Risiko und Rendite

UZ l GELD
l Nr. 3 l 2011 l 25
GELD l UZ
Zeitraum
E I N E K O N S E R VAT I V E R E B E R E C H N U N G S M E T H O D E
Ein Stresstest mit historischen Daten zeigt: Die klassische RisikobeurteilungsMethode Value at Risk unterschätzt die möglichen Wertschwankungen eines
Pensionskassenvermögens.
Kumulierte Rendite [%]
28.02.09
01.09.2000 bis 31.03.2003
01.04.2006 bis 30.06.2006
01.06.2007 bis 28.02.2009
(Finanzkrise 2008)
160%
140%
120%
100%
80%
60%
2000
2001
2002
2003
Scheitelpunkte
V E R T E I L U N G D E R M O N AT S R E N D I T E (Grafik 1)
31.05.07
180%
31.03.06
30.06.06
31.08.00
Pensionskasse:
Risiko und Rendite
31.03.03
H I S T O R I S C H E R R E N D I T E V E R L A U F (Grafik 2)
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Vermögensallokation per 31.12. 2010
H I S T O R I S C H E D E C K U N G S G R A D - E N T W I C K L U N G E N (Grafik 3)
130%
14%
120%
12%
10%
Deckungsgrad
l Nr. 3 l 2011
Häufigkeit
24
8%
6%
4%
2%
110%
100%
90%
80%
0%
3.7%
2.7%
1.8%
Zum Ausgleich von Wertschwankungen auf der Aktivseite
sowie zur Gewährleistung einer bestimmten Verzinsung
der Verpflichtungen werden auf der Passivseite der kaufmännischen Bilanz Wertschwankungsreserven gebildet.
Die Zielgrösse der Wertschwankungsreserve wird durch
den Stiftungsrat festgelegt und normalerweise jährlich überprüft. Für die Berechnung der erforderlichen Wertschwankungsreserve für Anlagerisiken werden nicht nur die Performance-Charakteristik (erwartete Rendite und erwartetes
Risiko) der Aktiven, sondern im Sinne einer gesamtheitlichen Betrachtung auch die Vorsorgeverpflichtungen in
Form der minimal erforderlichen Sollrendite berücksichtigt. Bei einem positiven Jahresergebnis wird der Ertrag aus
der Anlage des Stiftungsvermögens zum Aufbau der Reserve
bis zu ihrem aktuellen Zielwert verwendet. Ein negatives
Jahresergebnis ist soweit möglich der Wertschwankungsreserve zu belasten.
Die Berechnung der Zielgrösse der Wertschwankungsreserve erfolgt in der Praxis am häufigsten anhand einer,
der Risikofähigkeit und Risikobereitschaft der Pensionskasse Rechnung tragenden, finanzökonomischen Methode
0.9%
TEXT HEINRICH FLÜCKIGER UND SEBASTIAN SCHMUKI
0.0%
-0.9%
-1.8%
-2.7%
-3.6%
-4.5%
Häufigkeit
Dichte N (0.22%, 1.58%)
mit dem Value at Risk (VaR) als Risikomass. Dabei wird
sichergestellt, dass das Risiko in eine Unterdeckung zu kommen mit einem vorgegebenen Sicherheitsniveau vermieden wird. Die Berechnungen wurden am Beispiel einer
repräsentativen Musterpensionskasse mit 35% Aktien, 30%
Obligationen, 20% Immobilien, 10% Liquidität und 5%
Hypotheken durchgeführt. Wir streben für diese Pensionskasse ein Sicherheitsniveau von 99% (übliche Werte liegen
zwischen 97.5% und 99%) über einen Anlagehorizont von
einem Jahr an. Mit dieser Vorgabe kann davon ausgegangen werden, dass in 99 von 100 Jahren keine Unterdeckung
auftreten sollte.
Mangelhafte Risikomessmethode
Die klassische VaR-Methode beruht auf der Annahme normal verteilter Renditen. Wie die Grafik 1 zur Verteilung
der Monatsrenditen der Musterpensionskasse für die letzten 10 Jahre zeigt, ist die Normalverteilung (grau) aber nur
eine grobe Annäherung der historischen Kapitalerträge
(hellblau), welche die tatsächlich beobachteten Renditeausreisser (sogenannte, «fat tails» oder sehr hohe positive
oder negative Renditen, rote Balken) nur ungenügend
berücksichtigt. Diese Diskrepanz erhöht sich mit zuneh-
70%
0
5
10
15
20
25
30
Monate
mendem Aktienanteil und sollte bei der Berechnung der
Zielgrösse der Wertschwankungsreserve berücksichtigt
werden (siehe Grafik 1).
