlich zuverlässigere Methode hat sich jedoch die Differenz-Synthese erwiesen (Abb. 3.2). Hierzu berechnen wir ∆F-Werte, wobei ∆F = |Fo| – |Fs| Gl. 13 und machen eine entsprechende Fourier-Synthese mit den ∆F-Werten (und den Phasen von Fs), um die restlichen Atome zu finden (vgl. Seminaraufgaben 3, 9). Abb. 3.1: (links) Darstellung eines Strukturfaktors F als Vektorsumme einzelner (hier 5) gerichteter atomarer Streubeiträge fi ; (rechts) Der Spezialfall mit einem Schweratom S, wobei F ≈ FS und α ≈ αS. Die Wahl des ersten Quadranten ist willkürlich. 66 Eigentlich muss man die Intensitätsdaten messen, bevor die Struktur gelöst werden kann! Hier gehen wir davon aus, dass die Daten (mehrere Tausend Intensitäten mit verschiedenen hkl-Werten) bereits vorhanden sind. Wie die Messung erfolgt, wird im Kap. 6 beschrieben. 67 (a) Wir gehen davon aus, es gibt ein Schweratom in der asymmetrischen Einheit. Prinzipiell ist die Patterson-Methode auch bei mehr als einem Schweratom anwendbar. (b) vgl. Seminaraufgaben 3, 8! 58 Abb. 3.2: Die Differenz-Methode. Der wahre Strukturfaktor F liegt irgendwo auf einem Kreis mit Radius |F | (wir kennen den Betrag, die Phase ist jedoch unbekannt). Aus der Schweratomlage berechnen wir FS und Phase φS. ∆F ist die Differenz; wir gehen davon aus, dass φ = φS. 3.2 Die Patterson-Synthese Aus dem Vorhergehenden ist noch unklar, woher man die Schweratomlagen hat! Macht man eine Fourier-Synthese (vgl. Gl. 10) mit |F |2 (d.h. ohne Phasen), so erhält man eine Funktion, die nach Patterson benannt wird. P® = (1/V) ∑ |Fhkl|2 exp [–2πi(hx + ky + lz)] Gl. 14a hkl Patterson erkannte, dass die Maxima der Funktion allen interatomaren Vektoren in der Elementarzelle entsprechen (hier nicht bewiesen) (Abb. 3.3); die Höhe H eines Peaks (Vektors) zwischen Atomen 1 und 2 ist gegeben durch H ∝ N1N2 / ΣN2 Gl.14b (N sind die Ordnungszahlen; die Summierung ist über alle Atome der Zelle); oder für eine gegebene Struktur H ∝ N1N2 Gl.14c H ist also proportional zum Produkt der Ordnungszahlen des jeweiligen Atompaars. Das heißt: die Schweratomvektoren sind die größten Peaks in der Patterson-Funktion. Abb. 3.3. Links: Struktur mit zwei ungleichen unabhängigen Atomen und Inversionszentrum (kleiner Kreis am Ursprung; dort liegt kein Atom). Vektoren sind ie viele . Rechts: Pattersonvektoren (Vektoren vom linken Bild, aber mit Ausgangspunkten auf den Ursprung gelegt). Kreisgrößen sind proportional zum Produkt der Atomgrößen. Fett umrandete Kreise (Nr. 1, 2) deuten auf doppelte Vektoren hin. 59 Der allergrößte Peak in jeder Pattersonfunktion liegt jedoch im Ursprung, weil jedes Atom einen Nullvektor zu sich selbst macht. In der Regel wird dieser Peak, obwohl er immer vorhanden ist,68 bei der Analyse der Pattersonfunktion vernachlässigt. Die Patterson-Funktion muss zentrosymmetrisch sein, weil jeder interatomare Vektor in beiden Richtungen betrachtet werden kann. Die Symmetrie der Patterson-Funktion ist die der entsprechenden Laue-Gruppe (hier nicht bewiesen).69 Das ist wichtig, um zu entscheiden, welche Vektoren symmetrieäquivalent oder kurz äquivalent sind (vielleicht ist der Peak, den man sucht, durch einen Symmetrieäquivalenten vertreten); z.B. monoklin, Laue-Gruppe 2/m: u, v, w ≡ u, –v, w ≡ –u, v, –w ≡ –u, –v, –w in der Pattersonfunktion.70 Durch eine Analyse der größten Patterson-Peaks leitet man die Schweratomlage(n) ab (Abb. 3.3 rückwärts!). Als einfachstes Beispiel nehmen wir eine Struktur mit einem Schweratom in der Raumgruppe P 1 .71 Dieses liege auf x, y, z, sein Symmetrieäquivalentes auf –x, –y, –z. Der Vektor zwischen diesen Lagen ist 2x, 2y, 2z. Man nimmt also den größten Vektor (abgesehen vom Ursprungspeak), teilt durch 2, fertig.72 In Raumgruppen mit höherer Symmetrie wird es etwas komplizierter (Tab. 3.1). Bei Drehund Schraubenachsen sowie Spiegel- und Gleitspiegelebenen entstehen Harker-Vektoren, bei denen eine oder zwei Koordinaten Konstanten sind; z.B. bei einer Schraubenachse mit Symmetrieoperator –x, ½+y, –z ergibt das Stammatom x, y, z den Vektor 2x, ½, 2z; bei einer Gleitspiegelebene mit Operator x, –y, ½+z den Vektor 0, 2y, ½. Erst durch eine Analyse der Harker-Vektoren kann man entscheiden, welcher Vektor 2x, 2y, 2z ist. Das Gewicht eines Vektors ist auch wichtig. Mancher Vektor (z.B. 2x, 2y, 2z) ist nur einmal vorhanden, hat also Gewicht 1. Harker-Vektoren besitzen üblicherweise Gewicht 2 (Abb. 3.3) (manchmal höher, je nach Raumgruppe) und damit doppelte Peakhöhe H. 68 Bei dem Programm, das wir verwenden, wird die Pattersonfunktion so skaliert, dass H000 = 999. 69 Ein trivialer Unterschied ist, dass die Patterson-Funktion eine etwaige Zentrierung der Raumgruppe behält; bei Laue-Gruppen treffen Zentrierungen nicht zu. 70 Patterson-Koordinaten werden manchmal mit den Symbolen u, v, w, versehen, um sie von den Koordinaten x, y, z im Kristall zu unterscheiden. 71 Der Fall "ein Schweratom in P 1 " ist mit der Patterson-Methode trivial, die direkten Methoden (Kap. 4) versagen jedoch hier am häufigsten. Somit ergänzen sich die Methoden sehr gut. 72 (a) Da Patterson-Peaks um einen Faktor etwa √ 2 breiter als Atome sind, sind die exakten Positionen der Patterson-Maxima schwer zu bestimmen und die daraus gewonnenen Schweratomlagen mit relativ hohen Unsicherheiten behaftet. Die Genauigkeit ist jedoch für die weitere Bearbeitung der Struktur (Differenzsynthesen, Verfeinerung (Kap. 7)) völlig ausreichend. (b) Die Patterson-Funktion ist in jeder Zelle identisch, also gibt es auch z.B. den Peak 1+2x, 2y, 2z und die Lösung ½+x, y, z. Diese Lösung ist äquivalent zu x, y, z; beide sind korrekt und beide führen erfolgreich zur Reststruktur. 60 Tab. 3.1. Patterson-Vektoren bei einem unabhängigen Schweratom, P21/c x, y, z –x, –y, –z –x, ½+y, ½–z x, ½–y, ½+z x, y ,z 0 –2x, –2y, –2z –2x, ½, ½–2z 0, ½–2y, ½ –x, –y ,–z 2x, 2y, 2z 0 0, ½+2y, ½ 2x, ½, ½+2z –x, ½+y, ½–z 2x, ½, ½+2z 0, ½–2y, ½ 0 2x, –2y, 2z x, ½–y, ½+z 0, ½+2y, ½ –2x, ½, ½–2z –2x, 2y, –2z 0 Warum wird z.B. (x, y, z) – (–x, ½+y, ½–z) zu 2x, ½, ½+2z und nicht zu 2x, –½, –½+2z (Spalte 1, Zeile 3)? Schnellmethode: wenn, wie üblich, nur die unabhängigen Vektoren benötigt werden, nehme man am besten die Reihe oder Spalte, wo sich der (2x, 2y, 2z)-Vektor befindet! Kristallographische Programme drucken nur eine Liste der unabhängigen Patterson-Peaks aus (s. Seminaraufgaben). Zusammenfassung der Patterson-Methode: Die Maxima der Patterson-Funktion entsprechen allen interatomaren Vektoren in der Elementarzelle. Die Schweratomvektoren sind die größten Peaks; durch eine Analyse dieser Vektoren leitet man die Schweratomlage(n) ab. Eine Differenz-Synthese ergibt dann die restlichen Atome. Übungen s. Aufgaben 33, 35, 36. 3.3 Nachteile der Schweratommethode Liegen Schweratome vor, so muss man hinnehmen: (i) Absorptionseffekte. Der Faktor, um den ein Röntgenstrahl geschwächt wird, wenn er einen Weg t durch eine Substanz mit Absorptionskoeffizient µ zurücklegt, ist exp(–µ t).73 Dieser Faktor beträgt bei t = 0.1 mm für eine organische Substanz (µ ≈ 0.1/mm) etwa 0.99, für extreme Schweratomderivate (µ ≈ 100/mm) etwa 5 × 10–5! Absorptionskorrekturen (Kap. 6) sind nur bis etwa (µ t) ≈ 1 zuverlässig. (ii) Weniger präzise Leichtatomlagen. Vor 50 Jahren musste man bei organischen (Leichtatom-) Verbindungen immer ein Schweratomderivat untersuchen, um die Struktur lösen zu können. Heute ist das meistens nicht mehr nötig (Kap. 4). (iii) In bestimmten Fällen Pseudosymmetrie (Aufgabe 34). 73 3 Die Abhängigkeit des Absorptionskoeffizienten von Wellenlänge und Kernladungszahl ist in etwa µ ∝ λ Z 4. 61 Die Patterson-Funktion hat auch inhärente Nachteile; es gibt sehr viele Peaks ( ie viele bei N Atomen pro Zelle?), die auch breiter sind als normale Fourier-Peaks, und deswegen z.T. schwere Überlappungseffekte. Insbesondere können zufällig gleiche (oder um 0.5 differierende) Koordinaten, z.B. zwei Schweratome mit gleicher y-Koordinate, zu irreführenden Pseudo-Harker-Vektoren führen. Bei zu vielen Schweratomen ist die Patterson-Funktion nicht mehr übersichtlich; die Anzahl der Kreuzvektoren wächst exponentiell, und die Stelle, wo die Schweratompeaks in der Liste aufhören, ist nicht immer eindeutig. Da funktionieren die direkten Methoden (nächstes Kapitel) besser. 3.4 Weitere Vorteile der Schweratommethode Der erste Versuch, eine Struktur zu lösen, erfolgt in der Regel mit direkten Methoden (nächstes Kapitel). Diese sind ziemlich robust, hängen aber davon ab, ob man die chemische Zusammensetzung in etwa richtig angegeben hat. Bei lösungsresistenten Strukturen kann man "einfach so" die Patterson-Funktion berechnen. Da sieht man (a) ob unerwartete Schweratome vorhanden sind bzw. erwartete Schweratome fehlen und/oder (b) – auch bei Leichtatomstrukturen – wie die Harker-Vektoren aussehen; da kann man in schwierigen Fällen mit undeutlichen Auslöschungen zwischen Raumgruppen unterscheiden, z.B. P2/c und P21/c (Operatoren x, –y, ½+z bzw. x, ½–y, ½+z; die relevanten Harker-Vektoren haben y = 0 bzw. y = ½). 62 4. Strukturlösung II : Direkte Methoden 4.1 Philosophie der Direkten Methoden Provozierend könnte man meinen: Es sei ein weit verbreitetes Märchen, dass die Phasen von Röntgenreflexen nicht gemessen werden könnten. Wenn wir eine Struktur gelöst haben, kennen wir die Phasen! Im Datensatz sind also die Phasen schon vorhanden, wenn auch in stark verschlüsselter Form. Die direkten Methoden verwenden wir, um diese Phaseninformationen direkt herauszuholen, und somit die Struktur zu lösen. Die Phasen eines Datensatzes unterliegen einigen allgemeinen Einschränkungen. Da die Elektronendichte nirgendwo im Kristall negativ sein darf (ρ ≥ 0, vgl. Gl. 10), sind z.B. Phasenkombinationen, die zu signifikanten Bereichen negativer Elektronendichte führen, nicht möglich. Alleine aus dieser Vorbedingung können Phasenbeziehungen abgeleitet werden, was hier jedoch nicht vertieft wird. 4.2 E-Werte Es wird bei den direkten Methoden nicht mit F-Werten, sondern mit E-Werten ("normalisierten Strukturfaktoren") gearbeitet. Bei realen Atomen nimmt das Streuvermögen mit zunehmendem 2θ ab (und bei Beugungsbildern die Intensität; vgl. Abb. 0.2, 2.3 und Abschn. 7.3). Ein fiktives Punktatom ohne Thermalbewegung hätte ein konstantes Streuvermögen (Abb. 4.1). E-Werte sind Strukturfaktoren, die von solchen Atomen entstünden. Abb. 4.1. Streufaktoren von fiktiven Punktatomen ohne Thermalbewegung. Für jeden Reflex h (= Vektor hkl im reziproken Raum) in jedem kleinen 2θ-Bereich wird definiert |E(h)|2 = |F(h)|2 / 〈 I 〉 Gl.15 63 wobei 〈 I 〉 die mittlere Intensität in der jeweiligen 2θ-Schale darstellt (somit ist der Mittelwert von |E(h)|2 definitionsgemäß gleich 1 74). Das bedeutet, dass bei hohem 2θ auch relativ schwache Reflexe hohe E-Werte besitzen können, vorausgesetzt, sie weisen höhere Intensitäten als die meisten anderen Reflexe im selben 2θ-Bereich auf. Die Phase von E(h) ist (definiert) gleich der Phase von F(h). In der Praxis werden die 〈 I 〉-Werte als Erwartungswerte entsprechend der angegebenen chemischen Zusammensetzung (und somit den Streufaktoren) berechnet, so dass eine völlig falsche angenommene Zusammensetzung zu falschen |E|-Werten führt; unter diesen Umständen kann die Strukturlösung ausbleiben. E-Werte sind eine Art Strukturfaktor (Abb. 4.2, 4.3; vgl. Abschn. 2.4). Wir könnten aus E-Werten (mit Phasen) durch eine Fourier-Synthese ein Bild der Elektronendichte (eine E-Map) erzeugen; vgl. Aufgaben "Malen-nach-Zahlen". Im folgenden beschäftigen wir uns mit Methoden, ausreichenden |E|-Werten (in der Praxis reichen etwa 10 E's pro Atom) Phasen zuzuordnen, um erkennbare E-Maps zu bekommen. Abb. 4.2. Hohe |E|- (und |F|-) Werte entstehen, wenn viele Atome in den entsprechenden Ebenen liegen; hier liegen viele Atome zwischen den Ebenen 4 02, also ist das E-Vorzeichen negativ. Einige Funktionen der E-Werte dienen zur Unterscheidung zwischen zentrosymmetrischen und nichtzentrosymmetrischen Raumgruppen. Am häufigsten verwendet man den Mittelwert von (|E|2–1), der die Idealwerte 0.968 (zentrosymmetrisch) bzw. 0.736 (nichtzentrosymmetrisch) aufweist (das bedeutet, nicht-zentrosymmetrische Strukturen weisen gleichmäßigere Intensitätsverteilungen auf als zentrosymmetrische Strukturen; mit etwas Erfahrung kann man das an den Beugungsbildern erkennen). Diese Werte sollte man 74 (a) Gl. 15 setzt voraus, dass |F|2 und I auf derselben absoluten Skala sind (vgl. Gl. 4). (b) Ein |E|-Wert von 2 gilt schon als hoch und 3 als sehr hoch (bei zentrosymmetrische Strukturen liegen theoretisch 4.6% der |E|Werte über 2 und nur 0.3% über 3). 64 jedoch mit Vorsicht interpretieren, denn sie beruhen auf willkürlichen Atomverteilungen und können durch verschiedene Spezialfaktoren (z.B. lokale Symmetrie, Schweratome, Atome auf speziellen Lagen) empfindlich gestört werden. 4.3 Die Sayre-Gleichung Unter der Annahme, eine Struktur bestehe aus gleichen Punktatomen ohne Thermalbewegung (vgl. Definition E-Werte!), kann man die Sayre-Gleichung, die zentrale Gleichung der direkten Methoden, ableiten: E(h) = A Σh' E(h') E(h–h') Gl.16a75 Gl. 16a ist exakt; A ist eine berechenbare Konstante. Also: wir können einen E-Wert samt Phase berechnen, und zwar aus den Produkten 76 aller jener Strukturfaktorpaare, deren Summe von Indizes gleich h ist. Hierzu zwei Kommentare: (i) Die Annahme gleicher Atome ist bei vielen organischen Strukturen näherungsweise gültig (C, N, O-Atome sind etwa gleich; H streuen sowieso zu schwach und werden bei direkten Methoden nicht gefunden), und in der Praxis stören einige etwas schwerere Atome nicht. (ii) Wir brauchen trotzdem einige Startphasen, um Gl. 16a anwenden zu können. Woher diese kommen, wird unten erklärt. 4.4 Tripel-Produkt-Beziehungen Gl. 16a lässt sich vereinfachen; gibt es ein einziges Produkt, für das E(h), E(h') und E(h– h') alle groß sind, so ist es wahrscheinlich, dass eine korrekte Phase durch dieses Produkt alleine erhalten wird (das eine Glied E(h') E(h–h') überwiegt in der Summation über alle h'). Der Faktor A wird vernachlässigt (warum?!). Es gilt also unter der Bedingung h1 = h2 + h3 E(h1) ≈ E(h2) E(h3) Gl.16b (wobei das Symbol "≈" "wahrscheinlich gleich" bedeutet). Somit erhalten wir die Phasenbeziehung φ(h1) ≈ φ(h2) + φ(h3) Gl.17a Anders ausgedrückt gilt unter der Bedingung h1 + h2 + h3 = 0 die Phasenbeziehung φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) ≈ 0 75 Gl.17b77 D. Sayre verwendete eigentlich in der ursprünglichen Version seiner Gleichung (1952) F-Werte sowie Normalatome; die entwickelten Anwendungen verwenden E-Werte, die Punktatomen entsprechen. 76 Produktregel: Das Produkt aus den Vektoren E1 (Betrag |E1|, Phase φ1) und E2 (Betrag |E2|, Phase φ2) ist ein Vektor mit Betrag |E1||E2|, Phase (φ1 + φ2). 77 Beweis: Es gilt (aus Gl. 16b und der Produktregel) φ(h1) = φ(h2) + φ(h3) bei h1 = h2 + h3. Triviales Umformen ergibt –φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) = 0 bei –h1 + h2 + h3 = 0. Da aber φ(h1) = –φ(–h1) (Abb. 2.9), erfolgt φ(h1) + φ(h2) + φ(h3) = 0 bei h1 + h2 + h3 = 0. 65 Bei zentrosymmetrischen Strukturen betragen die Phasen 0° oder 180°, und deshalb gilt E(h) = ±|E(h)| Gl.18 (Phase 0° bzw. 180° bedeutet Vorzeichen +1 bzw. –1, vgl. Gauß'sche Zahlenebene). Gl. 17b wird zur Tripel-Produkt-Beziehung (TPR) (auch Triplett oder Σ2 -Beziehung genannt): S(h1)S(h2)S(h3) ≈ 1 Gl.17c (wieder unter der Bedingung h1 + h2 + h3 = 0), wobei S ein Vorzeichen ±1 darstellt. Bei zentrosymmetrischen Strukturen reduziert sich das Phasenproblem also auf ein Vorzeichenproblem. Abb. 4.3 ist die graphische Darstellung eines zweidimensionalen TPRs. Die drei Reflexe 340, 7 3 0 und 4 7 0 sind sehr stark (viele Atome liegen in den Ebenen) und bilden ein TPR (warum?).78 Alle Phasen sind 0°; die Atome liegen dann dort, wo die drei Sätze MillerEbenen sich treffen. Abb. 4.3. Graphische Darstellung eines TPRs bei der Struktur von Hexamethylbenzol. Die Wahrscheinlichkeit P, dass ein TPR korrekt ist, wird gegeben durch P = ½ + ½ tanh [ |E(h1)E(h2)E(h3)| / √N] Gl.19 N ist die Anzahl der Atome in der Zelle; große Strukturen sind also schwieriger zu lösen!79 Bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen schreibt man die Sayre-Gleichung in die Tangens-Formel um: tan φh = [Σh' |E(h')E(h–h')|sin(φh' + φh-h')]/[Σ|E(h')E(h–h')|cos(φh' + φh-h')] 78 Aufgabe 37 dient als Übung für die Anwendung der TPRs; s. dortigen Hinweis, was die Wahl des dritten Reflexes betrifft. 