4 Thema der Woche Nr. 50 · 13. Dezember 2015 „Inder bleiben und Eichstätter werden“ Die Diözese hat das Förderprogramm für ausländische Priester wiederbelebt A Wo sind die Kinder? Es geht aber auch um Zeitgeschichte, um aktuelle gesellschaftliche und kirchliche Entwicklungen. Der intensive Sprachkurs, den die Priester fast ein Jahr lang beim Kolping-Erwachsenen-Bildungs- Pfarrer i. R. Georg Härteis beim Treffen mit den neun Teilnehmern des Förderprogramms für ausländische Priester. werk absolviert haben, zeigt Wirkung: Sie sind in der Lage, Härteis‘ Ausführungen über „70 Jahre Nürnberger Prozesse“ oder über den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt und dessen Liebe zur Musik von Johann Sebastian Bach zu folgen. Auch der Ad limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom bietet Gesprächsstoff. Härteis fragt in die Runde: „Was würdet Ihr den deutschen Bischöfen sagen, wenn Ihr der Papst wäret?“ In den Antworten kommt übereinstimmend zum Ausdruck: Die Priester vermissen hierzulande die Kinder, Jugendlichen und Familien im Gottesdienst. Es seien die älteren Leute, die die Gottesdiensttradition wach hielten, hat etwa der indische Pater Shiju Lukose Thekkevalayil festgestellt. In den Pfarreien, in denen er im Einsatz ist, ist ihm aufgefal- Foto: Gess us allen Ecken der Diözese Eichstätt sind sie nach Eichstätt gekommen: Neun junge Priester, die im vergangenen Jahr im Rahmen des Förderprogramms für ausländische Geistliche ins Bistum gekommen sind. Vor gut drei Monaten wurden ihnen Kaplansstellen zugeteilt. Ergänzend dazu kommen sie alle zwei Wochen zu einem Fortbildungstag nach Eichstätt. Gut, dass kein Schnee liegt an diesem Mittwoch, denn da wo die Kursteilnehmer herkommen – aus Indien und Afrika – ist das Wort Winterreifen unbekannt. Nun sitzen die neun in einem Besprechungsraum des Priesterseminars und richten ihre Augen auf Ausbildungsleiter, Pfarrer i. R. Georg Härteis. Der frühere Bischofsvikar und Leiter der Personalkammer für die Pastoral im Bischöflichen Ordinariat orientiert sich bei den Treffen am Kirchenjahr. Beim letzten Mal ging es um die Sakramentenvorbereitung mit Blick auf bevorstehende Elternabende. Diesmal stehen das Brauchtum, die Heiligen und die Lieder des Advents auf dem Programm. len: „Wir haben für jeden Ort eine Kirche. Und die sind alle fast leer.“ Die Predigten, an die sich die Geistlichen alle schon herangewagt haben, fallen in Deutschland weit kürzer aus, als sie es von ihren Heimatländern gewohnt sind. „Ich habe elf Minuten gebraucht und die Leute haben mir gesagt: Du musst kürzer predigen“, erzählt ein Teilnehmer aus Nigeria unter großem Gelächter seiner Mitbrüder. Sprache als Schlüssel Dass die Teilnehmer des Förderprogramms lernen, sich immer besser auf Deutsch auszudrücken, ist Härteis ein wichtiges Anliegen. „Es wäre ja fatal, wenn die Leute sagen: Ein netter Kerl – wenn man ihn nur besser verstehen könnte. Denn die Sprache ist ja schließlich unser Instrumentarium in der Seelsorge.“ „Der Bischof selbst wollte, dass wieder ein Förderprogramm mit einer ganzen Gruppe startet“, berichtet Härteis. Es habe in den vergangenen Jahren zwar immer einmal Quereinsteiger gegeben, „aber es ist vernünftig, dass man die Ausbildung zusammen macht, weil der Aufwand ja doch groß ist“. Damit der sich lohnt, gehe man von einer Aufenthaltsdauer von etwa einem Jahrzehnt aus, informiert er. Auch in den vatikanischen Richtlinien gemäß der Enzyklika „Fidei donum“ (1957), die letztlich auch die Grundlage für das Förderprogramm in Eichstätt und in anderen deutschen Bistümern bildet, sei von diesem Zeitraum die Rede. Papst Pius XII. rief seinerzeit die Bischöfe in Europa und in Nordamerika dazu auf, Weltpriester in die unter Priestermangel leidenden Ortskirchen zu entsenden, vor allem Z um The ma on allen 27 deutschen Diözesen steht das Bistum Eichstätt mit einem Anteil ausländischer Priester von rund 13 Prozent an dritter Stelle – nach Augsburg und München. Dies geht aus einer breit angelegten Studie hervor, die das Institut für christliche Sozialwissenschaften in Münster 2011 durchgeführt hat. Das Ergebnis ist nachzulesen in dem Buch „Die Situation ausländischer Priester in Deutschland“, herausgegeben von der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkichliche Aufgaben der Bischofskonferenz. Im Vorwort schreibt der zuständige Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger über die ausländischen Priester: „Nicht selten tragen sie dazu bei, dass Pfarreien – wie von den Gläubigen fast immer gewünscht – weiter bestehen können. Dafür verlassen sie ihr Heimatbistum oder ihre heimatliche Ordensniederlassung und unterziehen sich der Mühe, unsere Sprache zu lernen und sich mit unserer Kultur und Lebensweise vertraut zu machen. Wir haben allen Grund, ihnen dafür dankbar zu sein“. gg Foto: Heimbüchler V Die Bewährungsprobe hat