Die Cornish Fisher-Adjustierung (siehe Grafik 2) nach
E. A. Cornish und R. A. Fisher ist eine erweiterte Berechnungsmethode zur Bestimmung des Sicherheitsniveaus
gemäss klassischem VaR. Zusätzlich zu Erwartungswert
und Schwankungsbreite (Standardabweichung) werden bei
dieser Methode auch die Faktoren Schiefe und Wölbung
(Exzess) einer Verteilung berücksichtigt, welche für eine
Normalverteilung beide gleich Null sind.
Anhand historischer Phasen mit negativen Renditeausreissern lassen sich verschiedene Berechnungsverfahren
für die Zielgrösse der Wertschwankungsreserve plausibilisieren. Dabei wird überprüft, ob die berechneten Werte in
der Vergangenheit ausgereicht hätten, um eine Unterdeckung zu vermeiden.
Grafik 2 zeigt den historischen Renditeverlauf der Musterpensionskasse seit Januar 2000 (rote Linie). Die Historie widerspiegelt den für Finanzmärkte typischen zyklischen Verlauf. Die blauen Linien markieren Start- und
Endpunkte folgender besonders ausgeprägter Konjunkturphasen.
Die Höhe der Zielgrösse
der Wertschwankungsreserve variiert ja nach
Messmethode.
Foto: Bilderbox.de / Grafiken:zVg
Heinrich Flückinger und Sebastian
Schmuki sind Pensionskassenberater bei Swisscanto.
31.0%
Die Tabelle zeigt, dass die Musterpensionskasse während
der Finanzkrise 2008 eine erforderliche Wertschwankungsreserve von 31% benötigt hätte, um mit der aktuellen Anlagestrategie nicht in Unterdeckung zu kommen.
Wie aus Grafik 2 hervorgeht, waren die RezessionsZyklen der letzten 10 Jahre nicht länger als 32 Monate.
Ausgehend vom aktuellen Startdeckungsgrad der MusterPensionskasse von 101%, können wir uns durch Abbildung
aller 32-Monate-Entwicklungen der letzten 10 Jahre (siehe
Grafik 3) ein zuverlässiges Bild der historischen Anlagerisiken machen und somit verschiedene Risikomodelle
testen. In Türkis sind die entsprechenden Sicherheitsniveaus (99%) aufgetragen, wobei die Sicherheitsniveaus
gemäss Cornish Fisher-Methode «gestrichelt» und gemäss
klassischer VaR-Methode durchgezogen sind. In Violett sind
zum Vergleich die historischen 99% Sicherheitsniveaus
aufgetragen und in Grün der Median (50% oberhalb und
50% unterhalb) der beobachteten Entwicklungen (siehe
Grafik 3 ).
Auch hier stellt man fest, dass die historischen Sicherheitsniveaus die Sicherheitsniveaus gemäss klassischer
VaR-Methode zeitweise überschreiten (roter Kreis). Dies
hätte zur Konsequenz, dass die historischen Anlagerisiken
vom klassischen VaR tendenziell unterschätzt wurden. Die
Sicherheitsniveaus gemäss Cornish Fisher (gestrichelte
Linie in Türkis) sind dagegen konservativer und unterschreiten die historischen Sicherheitsniveaus (gestrichelte
Linie in Violett) für keinen der betrachteten Zeithorizonte.
Vor allem kontraktive Konjunkturzyklen, welche länger als
ein Jahr dauerten, wurden durch den klassischen VaR nur
ungenügend abgebildet. Dies lässt den Schluss zu, dass der
Cornish Fisher VaR die historischen Anlagerisiken der letzten 10 Jahre besser erfasst als der klassische VaR.
Betrachtet man die Zielgrösse der Wertschwankungsreserve in % der Vorsorgeverpflichtungen für die Musterpensionskasse, berechnet nach den beiden Methoden
klassischer VaR und Cornish Fisher-VaR für einen Anlagehorizont von einem und zwei Jahren, ergeben sich
folgende Daten:
Wertschwankungsreserve
mit Sicherheitsniveau = 99%
Klassischer VaR
Cornish Fisher VaR
DIE AUTOREN
Erforderliche
Wertschwankungsreserve
29.3%
3.1%
1 Jahr
16.8%
20.5%
2 Jahre
25.4%
31.4%
Fazit
Die Unterschiede in der Höhe der Zielgrösse der Wertschwankungsreserve nach den beiden Methoden sind deutlich. Wie bei den historischen Betrachtungen ersichtlich
wird, werden die historischen Risiken durch den klassischen VaR unterschätzt. Wir empfehlen, für die Ermittlung
der Zielgrösse der Wertschwankungsreserve den Cornish
Fisher-VaR anstelle des klassischen VaR als Risikomass zu
verwenden, weil dadurch die zugrunde liegenden Berechnungsparameter näher an der Wirklichkeit festgelegt werden können. Die Annahme von normalverteilten Renditen
scheint uns zu restriktiv zu sein.