79 Gl.20 tanh x = (ex – e–x)/(ex + e–x); bei großem x gilt tanh x ≈ 1. 66 4.5 Multisolution-Methoden :80 alt und neu (i) Die alte Methode mit kleinem Startsatz. Wir beschränken uns zunächst auf zentrosymmetrische Strukturen. Es kann gezeigt werden, dass (normalerweise) drei Reflexen willkürlich die Phase 0° zugeordnet werden kann (entsprechend der Wahl des Ursprungs auf einem der acht (= 23) Inversionszentren der Zelle, vgl. Aufgabe 6a). Nehmen wir hinzu weitere 12 starke Reflexe (d.h. Reflexe mit hohen |E|-Werten, damit die TPR-Wahrscheinlichkeiten möglichst hoch sind) und bilden 212 Phasenpermutationen, indem wir jedem Reflex jeweils eine von beiden erlaubten Phasen (Vorzeichen) zuordnen. Jeder Phasensatz wird nun durch wiederholte Anwendung der Sayre-Gleichung erweitert, wenn möglich unter Berücksichtigung mehrerer Produktglieder. Selbst mit alten Rechnern konnte dieser mathematische Aufwand bewältigt werden. Der "beste" Phasensatz 81 wird dann durch Fourier-Transformation in eine E-Map umgewandelt, wo das Molekül erkannt werden kann (allerdings müssen noch die Atomtypen korrekt zugeordnet werden – "alle Elektronen sind grün"). Aus Erfahrung hat sich gezeigt, dass etwa 10 Reflexe (mit Phasen) pro Atom reichen, um eine erkennbare E-Map zu erzeugen; man nimmt also alle |E|-Werte oberhalb einer bestimmten Schwelle (z.B. |E| > 1.2). Dadurch bleiben die Wahrscheinlichkeiten ausreichend hoch. Bei den TPR’s werden auch äquivalente Reflexe eingesetzt (mit gleichen |E|-Werten aber ggf. unterschiedlichen Phasen – s. Aufgabe 37). Bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen hat man Phasen willkürlich aus jedem Quadranten zugeordnet (45°, 135°, 225°, 315°); bei n Reflexen sind das 4n Phasenpermutationen. Die Erfahrung zeigt, dass recht große mittlere Phasenfehler (um 60°) noch tolerierbar sind. Die alte Methode war nicht schlecht, hatte jedoch einen großen Nachteil; falls eine Phasenbeziehung im frühen Stadium falsch ist, d.h. mit S(h1)S(h2)S(h3) = –1, hat die Methode keine Chance mehr. (Zur Erinnerung; die Sayre-Gleichung und die Tangens-Formel sind äquivalent und exakt, während einzelne TPR's nur einer Wahrscheinlichkeit entsprechen). Die Erfolgschancen hingen also sehr kritisch von der Wahl der wenigen Startreflexe ab. (ii) Die neue Methode mit großem Startsatz. Mit modernen Hochleistungsrechnern ist es wesentlich besser, einen großen Startsatz (ca. 200-400 Reflexe mit hohem |E|) mit Willkürphasen (im zentrosymmetrischen Fall nur erlaubte Phasen!) zu nehmen. Es gibt unter diesen Reflexen wesentlich mehr Phasenbeziehungen als Phasen, d.h. das System ist überbestimmt, und man kann die Phasen nach der Tangensformel (gültig auch für nicht- zentrosymmetrische Strukturen) verfeinern (vgl. Kap. 7!). Man ist nicht mehr auf einzelne 80 81 Der Name ist schlecht; es gibt viele Versuche, aber nur eine Lösung! Man verwendet statistische Gütekriterien ("Figures of Merit", FOM), um automatisch zu beurteilen, welcher Phasensatz tatsächlich der beste ist; dieses Thema wird hier nicht vertieft. 67 (ggf. falsche!) TPR's angewiesen. Mehrere Willkürphasensätze (etwa 100 bei normalen Strukturen) werden erzeugt. Nach erfolgter Verfeinerung wird der nach Gütekriterien beste Phasensatz ebenfalls mit der Tangensformel um mehrere Hundert Phasen erweitert und anschließend die E-Map errechnet. Abb. 4.4. Allgemeiner Eindruck über die direkten Methoden (und ihre Erklärung). 68 Zusammenfassung Kap. 3 & 4 Problemstellung • Wir brauchen die Phasen! • Es gibt zwei Hauptmethoden: (i) über Schweratomlagen (ii) direkt über Phasenbeziehungen Differenzsynthese • Bei bekannten Schweratomlagen gilt F ≈ Fschwer • Eine Differenzsynthese ist eine Fouriersynthese von Fobs–Fschwer mit den Phasen von Fschwer • Dort sind die restlichen (leichteren) Atome zu erkennen, aber woher haben wir die Schweratomlagen?! Pattersonfunktion • Die Pattersonfunktion ist eine Fouriersynthese mit Fobs2 (also ohne Phasen) • Die Maxima entsprechen interatomaren Vektoren • Die Höhe eines Peaks zwischen zwei Atomen ist proportional zum Produkt der Kernladungszahlen • Harkervektoren (über Drehungen, Spiegelungen usw. generiert) haben doppeltes Gewicht • Eine Analyse der größten Peaks, z.B. über den (2x, 2y, 2z)-Vektor, führt zu den Schweratomlagen • Eine Differenz-Synthese liefert die Reststruktur (die leichteren Atome) Direkte Methoden • E-Werte: Strukturfaktoren, normalisiert für Punktatome ohne Thermalbewegung • E(h) ist aus F(h) berechenbar; E(h) hat die gleiche Phase wie F(h) • Die Sayre-Gleichung nimmt gleiche, punktförmige Atome ohne Thermalbewegung an; daraus resultieren Phasenbeziehungen zwischen Reflexen • Die vereinfachte Form der Sayre-Gleichung sind die TPR’s (gültig nur bei hohen E-Werten) • Aus einem kleinen Phasen-Startsatz kann man weitere Phasen berechnen • Vom besten Phasensatz entspricht die Fouriersynthese (eine E-Map) den Atompositionen • Neue Methode: großer Startsatz mit Willkürphasen, die verfeinert werden 69 5. Kristallzüchtung 5.1 Die Methoden und ihre Vor- und Nachteile 1. Flüssig-flüssig-Diffusion (Abb. 5.1, links) ist normalerweise die beste Methode und ist auch schnell (über Nacht). Es müssen geeignete Lösungsmittel (bzw. Fällungsmittel)82 gefunden werden. 2. Dampfdiffusion (Abb. 5.1, rechts) dauert etwas länger (mehrere Tage). Die Wahl der Lösungsmittel kann schwierig sein. Abb. 5.1. Kristallzüchtung. Links, Flüssig/flüssig-Diffusion; Mitte, Ergebnis einer Flüssig/flüssig-Diffusion; rechts, Dampfdiffusion. 3. Langsame Abkühlung einer gesättigten Lösung. Die klassische Methode, die jedoch oft zu verwachsenen Kristallen führt. Bei mancher Substanzklasse (z.B. Kohlenwasserstoffen) ist diese die einzige Methode. Die Lösungen müssen staubfrei sein. Vorsicht: Beim Wiederaufwärmen lösen sich die Kristalle wieder! 4. Verdampfung eines flüchtigen Lösungsmittels.83 Im allgemeinen ist diese Methode nicht zu empfehlen, denn es bildet sich oft eine polykristalline Kruste. Bei Methoden 3 und 4 kann die Bearbeitung der Kristalle schwierig sein, weil die Mutterlauge immer noch eine gesättigte Lösung ist (woraus sich kleine Kristalle noch bilden) und darüber hinaus einen zähen Kleister bilden kann (vgl. Diffusionsmethoden, bei denen die Konzentrationen gegen Null tendieren). Bei komplett verdampften Lösungsmitteln ist es oft sehr schwer, die Kristalle vom Boden des Gefäßes zu entfernen, ohne dass sie kaputtgehen. 5. Sublimierung: führt selten zu Einkristallen, bringt jedoch gelegentlich eine positive Überraschung. 82 Synonyme: Solvens bzw. Antisolvens! 83 Auch bekannt als "NMR-Röhrchen-im-Schrank-vergessen"-Methode; bei dieser Variante sind die Kristalle wegen der sehr langsamen Kristallisation oft von hoher Qualität. 70 5.2 Auswahl der Kristalle Kristallproben werden unter dem Mikroskop optisch untersucht (Abb. 0.1, 5.2a); die Handhabung und Auswahl erfolgt auf einem Objektträger in Inertöl, das die Kristalle (außer bei den instabilsten Verbindungen) einige Minuten vor dem Zerfall schützt. (Weitere Handhabung: s. Kap. 6). Es ist günstig, bei der Kristallsuche polarisiertes Licht einzusetzen. Bei gekreuzten Polarisationsfiltern (dunklem Hintergrund) erscheinen Kristalle meistens gleichmäßig hell; wenn ein solcher Kristall gedreht wird, so erreicht er Positionen, wo er plötzlich dunkel wird (das polarisierte Licht auslöscht). Kubische Kristalle und amorphes Material bleiben immer dunkel. Hochsymmetrische Kristalle (selten!) sind dunkel, wenn sie entlang der Symmetrieachse (4 oder 6) betrachtet werden, verhalten sich aber in anderen Richtungen normal. Gute Einkristalle sollten klar und gleichmäßig sein, mit gut ausgebildeten Kanten und Flächen sowie deutlicher und gleichmäßiger Auslöschung polarisierten Lichts (Abb. 5.2b). Ungünstige Anzeichen sind: gespaltene oder rissige Kristalle; zusammengewachsene Kristalle (z.B. mit "Satelliten"); verfilzte oder matte Kristalle (Lösungsmittel verloren? – da sieht die makroskopische Probe oft weiß aus); Kristalle mit internen Winkel >180°; Kristalle ohne gleichmäßige Auslöschung. Die Kristallform sollte möglichst gleichmäßig sein (kugelförmige Kristalle sind jedoch selten!); Nadeln und Plättchen sind ungünstig, aber meistens brauchbar. Der gewählte (beste!) Kristall sollte typisch für die ganze Probe sein. Abb. 5.2a: Eine typische Kristallprobe (max. Größe etwa 0.4 mm). Welche Kristalle wären für die RSA geeignet? 71 Abb. 5.2b: Ein Kristall, der polarisiertes Licht definitiv NICHT gleichmäßig löscht (Bilder Mitte & rechts). Dieser klassische Zwilling wurde geschnitten, um ein einkristallines Stück (fehlt!) zu bekommen. Gesamtlänge ca. 3 mm. Abb. 5.3. Links: Erfolgreich gemessene Kristalle neben einem Streichholzkopf. Rechts: Erfolgreich gemessene Kristalle (zwei Kristallformen derselben Verbindung) und ein Haar (Durchmesser etwa 0.05 mm). Der Kristall links war wie bei Abb. 5.2b wegen Verzwillingung in der Längsrichtung geschnitten worden. Abb. 5.4. Kristallschneiden: der große Kristall (oben, Kantenlänge etwa 2 mm) wurde geschnitten, ging aber größtenteils kaputt. Eines der Fragmente (Pfeil) war doch für die RSA geeignet. 72 Wie groß sollte ein Kristall sein? Der maximale Durchmesser des Röntgenstrahls ist etwa 0.5 mm. Bei modernen Diffraktometern reichen oft kleinere Kristalle (etwa 0.02 mm; Abb. 5.3). Bei starker Absorption (Schweratome!) darf der Kristall nicht zu groß sein (s. Abschnitt 6.7). Es ist möglich, Kristalle mit einer Rasierklinge zu schneiden, dabei werden jedoch viele zerstört oder verformt (verbogen oder schieferartig verzerrt), was sie unbrauchbar macht (Abb. 5.4). Das Präparieröl verhindert, dass geschnittene Fragmente wegfliegen! Im Laufe der Seminare gibt es bei der Diffraktometerbesichtigung (Kap. 6) die Möglichkeit, Kristallproben unter dem Mikroskop zu untersuchen und mit der Präpariernadel zu sortieren. Kristalle wurden früher auf Glasfäden geklebt oder in Glaskapillaren fixiert (langwierig! – Abb. 5.5). Bei TT-Messmethoden (s.u.) werden sie auf Glasfäden mit Inertöl (in Abb. 5.2, 5.3 als Schliere erkennbar) montiert. Instabile Kristalle (z.B. BuLi, fängt bei –60°C an der Luft Feuer) bedürfen einer besonderen Handhabung (Abb. 5.6). Abb. 5.5. Zwei Möglichkeiten, Kristalle zu montieren. Abb. 5.6. Apparatur zur Handhabung sehr instabiler Kristallen. Links: gekühlter Mikroskoptisch; rechts: kurzfristige Lagerung eines montierten Kristalls im Trockeneisblock (D. Stalke). 73 Der Habitus eines Kristalls ist seine äußere geometrische Form (Abb. 5.7). Es wird nicht definiert, wie dünn eine Tafel werden darf, bevor sie zum Plättchen wird; gleiches gilt bei Prismen/Nadeln! Abb. 5.7. Kristallhabitus: I, Tafel (engl. Tablet); II, Plättchen (plate); III, Prisma (prism); IV, Nadel (needle); V, Brett / Latte (oder ist das Kaffee?) (lath). 5.3 Bevorzugte Gruppen, Derivate, Gegenionen Wegen einer Tendenz zur Unordnung sind folgende Gruppen ungünstig: lange Alkylketten, kugelförmige Ionen wie BF4– (lieber SbF6– ); frei drehbare Gruppen wie C(sp2)–CF3 oder C(sp2)–CH3; statisch ungeordnete Gruppen wie o-C6H4F. Große, symmetrische Gegenionen wie Ph4As+ bilden oft zu symmetrische Lücken, in denen die Stammionen ungeordnet sein können (Abschn. 7.11). Mitkristallisierendes Lösungsmittel ist ebenfalls oft ungeordnet; der absolute Liebling des Kristallographen ist THF (warum?!). 5.4 Strukturziele und Kristallqualität Eine einfache Charakterisierung der Verbindung, mit Konnektivität und Konformation (Torsionswinkel) ist auch bei mäßig guten Kristallen erreichbar. Höhere Ansprüche wie sehr präzise Bindungslängen und –winkel, Lokalisierung der H-Atome (insbesondere neben Schweratomen) oder absolute Konfiguration (Kap. 7) brauchen sehr gute Daten und entsprechende Kristallqualität. Den letzten Beweis der Kristallqualität liefern die Beugungsbilder, die erst auf dem Diffraktometer (nächstes Kapitel) erfolgen. Auch tadellose Einkristalle können sich als für die Strukturanalyse ungeeignet erweisen! Neben Unordnung ist die Hauptursache Tieftemperaturempfindlichkeit. Messungen werden in der Regel bei etwa 100 K durchgeführt (Gründe s. nächstes Kapitel). Manche Kristalle gehen wegen einer Phasenumwandlung oder thermischen Stresses beim Kühlen mechanisch kaputt; sie zerbröseln und sind nicht mehr zu gebrauchen. 74 6. Messmethoden: das Diffraktometer Die ersten Strukturanalysen (bis etwa 1970) erfolgten über Filmaufnahmen. Diese Methode hat viele Nachteile: der Kristall muss exakt parallel zu einer Achse montiert sein; die Aufnahme eines kompletten Satzes kann Monate dauern (wobei der Kristall zerstrahlt werden kann); man muss die Reflexe indexieren und die Intensitäten per Auge abschätzen. Da war man heilfroh, als die ersten halb-automatisierten Messgeräte entwickelt wurden. 6.1 Aufbau eines Diffraktometers Das Messgerät der Röntgenstrukturanalyse ist das Diffraktometer. Der allgemeine Aufbau eines Vierkreis-Diffraktometers ist in der Abb. 6.1a zu sehen. Der Röntgenstrahl wird wie in Kap. 2 beschrieben erzeugt, an einem Graphitkristall monochromatisiert und durch den Kollimator geleitet, der für einen parallel gebündelten Strahl sorgt. Der Monochromator kann allerdings die α1- und α2-Komponenten (Abb. 2.1) nicht trennen, so dass ein gewichteter Mittelwert der beiden Wellenlängen verwendet werden muss (vgl. Aufgabe 39); bei sehr hohem Beugungswinkel gehen die zwei Komponenten der gebeugten Strahlen geringfügig auseinander, was aber vom Gerät und Steuerprogramm korrekt berücksichtigt wird. Der gefährliche Primärstrahl wird hinter dem Kristall vom Beamstop aus Blei aufgefangen, der in der Abb. 6.1a fehlt (aber in 6.1b zu sehen ist). Das Kernstück des Diffraktometers ist das Kreissystem (oder Eulerwiege, Abb. 6.2b), dessen Zweck es ist, durch passende Drehungen des Kristalls alle Reflexe für die Messung erreichbar zu machen. Die Intensitäten der gebeugten Strahlen werden am Zähler, einem Punktdetektor, gemessen. Das Kreissystem muss sehr präzise zusammengestellt sein, denn die Mittelpunkte aller Kreise müssen innerhalb ca. 0.01 mm gleich sein (der Kristall muss an derselben Stelle bleiben, wenn die Kreise gedreht werden). Gegenüber der bereits erheblich veralteten, aber didaktisch noch wertvollen Abb. 6.1a hat das moderne Diffraktometer (der Flächenzähler, Abb. 6.1b) einen wichtigen Unterschied; der Röntgenzähler ist kein Punktzähler mehr, sondern zweidimensional (und es fehlt der große χ-Kreis). Es können also gleichzeitig mehrere gebeugte Röntgenstrahlen über eine Fläche von etwa 10 × 10 cm registriert werden. In Braunschweig werden Geräte der Fa. Bruker sowie Oxford Diffraction verwendet. Es wird mit Mo-Strahlung (Normalfall, λ = 0.71073 Å) bzw. Cu-Strahlung (Sondermessungen, λ = 1.5418 Å) und bei tiefer Temperatur (etwa 100 K; s.u.) gemessen. 75 Abb. 6.1a. Verallgemeinerter Aufbau eines Vierkreis-Diffraktometers (etwa 1975 – 1990, ohne Generator und Steuereinheit) Abb. 6.1b. Verallgemeinerter Aufbau eines "Flächenzählers" mit Kappa-Geometrie, der alternativen Geometrie zur Eulerwiege (gezeichnet von Herrn D. Bockfeld). Der Goniometerkopf ist nur angedeutet (φKreis), und die Videokamera fehlt! Abb. 6.2. (a) Links, Goniometerkopf; (b) rechts, Eulerwiege mit ω-, χ-, φ- sowie 2θ-Achsen. 76 6.2 Ein typischer Messvorgang Es wird angenommen, dass Mo-Strahlung verwendet wird; bei Cu-Strahlung ist der Vorgang ähnlich, die 2θ-Winkel sind aber wegen der größeren Wellenlänge größer! 1. Montierung (Zeitaufwand: einige Minuten). Der Kristall wird auf einen Goniometerkopf (Abb. 6.2a) montiert, und anschließend der Kopf auf das Diffraktometer festgeschraubt. Der Kristall wird mittels der Verstellschrauben des Goniometerkopfes optisch (über eine Videokamera) justiert, so dass er exakt in der Mitte des Kreissystems liegt. 2. Zellbestimmung und Kontrolle der Kristallqualität (Zeitaufwand: etwa 20 min). Aus vorläufigen Aufnahmen werden Reflexpositionen bestimmt; von einer Aufnahme zur nächsten wird einer der Diffraktometerwinkel (üblich: ω, selten auch φ) in kleinen Winkelschritten (etwa 1°) gedreht. Eine Einzelaufnahme heißt ein Frame (Abb. 6.3) und ein Satz zusammenhängender Frames ist ein Run. Die Daten werden vom Flächendetektor über den CCD-Chip übertragen (Abb. 6.4). Auf diese Weise werden Reflexe durchlaufen (Abb. 6.5) und ihre genauen Positionen durch Intrapolation bestimmt. Bei der Zellbestimmung verwendet man 3-6 Runs von je 5 Frames. Der Kristall wird anschließend autoindexiert;84 das Programm schlägt auf der Basis der Reflexpositionen eine Elementarzelle vor, zusammen mit der Kristallorientierung. Das Zellvolumen sollte mit dem erwarteten Z-Wert und der erwarteten Struktur konsistent sein (18-Regel! – vgl. Abschn. 1.6, Aufgaben 14, 15, Seminaraufgabe 2), und die Zelle sollte keiner bekannten Struktur entsprechen! Die Reflexform wird kontrolliert; sie sollte weder zu breit noch gespalten sein (Abb. 6.6). Der Kristall soll bis zu einem ausreichenden Beugungswinkel (etwa 50° bei Mo-Strahlung) signifikant streuen (Abschn. 6.5). Ist das nicht der Fall, sind die üblichen Ursachen hohe Thermalbewegung und/oder Unordnung (nächstes Kapitel), verursacht z.B. durch mitkristallisierendes Lösungsmittel. In solchen Fällen kann es auch bei bester Reflexform schwierig sein, eine gute Struktur zu bestimmen. 3. Die Datensammlung wird gestartet und läuft etwa 18-24 St., wobei schrittweise (s.o.) etwa 1000-4000 Einzelaufnahmen gemacht werden. Es wird bei Mo-Strahlung üblicherweise bis 2θ etwa 60° gemessen; wegen der Abnahme der Streufaktoren mit zunehmendem 2θ-Winkel (Abb. 2.3; s. auch Kap. 7) ist bei höherem Winkel wenig 84 Autoindexieren ist die Bestimmung der Orientierungsmatrix A, einer 3×3-Matrix, die die Diffraktometerkoordinaten x mit den Millerindizes h verbindet: x = ATh. Die Matrix x wiederum ist eine gerätespezifische, jedoch bekannte (trigonometrische) Funktion der Kreiswinkel (bei einem Vierkreissystem ω, χ, φ; 2θ betrifft nur den Zähler und ergibt sich nach dem Bragg'schen Gesetz!). Die Elemente von A sind die Komponenten der reziproken Achsen entlang der Diffraktometerachsen; die Orientierungsmatrix enthält also die Gitterkonstanten in codierter Form (die 9 Parameter reichen für 6 Gitterparameter sowie 3 Orientierungsparameter). 77 messbare Intensität zu finden. Parallel zur Messung wird die Datenreduktion auch gestartet; diese analysiert die Einzelaufnahmen und wandelt die Pixels in Reflexintensitäten (mit Standardabweichungen) um. Abb. 6.3. Einzelaufnahme (Frame) bei einem Flächenzähler. Die Zahlen sind die Auflösungen (s.u.). Abb. 6.4. Signalübertragung mit CCD-Chip. Bei modernen (größeren) Chips und kleinen Detektoren kann auf die Faseroptik verzichtet werden, das Licht wird direkt auf den Chip übertragen. Abb. 6.5. Reflexprofil bei einem Flächenzähler 78 Abb. 6.6. Verschiedene Reflexprofile ( ω-Scans, Vierkreisdiffraktometer, etwa 1990!) entsprechend Kristallqualitäten sehr gut (oben links) bis unbrauchbar (unten rechts). 4. Absorptionskorrektur: Absorption ist der größte systematische Fehler der RSA. Ein typisches Symptom nicht- oder unzureichend korrigierter Absorption ist die Anwesenheit von großen, strukturchemisch unmöglichen Peaks dicht neben den Schweratomen (vgl. Seminaraufgabe 11). Bei Schweratomstrukturen ist eine Absorptionskorrektur unbedingt notwendig. Ein Absorptionsprofil wird berechnet, indem von gleichen sowie äquivalenten Reflexen, die bei verschiedenen Geometrien gemessen wurden, die Intensitätsunterschiede minimiert werden. Die Absorptionskorrektur wird oft in zwei Teilprozesse zerlegt: die Skalierung (vor der Beugung; wie ändert sich die effektive Primärstrahlintensität von Bild zu Bild?) und die eigentliche Absorptionskorrektur (wegen unterschiedlicher Weglängen durch den Kristall).85 Eine erfolgreiche Korrektur setzt eine hohe Datenredundanz (mindestens 10) voraus. Heutzutage wird die Korrektur (fast) immer durchgeführt, ob Schweratome vorhanden sind oder nicht; bei sehr schwach absorbierenden Proben kann nachträglich auf die Absorptionskorrektur verzichtet werden (vgl. Aufgabe 43), aber die Skalierung bleibt. Ein zusätzliches Programm (z.B. XPREP, vgl. Seminare) wird verwendet, um die Raumgruppe zu bestimmen (automatische Analyse der Auslöschungen) und passende Dateien für die Weiterbearbeitung der Strukturanalyse zu schreiben. Die endgültigen Daten umfassen etwa 1000-500000 Einzelreflexe.86 85 Auch bei kugelförmigen Kristallen (selten!) gibt es systematische Fehler wegen der unterschiedlichen Weglängen (warum?). 86 Bei einer Zelle mit Volumen V Å3 bis zu einem Beugungswinkel 2θ errechnet sich die Reflexzahl (alle hkl- Werte, ohne etwaige Symmetrie zu berücksichtigen) zu (4π/3)(2/λ)3V sin3 θ ≈ 12V bei Mo-Kα-Strahlung bis 2θ 60°. Bei jedem Einzelschritt der Strukturlösung und -verfeinerung (Kap. 7) werden äquivalente und redundante Reflexe gemittelt und somit nur mit den unabhängigen Daten gearbeitet. 79 6.3 Datenqualität Die üblichen Kriteria der Datenqualität sind R (int),87 ein Maß für die Übereinstimmung äquivalenter Reflexe (Absch. 2.9) und R (σ), ein Maß für die allgemeine Intensitätsstärke: R (σ) = Σ[σ(I)] / ΣI. In beiden Fällen entsprechen kleinere R-Werte besseren Daten; "gute" Werte liegen bei etwa 0.05, "schlechte" etwa > 0.2 (s. Aufgabe 40). Ein sehr hoher R (int)-Wert kann auf eine falsch zugeordnete Laue-Gruppe hindeuten (vgl. Aufgabe 31, Seminaraufgabe 16). Da sollte immer kontrolliert werden, ob die vermeintlich äquivalenten Reflexe (Tab. 2.3) tatsächlich gleiche Intensität haben. Häufige Fälle/Fallen in der Praxis: monoklin mit β ≈ 90° (Zelle sieht orthorhombisch aus), monoklin mit a ≈ c (scheinbar C-zentriert orthorhombisch; Abb. 6.7). Beugungsintensitäten sind näherungsweise proportional zu Io × Σf 2 × VKristall / V 2Zelle. Bei einer gegebenen Verbindung sind die limitierenden Faktoren also Primärstrahlintensität und Kristallgröße. Abb. 6.7. Vortäuschung einer zu hohen Symmetrie (vgl. Abb. 0.3). Links (zweidimensional): Metrische Symmetrie: rechteckig; wahre Symmetrie des Zellinhalts: keine! Rechts (zweidimensionale Projektion): Metrische Symmetrie: orthorhombisch flächenzentriert; wahre Symmetrie: monoklin P mit gleichen Achsen a und c. 6.4 Tieftemperaturmessungen Es ist üblich, bei tiefer Temperatur zu messen. Der Kristall wird durch einen kalten Stickstoffstrom gekühlt, wobei die Temperatur durch eine Grob- sowie eine Feineinstellung (Verdampfungsgeschwindigkeit aus dem Stickstoffbehälter sowie Wiedererwärmung des Kaltgases kurz vorm Kristall, falls notwendig) gesteuert wird. Um Vereisung am Kristall 87 Synonym: R (sym) (wird z.B. vom Programm XPREP verwendet, Seminaraufgabe 16). 80 zu verringern, wird ein Doppelstrom verwendet; der Kaltgasstrom wird von einem parallelen trockenen Warmgasstrom ummantelt, der die feuchte Laborluft vom Kristall fernhält. Einige Vorteile der TT-Messungen sind: die U-Werte sind niedriger, es gibt weniger Librationseffekte (Kap. 7); man kann bis zu höherem 2θ(max) (etwa 60° bei TT, 50° bei RT) messen; die Chancen sind besser, schwierige (große) Strukturen zu lösen; es erfolgt ein besseres Verhältnis (beobachtete Daten)/Parameter und somit niedrigere esd's der Moleküldimensionen; H-Atome sind leichter zu finden (Kap. 7); dynamische Unordnung wird größtenteils unterdrückt, etwaige statische Unordnung ist leichter zu erkennen und verfeinern (Kap. 7); die Intensitäten sind höher (Faktor etwa ×6 bei –170°C!). Nachteile: experimenteller Aufwand (Abb. 6.8), Vereisung (selten), Stickstoffverbrauch, Phasenumwandlungen (Kristalle platzen beim Kühlen!). 6.5 Die Auflösung Aus der Bragg'schen Gleichung gilt d = λ/(2 sin θ). Wollen wir also Gegenstände (Atome!) voneinander auflösen, die einen Abstand d (den Abstand zwischen Miller-Ebenen in der Ebenenschar) zueinander haben, so müssen wir das Beugungsmuster mindestens bis zu einem entsprechenden 2θ-Wert (2θmax genannt) messen. Betrachten wir atomare Auflösung als etwa 1 Å, so beträgt 2θmax für Mo-Strahlung (λ = 0.71073 Å) 41°. Wird dieser Wert bei der Messung nicht erreicht, so ist es unwahrscheinlich, dass die Struktur gelöst werden kann (Abb. 6.9).88 Abb. 6.8. Aufbau des Kühlgeräts bei TT-Messungen 88 Heutzutage würde niemand daran denken, bis nur 41° zu messen, allerdings wäre es bei sehr schlechten Kristallen schon möglich, dass bei einer Messung bis 50° (den allgemein empfohlenen Mindestwert) die signifikante Intensität bei wesentlich kleinerem 2θ als 50° aufhört. 81 Abb. 6.9. Verschiedene Auflösungsgrade derselben Struktur Statt des maximalen 2θ-Winkels einer Messung kann man auch den entsprechenden dWert anzugeben (Tab. 6.1). Ein weiteres alternatives Maß für die Auflösung ist (sin θ)/λ in Å–1. Die Zahl der zu messenden Reflexe ist proportional zu sin3θ (s.o.). Tab. 6.1: Beugungswinkel und Auflösung (Mo-Strahlung) 2θmax d (Å) (sin θ)/λ (Å–1) sin3θ/sin3(25°) (rel. Reflexzahl) 40 1.04 0.48 0.53 45 0.93 0.54 0.74 50 0.84 0.59 1.00 55 0.77 0.65 1.30 60 0.71 (=λ!) 0.70 1.66 65 0.66 0.76 2.05 70 0.62 0.81 2.50 82 6.6 Messungen mit Cu-Strahlung Die Methoden der Röntgenstrukturanalyse unterliegen Modeerscheinungen! In den Jahren etwa 1980-2000 hätte niemand mehr daran gedacht, mit Cu-Strahlung (λ = 1.54184 Å) zu messen. Seit einigen Jahren erlebt die Cu-Strahlung eine Wiederbelebung, besonders bei sehr kleinen Kristallen. Vorteile und Nachteile sind in Tabelle 6.2 zusammengefasst. Bei gut streuenden Kristallen ist die Mo-Strahlung zu bevorzugen, denn mit ihr man kann mehr Daten messen (höhere Auflösungen sind wegen der kleineren Wellenlänge zugänglich), wobei die molekularen Dimensionen kleinere Standardabweichungen haben. Ausnahme: man müsste bei einer Leichtatomstruktur die absolute Konfiguration bestimmen. Tab. 6.2. Eigenschaften von Mo- bzw. Cu-Strahlung Mo-Strahlung Cu-Strahlung Wellenlänge (Å) 0.71073 1.54184 Primärstrahlintensität Niedriger Höher (Faktor ≈ 10, bei speziellen Geräten wesentlich mehr) Absorption Weniger Mehr (durch moderne Absorptionskorrekturen zu beheben) Zahl der zugänglichen Mehr; dadurch deutlichere Weniger (theoretische max. Peaks in Fourier-Synthesen Auflösung ist λ/2 = 0.77 Å bei Reflexe (∝ λ–3, s.o.) (z.B. bei der H-Atom-Suche), 2θ 180°, entsprechend 2θ etwa kleinere Standardabweich- 55° bei Mo-Strahlung). ungen bei der Verfeinerung. Die meisten Kristalle streuen Man misst bis 2θ etwa 60°, bei über die 2θ-Messgrenze (etwa höherem Winkel ist wenig 150°) hinaus, viele Reflexe Intensität da. können also gar nicht registriert Es gibt auch mehr Reflexe pro werden. Frame, was eine Messung etwas beschleunigt. Anomale Streuung Kleiner; bei Leichtatom- Größer (dient der Bestimmung (Abschn. 7.10) strukturen effektiv gleich Null der absoluten Konfiguration) Bei langen Achsen K schwer zu trennen K leichter zu trennen (> 35 Å) sind benachbarte Reflexe: 83 6.7 Kristallgröße Dieses Problem wurde im Abschn. 5.2 kurz andiskutiert. Große Kristalle streuen stärker (die Streukraft ist proportional zum Kristallvolumen), und stärkere Daten (niedrigere R(σ)Werte) sind immer besser! Wenn alles Andere gleich bleibt (keine schweren Absorptionseffekte, also bei organischen Substanzen) kann man ruhig große Kristalle verwenden, also bis etwa 0.5 mm (Durchmesser des Primärstrahls bei normalen Röntgenröhren). Bei solchen Kristallen kann man oft einen Datensatz in 2-3 Stunden aufnehmen. Bei starker Absorption (Schweratomverbindungen) muss der Kristall klein sein (z.B. etwa 0.1 mm bei Goldverbindungen), damit die Absorptionskorrektur noch greift. Die gewählte Kristallgröße ist also oft ein Kompromiss. Bei Mikroquellen, die schmalere Primärstrahlen (0.2 mm) erzeugen, reichen sowieso oft kleinere Kristalle (etwa 0.02 mm), bei denen Absorptionseffekte nicht so schwerwiegend sind. Im Laufe der Seminare gibt es eine Diffraktometerbesichtigung der beiden Diffraktometer im Institut. Schlüsselwörter: Hardwarekomponenten; Darstellung eines Frames (kleines Info-Fenster, Auflösungsringe, Anzeige der hkl-Werte); eine Messung in Zeitraffe; Informationsfenster "Crystal", "Data collection", "Data reduction"; Blicke ins reziproke Gitter; Unterschiede zwischen Messungen mit Mo- bzw. Cu-Strahlung. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, Kristallproben unter dem Mikroskop zu untersuchen und mit der Präpariernadel zu sortieren. 84 7. Strukturverfeinerung Patterson-Peaks sind sehr breit, und ihre exakten Lagen schwer zu bestimmen; direkte Methoden beruhen auf einem stark reduzierten Datensatz (nur Reflexe mit |E| > 1.2). Aus diesen Gründen sind die Atomkoordinaten, die durch Schweratom- oder direkte Methoden ermittelt werden, nur vorläufig (typische Abweichungen von den endgültigen Lagen betragen ca. 0.1 Å). Um bessere Werte zu bekommen, muss das vorläufige Modell verfeinert werden. 7.1 Least-Squares-Verfeinerung Das System ist überbestimmt; es gibt viel mehr gemessene Intensitäten als zu bestimmende Atomparameter (Daten/Parameter-Verhältnis >> 1).89 Wir können also Least-SquaresMethoden verwenden. Für ein gegebenes Strukturmodell kann man |F|c-Werte berechnen (c = engl. calculated) und mit den beobachteten |F|o-Werten (o = engl. observed) vergleichen. Die Summe der quadrierten Unterschiede zwischen |Fo| und |Fc| sei L: L = ∑ (|Fo(h)| – |Fc(h)|)2 h Gl.22 Das Prinzip der Least-Squares-Verfeinerung besteht darin, die Atomparameter so zu ändern (verschieben), dass L minimiert wird. Die Mathematik dieses Verfahrens ist nicht schwierig, aber rechenintensiv. Die Parameterverschiebungen beruhen auf einer Näherung (mathematisch gesehen: das Verfahren ist nicht linear) und sind somit nicht endgültig korrekt; eine normale Verfeinerung besteht deswegen aus mehreren (etwa 4–10) Zyklen, wobei die neuen Parameter jeweils als Startposition für einen weiteren Zyklus verwendet werden. Der Prozess wird so lange wiederholt, bis die Verschiebungen gegen Null tendieren (bis die Verfeinerung konvergiert hat). Jeder verfeinerte Parameter ist mit einer Standardabweichung (e.s.d. = "estimated standard deviation", moderner s.u. = "standard uncertainty") versehen. Je zahlreicher und präziser die Daten, desto kleiner die Standardabweichungen. Aus den e.s.d.'s der Atomkoordinaten können auch e.s.d.'s der Bindungslängen und -winkel berechnet werden (typisch für eine C–C-Bindung: 0.004 Å). Die e.s.d.'s sind untere Fehlergrenzen (systematische Fehler werden nicht berücksichtigt), erlauben aber eine Beurteilung der Zuverlässigkeit bzw. Signifikanz der molekularen Dimensionen. 89 (a) Intensitäten werden vom Programm Zeile für Zeile [als h k l I σ(I)] eingelesen; vgl. Übungen. (b) Eine gute Strukturverfeinerung setzt ein Daten/Parameter-Verhältnis von mindestens 10 voraus. 85 7.2 Der R-Wert Als Maß für die Übereinstimmung zwischen |Fo| und |Fc| wird nicht direkt L (Gl. 22) verwendet, sondern der R-Wert (residual, dt. Rest): R = ∑ ||Fo(h)| – |Fc(h)|| / ∑ |Fo(h)| h Gl.23 h oder in verkürzter/vereinfachter Form (die Summierung über alle h sei implizit) R = Σ ||Fo| – |Fc|| / Σ |Fo| Gl.23 (Kurzform) R-Werte werden oft als Prozentwerte angegeben. Korrekte Strukturmodelle vor der Verfeinerung liegen bei etwa R = 15–40%, bei guten Daten nach abgeschlossener Verfeinerung bei etwa R = 2–5%.90 Ein perfektes Modell bei fehlerfreien Daten (beides unerreichbar!) hätte R = 0. 7.3 Isotrope Verfeinerung Die erste Verfeinerung eines Strukturmodells umfasst die Atomkoordinaten. Es muss aber auch die Thermalbewegung der Atome, die um die Ruhelage ausgeführt wird, berücksichtigt werden. Mittlere Schwingungsamplituden liegen bei Zimmertemperatur bei etwa 0.2 Å. Die atomaren Streufaktoren f (Abb. 2.3) gelten nur für starre Atome. Wird die Elektronendichte durch Thermalbewegung "verschmiert", so klingen die f-Werte bei zunehmendem Beugungswinkel stärker ab (Abb. 7.1): fj = f0 exp{–B(sin θ/ λ)2} Gl.24 wobei f0 der Abb. 2.3 entspricht (vgl. Aufgabe 42). Abb. 7.1. Links: die Funktion exp{-B (sin θ/ λ)2}; rechts: Streufaktor des Kohlenstoffatoms bei B = 0 und B = 4 (man merke die sehr hohe Auswirkung auf die Streuung bei hohem Winkel!). 90 Wie unten beschrieben (Abschn. 7.7), wird jetzt üblicherweise gegen |F|2 statt |F| verfeinert; die abschließenden R (|F|2)-Werte sind um einen Faktor ca. 2-3 höher als R (|F|). 86 B, der Debye-Waller-Faktor, beschreibt eine in allen Richtungen gleichmäßige (isotrope) Thermalbewegung. Es ist üblich, statt B-Werte U-Werte anzugeben; U ist die mittlere quadrierte Schwingungsamplitude, gegeben durch U = B / 8π2 Gl.25 (d.h. B ≈ 8 entspricht U ≈ 0.1). U (und B) heißen Temperaturfaktoren, Thermal- oder Auslenkungsparameter (Einheiten: Å2). Typische U-Werte wären bei RT 0.05–0.10 und bei TT 0.02–0.05 Å2. Bei der isotropen Verfeinerung werden also für jedes Atom vier Parameter (x, y, z, U) verfeinert. Nach der ersten isotropen Verfeinerung werden etwaige fehlende Atome (außer H-Atomen) durch Differenz-Synthesen gefunden. 7.4 Anisotrope Verfeinerung Die isotrope Atombewegung ist eine schlechte Näherung (Abb. 7.2), insbesondere für endständige Atome. Eine ausführlichere Beschreibung, unter der Annahme, dass die Bewegung ellipsoidenförmig ist, lautet: 2 Tanis = 2π fj = f0 exp(–Tanis), wobei 2 2 2 2 (U11h a* +U22k b* +U33l2c*2+2U12hka*b*+2U13hla*c*+2U23klb*c*) Gl.26 91 Abb. 7.2. Links: Anisotrop schwingendes Atom (z.B. Au einer senkrecht stehenden, linearen L–Au– L-Einheit). Mitte: Isotropes Modell. Rechts: Restelektronendichte beim isotropen Modell. Die Komponenten Uii bestimmen die Form (Hauptachsen) des Ellipsoids und Uij seine Orientierung (Abb. 7.3a). Diese anisotrope Verfeinerung, mit 9 Parametern pro Atom, kann auch kein absolut präzises Bild der Atombewegung liefern, ist jedoch in der Praxis eine gute Näherung, besonderes bei tiefer Temperatur. Die sog. ORTEP-Bilder (Oak Ridge Thermal Ellipsoid Program, Abb. 7.3b) stellen die Atome als Wahrscheinlichkeits- ellipsoiden dar.92 Bei "50%igen Ellipsoiden" hat das Atom eine 50%ige Chance, sich innerhalb des Ellipsoids zu befinden. Man merke: (i) Ellipsoidbilder ohne Wahrscheinlichkeitsangabe sind nur begrenzt sinnvoll. (ii) Eine schlechte Strukturbestimmung sieht oft besser aus, wenn man mit dem Wahrscheinlichkeitsniveau heruntergeht. (iii) Bei schlechtem Verfeinerungsmodell (z.B. 91 Hinter dieser Gleichung steckt sehr viel komplizierte Physik/Mathematik! 92 Ein Ellipsoidbild ist erst dann ein ORTEP-Bild, wenn es mit ORTEP gezeichnet wurde; es gibt andere Programme! 87 falsche Atomtypen, nicht erkannte Unordnung (s.u.)) bzw. schlechten Daten können insbesondere anisotrope Auslenkungsparameter extreme Werte annehmen, die sogar einer negativen Thermalbewegung entsprechen (das Ellipsoid hat ein negatives Volumen). Solche physikalisch sinnlosen Werte werden als NPD (engl. "non-positive-definite") bezeichnet. Abb. 7.3a. Ellipsoid-Darstellung von Atomen mit unterschiedlichen Uij-Werten (alle in Å2; Blickrichtung parallel zur c-Achse). C1 und C2 sind isotrop! Atom C1 C2 C3 C4 C5 C6 U11 0.05 0.15 0.05 0.15 0.15 0.15 U22 0.05 0.15 0.15 0.05 0.05 0.05 U33 0.05 0.15 0.05 0.05 0.05 0.05 U23 0 0 0 0 0 0 U13 0 0 0 0 0 0 U12 0 0 0 0 0.05 –0.05 Abb. 7.3b. Ellipsoid-Darstellung einer Struktur mit zwei unabhängigen Molekülen (Z ' = 2). Aufenthaltswahrscheinlichkeit: 50%. H-Atome werden als Kugeln (Kreise) gezeichnet, weil sie NICHT anisotrop verfeinert werden können/dürfen. 88 Es muss überlegt werden, welche Atome anisotrop verfeinert werden sollten. Neben schweren Atomen (z.B. Gold) streuen Leichtatome wie Kohlenstoff verhältnismäßig so schwach, dass ihre anisotropen U-Werte außer bei guter Datenqualität unzuverlässig sein können. Wasserstoffatome dürfen selbst bei organischen Strukturen nur isotrop verfeinert werden (s.u.). Nach der anisotropen Verfeinerung entsprechen die größten Differenz-Peaks den HAtomen; vorausgesetzt, die Daten sind gut (Abb. 7.4; vgl. Seminaraufgabe 7). H-AtomPeaks betragen bei RT etwa 0.3–0.7, bei TT etwa 0.5–1.1 e Å–3. 93 7.5 Wasserstoffatome Wasserstoffatome streuen schwächer als alle anderen Atome (Abb. 2.3) und sind schwieriger zu finden. Sind die Daten gut und in ausreichender Zahl vorhanden, so können H-Atome in Differenz-Fourier-Synthesen gefunden (Abb. 7.6) und normal verfeinert werden. Da nach Gl. 5 alle Atome zu allen Strukturfaktoren beitragen, gibt es keine "Wasserstoffreflexe", die schwach seien (ein häufiges Missverständnis bei Anfängern), sondern vielmehr sind die Beiträge der H-Atome zu allen Strukturfaktoren gering. Bei Röntgenstrukturanalysen sind die X–H-Bindungslängen systematisch zu kurz, z.B. C– H ca. 0.98 statt des richtigen Abstands 1.08 Å (aus Neutronenbeugung), weil das HElektron an der kovalenten Bindung zu X teilnimmt. In den meisten Fällen ist es besser, die H-Atome an idealisierte Lagen zu setzen (mit vorgegebenen X–H-Bindungslängen und ggf. H–X–H-Winkeln; Aufgabe 45). Danach wird der X–H-Vektor während der Verfeinerung konstant gehalten (Reiter-Modell, Abb. 7.4). Das automatische Setzen von H-Atomen kann jedoch gefährlich sein (warum? vgl. Seminaraufgabe 7). Die U-Werte der H-Atome werden in der Regel nicht verfeinert, sondern nach U(H) = 1.2U(C) 94 festgehalten (endständige Atome bewegen sich mehr!). 93 vgl. etwa 1–4 e Å–3 bei Peaks, die neben Schweratomen liegen und auf Restabsorptionsfehlern beruhen, s. Seminaraufgabe 11, bzw. etwa 10 e Å–3 bei Peaks, die bei TT fehlenden C-Atomen entsprechen. 94 Bei Methylgruppen U(H) = 1.5U(C); wegen der Drehbarkeit bewegen sich diese H-Atome etwas mehr. 89 Abb. 7.4. Das Reiter-Modell. (i) In einer C–C–C–C-Kette (links) soll das zweite Kohlenstoffatom als Methylengruppe verfeinert werden. (ii) Zunächst werden die H-Atome an berechnete Stelle mit definierter Geometrie eingeführt (Mitte). (iii) Die CH2-Gruppe (Kästchen, rechts) bewegt sich während der anschließenden Verfeinerung als komplette Einheit. Nur Teil (iii) ist das eigentliche Reiter-Modell (die HAtome "reiten" auf dem C-Atom 95). Eine komplette Verfeinerung umfasst also folgende Vorgänge: (i) das ursprüngliche Modell (R etwa 0.4); (ii) isotrope Verfeinerung (0.2); (iii) anisotrope Verfeinerung (0.1); (iv) Verfeinerung mit H-Atomen (0.05). Die Zahl der Parameter beträgt etwa 9N (bei N Nicht-Wasserstoff-Atomen). Dazu kommen Parameter für etwaige frei verfeinerte H-Atome, ein Skalierungsparameter (beschreibt die Skalierung zwischen |Fo| und |Fc|), sowie ggf. Spezialparameter wie Extinktion (Abschn. 7.16); vgl. Aufgabe 41. Eine Strukturverfeinerung ist prinzipiell fertig, wenn alle Atome gefunden worden sind und die Parameterverschiebungen gegen Null tendieren (in der Praxis: < 0.01σ bei allen Parametern). 7.6 Gewichtsschemata Eine gewichtete Verfeinerung berücksichtigt, dass |F|-Werte mit unterschiedlicher Präzision gemessen werden. Jedem Reflex wird ein Gewicht w(h) (kurz: w) zugeordnet, und Gl. 22 und 23 modifiziert: L = Σ w (|Fo| – |Fc|)2 Gl.22a Rw = Σ w||Fo| – |Fc|| / Σ w|Fo| Gl.23a Nach reiner Zählstatistik müsste gelten w –1 = σ 2(|F|); schwächere Reflexe werden weniger genau gemessen. Ein in der Praxis oft eingesetztes Gewichtsschema ist w –1 = σ 2(|F|) + g|F|2, wobei g eine kleine Konstante (10 –4 –10 –3) ist. Diese berücksichtigt systematische Fehler, die in etwa proportional zu I sind. Gewichtsschemata werden erst gegen Ende der Verfeinerung eingesetzt. 95 Die relative Position von Reiter und Pferd bleibt konstant! 90 7.7 Computerdateien Alle Strukturverfeinerungen sind sehr rechenintensiv und werden am Computer gemacht. Dabei muss es eine wohldefinierte "Dateistruktur" geben. Beim Programmsystem, das am häufigsten verwendet wird ("SHELX", G. M. Sheldrick, Uni. Göttingen), werden die Dateien wie folgt organisiert (Abb. 7.5): Jede Struktur hat einen Namen, die auch alle Dateien tragen; hier lautet er einfach "name". Die Intensitätsdatei name.hkl enthält für jeden Reflex (mindestens) die Werte h, k, l, I, σ(I). Diese Datei bleibt während der ganzen Bearbeitung der Struktur unverändert. Die Befehlsdatei name.ins (ins = instructions) enthält Informationen über z.B. die Gitterkonstanten, die Symmetrieoperationen, die aktuellen Atomkoordinaten und die Auslenkungsparameter; darüber hinaus sind dort die Verfeinerungsbefehle wie: Zahl der Zyklen, Gewichtsschema, Differenz-Fourier, Berechnung von Bindungslängen/-winkel. Am Ende der Verfeinerung werden neue Dateien geschrieben: name.res (res = results) enthält die neuen Atomparameter und die gleichen Befehle wie ins; sie wird editiert und für die nächste Verfeinerung auf ins umbenannt. Die Datei name.cif (cif = crystallographic information file) enthält nach einem international akzeptierten und normierten Format alle möglichen Informationen über die Strukturbestimmung, und wird nach (bzw. statt) Veröffentlichung der Struktur beim Cambridge Crystallographic Data Centre (CCDC) deponiert. Die HKL-Datei enthält die Intensitäten, aber nicht die Gitterkonstanten; die INS-Datei enthält die Gitterkonstanten, aber nicht die Intensitäten. Sollte die Zelle, mit der gemessen wurde, später umorientiert werden, so entspricht die alte HKL-Datei der falschen Zelle. Man muss die hkl-Indizes dieser Datei mit der Umorientierungsmatrix multiplizieren, um auf die neuen Indizes zu kommen. Das ist eine gefährliche Fehlerquelle, wenn man nicht aufpasst! Abb. 7.5. Dateiorganisation beim Verfeinerungsprogramm SHELXL. 91 7.8 Verfeinerung gegen |F|2 Dass bis etwa 1990 immer gegen |F| verfeinert wurde, war ein historischer Zufall; jahrelang meinten viele Experten, man müsste auf |F|2 umsteigen (die Intensitätswerte, die tatsächlich gemessen werden). Das meist verwendete Programmsystem (SHELXL, Prof. G. M. Sheldrick, Uni. Göttingen) wurde 1992 grundsätzlich umgeschrieben, so dass nun gegen |F|2 verfeinert wird.96 Für die R-Werte verwendet man unterschiedliche Symbole R 1 (für den „alten“ R-Wert wie oben, gegen |F| verfeinert) und R 2 (der „neue“ R-Wert gegen |F|2 verfeinert). Der R 2-Wert ist nicht exakt analog zum konventionellen R-Wert, sondern wird definiert (ungewichtet/gewichtet) als R 2 = [Σ (|Fo|2 – |Fc| 2) 2 / Σ (|Fo| 2) 2]0.5 wR 2 = [Σ w(|Fo| 2 – |Fc| 2) 2 / Σ w(|Fo| 2) 2]0.5 Gl.24a Gl.24b 97 Bei der Verfeinerung wird wR 2 minimiert. Die neuen R 2-Werte sind ungefähr doppelt so groß wie bei der |F|-Verfeinerung (ein rein kosmetischer Nachteil!). Einige Vorteile: (i) Gewichtsschemata der allgemeinen Form w –1 = σ 2 (I) + k 1I + k 2|F| (k 1 und k 2 sind Konstanten, bei guten Daten tendiert k2 zu Null) werden verwendet; dabei ist σ(I) für alle Reflexe relativ problemlos zu schätzen und bei der Verfeinerung einzusetzen (vgl. σ(|F|), wobei |F| ∝ √I, d.h. d|F| ∝ dI/|F|; was tun bei |F| ≈ 0?). (ii) Es gibt keine Probleme, Reflexe mit negativem |F|2 (wie kann so etwas entstehen?) zu berücksichtigen. (iii) Die alte Unsitte, schwache Reflexe einfach wegzulassen (Ausrede: bei negativem |F|2 kann ich nichts machen, also lasse ich alle schwachen Reflexe weg, der R-Wert wird sowieso besser), was zu statistisch verzerrten Datensätzen führt, wird im Programmsystem unterbunden. (iv) Die Verfeinerung gegen |F|2 ist wesentlich empfindlicher gegenüber Fehlern wie dem falschen Setzen von H-Atomen oder dem falschen Zuordnen von Atomtypen (z.B. C/N/O).98 96 Platzsparend schreibt man oft (strenggenommen inkorrekt) "gegen F 2 ". Wie ist der Unterschied zwischen A2 und |A|2 bei einer komplexen Zahl A?! 97 Das unerwartete Quadrieren mit anschließender Wurzelziehung beruht auf computertechnisch effizienterem Rechnen. 98 Das hat zwei Gründe: (i) H-Atome streuen bei niedrigem Beugungswinkel, wo |F|-Werte verhältnismäßig größer sind, stärker; (ii) Die Unterschiede zwischen Streufaktorkurven für benachbarte Atome wie N und O sind ebenfalls bei niedrigem Beugungswinkel größer. Bei |F|2-Werten werden diese Effekte hervorgehoben. 92 7.9 Elektronendichte und Atomtyp Bei röntgenographischen Methoden muss jeder Peak der Elektronendichte als bestimmter Atomtyp interpretiert werden. Der richtige Atomtyp (und somit der Streufaktor) kann aus einer Betrachtung der Chemie, der Geometrie und der Zahl der gebundenen H-Atome (soweit gefunden) zugeordnet werden. Weitere Hinweise liefern die Temperaturfaktoren. Wird ein Peak versehentlich als ein zu großes Atom verfeinert, so wird die Elektronendichte "verschmiert", und der U-Wert wird zu groß. Bei einem zu klein gesetzten Atomtyp wird U zu klein … (sogar Null bzw. negativ), und signifikante Restelektronendichte taucht in der Nähe des Atoms auf (Abb. 7.6). Abb. 7.6. Restelektronendichte bei falscher Atomzuordnung. (a) verfeinertes Modell; (b) richtige Atomzuordnung. Die Restelektronendichte zeigt Maxima in der Nähe der "zu leichten" Atome sowie an den H-Positionen (H-Atome der Ethylgruppe liegen außerhalb dieses Querschnitts). 7.10 Anomale Streuung und Absolute Konfiguration Die sogenannte anomale Streuung bei Schweratomen besteht in einer Phasenverschiebung des gebeugten Strahls, die immer in derselben Richtung wirkt (in der Gauß'schen Zahlenebene gegen Uhrzeigersinn). Das Ausmaß des Effekts ist klein, nimmt aber mit zunehmender Kernladungszahl unregelmäßig zu.99 Die wichtigste Folge der anomalen Streuung ist, dass bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen mit ausreichend schweren Atomen die Beträge der Vektoren F(hkl) und F( hkl ) nicht mehr exakt gleich sind (Abb. 7.7), d.h. das Friedel'sche Gesetz |F(hkl)| = |F( hkl )| ist nur noch eine Näherung. Somit 99 Wie schwer ist ein "Schweratom"? Bei Mo-Strahlung ist die anomale Streuung bei Atomen der ersten beiden Perioden im allgemeinen vernachlässigbar; erst ab Atomen der 3. Periode wird der Effekt signifikant. Bei Cu-Strahlung ist der Effekt ausgeprägter und wird bereits bei Sauerstoff signifikant. Beispiel: für Silizium gilt f = 14 (bei 2θ = 0°), anomale Streuung f " = 0.07 (Mo-Strahlung) bzw. 0.33 (Cu-Strahlung). 93 weisen auch die Intensitäten der Reflexe hkl und hkl kleine (einige Prozent der Intensität), jedoch messbare Friedel- oder Bijvoet-Unterschiede auf. Bei zentrosymmetrischen Strukturen gilt das Friedel'sche Gesetz trotz anomaler Streuung immer noch exakt. Ohne anomale Streuung gelten äquivalente Reflexe nach der Laue-Gruppe (Abschn. 2.8); z.B. in der orthorhombischen Raumgruppe P212121 (Laue-Gruppe mmm) sind zum Reflex 123 auch die Reflexe 123, 1 2 3, 12 3 , 1 2 3 , 12 3 , 1 2 3 und 1 2 3 äquivalent. Bei signifikanter anomaler Streuung gilt nur noch die Punktgruppe (synonym: Kristallklasse, Abschn. 1.8) 222; exakt äquivalent zu 123 sind nur noch 1 2 3 , 12 3 und 1 2 3. Die anderen vier Reflexe 123, 1 2 3, 12 3 und 1 2 3 sind auch zueinander exakt äquivalent, aber die beiden Vierersätze haben signifikant unterschiedliche Intensitäten. Abb. 7.7. Auswirkung der anomalen Streuung (stark vereinfacht). Das wichtigste Ergebnis: |F(h)|anom ≠ |F(–h)| anom. Ist |F(hkl)| prinzipiell ungleich |F( hkl )|, so können wir nach der Strukturfaktorgleichung die Strukturen mit Atomlagen +x, +y, +z bzw. –x, –y, –z, d.h. Bild und Inversionsbild ("Spiegelbild"), voneinander unterscheiden; eines davon wird zu den gemessenen Intensitäten besser passen, d.h. der R-Wert ist kleiner. Da aber der Unterschied in den RWerten recht klein sein kann, wurde eine zuverlässigere Methode von Flack entwickelt. Dabei wird ein Bruchteil x der invertierten Struktur mitverfeinert: |F(hkl, x)|2 = (1–x)|F (hkl)|2 + x |F ( hkl )|2 Bei x ≈ 0 ist die Struktur korrekt, bei x ≈ 1 muss sie invertiert werden. Bei einer enantiomerenreinen Substanz bestimmt man auf diese Weise die absolute Konfiguration. Solche Substanzen kristallisieren zwangsläufig in chiralen Raumgruppen (Abschn. 1.6.5). 94 7.11 Unordnung 100 Lässt sich ein Atom (oder mehrere) in Differenz-Synthesen nur andeutungsweise finden, und/oder weist ungewöhnlich hohe Temperaturfaktoren auf, so kann dies auf Unordnung zurückzuführen sein. Wir unterscheiden zwei Fälle: (i) Dynamische Unordnung. Einige Gruppen können sich im Kristall, z.B. wegen kleiner Rotationsbarrieren, heftig bewegen. Beispiele: kleine, nicht koordinierte, hochsymmetrische Anionen wie ClO4–, BF4–, PF6–; torsionssymmetrische Gruppen wie –CF3, –CH3; lange Alkylketten. (ii) Statische Unordnung. Ein Atom bzw. eine Gruppe kann mehrere alternative Lagen mit fast gleicher Energie einnehmen. Beispiele: o-C6H4F, –SO2F. Man ermittelt nur ein über Zeit und Raum gemitteltes Bild aller alternativen Lagen. Typische Symptome bei der Verfeinerung einer ungeordneten Struktur sind: schwer zu erkennende Strukturteile; hohe U-Werte; sehr ungleiche Uii-Komponenten und somit asymmetrische Ellipsoide; hohe Restelektronendichte; langsame Konvergenz; schlechte RWerte. In günstigen Fällen lassen sich die teilbesetzten Lagen einer statischen Unordnung verfeinern. Durch Tieftemperaturmessungen wird dynamische Unordnung deutlich herabgesetzt bzw. aufgehoben; statische Unordnung wird besser aufgelöst. In Abb. 7.8 sieht man ein Beispiel eines erfolgreich aufgelösten Unordnungsproblems. Abb. 7.8 (links): Ein über ein Inversionszentrum ungeordnetes Toluolmolekül (ohne H-Atome); (rechts): Die entsprechenden Peaks in der Differenz-Synthese. Warum gibt es nur 5 Peaks? 100 Das Thema wurde bereits in Kap. 5 andiskutiert. 95 7.12 Libration Libration bedeutet Schwingung entlang eines Bogens. Die Röntgenstrukturanalyse ermittelt bei schwingenden Atomen unter Annahme ellipsoidenförmiger Thermalbewegung den Schwerpunkt; hierdurch scheinen die Bindungen etwas kürzer zu sein, als sie tatsächlich sind (Abb. 7.9a). Bei großen Schwingungsamplituden sind Librationseffekte erheblich (ca. 0.1 Å); die systematischen Fehler sind also viel größer als die berechneten esd's. Tieftemperaturmessungen liefern zuverlässigere Bindungslängen (Abb. 7.9b). Abb. 7.9a. Librationseffekte. Die tatsächliche Atombewegung entlang des Bogens wird als Ellipsoid verfeinert; dadurch wird die Bindungslänge von d auf d' verfälscht. Librationskorrekturen können in Einzelfällen durchgeführt werden (Seminaraufgabe 13); Voraussetzung ist ein starrer Körper ohne freie Drehungen um Einfachbindungen, was leider nur bei den allerwenigsten Molekülen zutrifft. Abb. 7.9b. Struktur von Ph3PAuCF3 bei –100°C (links) bzw. RT (rechts) mit 50%-Ellipsoiden. Werte für die CF3-Gruppe: mittlere U(F) 0.10 bzw. 0.17Å2; mittlere C-F-Bindungslänge 1.324 bzw. 1.298Å; Au-CBindungslänge 2.045(4) bzw. 2.031(6)Å. 96 7.13 Constraints 101 Ein Constraint ist das Festhalten eines Parameters bei einem bestimmten Wert; z.B. bei einem Atom auf dem Inversionszentrum 0, 0, 0 in P 1 sind alle Koordinaten unveränderlich Null. Welcher andere Parameter muss in diesem Fall festgehalten werden? Bei Atomen, die auf bestimmten speziellen Lagen liegen, unterliegen die Uij -Werte einigen Einschränkungen. Nehmen wir als Beispiel eine zweizählige Achse || b (Abb. 7.10). Durch die 180°-Drehung wird x in –x, z in –z umgewandelt. Folgende saloppe Argumentationsweise führt zu korrekten Ergebnissen: U12 verhält sich wie das Produkt xy (x ≡ 1 usw.). Durch die zweizählige Achse wird xy zu –xy und deshalb U12 zu –U12. Bei U12 = –U12 muss gelten U12 = 0. U12 (und analog U23) muss also beim Wert 0 festgehalten werden. Die meisten modernen Programme setzen korrekte Constraints automatisch. Abb. 7.10. Bei einem Atom auf einer zweizähligen Achse parallel zu b darf die Drehung die Form des Ellipsoids nicht ändern. Links falsch, rechts richtig! 7.14 Starre Gruppen Bestimmte chemische Gruppen können als starre Gruppen verfeinert werden. Eine starre Gruppe besitzt vorgegebene, idealisierte Geometrie und wird mit 6 Lageparametern (x, y, z des ersten Atoms sowie 3 Drehungen) verfeinert. Diese Vorgehensweise entspricht mathematisch auch einem Constraint. Die Methode hat folgende Vorteile: (i) bei schlechtem Daten/Parameter-Verhältnis kann die Anzahl der Parameter klein gehalten werden; (ii) bei großen Koordinationsverbindungen mit schwerem Übergangsmetall und vielen Phenylgruppen kann die Verfeinerung ebenfalls beschleunigt werden (iii) bei schlecht aufgelösten oder ungeordneten Atomen wird die Geometrie festgehalten. Insbesondere werden folgende Gruppen als starre Gruppen verfeinert: Ph, Cp, Me (z.B. Ph als regelmäßiges Sechseck mit Bindungslänge 1.395 Å). Nachteil: gilt die idealisierte Geometrie? 101 Abschn. 7.12–7.15 (einschl.) sind kein Klausurstoff! 97 Methylgruppen (s. Abschn. 7.5) können als starre Gruppen verfeinert werden, wenn man für die H-Atome Startpositionen findet (Restelektronendichte!). 7.15 Restraints Ein Restraint ist eine zusätzliche Information bei einer Verfeinerung; z.B. "zwei chemisch äquivalente Bindungen seien gleich lang", oder "ein Phenanthren-Ringsystem sei planar". Ein Restraint ist nicht exakt; vielmehr entspricht es einer Wahrscheinlichkeitsverteilung ("Bindungslänge A–B sei gleich Bindungslänge C–D ± 0.005 Å" oder allgemeiner "verfeinerter Wert Q sei gleich Qideal ± ∆"). Mathematisch ist ein Restraint qualitativ äquivalent zu einer beobachteten Intensität ("die Intensität des Reflexes 641 ist 23.2 ± 0.3"). Das Quadrat w(Q –Qideal)2 geht in die Verfeinerung mit Gewicht w = 1/∆2 ein, so dass eine schlechte Übereinstimmung den R -Wert erhöht; umgekehrt ausgedrückt wird der Wert Q gezwungen, etwa gleich Qideal zu sein. Vernünftig angewendete Restraints erfüllen den Zweck, dass instabile Verfeinerungen (z.B. bei freier Verfeinerung von H-Atomen oder bei Unordnung) stabilisiert werden.102 Hier einige Restraint-Typen nach Namen der jeweiligen Programmbefehle: DFIX l ∆ At1 At2 At3 At4 ... : Abstände At1–At2, At3–At4, ... , seien gleich l±∆. SADI l ∆ At1 At2 At3 At4 ... : Abstände At1–At2, At3–At4, ... , seien gleich ±∆, ohne einen bestimmten Wert l anzunehmen.103 FLAT ∆ Atome : die genannten Atome seien koplanar ± ∆. SAME At1 ... AtN ∆ : Alle 1,2- sowie 1,3-Abstände (Winkel!) der Atome At1 bis AtN seien gleich denen der Atome in der nachstehenden Liste in derselben Reihenfolge ± ∆; z.B. bei chemisch äquivalenten Gruppen. (Abb. 7.11): ISOR ∆: alle genannten Atome werden anisotrop verfeinert, sollten aber in etwa isotrope Auslenkungsparameter (± ∆) haben. SIMU ∆: alle genannten Atome sollten Auslenkungsparameter gleich denen der Nachbaratome (± ∆) haben. DELU ∆: alle genannten Atome sollten Auslenkungsparameter aufweisen, deren Komponenten entlang gemeinsamer Bindungen gleich (± ∆) seien. 102 TT-Messungen sind aus bekannten Gründen weniger anfällig; die Verfeinerung einer TT-Struktur erfolgt in der Regel ohne die Anwendung von starren Gruppen bzw. Restraints (Ausnahmen: frei verfeinerte HAtome, ungeordnete Gruppen). 103 Man könnte diesen Befehl z.B. für H-Atome eines Metallhydridclusters verwenden, wenn man davon ausgehen dürfte, einige M–H-Abstände seien gleich (Seminaraufgabe 11!). 98 Abb. 7.11. Auswirkung einiger Restraints auf Thermalellipsoide. 7.16 Extinktion Am Ende einer Verfeinerung wird eine Liste schlecht übereinstimmender Reflexe ausgedruckt. Sind viele starke Reflexe mit |Fbeob| << |Fber| bei niedrigem 2θ dabei, so weist dies auf Extinktion hin.104 Man unterscheidet zwei Typen der Extinktion: (i) Primäre Extinktion. Von einer Ebene gebeugte Röntgen treffen die nächste Ebene der jeweiligen Schar in einem für weitere Beugung geeigneten Winkel (Abb. 7.12a). Doppelt gebeugte Röntgen weisen zum Primärstrahl einen Phasenunterschied von 180° auf. Damit wird sowohl der Primärstrahl als auch der einfach gebeugte Strahl geschwächt. Weil die meisten Kristalle nicht ideal sind (Abb. 7.12b), ist dieser Effekt normalerweise unwichtig. (a) (b) (c) Abb. 7.12. (a): Primäre Extinktion; (b): Typische Mosaikstruktur eines Kristalls; (c): Sekundäre Extinktion. 104 Extinktion ist bei starren, idealkristallinen Substanzen (z.B. Diamant, Metalloxide bzw. -salzen) besonders ausgeprägt. 99 (ii) Sekundäre Extinktion (Abb. 7.12c) ist eine Abschirmung der Gitterebenen im Inneren des Kristalls vom vollen Primärstrahl, weil die äußeren Ebenen einen Teil "wegbeugen". Dieser Effekt ist bei großen, stark streuenden Kristallen manchmal wichtig; eine von vielen vorgeschlagenen Korrekturen verwendet einen Korrekturfaktor x, wobei : |F|ber,korr = |F|c/[1+x|F|c2λ3/sin 2θ]¼ und der Parameter x verfeinert wird (typischer Wert bei signifikanter Extinktion: etwa 10–6; nicht mit dem Flack-Parameter x, Abschn. 7.10, verwechseln!). 7.17 Kriterien einer guten Strukturanalyse Am Ende einer Verfeinerung sollten folgende Kriterien erfüllt sein: 1. Die R-Werte sollten niedrig sein (wR2 etwa 0.10, R1 etwa 0.04 bei organischen Strukturen, etwas niedriger bei Schweratomstrukturen). 2. Die Verfeinerung muss gut konvergiert sein (maximale Verschiebungen < 0.01 σ). 3. Das Daten/Parameter-Verhältnis sollte hoch (> 10) sein, damit die molekularen Dimensionen kleine Standardabweichungen aufweisen. 4. Es sollte keine signifikante Restelektronendichte vorliegen; bei organischen Strukturen sollten die größten Peaks < 0.3 e Å–3 sein, bei Schweratomstrukturen können z.B. wegen Restabsorptionsfehler etwas größere Peaks (bis etwa 3 e Å–3) in der Nähe der Schweratome auftauchen. 5. Bindungslängen und –winkel sollten keine Ungereimtheiten aufweisen (vgl. Seminaraufgabe 12); ungewöhnlich kurze intermolekulare Kontakte sollten anhand bekannter Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrücken zu erklären sein. 6. Thermalellipsoide sollten keine extremen Formen (z.B. "Zigarren"/"Pfannkuchen") aufweisen. 7.18 Beschreibung einer Struktur C. Wölper (private Mitteilung, 2010) hat folgende Tipps zur ausreichenden Beschreibung einer Struktur zusammengefasst. Seine entsprechende Liste bezüglich der Molekülpackung wird hier nicht diskutiert; s. Master-VL. • Wie ist die Raumgruppe? • Wie ist der Inhalt der asymmetrischen Einheit? Gibt es mitkristallisierte Lösungsmittelmoleküle? • Wie ist der Z-Wert? Befinden sich Moleküle/Ionen auf speziellen Lagen? • Ist die Substanz polymer oder oligomer? Wenn ja: über welche Symmetrieoperation/en wird das Polymer/Oligomer erzeugt? • Sind Bindungslängen und -winkel normal? Falls nicht, was könnte die Ursache sein? 100 • Bei chiralen Molekülen: wie ist die Konfiguration der Stereozentren? Ist die Struktur enantiomerenrein oder racemisch? • Bei nichtzentrosymmetrischen Strukturen: konnte die Struktur von der invertierten Struktur unterschieden werden (Flack-Parameter)? • Wie ist die Koordinationsgeometrie an den wichtigsten Atomen / am Zentralatom? • Gibt es Besonderheiten bei der Konformation? • Gibt es Unordnung? Aufgabe: Verwenden Sie den Ausdruck von YLITEST (Seminaraufgabe 13), um möglichst viele der o.g. Fragen (Abschn. 7.17 sowie 7.18) zu beantworten (einige treffen nicht zu). 101 8. Allgemeine Aufgaben 1. Wieviele kubische Zellen mit Achsenlängen 10 Å gibt es in einem würfelförmigen Kristall mit Kantenlänge 0.1 mm? 2. Man dreht ein zweidimensionales, nicht rechteckiges Gitter in der Gitterebene um 180° um einen Gitterpunkt. Kann man das neue Bild vom ursprünglichen unterscheiden? Welche Symmetrie hat das Gitter? 3. Wie ist das Kristallsystem entsprechend einer primitiven Elementarzelle mit Gitterkonstanten (i) a = 5, b = 7, c = 11 Å, α = γ = 90°, β = 120°, (ii) a ≠ b ≠ c, α, β ≠ 90°, γ = 90° ? 4. Eine Verbindung kristallisiert I-Zentriert. (i) Wie sind die Koordinaten aller Gitterpunkte der Zelle? (ii) Ein Atom liegt auf 0.2, 0.3, 0.4. Sind folgende Lagen zur Stammlage über Translation äquivalent: 1.2, 1.3, 1.4; 1.2, 2.3, 3.4; 0.2, 0.3, –0.6; 0.8, 0.7, 0.6; 0.7, 0.8, 0.9; –0.8, –0.7, 0.9; 0.7, 0.3, 0.4; –0.3, –1.2, –2.1? 5. In einer eindimensionalen Zelle: Welche neue Koordinate bekommt man, wenn man den Punkt x (0 < x < 1) (i) im Ursprung (ii) im Punkt 0.5 (iii) im Punkt m (0 < m < x) invertiert? Ändert sich etwas, wenn die Einschränkungen wegfallen? Wie ist bei (iii) die Summe des ursprünglichen und des invertierten Punktes? 6. (a) Die Raumgruppe P 1 hat ein Inversionszentrum im Ursprung. Ein Atom liegt bei 0.2, 0.35, 0.55. Wo liegt das symmetrieäquivalente Atom? Gibt es ein solches Atom in der Referenzzelle (d.h. alle Koordinaten zwischen 0 and 1)? Muss es zwischen dem Stammatom und diesem neuen Atom ein Inversionszentrum geben und falls ja, wo liegt es? Wo liegen weitere Inversionszentren? (b) Die Raumgruppe P 4 hat eine 4 -Achse im Ursprung mit Achsenrichtung || c. Ein Atom liegt bei 0.2, 0.35, 0.55. Wo liegen die symmetrieäquivalenten Atome (s. Abschn. 1.4)? Berechnen Sie die Koordinaten eines äquivalenten Atoms, das in der Referenzzelle liegt. 7. (i) Mit Quadratpapier: wie ist der Abstand zwischen den Punkten (1, 2) und (4, 6), wenn die Seitenlänge eines Quadrats 1 bzw. 0.5 cm beträgt? (ii) In einer orthorhombischen Zelle mit a = 5, b = 10, c = 20 Å liegen die Atome A auf 0.1, 0.1, 0.1 und B auf –0.05, 0.15, 0.15. Berechnen Sie die Bindungslänge A–B. Wie könnte man (bei gegebenen Koordinaten eines dritten Atoms C) den Winkel ABC berechnen? (iii) In einer tetragonalen Zelle mit a = b = 10, c = 20 Å liegt Atom A auf (0.2, 0.2, 0.1), B auf (0.3, 0.3, 0.1) und C auf (0.45, 0.15, 0.1). Berechnen Sie den Winkel ABC. (iv) In einer (nicht konventionsmäßig aufgestellten!) triklinen Zelle mit a = 10, b = 15, c = 20 Å, α = 60°, β = 70°, γ = 120° liegt das Atom C1 auf (0.5, 0.5, 0) und C2 auf (0.6, 0.6, 0). Berechnen Sie die Bindungslänge C1–C2. 102 8. Zeichnen Sie möglichst genau (Quadratpapier, Geodreieck) eine zweidimensionale Zelle mit a = 10, b = 6 Å, γ = 120° (Maßstab: 1 cm ≡ 1 Å). Wo liegt die Linie x = 0? Zeichnen Sie die Linien x = 0.3 und y = 0.2 ein. Wo liegt der Punkt (0.3, 0.2)? Tragen Sie auch folgende Punkte ein: (0.5, 1.1), (–0.2, 0.5). 9. (i) Zeigen Sie, dass die Symmetriekombination 2/m an einem Punkt (Spiegelung in derselben Richtung wie die zweizählige Achse) auch Inversion in diesem Punkt beinhaltet. (ii) Zeigen Sie anhand einer stereographischen Projektion, dass 6 ≡ 3 + m. 10. (i) Was für eine Gleitspiegelebene entnimmt man der Abb. 1.9a, wenn die Achsen so definiert werden: parallel zum Boot a, senkrecht zum Boot und parallel zur Wasserfläche b, senkrecht zur Wasserfläche c? (ii) Kann es eine b-Gleitspiegelebene senkrecht zu b geben? 11. Was passiert, wenn man die Operationen (i) c ⊥ b bzw. (ii) 21 || b (wie in Abschn. 1.5 definiert) wiederholt? 12. Wie ist die Wirkung auf die Stammposition x, y, z (in P21/c) von den Operationen cGleitspiegelebene und anschließend 21-Schraube? (Abschn. 1.6; vgl. mathematischen Begriff „Gruppe“!). 13. (a) Erklären Sie die Raumgruppensymbole (i) Cc (ii) Pccn (iii) I4/m. Das Raumgruppensymbol muss nicht alle Symmetrieelemente der Raumgruppe angeben; nur die expliziten Elemente sind zu deuten! (b) Wo liegt konventionsgemäß der Ursprung (bezogen auf die Symmetrieelemente) in folgenden Raumgruppen: P 1 , P1, P2, Pm, P2/m, P21/m? In welchen dieser Fälle ist der Ursprung eindeutig in allen drei Raumrichtungen definiert? 14. [2.4]Paracyclophan, C18H20, kristallisiert in Pbca (orthorhombisch) mit Gitterkonstanten a = 11.515, b = 18.329, c = 13.041 Å. Die Dichte ist etwa 1.1 g cm–3. Berechnen Sie (i) U, das Volumen der Zelle in Å3 (ii) Z (iii) die genaue Dichte. Strenggenommen sollte die Dichte in SI-Einheiten Mg m–3 angegeben werden. Wie ändert sich dabei der Zahlenwert? 15. (a) Naphthalin, C10H8, kristallisiert in P21/c mit a = 8.658, b = 6.003, c = 8.235 Å, β = 122.92°. Wieviele Moleküle gibt es (i) pro Zelle (ii) pro asymmetrischer Einheit ? Was bedeutet dies für die Symmetrie des Moleküls? (U = abc sin β in monoklinen Zellen). (b) Azulen, C10H8 (ein Siebenring mit einem Fünfring anneliert, s. Formelbild), kristallisiert in P21/c mit Zellvolumen 362.6 Å3. Was kann man über die Molekülsymmetrie aussagen? 103 16. Die rote Modifikation von PbO ist tetragonal, a = b = 3.98 Å, c = 5.02 Å, mit zwei Formeleinheiten in der Elementarzelle. Pb liegt auf 0, 0.5, 0.237 und 0.5, 0, 0.763, O auf 0, 0, 0 und 0.5, 0.5, 0. Zeichnen Sie einen 2×2-Block von 4 Zellen mit Inhalt projiziert parallel zur c-Achse. Dabei ist es sinnvoll, das zweite Pb-Atom um –1 in c-Richtung zu verschieben (warum?). Die Höhen (z-Koordinaten) per Hand eintragen! Berechnen Sie den kürzesten Pb–O- und den kürzesten PbLPb-Abstand. Wie ist die Koordinationsgeometrie an Pb und O? Wo liegen die Symmetrieelemente: 4, 4 , m (zwei Typen), 1? Ist die Aufstellung konventionsgemäß? 17. Zeichnen Sie eine rechteckige zweidimensionale Zelle mit a = 5 Å, b = 12 Å. Tragen Sie die Miller-Ebene (110) ein (die c-Achse bleibt undefiniert, der l-Index ist gleich Null; in zwei Dimensionen erscheint die Miller-Ebene als eine Linie), dann alle Ebenen derselben Schar, die die Zelle durchlaufen bzw. berühren. Kennzeichnen Sie die Stammebene. Wiederholen Sie den Vorgang (getrennte Diagramme!) für folgende Millerebenen: (220), (230), (2 3 0), ( 2 30), ( 23 0). In jedem Diagramm sollten der Ursprung und die Achsen an den gleichen Stellen sein. 18. (i) Zeigen Sie, dass ein monoklines A-Gitter einer anderen Aufstellung eines monoklinen C-Gitters entspricht. (ii) Zeigen Sie, dass ein monoklines I-Gitter einer anderen Aufstellung eines monoklinen C-Gitters entspricht. Hinweis: zeichnen Sie mehrere benachbarte Zellen mit allen Gitterpunkten einschl. Höhenangaben, projiziert auf die ac-Ebene. Wie ist die Umorientierungsmatrix? (iii) Zeigen Sie, dass sich eine Czentrierte tetragonale Zelle in eine primitive, und eine F-zentrierte tetragonale Zelle in eine I-zentrierte transformieren lassen (Hinweis: wie bei Teil (ii), projiziert parallel zur c- Achse). Abb. zu Aufgabe 18(iv). (iv) Die Abbildung zeigt die ac-Ebene einer B-zentrierten monoklinen Zelle. Die Achsen a und c entsprechen der B-zentrierten Zelle. Aus den halben Diagonalen erzeugt man neue Achsen a' und c', die einer primitiven monoklinen Zelle entsprechen. Wie ist die Umorientierungsmatrix? Wie ist die Determinante dieser Matrix? 19. Eine trikline Zelle hat die Gitterkonstanten a = 5, b = 7, c = 6 Å, α = 75°, β = 80°, γ = 85°. Wie ist die konventionsmäßige Zelle, und welche Umorientierungsmatrix beschreibt die Umwandlung der ursprünglichen zur neuen Zelle? 104 20. Es wird mit Mo-Kα-Strahlung (λ = 0.71073 Å) bis 2θ 60° gemessen. Wie ist der maximal erreichbare Miller-Index bei einer Achsenlänge von 20 Å? (Tipp: Bragg’sche Gleichung). 21. (vgl. Tab. 2.4). Welchen Lauegruppen bzw. welchen Kristallklassen gehören folgende Raumgruppen an: P 1 , P2/m, C2221, Pca21, I41/a ? 22. Welche Reflexe sind äquivalent zum Reflex 123 in der Raumgruppe I 41/a? (Hinweis: vgl. Abschn. 1.4). 23. Eine Verbindung kristallisiert orthorhombisch C-zentriert mit a = 5, b = 10, c = 20 Å. Es gibt keine weiteren Auslöschungen (über die der C-Zentrierung hinaus). Skizzieren Sie maßstabsgerecht die Schichten 1kl sowie hk1 des reziproken Gitters (Indexbereiche 0 bis +5). Aus Ihren Skizzen soll deutlich hervorgehen, welche Reflexe ausgelöscht sind. 24a. Welche Auslöschungen werden verursacht durch: (i) eine 21-Schraube parallel zu a; (ii) eine b-Gleitspiegelebene senkrecht auf a; (iii) eine n-Gleitspiegelebene senkrecht auf b? 24b. (s. ggf. Tab. 2.2, 2.4). Welchen Raumgruppen entsprechen folgende Auslöschungen: (i) monoklin, h0l fehlt bei ungeradem l; (ii) monoklin, hkl fehlt bei ungeradem (h+k); (iii) orthorhombisch, h00, 0k0, 00l alle fehlen bei ungeradem Index; (iv) orthorhombisch, 0k0 und 00l fehlen bei ungeradem Index; (v) orthorhombisch, 0kl fehlt bei ungeradem l, h0l bei ungeradem h, 00l bei ungeradem l; (vi) Wird bei (ii) die Antwort anders, wenn es sich um ein natürliches Peptid handelt ?! 25. (vgl. Aufgabe 24b(i)). Kann man die monoklinen Raumgruppen P2/c und Pc durch Auslöschungen unterscheiden? Was passiert, wenn man versucht, eine Struktur, die tatsächlich in P2/c kristallisiert, in Pc zu lösen? Und umgekehrt? Für konkrete Beispiele s. Seminar-Aufgabe 14. Reductio ad absurdum: Was passiert, wenn man versucht, eine Struktur, die tatsächlich in P2/c kristallisiert, in P1 zu lösen?! 26. (i) Ohne Taschenrechner!! Berechnen Sie den Abstand d zwischen Miller-Ebenen (012) einer orthorhombischen Zelle mit a = 7.0, b = 8.0 und c = 12.0 Å. Wo liegen die Ebenen (012 )? Skizzieren Sie einen Teil der 0kl-Schicht des reziproken Gitters (vgl. Aufgabe 23) und kennzeichnen Sie die Reflexe 012 und 012 ; berechnen Sie d*(012), den Abstand vom Ursprung zum Punkt 012. Wie sind die Werte d und d* miteinander verwandt? [Die beobachtete Beziehung gilt für alle Zellen (nicht nur rechtwinkelige)]. (iii) Berechnen Sie (mit Taschenrechner!) das Volumen pro Reflex im reziproken Raum. (iv) Der Reflex 012 hat die Phase π/2. Zeichnen Sie dieselben Reflexe 012 und 012 in der Gauß'schen Zahlenebene (einen beliebigen |F|-Wert annehmen). 27. Zeichnen Sie in der Gauß'schen Zahlenebene (i) einen Reflex, der eine Phase von 225° hat; (ii) ein Friedel-Paar hkl und hkl , von dem der Reflex hkl eine Phase von 135° hat; (iii) ein beliebiges Friedel-Paar hkl und hkl einer zentrosymmetrischen Struktur. 105 28. (i) Eine Struktur enthält in der Zelle n gleiche Atome mit Streufaktor f. Wie ist der maximale Betrag eines Strukturfaktors? (Diese Größe wird üblicherweise als |F000| bezeichnet – warum?). (ii) Im Abschn. 2.4 hieß es: "Liegen alle Atome in den Ebenen hkl, so erzeugen diese einen Reflex hkl mit hoher Intensität und Phase 0°; liegen die Atome versetzt um d/2, so ist die Intensität gleich hoch, die Phase ist aber 180°." Beweisen Sie dieses Prinzip für den Reflex 2 einer eindimensionalen Gleichatomstruktur (wo liegt bei einer eindimensionalen Zelle die Miller-Ebene 2 und die anderen Ebenen derselben Schar?). Sind Ihre Modellstrukturen zentrosymmetrisch? (iii) Wie ist der Strukturfaktor, wenn beide Sätze Atompositionen (sowohl in als auch zwischen den Ebenen) besetzt sind? 29. In einer eindimensionalen Zelle: Zeichnen Sie eine beliebige Miller-Ebene h und die Nachbarebene derselben Schar, die durch den Ursprung verläuft. Ein Atom liegt bei x (zwischen beiden Ebenen). Der Phasenabstand zwischen den Ebenen ist definitionsgemäß 2π. Beweisen Sie, dass der Phasenunterschied vom Ursprung zum Atom 2π hx beträgt. 30a. Bei der kubischen CsCl-Struktur liegt Cs auf (0, 0, 0) und Cl auf (½, ½, ½). Wie sind die Strukturfaktoren, wenn (h + k + l) gerade bzw. ungerade ist? Zeichnen Sie entsprechende Argand-Diagramme (Gauß’sche Zahlenebenen) [ZCs = 55, ZCl = 17]. (a) Welches Atom bestimmt die Phasen (vgl. Kap. 3)? (b) Ändern sich die Reflexintensitäten, wenn man den Ursprung auf die Cl-Lage umdefiniert? (c) Wie könnte man mit "Trial-andError"-Methoden die Struktur lösen? (d) Wie sind die Reflexphasen bei irgendeiner Struktur, wo ein Schweratom auf dem Ursprung liegt? (e) Ist die Struktur primitiv oder zentriert? (f) Sind alle Reflexe mit (h + k + l) gerade bzw. ungerade gleich stark?! 30b. Berechnen Sie einen ungefähren Zahlenwert für den Strukturfaktorbetrag |F| eines starken Reflexes [in den üblichen Einheiten Elektronen] bei der Strukturbestimmung einer organischen Verbindung mit Zellvolumen 1000 Å3. 31. (a) (vgl. die eng verwandte Aufgabe 40): Eine Verbindung wird am Diffraktometer untersucht. Die vorläufige Zelle ist: a = 16.81(2), b = 16.85(2), c = 13.60(2) Å, α = 90.0(2), β = 90.0(2), γ = 90.1(2)°. Das Steuerprogramm beschreibt die Zelle als tetragonal. Überprüfen Sie die Lauegruppe anhand folgender Intensitäten (Zahlen in Klammern sind Standardabweichungen; die linke Spalte entspricht Äquivalenten der tetragonalen LaueGruppe 4/m und die rechte Äquivalenten der orthorhombischen Lauegruppe mmm, deswegen sind einige Reflexe doppelt da): 1 5 -1 -5 1 5 -1 -5 5 -1 -5 1 5 -1 -5 1 3 3 3 3 -3 -3 -3 -3 285(2) 39(1) 287(2) 39(1) 290(3) 40(1) 283(2) 41(2) 1 -1 1 1 -1 -1 1 -1 5 5 -5 5 -5 5 -5 -5 3 3 3 -3 3 -3 -3 -3 285(2) 10.5(5) 10.1(4) 290(2) 287(2) 9.9(4) 10.4(5) 283(2) Natürlich verlässt man sich in der Praxis nicht auf eine Handvoll Daten, sondern analysiert den ganzen Datensatz (Seminaraufgabe 16). 106 (b) Die Schuhkartons in Abb. 0.3 sind metrisch (von den "Gitterkonstanten" her) orthorhombisch. Ordnen Sie anhand des Zellinhalts die jeweilige Raumgruppe zu (kleine Abweichungen von idealer Geometrie/Symmetrie sind zu vernachlässigen!). Wie sind die jeweiligen Kristallsysteme? Sind die Raumgruppen zentrosymmetrisch? 32. Bei einer Patterson-Lösung in P 1 gibt es durch Halbieren von 2x, 2y, 2z die Lösung 0.1, 0.2, 0.3. Welche anderen korrekten Lösungen gibt es in der Referenzzelle (Koordinaten zwischen 0 und 1)? 33. Die Verbindung C18H29N2O4F3SPd kristallisiert in P21/c mit Z = 4. Die höchsten Patterson-Peaks sind (mit Höhen in Klammern): 0, 0, 0 (999); 0, 0.130, ½ (366); 0.601, ½, 0.408 (351); 0.399, 0.370, 0.092 (184). Berechnen Sie die Lage des Palladium-Atoms. 34. Ein bromierter Naturstoff mit einem Bromatom kristallisiert in P21 (Symmetrieoperatoren x, y, z; –x, ½+y, –z) mit Z = 2. Wo genau liegt der Ursprung in dieser Raumgruppe? Der größte Patterson-Peak liegt bei 0.2, ½, 0.4. Wo liegt das Bromatom? Wie sieht eine Differenz-Fourier-Synthese aus, die vom Bromatom ausgehend gemacht wird? 35. Eine Verbindung kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c [Symmetrieoperatoren: (0, 0, 0) oder (½, ½, 0) + {(x, y, z), (–x, –y, –z), (–x, y,½–z), (x, –y, ½+z)}] mit einem Schweratom in der asymmetrischen Einheit, und zwar auf 0.1, 0.3, 0.4. Berechnen Sie die drei höchsten unabhängigen Patterson-Peaks (abgesehen vom Ursprungspeak). Ist es notwendig, die ganze 8×8-Tabelle analog dem Beispiel P21/c (Aufgabe 32) aufzustellen? 36. Die Verbindung C12H9ClF5N3Pd kristallisiert in der Raumgruppe C2/c mit einem PdAtom in der asymmetrischen Einheit. Berechnen Sie die Lage des Pd-Atoms aus der Patterson-Funktion (nur die ersten 4 Peaks sind relevant): Peak 1 2 3 4 Höhe 999 431 367 200 x 0.000 0.500 0.216 0.283 y 0.000 0.163 0.000 0.164 z 0.000 0.500 0.447 0.047 37. Die Verbindung C12Η12Ν2Ο6 kristallisiert in P21/c. Folgenden Reflexen werden Phasen 0° zugeordnet: 2, 1, 10; –3, 1, 2; –1, 4, 1. Welche Phasen besitzen die Reflexe 5, 0, 8; –1, 2, 12; 3, 5, 9; –2, 3, 1; –4, 3, 3? Alle Reflexe haben ausreichend hohe |E|-Werte. Wichtig: in P21/c (aber nicht im allgemeinen!) gilt für Phasen φ äquivalenter Reflexe: φ(hkl) = φ ( hkl ) φ( h k l ) = φ(h k l) = φ(hkl) + 180(k+l). 105 105 d.h. bei (k+l) gerade bleibt die Phase unverändert, bei (k+l) ungerade ändert sie sich um π. Äquivalente Reflexe (Abschn. 2.9) müssen gleiche Intensität besitzen, die Phasen müssen aber nicht gleich sein! 107 Rechenbeispiel für den ersten Reflex 5, 0, 8: Phase Vorzeichen gegebener Reflex* –2, –1, –10 0 + gegebener Reflex* –3, 1, 2 0 + gesuchter Reflex 5, 0, 8 ? ? Summe 0, 0, 0 Summe 0 Produkt + * ggf. äquivalenter Reflex Hinweis: Den Argumenten vom Abschn. 4.4 folgend ist es unwichtig, ob man zur Wahl eines passenden dritten Reflexes ein Triplett so aufstellt, dass (h1, k1, l1) + (h2, k2, l2) + (h3, k3, l3) = 0, oder dass (h1, k1, l1) + (h2, k2, l2) = (h3, k3, l3), obwohl die Vorzeichen der Indizes (h3, k3, l3) in beiden Fällen umgekehrt sind; denn im zentrosymmetrischen Fall sind die Phasen von (h3, k3, l3) und (–h3, –k3, –l3) sowieso immer gleich (Abschn. 2.7). Als konkretes Beispiel: die Reflexe 1, 2, 3 und 4, 5, 6 können mit 5, 7, 9 oder –5, –7, –9 kombiniert werden; die Phasensumme bleibt 0 und das Vorzeichenprodukt bleibt +. 38. Der Beamstop eines Diffraktometers hat einen Durchmesser von 1 mm und liegt 20 mm hinter dem Kristall. Welcher 2θ-Bereich wird abgeschattet? Es wird Mo-Kα-Strahlung (λ = 0.71073 Å) verwendet. Wie ist bei Reflexbreite 1° die längste Achse, deren erster Reflex ohne Abschattungseffekte gemessen werden kann? 39. Die Kupferstrahlung besteht aus zwei Wellenlängen (mit unterschiedlichen Intensitäten): Kα1 1.54051 sowie Kα2 1.54433 Å. Der gewichtete Mittelwert beträgt 1.54184 Å. Berechnen Sie die Aufspaltung (in Grad) zwischen den Kα1- und Kα2Komponenten eines Reflexes, dessen gewichtetes Maximum bei 2θ 140° liegt. 40. Bei einer röntgenographischen Messung wird die vorläufige Zelle wie folgt bestimmt: a = 10.12, b = 13.87, c = 15.99 Å, α = 89.9, β = 90.0, γ = 90.1° (Fehlerwerte ca. 0.01 Å bzw. 0.1°). Folgende Liste enthält h, k, l, und I beob (mit Standardabweichungen in Klammern) für 16 Reflexe (einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtdatensatz). Kommentieren Sie die Ergebnisse unter Berücksichtigung der zu erwartenden äquivalenten Reflexe [orthorhombisch 8 Äquivalente, hkl und alle ±-Vorzeichenkombinationen; monoklin 4 Äquivalente, hkl, h k l, h k l , hkl ], und berechnen Sie den R (int)-Wert über alle 16 Reflexe. Berechnen Sie auch den R(sigma)-Wert. 1 -1 1 1 1 -1 -1 -1 2 2 -2 2 -2 2 -2 -2 3 3 3 -3 -3 -3 3 -3 100(2) 43(1) 39(1) 98(2) 41(1) 37(1) 97(2) 105(2) 2 -2 2 2 2 -2 -2 -2 3 3 -3 3 -3 3 -3 -3 4 4 4 -4 -4 -4 4 -4 50(1) 28(1) 24(1) 48(2) 26(1) 22(1) 47(2) 55(2) 41. Zeigen Sie, dass (wenn alles andere gleich bleibt) das Daten/Parameter-Verhältnis bei nicht-zentrosymmetrischen Strukturen um Faktor 2 schlechter ist als bei zentrosymmetrischen Strukturen (Tipp: Raumgruppe P1 bzw. P 1 mit gleicher Zelle). 108 42. (a) Skizzieren Sie die Streufaktorkurve eines C-Atoms (i) für den theoretischen Fall ohne Thermalbewegung (U = 0) sowie (ii) unter Berücksichtigung der Thermalbewegung bei der echten Struktur eines langkettigen Kohlenwasserstoffs. (b) Skizzieren Sie die Streufaktorkurve eines K-Atoms (i) für den Fall U = 0 sowie (ii) unter Berücksichtigung der Thermalbewegung bei der echten Struktur des Kaliumchlorids. Welche Kurve verändert sich mehr vom theoretischen zum reellen Fall und warum? 43. Wie groß in mm darf ein Kristall mit linearem Absorptionskoeffizient 0.5/mm sein, um Absorptionseffekte (i) > 5% (ii) > 25% zu vermeiden? 44. Folgende Liste enthält h, k, l, |F|c2 und |F|o2 für alle 17 Reflexe einer kleinen kubischen Struktur. Berechnen Sie den ungewichteten R2-Wert (bezogen auf |F|2). Welche Gitterzentrierung liegt vor? 1 0 0 2 1 1 3 0 0 1 0 2 2 1 3 3 0 2 1 2 2 2 3 3 3 4 4 10396 38640 27142 20479 5973 3675 2419 16150 13118 10037 38083 26822 20838 5973 3693 2436 16769 13393 2 0 2 1 1 3 0 0 2 4 4 1 3 3 0 2 4 4 4 5 5 5 6 6 10880 7807 6711 2419 1685 1228 6711 5809 10903 7822 6651 2408 1679 1230 6662 5751 45. Welche der folgenden H-Atomtypen können eindeutig gesetzt werden?: (i) H-Atome einer Ethylgruppe RCH2CH3 (ii) H-Atome eines aromatischen Ringes (iii) Methyl-HAtome bei C6H5OCH3 bzw. C6H5C(=O)CH3 (iv) H-Atome des Ferrocen-Moleküls (v) Hydroxyl-H-Atome eines Alkohols (vi) H-Atome eines Amins R2 NH für beliebiges R (vii) H-Atome einer R2C=CH2-Gruppe (viii) Alkin-H (ix) H-Atome eines Acetonitrilmoleküls (z.B. bei einem Solvat) (x) Ring-H bei Cyclophanen. 109 9. Seminaraufgaben Vorbemerkungen zu den Aufgaben 1-3: Wasserstoffatome (nur 1 Elektron!) werden bei Aufgaben 1-3 nicht gefunden. Die Strukturvorschläge („Lösungen“) werden vom üblichen Programmsystem über direkte Methoden bzw. die Schweratommethode erzeugt (vgl. Skript, Kapitel 3-4), Begriffe, die erst später im Semester erklärt werden. Für diese Aufgaben ist nur das „Malen nach Zahlen“ (und etwas Verstand) wichtig! Achtung: Man verwendet bei vielen Aufgaben das Programm XP. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Befehle: FMOL: ein. (engl. "form molecules") Immer der erste Befehl; liest die Atome MPLN: ("mean plane") Berechnet die "beste" Ebene für Bilder usw. PROJ: Zeigt das Molekül als Strichdiagramm an; es kann mit dem gelben Menü oder mit der Maus gedreht werden. DIAG: Wie PROJ; unbeweglich. UNIQ: das kleine Diagramm bleibt am Schirm, ist aber genannte Atom Setzt das Molekül aus losen Teilen zusammen. UNIQ Atomname: vorliegt. Wählt nur das Molekül, in dem das KILL Atomnamen: entfernt die genannten Atome (irreversibel!). $H = alle H-Atome, $Q = alle Differenzpeaks, usw. GROW: Vervollständigt das Molekül um etwaige Symmetrie (FUSE macht das rückgängig). PICK: Lässt Atome umbenennen (Enter = Löschen, Leertaste = Behalten, ansonsten neuen Namen eingeben). TELP: ("thermal ellipsoid plot", macht aber auch Kugel-Stab-Diagramme) Zeichnet Molekülbild; immer Dateinamen TEMP wählen. Um das Bild auszudrucken: (i) DRAW TEMP; Option "A" (PostScript) und "schwarz-weiß" wählen. (ii) Im Explorer TEMP.PS doppelklicken (wählt das Programm GSview), OK, File, Print. MATR 1/2/3: ("matrix") Blickrichtung parallel zur a/b/c-Achse. TELP CELL: Bild mit Elementarzelle. CELL: Zeigt die Gitterkonstanten an. SYMM: Zeigt die Symmetrieoperatoren an. INFO: Zeigt alle Atomkoordinaten an. BANG Atomname: ("bond lengths and angles") Zeigt Bindungslängen und –winkel am genannten Atom innerhalb der asymmetrischen Einheit an. ENVI Atomname: ("environment") Zeigt alle Bindungslängen und –winkel am genannten Atom an. 110 1a. Sie bekommen für die Verbindung mit Codenamen "GARB" einen Strukturvorschlag ausgehändigt. Zeichnen Sie die Bindungen ein. Schlüssel zu den Informationen: Atom 1 Peak x 342 .1446 y .1454 z .8079 sof height 1.00 2.24 Distances and angles 0 6 1.443 0 12 1.361 93.9 In dieser Reihenfolge : Lfd.Nr., Größe, Koordinaten; sof ,height & "0" ignorieren; "6" & "12" sind andere (an "1" gebundene) Atome; dann Bindungslängen zu "1" (Å, nicht sehr genau!), Bindungswinkel mit "1" als Zentralatom (°, hier 12–1–6). Zweites Beispiel: unterlegter Winkel ist 7–3–12. 3 243. 0.3275 0.3760 0.8534 1.000 1.80 0 0 0 0 7 8 12 13 1.458 1.536 117.1 1.567 115.8 117.7 1.572 118.3 84.8 (7) (8) 97.5 (12) Wichtig: hohe laufende Nummern entsprechen kleinen Peaks und somit ggf. falschen Atomen! H-Atome werden nicht erscheinen. Wenn man Glück hat, sind bei n erwarteten Atomen gerade die ersten n Peaks richtig ... Die Wahl der "korrekten" Atome kann mit dem Plotprogramm XP kontrolliert werden. Befehle: FMOL; MPLN; PICK, PROJ (beenden mit ESC-Taste). Anschließend wird ein Bild des Moleküls gezeichnet und ausgedruckt; dazu Anweisungen vom Assistenten. 1b. GARB kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/n. Fertigen Sie ein Packungsbild des Zellinhalts wie unten angegeben an (Projekt: GARB1). XP-Befehle: FMOL; KILL $H $Q (ohne H-Atome sowie Q-Peaks); MATR 1; MGEN N2 (generiert alle Moleküle, von denen N2 in der Zelle liegt); TELP CELL (Achsen und OAtome kennzeichnen). [Mit PROJ CELL kann man die Zelle drehen, ggf. auch in Stereo!]. Weitere Anweisungen und Informationen vom Assisenten. Wieviele Moleküle gibt es in der Zelle? Passen alle Moleküle genau in die Zelle? Welche Symmetrieelemente gibt es? Welche Operationen erzeugen aus dem Stammolekül welche weiteren Moleküle? Ist das Molekül chiral? Ist die Struktur enantiomerenrein? 111 Ein weiteres Programm, um Kristallstrukturen darzustellen, ist Mercury (von der Cambridge Crystallographic Database). Öffnen Sie Mercury, dann open D:\USER\KURS\GARB1.RES; man sieht das Molekül und kann es mit der Maus drehen. Um den Zellinhalt zu zeigen: display packing (unten links), dann display symmetry elements (obere Leiste). Identifizieren Sie erneut die Symmetrieelemente und finden Sie heraus, wie sich die Moleküle durch Symmetrieoperationen ineinander umwandeln. Der Befehl display by symmetry element kann auch hilfreich sein. 2. Manchmal muss man sich Gedanken über die Raumgruppe und die Zuverlässigkeit der Angaben machen! Sie bekommen eine Strukturlösung für die Verbindung MMINX; auf dem Probenetikett stand . MMINX kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/c mit a = 8.699, b = 11.790, c = 7.628 Å, β = 91.90°. (i) Wieviele Moleküle passen in die Zelle? Hinweis: "18-Regel", Abschn. 1.9 (vgl. allg. Aufgabe 15!). Wieviele Moleküle erwartet man in dieser Raumgruppe (monoklin, primitiv, zentrosymmetrisch – Abschn. 1.6)? (ii) Ist das für die vermeintliche Verbindung möglich? Beim "Malen-nach-Zahlen" keine unnatürlich langen Bindungen einzeichnen! (iii) Ist mit XP etwas zu erkennen? Falls der Groschen nicht fällt: falsche Atome (zu kleine Peaks, etwa Q13-18) mit KILL Q13 TO Q18 löschen, dann PICK; GROW; PROJ. (iv) Handelt es sich tatsächlich um die vorgeschlagene Verbindung? (v) Wieviele Isomere (abgesehen von Enantiomeren!) gibt es von einem Paracyclophan mit einem Ringsubstituenten (vi) Wieviele Isomere gibt es von einem Paracyclophan mit zwei gleichen Substituenten (an jedem Ring je einem)? Welche formalen Punktsymmetrien haben diese Isomere? 112 3. Sie bekommen für die Verbindung TALAX (Me3SiCH2)2Tl{N(SO2Me)2} den Ausdruck einer Differenz-Fourier-Synthese nach Eingabe des Tl-Atoms (Schweratommethode, Kap. 3). Kann man die fehlenden Atome (wie immer außer H) finden? Zusatzfragen: Wie lang ist eine Bindung (insbes. am Tl-Atom)? Warum sind einige Peaks zweimal vertreten? Was sind die Peaks 5, 10, 17? Die Struktur kann wie gehabt mit XP kontrolliert und die Peaks umbenannt werden. Unterscheidet sich das XP-Bild vom Malen-nach-Zahlen-Bild? Der Befehl SGEN 1655 (erzeugt durch Translation die nächste Formeleinheit in x-Richtung – ggf. wiederholen!) dürfte eine interessante Wirkung haben (Blickrichtung mit MATR 2 parallel zur b-Achse setzen, dann erneut mit PROJ CELL kontrollieren). Formel zu 3 4. (ohne Computer!). Die Verbindung TINIER (4a), C3H8N2O5S2, kristallisiert monoklin primitiv (a = 9.196, b = 9.545, c = 9.057 Å, β = 98.47°), MESFO (4b), C9H11F2P, kristallisiert orthorhombisch primitiv (a = 13.261, b = 7.185, c = 9.735 Å). Wie sind die ZWerte? Sie bekommen für beide Verbindungen graphische Darstellungen der 0kl-, h0lsowie hk0-Schichten des reziproken Raums. Bestimmen Sie die Raumgruppen anhand der systematischen Auslöschungen. Bei 4a ist die Raumgruppe eindeutig, aber bei MESFO gibt es zwei Möglichkeiten. Tipps: (a) Beide Strukturen sind primitiv; es ist also nicht notwendig, Zentrierungsauslöschungen zu suchen. (b) Die ganz leeren Bereiche wurden nicht gemessen. (c) Bei 4a mit h0l anfangen; bei 4b 0kl, dann hk0, dann h0l. (d) Man suche Auslöschungen in der Reihenfolge: Gleitspiegelebenen (Reflexe mit einem Null-Index), dann Schraubenachsen (Reflexe mit zwei Null-Indizes). O H O H N S CH3 Formeln zu C N S O O (4a) O CH3 (4b) Kommentare: (i) Da die Daten etwas älter sind, fehlen Teile der Bilder; diese leeren Bereiche ignorieren (alle unabhängigen Daten sind da, mehr braucht man nicht). (ii) Das Programm bezeichnet die Achsen a*, b*, c* als h, k, l (das ist strenggenommen nicht korrekt, aber wie wäre es bei z.B. einer Schicht h1l?!). (iii) Einzelne Reflexe können immer Intensität etwa Null haben; bei dieser Aufgabe handelt es sich jedoch um 113 systematische Auslöschungen (bei denen ganze Reflexklassen fehlen). (iv) Wie schwach muss ein Reflex sein, um als "ausgelöscht" betrachtet zu werden? Zusatzfragen: (a) Falls Achsen vertauscht werden müssen: wie sind die Umorientierungsmatrizes von der jeweils ursprünglichen zur konventionellen Zelle? (b) Wären bei 4a in der Schicht hk1 (der endgültigen Zelle) Auslöschungen zu erkennen? (c) Was kann man über die Molekülsymmetrie von 4b aussagen? – s. "blaue Bibel"! (d) Kann man bei 4b zwischen beiden möglichen Raumgruppen anhand des 〈|E|2–1〉-Werts von 1.01 unterscheiden? (Voraussetzung: Definition des E-Werts, Kap. 4). (e) Die E-Statistik ist jedoch nicht immer zuverlässig. Wenn alles andere gleich bleibt, mit welcher der zwei Raumgruppen sollte man bei 4b mit Lösungsversuchen anfangen?! 5, 6. Sie bekommen für die Verbindungen YLAU3 (5) und AUCARB (6) Ausdrucke der Pattersonfunktionen. Die chemischen Formeln sind (R = C6F5): Formeln zu (5) (6) Die Liste der Patterson-Peaks enthält nur einen unabhängigen Satz; das Programm druckt trotzdem viel mehr Peaks aus, als man in der Regel benötigt! Berechnen Sie die Schweratomlagen. Wichtig sind folgende Angaben: TITL : diese Zeile gibt die Raumgruppe an; CELL : Wellenlänge λ, dann Gitterkonstanten a, b, c, α, β, γ; ZERR : Z, die Zahl der Moleküle in der Zelle, dann Standardabweichungen der Gitterkonstanten; SFAC : die Elemente, die vorhanden sind; UNIT : Zahl der jeweiligen Atome in der Zelle; LATT : Gittertyp; positiv ist zentrosymmetrisch, negativ nicht-zentrosymmetrisch; 1 = primitiv, 2 = I-, 4 = F-, 5 = A-, 6 = B-, 7 = C-zentriert (Default 1); SYMM : gibt die Symmetrieoperatoren der Raumgruppe an. Default ist die Stammposition x, y, z. Ohne LATT- und SYMM-Befehle hat man also x, y, z und –x, –y, –z (P 1 ); Max. single Patterson vector: erwartete Höhe eines einfachen Vektors des schwersten Atoms (vorausgesetzt, die vorgeschlagene Zusammensetzung nach SFAC/UNIT stimmt!); Weight = Gewicht, Peak = Peakhöhe (= Vektorhöhe). 114 7. Schon wieder "Malen nach Zahlen". Sie bekommen für die Verbindung TROG (C24H32, rechts) den Ausdruck einer DifferenzFourier-Synthese, in der die H-Atome zu identifizieren sind (C–HBindungslängen betragen ca. 1.0 Å). 8. Die Verbindung ULTAU (Formelvorschlag s. nächste Seite) kristallisiert in P 1 mit Z = 2. Welche Oxidationsstufe haben die Goldatome, und welche Geometrie erwartet man am Gold? Die Schweratome (Au, Br) konnten aus der Patterson-Funktion gefunden und anschließend verfeinert werden; Sie bekommen einen Ausdruck der Differenz-Synthese. Alle richtigen Atome sind da; trotzdem weist das übliche "Malen nach Zahlen" einige Schwierigkeiten auf. Versuchen Sie, das Molekül zu identifizieren (Hinweise: Au sollte quadratisch planar und P tetraedrisch sein). Warum gibt es so viele falsche Peaks? Br CH2 Au S Ph2P C CH2 Au NBz2 S Br 8: Ph = Phenyl; Bz = Benzyl, -CH2C6H5 9. Kristalle der Verbindung NEDIC (Schmp. ca. 0°C) wurden aus Benzol bei –10°C gewonnen. Die Raumgruppe ist Pbca (orthorhombisch, zentrosymmetrisch; wie ist der erwartete Z-Wert?). Sie bekommen den Strukturvorschlag aus direkten Methoden und sollen diesen entziffern. (Hinweise: XP, 18-Regel, GROW. Die Gitterkonstanten stehen in der Zeile CELL nach der Wellenlänge). Welche Symmetrie hat das Molekül (i) als formale Punktgruppe des isolierten Moleküls (ii) als kristallographische Symmetrie in dieser Struktur (Befehl INFO)? Wie ist der tatsächliche Z-Wert? Me O N Me N PF2 N O Me 9: Me = Methyl 115 10. Die Verbindung CAMPOGR (rechts), ein Camphansäurederivat, kristallisiert in der monoklinen, nicht-zentrosymmetrischen und chiralen Raumgruppe P21 mit Z ′ = 2 (was bedeutet das alles?). Wo Me P liegen die chiralen Zentren des Camphansäurerests? Verwenden Sie Bu das Programm XP, um die Konfigurationen an den chiralen Zentren O zu bestimmen (dabei können Q-Peaks sowie H-Atome mit KILL $Q $H gelöscht werden). Zur leichteren Erkennung der Konfigurationen können Sie die Moleküle mit UNIQ P (bzw. UNIQ O P′) einzeln betrachten (dazwischen erneut FMOL, um das jeweils andere Molekül zurückzuholen). Sind beide O Molekül- konfigurationen gleich? Wo gibt es trotzdem einen Konfigurations- Me Me O unterschied zwischen beiden Molekülen?! Me (Prinzipiell können auch Biphenyle chiral sein, wenn sie um die zentrale Bindung nicht frei drehbar sind, hier trifft das aber wegen der zwei kleinen H-Substituenten nicht zu). 11. Die Verbindung RAUTH ist ein Osmiumhydridcluster, [Os6H(CO)16(SbPh3)(Et3PAu)]. Daten wurden bei Zimmertemperatur gemessen (1987!). Es wurden bisher alle Atome bis auf den Cluster-Wasserstoff gefunden und verfeinert. Versuchen Sie, mit XP das fehlende H-Atom zu finden. Der Übersichtlichkeit halber können die H-Atome gekillt werden. Os– H-Abstände betragen etwa 2 Å. Tipp: Don't throw the baby out with the bathwater! Könnte man dieses H-Atom (vorausgesetzt, man findet es!) einfach so verfeinern? 12. Die Verbindung AXES ist ein Zinkkomplex, der in der orthorhombischen Raumgruppe Pccn mit Achsen a 13.650, b 15.444, c 13.627 Å vorgestellt wird. Von der Struktur wird behauptet, die molekularen Dimensionen seien normal. Verwenden Sie das Programm XP (H-Atome können gekillt werden), um diese Behauptung für die Aromatenringe zu testen; skizzieren Sie beide Sechsringe mit Bindungslängen und –winkeln (der Befehl BANG Atomname liefert die Dimensionen am gewählten Atom, BANG einfach so gibt alle Dimensionen an). Schlagen Sie eine mögliche Ursache des Problems vor. Eine teilweise bereinigte Version der Struktur ist unter AXES2 gespeichert. Kann man das Problem vollständig beheben? Das Molekül besitzt zufälligerweise zweizählige Symmetrie; mit GROW/PROJ bekommt man das komplette Molekül zu sehen. 116 13. Die endgültige Verfeinerung der Verbindung YLITEST finden Sie als Anhang am Ende dieses Kapitels. Ihr Assistent erklärt Ihnen die wichtigsten Aspekte (vgl. Kap. 7). YLITEST wurde bei Raumtemperatur gemessen. Mit XP: Nach Entfernung der Q-Peaks und H-Atome korrigiert der Befehl LIBR die Bindungslängen für Librationseffekten (Kap. 7). Sind die Korrekturen größer oder kleiner als die Standardabweichungen der Bindungslängen? Was bedeutet das für die Messstrategie? 13 Eine Librationskorrektur setzt ein starres Molekül voraus. Warum gibt es keine Drehung um die zentrale C–S-Einfachbindung? 14. (vgl. Textaufgabe 25). Was passiert, wenn man sich bei der Wahl der Raumgruppe irrt und zu wenig (Teil a) bzw. zu viel (Teil b) Symmetrie zuordnet? Man merke: das Lösungsprogramm hat versucht, schwerere Atome wie Si und Cl automatisch zuzuordnen. 14a 14b (Bu = tert-Butyl) (a) Die Verbindung FUSSE kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P2/c mit Z = 4. Der 〈|E|2–1〉-Wert beträgt 1.00. Aus Versehen wurde die falsche Raumgruppe Pc (gleiche Auslöschungen!) angenommen. Kontrollieren Sie die Strukturlösung mit XP (falsche Peaks löschen; es ist nicht notwendig, die Atome zu benennen). Was fällt auf? Erzeugen Sie ein Bild aller vier Moleküle in der Zelle (MGEN Q1 Q4, MATR 2, TELP CELL). Identifizieren Sie die tatsächlichen Symmetrieelemente analytisch und "per Auge". Die Chloratomkoordinaten sind: CL1 CL2 CL1A CL2A -0.3698 1.3708 -0.3698 1.3708 0.7798 0.2216 0.2202 0.7784 0.2431 0.7580 0.7431 0.2580 (nach direkten Methoden noch nicht sehr genau!). Die Symmetrieoperatoren (in Pc) sind: 1555 2555 +X, +X, +Y, -Y, +Z 0.5 + Z 117 (b) Die Verbindung GOESO kristallisiert monoklin primitiv mit Z = 4, Auslöschung {h0l fehlt bei ungeradem l}. Welche Raumgruppen sind möglich? Kontrollieren Sie den üblichen Lösungsversuch (Projekt GOESO; die verwendete Raumgruppe kann über den SYMM-Befehl identifiziert werden). Ist das Molekül zu erkennen? Als Alternative kontrollieren Sie GOESOPC (Projekt wechseln!). Welche Raumgruppe liegt 2 wahrscheinlich vor? Ist das konsistent mit dem 〈|E| –1〉-Wert von 0.74? Wie ist Z′, die Zahl der Moleküle in der asymmetrischen Einheit? Fassen Sie Ihre Ergebnisse in folgender Tabelle zusammen: Zu wenig Symmetrie ange- Zu nommen, z.B. Pc statt P2/c viel Symmetrie ange- nommen, z.B. P2/c statt Pc Lösung ja/nein Falls ja: Besonderer Aspekt der Lösung 15. Die Verbindung ZNCL sollte ein Komplex von Zink(II)chlorid mit 3-Aminopyridin sein, vermutlich L2ZnCl2. NH2 N 3-Aminopyridin (L) Verwenden Sie XP, um diese Vermutung zu kontrollieren. (i) Wie ist die Zusammensetzung der asymmetrischen Einheit? Wie ist das (wahrscheinlichste) Kristallsystem? (ii) SYMM. Ist die Raumgruppe zentrosymmetrisch? Welcher Art sind die Symmetrieoperatoren 2, 3, 4? Wie ist die Raumgruppe? Hat sie spezielle Lagen? Wieviele der Symmetrieelemente sind im Raumgruppensymbol explizit erwähnt? (iii) BANG ZN1. Wie ist die Koordinationsgeometrie am Zinkatom? ENVI ZN1. Sind Sie sicher? Wie kann das Zinkatom eine Bindung zu einer anderen asymmetrischen Einheit bilden, wenn keine Operationen mit passenden Punktsymmetrien vorliegen? (iv) Ein Packungsbild (ohne H-Atome, die störende H-Brücken bilden) sollte alles klarmachen. KILL $H, PBOX 25 3 0.3 0 0.5, MATR 1 0 –1, ROTA 3 90 (diese Befehle wurden gewählt, um optimierte Richtung und Dimensionen des Packungsbildes zu setzen), PACK 0. Wenn Sie ein Bild zum Mitnehmen zeichnen möchten: im gelben Menü auf SGEN/FMOL, dann TELP CELL. Was für Gebilde liegen vor? Sind diese mit den vorhandenen Symmetrieelementen konsistent? 118 16. (a) Die Verbindung TUBER (C38H41N3O3Cl6) kennen wir aus der Textaufgabe 31. Die Zelle ist: a = 16.804, b = 16.856, c = 13.603 Å, α = 90.00, β = 90.00, γ = 90.07°. Verwenden Sie das Programm XPREP, um die Symmetrie zu kontrollieren. Ist sie wirklich tetragonal? Anhand welcher Kriterien entscheidet das Programm über die wahre Symmetrie? Hinweis: Dieses Programm verwendet das alternative Symbol R(sym) statt R(int) (Abschn. 2.8). Es reicht, die Zelle, dann P (wie primitiv), dann H (Symmetrie kontrollieren) einzugeben. Sie können aber auch durch wiederholtes "enter" die Raumgruppe bestimmen lassen und dann über R (reciprocal space plots) und Y (h0l-Reflexe) die Auslöschungen optisch kontrollieren. Sie bekommen eine XPREP-Protokolldatei TUBER.PRP ausgehändigt. K und zum selben Thema K (b) Die Verbindung PRINCE (C60H46N3O8P2S4Br4Au) kristallisiert mit a = 14.715, b = 17.744, c = 23.944 Å, α = 90.07, β = 104.98, γ = 90.01°, und Z = 4. Verwenden Sie wieder XPREP, um die Symmetrie zu kontrollieren. Ist sie wirklich monoklin? 119 Anhang: Verfeinerungsprotokoll zu Seminaraufgabe 13 (einschl. Librationskorrektur) ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ + XL - CRYSTAL STRUCTURE REFINEMENT - SHELXTL Ver. 6.12 + + W95/98/NT/2000/ME + + Copyright(c) 2001 Bruker Analytical X-ray Solutions All Rights Reserved + + ylitest started at 16:49:23 on 28-Apr-2008 + ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ TITL CELL ZERR LATT SYMM SYMM SYMM SFAC UNIT V = ylitest in P2(1)2(1)2(1) 0.71073 5.9629 9.0365 18.4009 90.000 90.000 90.000 4.00 0.0004 0.0007 0.0013 0.000 0.000 0.000 -1 0.5-X, -Y, 0.5+Z -X, 0.5+Y, 0.5-Z 0.5+X, 0.5-Y, -Z C H O S 44 44 8 4 991.51 F(000) = 436.0 Mu = 0.29 mm-1 Cell Wt = 829.03 Rho = TEMP 22 L.S. ACTA CONF FMAP PLAN 4 56 2 10 WGHT FVAR S1 4 0.04013 0.03398 = O1 0.05941 0.04414 = 0.04331 0.04857 = 0.08765 0.05521 = O2 C1 AFIX H1A H1B H1C AFIX C2 AFIX H2A H2B H2C AFIX C3 C4 C5 C6 C7 C8 AFIX H8 AFIX C9 AFIX 0.0553 0.0000 0.40615 0.809685 0.318475 0.240439 11.00000 0.03932 0.00389 -0.00845 -0.00494 3 0.842139 0.589285 0.129380 11.00000 0.05123 0.00853 -0.00719 -0.01616 3 0.335481 0.197748 0.176922 11.00000 0.05670 0.01146 -0.00183 -0.01006 1 0.649456 0.324741 0.322771 11.00000 0.03630 0.00178 0.00681 0.00374 137 2 0.626848 0.425934 0.336864 11.00000 2 0.728929 0.273495 0.360523 11.00000 2 0.506753 0.278150 0.315032 11.00000 0 1 0.834320 0.122428 0.229039 11.00000 0.06077 0.00081 -0.01313 0.00739 137 2 0.687453 0.079126 0.226911 11.00000 2 0.915392 0.081364 0.269350 11.00000 2 0.913328 0.101653 0.184741 11.00000 0 1 0.636226 0.375742 0.172211 11.00000 0.03385 0.00432 -0.00468 -0.00096 1 0.689697 0.498836 0.125262 11.00000 0.03365 0.00074 -0.00182 0.00018 1 0.509727 0.497963 0.067940 11.00000 0.03194 -0.00315 -0.00447 0.00456 1 0.357739 0.386117 0.082540 11.00000 0.03468 -0.00320 -0.00289 0.00773 1 0.433004 0.304759 0.149837 11.00000 0.03715 -0.00031 0.00173 0.00166 1 0.486564 0.587840 0.007323 11.00000 0.03877 0.00338 -0.00663 0.00153 43 2 0.589826 0.661837 -0.003359 11.00000 0 1 0.298071 0.561321 -0.037419 11.00000 0.03949 0.00180 -0.01865 0.01251 43 -1.50000 -1.50000 -1.50000 0.04851 0.03601 = -1.50000 -1.50000 -1.50000 0.03938 0.03526 = 0.04507 0.03225 = 0.05098 0.03217 = 0.04028 0.03683 = 0.03456 0.03580 = 0.07253 0.03847 = -1.20000 0.09046 0.04670 = 1.388 120 H9 2 AFIX 0 C10 1 AFIX 43 H10 2 AFIX 0 C11 1 0.274978 0.620742 11.00000 -1.20000 0.149329 0.450846 -0.022572 11.00000 0.04774 -0.00613 -0.02378 0.01223 0.06570 0.027557 11.00000 -1.20000 0.176942 0.359464 0.038159 11.00000 0.04844 -0.00361 -0.00901 0.00466 0.04444 AFIX 43 H11 2 HKLF 4 0.435970 -0.078000 0.076486 -0.053295 0.283398 0.048123 11.00000 0.05629 = 0.05318 = -1.20000 Covalent radii and connectivity table for ylitest in P2(1)2(1)2(1) C H O S 0.770 0.320 0.660 1.030 S1 - C3 C2 C1 O1 - C4 O2 - C7 C1 - S1 C2 - S1 C3 - C7 C4 S1 C4 - O1 C3 C5 C5 - C6 C8 C4 C6 - C11 C5 C7 C7 - O2 C3 C6 C8 - C5 C9 C9 - C10 C8 C10 - C9 C11 C11 - C6 C10 h k l 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 3 5 0 0 0 0 Fo^2 0.14 0.37 0.26 0.83 0.42 0.63 0.65 Sigma 0.02 0.07 0.06 0.09 0.06 0.07 0.08 Why rejected observed observed observed observed observed observed observed 10260 Reflections read, of which -7 =< h =< 7, -11 =< k =< 12, but but but but but but but should should should should should should should be be be be be be be systematically systematically systematically systematically systematically systematically systematically 63 rejected -24 =< l =< 24, Max. 2-theta = 56.57 7 Systematic absence violations 2451 Unique reflections, of which R(int) = 0.0328 R(sigma) = 0.0220 absent absent absent absent absent absent absent 0 suppressed Friedel opposites not merged Maximum memory for data reduction = 1540 / 24327 Default effective X-H distances for T = 22.0 C AFIX m = 1 2 3 4 4[N] 3[N] 15[B] 8[O] 9 9[N] 16 d(X-H) = 0.98 0.97 0.96 0.93 0.86 0.89 1.10 0.82 0.93 0.86 0.93 Note that these distances are chosen to give the best fit to the X-ray data and so avoid the introduction of systematic error. The true internuclear distances are longer and do not vary with temperature ! The apparent variation with temperature is caused by libration. ** Cell contents from UNIT instruction and atom list do not agree ** Unit-cell contents from UNIT instruction and atom list resp. 121 C H O S 44.00 44.00 8.00 4.00 44.00 40.00 8.00 4.00 Least-squares cycle 1 Maximum vector length = 511 Memory required = 1897 / 163476 wR2 = 0.0797 before cycle 1 for 2451 data and 129 / 129 parameters GooF = S = 1.067; Restrained GooF = 1.067 for 0 restraints Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3 N value esd shift/esd parameter 1 0.40796 0.00077 2.350 OSF Mean shift/esd = 0.401 Maximum = 2.350 for OSF Max. shift = 0.012 A for H1A Max. dU = 0.000 for C1 Least-squares cycle 2 Maximum vector length = 511 Memory required = 1897 / 163476 wR2 = 0.0789 before cycle 2 for 2451 data and 129 / 129 parameters GooF = S = 1.057; Restrained GooF = 1.057 for 0 restraints Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3 N value esd shift/esd parameter 1 0.40839 0.00076 0.573 OSF Mean shift/esd = 0.119 Maximum = 0.573 for OSF Max. shift = 0.003 A for H1A Max. dU = 0.000 for C9 Least-squares cycle 3 Maximum vector length = 511 Memory required = 1897 / 163476 wR2 = 0.0789 before cycle 3 for 2451 data and 129 / 129 parameters GooF = S = 1.056; Restrained GooF = 1.056 for 0 restraints Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3 N value esd shift/esd parameter 1 0.40840 0.00076 0.010 OSF Mean shift/esd = 0.006 Maximum = 0.037 for U33 C1 Max. shift = 0.000 A for H1A Max. dU = 0.000 for C9 Least-squares cycle 4 Maximum vector length = 511 Memory required = 1897 / 163476 wR2 = 0.0789 before cycle 4 for 2451 data and 129 / 129 parameters GooF = S = 1.056; Restrained GooF = 1.056 for 0 restraints Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + 0.00 * P ] where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3 N value esd shift/esd parameter 1 0.40840 0.00076 0.000 OSF Mean shift/esd = 0.002 Maximum = -0.011 for x C9 Max. shift = 0.000 A for H1A Max. dU = 0.000 for C1 Largest correlation matrix elements 0.525 U33 S1 / OSF 0.515 U22 S1 / OSF ylitest in P2(1)2(1)2(1) ATOM x y z sof U11 U22 U33 U23 U13 S1 0.00055 0.80971 0.00006 0.31849 0.00004 0.24044 0.00002 1.00000 0.00000 0.04042 0.00017 0.03430 0.00017 0.03961 0.00016 0.00393 -0.00847 -0.00491 0.00012 0.00013 0.00014 0.03811 0.00010 O1 0.00190 0.84205 0.00022 0.58920 0.00012 0.12936 0.00006 1.00000 0.00000 0.05943 0.00067 0.04451 0.00056 0.05162 0.00056 0.00875 -0.00745 -0.01632 0.00044 0.00056 0.00054 0.05185 0.00028 O2 0.00195 0.33557 0.00020 0.19771 0.00012 0.17690 0.00006 1.00000 0.00000 0.04345 0.00054 0.04862 0.00059 0.05669 0.00060 0.01148 -0.00151 -0.01010 0.00047 0.00048 0.00053 0.04959 0.00026 C1 0.00353 0.64992 0.00039 0.32452 0.00021 0.32275 0.00008 1.00000 0.00000 0.08873 0.00130 0.05561 0.00091 0.03632 0.00069 0.00187 0.00067 0.06022 0.00045 H1A 0.62900 0.42563 0.33726 1.00000 0.00000 0.09033 0.00000 0.00641 0.00078 U12 0.00408 0.00103 Ueq 122 H1B 0.72863 0.27208 0.36028 1.00000 0.00000 0.09033 0.00000 H1C 0.50644 0.27908 0.31486 1.00000 0.00000 0.09033 0.00000 C2 0.00273 0.83451 0.00031 0.12252 0.00016 0.22910 0.00009 1.00000 0.00000 0.04903 0.00080 H2A 0.68768 0.07918 0.22689 1.00000 0.00000 0.07294 0.00000 H2B 0.91536 0.08151 0.26947 1.00000 0.00000 0.07294 0.00000 H2C 0.91380 0.10173 0.18486 1.00000 0.00000 0.07294 0.00000 C3 0.00223 0.63612 0.00023 0.37570 0.00015 0.17221 0.00007 1.00000 0.00000 C4 0.00238 0.68958 0.00026 0.49878 0.00014 0.12525 0.00007 C5 0.00237 0.50993 0.00025 0.49794 0.00015 C6 0.00238 0.35774 0.00024 C7 0.00240 0.03625 0.00068 0.06060 0.00085 0.00093 -0.01301 0.00063 0.00075 0.00799 0.00068 0.04863 0.00034 0.03959 0.00070 0.03546 0.00062 0.03359 0.00060 0.00413 -0.00397 -0.00017 0.00050 0.00050 0.00053 0.03622 0.00029 1.00000 0.00000 0.04565 0.00072 0.03199 0.00057 0.03429 0.00058 0.00035 -0.00146 0.00045 0.00064 0.00044 0.00064 0.03731 0.00027 0.06800 0.00007 1.00000 0.00000 0.05133 0.00085 0.03245 0.00065 0.03213 -0.00349 -0.00418 0.00061 0.00050 0.00057 0.00480 0.00060 0.03863 0.00032 0.38607 0.00015 0.08253 0.00007 1.00000 0.00000 0.04025 0.00072 0.03681 0.00065 0.03467 -0.00362 -0.00276 0.00058 0.00052 0.00052 0.00787 0.00054 0.03724 0.00029 0.43318 0.00023 0.30493 0.00015 0.14987 0.00007 1.00000 0.00000 0.03507 0.00063 0.03645 0.00066 0.03724 -0.00083 0.00060 0.00054 0.00189 0.00050 0.00207 0.00056 0.03625 0.00027 C8 0.00277 0.48675 0.00032 0.58772 0.00016 0.00736 0.00008 1.00000 0.00000 0.07314 0.00110 0.03892 0.00075 0.03889 0.00071 0.00310 -0.00591 0.00060 0.00074 0.00184 0.00074 0.05032 0.00039 H8 0.59001 0.66174 -0.00330 1.00000 0.00000 0.06038 0.00000 C9 0.00331 0.29885 0.00041 0.56131 -0.03740 0.00019 0.00008 1.00000 0.00000 0.09094 0.00139 0.04727 0.00084 0.03957 0.00073 0.00108 -0.01864 0.00061 0.00089 0.01335 0.00103 0.05926 0.00048 H9 0.27616 0.62059 -0.07805 1.00000 0.00000 0.07111 0.00000 C10 0.00297 0.14971 0.00033 0.45102 -0.02252 0.00019 0.00009 1.00000 0.00000 0.06574 0.00111 0.05677 0.00093 0.04754 -0.00669 -0.02381 0.00080 0.00071 0.00083 0.01223 0.00088 0.05668 0.00045 H10 0.02785 0.43637 -0.05323 1.00000 0.00000 0.06802 0.00000 C11 0.00278 0.17698 0.00030 0.35952 0.00019 0.03819 0.00008 1.00000 0.00000 0.04510 0.00078 0.05282 0.00084 0.04834 -0.00388 -0.00885 0.00075 0.00061 0.00071 0.00511 0.00075 0.04875 0.00035 H11 0.07638 0.28353 0.04813 1.00000 0.00000 0.05851 0.00000 Final Structure Factor Calculation for ylitest in P2(1)2(1)2(1) Total number of l.s. parameters = wR2 = 0.0789 before cycle GooF = S = 1.056; 5 for 129 Maximum vector length = 511 2451 data and Restrained GooF = 2 / 1770 / 25046 129 parameters 1.056 for Weight = 1 / [ sigma^2(Fo^2) + ( 0.0553 * P )^2 + Memory required = 0.00 * P ] 0 restraints where P = ( Max ( Fo^2, 0 ) + 2 * Fc^2 ) / 3 R1 = 0.0299 for 2303 Fo > 4sig(Fo) and 0.0325 for all 2451 data wR2 = 0.0789, GooF = S = 1.056, Restrained GooF = 1.056 for all data 123 Flack x parameter = -0.0546 with esd 0.0584 Expected values are 0 (within 3 esd's) for correct and +1 for inverted absolute structure. Note that this rough estimate ignores correlation with other parameters; if the above value differs significantly from zero, it is ESSENTIAL to test the inverted structure or refine x as a full-matrix parameter using TWIN and BASF Occupancy sum of asymmetric unit = 14.00 for non-hydrogen and 10.00 for hydrogen atoms Principal mean square atomic displacements U 0.0509 0.0751 0.0671 0.0900 0.0695 0.0423 0.0458 0.0536 0.0481 0.0384 0.0742 0.0999 0.0882 0.0607 0.0323 0.0472 0.0479 0.0552 0.0457 0.0370 0.0342 0.0335 0.0336 0.0376 0.0418 0.0463 0.0507 0.0480 0.0312 0.0333 0.0338 0.0354 0.0307 0.0293 0.0319 0.0288 0.0301 0.0327 0.0350 0.0315 0.0311 0.0376 S1 O1 O2 C1 C2 C3 C4 C5 C6 C7 C8 C9 C10 C11 Analysis of variance for reflections employed in refinement K = Mean[Fo^2] / Mean[Fc^2] for group Fc/Fc(max) 0.000 0.024 0.036 0.045 0.056 0.067 0.081 0.102 0.130 0.192 1.000 Number in group 245. 253. 242. 241. 253. 239. 245. 245. 244. 244. GooF 0.999 1.215 1.131 1.139 0.987 1.034 0.901 1.065 0.984 1.073 K 0.853 0.965 1.016 1.024 1.007 1.003 0.997 0.982 0.993 1.024 Resolution(A) 0.75 0.78 0.81 0.84 0.89 0.95 1.02 1.12 1.29 1.62 inf Number in group 252. 241. 242. 245. 248. 245. 244. 246. 242. 246. GooF 0.979 0.910 0.907 0.859 0.868 0.843 0.976 1.210 1.137 1.624 K 1.066 1.029 1.017 1.000 0.986 0.992 0.966 0.967 0.998 1.036 R1 0.065 0.052 0.042 0.038 0.033 0.027 0.028 0.027 0.022 0.031 Recommended weighting scheme: WGHT 0.0508 0.0149 Note that in most cases convergence will be faster if fixed weights (e.g. the default WGHT 0.1) are retained until the refinement is virtually complete, and only then should the above recommended values be used. Most Disagreeable Reflections (* if suppressed or used for Rfree) h k l -1 1 1 0 -1 0 2 0 0 1 1 0 0 1 2 4 0 0 -3 0 3 7 3 2 7 2 0 0 5 7 0 3 6 1 1 0 1 2 1 4 6 0 6 3 4 9 5 6 6 4 6 8 5 0 11 1 10 7 11 10 Fo^2 30.58 3.29 31.19 12.21 8.39 7.70 8.72 321.68 35.36 8.85 8.03 66.19 99.53 117.14 0.05 -0.30 15.88 55.51 137.42 0.93 Fc^2 Delta(F^2)/esd Fc/Fc(max) Resolution(A) 21.29 7.26 23.83 9.04 12.97 11.12 12.66 254.23 45.86 12.73 4.37 53.30 125.97 97.14 1.31 1.08 19.78 45.48 164.77 2.31 5.84 4.61 4.51 4.43 4.39 4.39 4.35 4.10 4.06 3.95 3.89 3.75 3.52 3.31 3.29 3.28 3.24 3.22 3.02 3.01 0.048 0.028 0.051 0.031 0.038 0.035 0.037 0.166 0.071 0.037 0.022 0.076 0.117 0.103 0.012 0.011 0.046 0.070 0.134 0.016 2.02 1.26 2.02 3.64 1.22 1.86 2.32 3.07 1.56 1.22 2.73 1.83 1.39 4.98 1.44 1.49 1.80 2.27 1.27 1.43 124 Bond lengths and angles S1 C3 C2 C1 Distance Angles 1.7073 (0.0013) 1.7892 (0.0014) 105.31 (0.07) 1.7902 (0.0017) 106.87 (0.09) 99.95 (0.09) S1 C3 C2 O1 C4 Distance Angles 1.2247 (0.0017) O1 - O2 C7 Distance Angles 1.2349 (0.0017) O2 - C1 S1 Distance Angles 1.7902 (0.0017) C1 - C2 S1 Distance Angles 1.7892 (0.0014) C2 - C3 C7 C4 S1 Distance Angles 1.4291 (0.0019) 1.4440 (0.0018) 111.07 (0.12) 1.7073 (0.0013) 126.11 (0.10) 122.65 (0.10) C3 C7 C4 C4 O1 C3 C5 Distance Angles 1.2247 (0.0017) 1.4440 (0.0018) 129.85 (0.12) 1.5025 (0.0019) 125.16 (0.12) 104.97 (0.11) C4 O1 C3 C5 C6 C8 C4 Distance Angles 1.3846 (0.0020) 1.3865 (0.0020) 121.15 (0.13) 1.5025 (0.0019) 109.60 (0.11) 129.23 (0.14) C5 C6 C8 C6 C11 C5 C7 Distance Angles 1.3730 (0.0021) 1.3846 (0.0020) 121.83 (0.13) 1.5085 (0.0019) 129.60 (0.14) 108.55 (0.12) C6 C11 C5 C7 O2 C3 C6 Distance Angles 1.2349 (0.0017) 1.4291 (0.0019) 129.37 (0.13) 1.5085 (0.0019) 124.87 (0.13) 105.74 (0.12) C7 O2 C3 C8 C5 C9 Distance Angles 1.3865 (0.0020) 1.4108 (0.0026) 116.74 (0.16) C8 C5 C9 C10 C8 Distance Angles 1.3634 (0.0028) 1.4108 (0.0026) 121.63 (0.14) C9 C10 C10 C9 C11 Distance Angles 1.3634 (0.0028) 1.3993 (0.0023) 121.09 (0.16) C10 C9 C11 C6 C10 Distance Angles 1.3730 (0.0021) 1.3993 (0.0023) 117.54 (0.17) C11 C6 Selected torsion angles 125 43.83 -61.85 -130.91 123.41 175.90 -8.66 -2.67 172.77 -176.31 2.35 4.92 -176.43 -0.46 -179.35 177.71 -1.18 -179.51 5.24 2.01 -173.24 -1.05 -179.03 177.52 -0.46 1.35 180.00 -1.23 0.21 -0.60 -178.35 0.72 ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( 0.15) 0.14) 0.13) 0.13) 0.14) 0.23) 0.15) 0.10) 0.14) 0.15) 0.24) 0.15) 0.21) 0.13) 0.13) 0.15) 0.15) 0.23) 0.15) 0.10) 0.23) 0.14) 0.15) 0.14) 0.23) 0.14) 0.26) 0.28) 0.22) 0.14) 0.26) C2 - S1 - C3 - C7 C1 - S1 - C3 - C7 C2 - S1 - C3 - C4 C1 - S1 - C3 - C4 C7 - C3 - C4 - O1 S1 - C3 - C4 - O1 C7 - C3 - C4 - C5 S1 - C3 - C4 - C5 O1 - C4 - C5 - C6 C3 - C4 - C5 - C6 O1 - C4 - C5 - C8 C3 - C4 - C5 - C8 C8 - C5 - C6 - C11 C4 - C5 - C6 - C11 C8 - C5 - C6 - C7 C4 - C5 - C6 - C7 C4 - C3 - C7 - O2 S1 - C3 - C7 - O2 C4 - C3 - C7 - C6 S1 - C3 - C7 - C6 C11 - C6 - C7 - O2 C5 - C6 - C7 - O2 C11 - C6 - C7 - C3 C5 - C6 - C7 - C3 C6 - C5 - C8 - C9 C4 - C5 - C8 - C9 C5 - C8 - C9 - C10 C8 - C9 - C10 - C11 C5 - C6 - C11 - C10 C7 - C6 - C11 - C10 C9 - C10 - C11 - C6 FMAP and GRID set by program FMAP GRID 2 3 23 -1.250 -2 -2 R1 = 0.0308 for 1.250 2 2 1443 unique reflections after merging for Fourier Electron density synthesis with coefficients Fo-Fc Highest peak Deepest hole Mean = 0.26 at 0.7192 0.3502 0.2039 [ 0.80 A from C3 ] -0.19 at 0.3190 0.4818 0.0215 [ 1.31 A from C9 ] 0.00, Rms deviation from mean = 0.04 e/A^3, Highest memory used = 1762 / 15307 Fourier peaks appended to .res file Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 Q7 Q8 Q9 Q10 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 x y 0.7192 0.6676 0.5680 0.3852 0.5074 0.6110 0.1808 0.3246 0.7115 0.3548 0.3502 0.4365 0.3205 0.3461 0.5316 0.5036 0.3925 0.2497 0.3282 0.5908 z 0.2039 0.1556 0.1527 0.1088 0.0426 0.0917 0.0046 0.1918 0.2883 -0.0114 sof U Peak Distances to nearest atoms (including symmetry equivalents) 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 1.00000 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.05 0.26 0.24 0.19 0.18 0.18 0.17 0.17 0.16 0.16 0.16 0.80 0.66 0.74 0.63 0.56 0.75 0.69 0.55 0.73 0.64 C3 C3 C3 C6 C5 C5 C11 O2 C1 C9 0.91 S1 1.98 C4 2.02 C7 0.80 C4 1.79 O1 1.84 C7 0.82 C7 1.83 O2 1.84 C4 0.89 C7 1.73 C5 1.80 C11 0.83 C8 1.53 H8 1.75 C6 0.78 C4 1.73 O1 1.85 C6 0.75 C10 1.41 H11 1.46 H10 1.12 C7 2.21 C3 2.37 C6 1.06 S1 1.35 H1A 1.39 H1C 0.86 C8 1.34 H9 1.55 H8 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ + ylitest finished at 16:49:23 Total CPU time: 0.3 secs + +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 126 XP – Molecular Graphics – Ver 5.10 Copyright (C) Bruker AXS 1997 Librational analysis for ylitest in P2(1)2(1)2(1) Center which gives symmetric S 0.5805 0.3578 RG = 0.0829 Librational corrections and corrected bond lengths 0.008 0.007 0.004 0.006 0.005 0.004 0.006 0.005 0.006 0.004 0.004 0.005 0.006 0.004 0.004 1.799 1.796 1.711 1.230 1.449 1.507 1.391 1.240 1.435 1.512 1.390 1.415 1.370 1.377 1.403 S1 S1 S1 O1 C3 C4 C5 O2 C3 C6 C5 C8 C9 C6 C10 C1 C2 C3 C4 C4 C5 C6 C7 C7 C7 C8 C9 C10 C11 C11 0.1338
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