begonnen: Die Priester aus dem Förderprogramm sind seit kurzem als Kapläne im Einsatz. Unser Bild zeigt die Begrüßung von Pater Praveen Job (M.) in Eitensheim. Mit im Bild Pfarrer Armin Heß und Bürgermeister Michael Stampfer. Weltweite Kontakte Von den früheren Absolventen des Eichstätter Förderprogramms sind viele über die geplanten zehn Jahre hinaus im Bistum geblieben oder sind gleich Priester der Diözese Eichstätt geworden – wie etwa zahlreiche Geistliche aus Polen (siehe Kasten r.). In solch einem Fall „braucht es eine Vereinbarung mit der betreffenden Diözese oder Ordensgemeinschaft“, erklärt Härteis. Mit einigen Ordensgemeinschaften, die schon früher Priester sandten, pflege die Diözese Eichstätt noch immer Kontakt. Auch die Weltpriester, die für das Förderprogramm ausgewählt der werden, kommen nicht auschließlich aus Partnerdiözesen wie Poona. Aus dem indischen Bistum Guntur „haben wir seit zwei Jahren eine Anfrage“, berichtet Härteis. Zwei Teilnehmer kommen von dort, dazu vier weitere Ordenspriester aus Indien. Zwei sind Priester der nigerianischen Diözese Aba, einer kommt aus der Eichstätter Partnerdiözese Gitega in Burundi. So unterschiedlich die Erfahrungen aus den Heimatländern sind, so werde von den Teilnehmern erwartet, dass sie ein Gespür für die Seelsorge in Deutschland mitbringen und bereit sind, sich einzufühlen, erläutert Härteis. „Sie dürfen Inder und Afrikaner bleiben, aber sie sollen auch Eichstätter werden.“ Gabi Gess Schwieriges und Schönes Ehemalige Förderkurs-Leiter blicken zurück D er Anfang war für beide Seiten nicht leicht“, erinnert sich Pfarrer Robert Schrollinger an die Anfänge des Förderprogramms für ausländische Priester im Jahr 1997. Schrollinger, damals Subregens im Eichstätter Priesterseminar, war gemeinsam mit Pastoralreferent Josef Kraus für die Ausbildung der Geistlichen zuständig. Zusammen organisierten die beiden Sprachunterricht bei einem pensionierten Deutschlehrer, setzten die Neuen über pastorale Schwerpunkte und Strukturen des Bistums in Kenntnis und kümmerten sich um viele praktische Dinge, wie zum Beispiel die Anmeldung zur Fahrschule. Ab 2002 war Domvikar Reinhard Kürzinger, der Leiter der diözesanen Pilgerstelle, für das Förderprogramm zuständig, insbesondere für die Predigtlehre. Zusammen mit dem Musikpräfekten des Priesterseminars gab er auch eine Einführung in die großen Liturgien an Ostern und Weihnachten. „Ein bisschen schwierig“ hat er den „f liegenden Wechsel“ bei den Gastpriestern in Erinnerung. Weil manche wieder ausstiegen, andere als Quereinsteiger hinzustießen, musste man das Programm immer wieder neu aufrollen. 2004 sei das offizielle Förderprogramm des Bistums aufgrund von Sparmaßnahmen ausgelaufen und deshalb jahrelang auf Eis gelegen, berichtet Kürzinger. Das jetzt wieder gestartete Projekt solle nicht allein dazu dienen, Lücken im Klerus zu schließen, sind sich die ehemaligen Betreuer des Förderprogramms einig: Die Neuen dürften nicht auf Stellen gesetzt werden, wo sie eins zu eins deutsche Kapläne ersetzen, auch wenn sie sich in ihrer Heimat schon manche Meriten erworben haben. „Bei uns läuft halt doch manches anders“, meint Schrollinger. Was aber nicht heiße, „dass nicht auch umgekehrt wir etwas lernen könnten von den Mitbrüdern. Wir sind ja auch nicht der Nabel der Welt“. Kürzingers Vision vom Förderprogramm lautet, dass die Teilnehmer „nicht Notnagel sind, sondern uns mit ihrer eigenen Spiritualität bereichern“. Als Einsatzgebiet kann er sich große Seelsorgeeinheiten vorstellen, in denen die Gastpriester in einem Pastoralteam mitwirken. Zu den schönen Erinnerungen als Leiter des Förderprogramms gehört für Kürzinger eine gemeinsame Pilgerfahrt nach Israel. Auch Schrollinger denkt an gute Begegnungen zurück, „zum Beispiel, als der Sebastian D‘Mello (der spätere Generalvikar der Diözese Poona, Anm. d. Red) für gg uns alle gekocht hat“. Woche 5 N achge fr agt Mieczyslaw Bobras W enn der Mörnsheimer Pfarrer zurückrechnet, wie lange er schon im Bistum Eichstätt lebt, kommt er fast ins Staunen: „17 Jahre ist das schon her.“ 1998 machte sich der heute 55-Jährige als junger Priester der polnischen Diözese Radom auf den Weg, um am kurz zuvor gestarteten Förderprogramm für ausländische Geistliche im Bistum Eichstätt teilzunehmen. Der damalige Eichstätter Bischof Dr. Walter Mixa habe bei seinem Bischofskollegen in Radom angefragt, „ob nicht einige von uns kommen können“. Noch in Polen habe er einige Brocken Deutsch für seinen bevorstehenden Aufenthalt gelernt, Pfarrer erzählt Bobras. Dass in Eichstätt daMiecmals noch kein intensiver Sprachkurs zyslaw angeboten wurde, bedauert er, „vor Bobras allem wegen der Grammatik. Da muss ich bis heute aufpassen“. Aufgrund der sprachlichen Hürden sei auch sein erstes Jahr im Bistum, das ihn in die Nürnberger Pfarrei Menschwerdung Christi führte, schwierig gewesen, gibt er zu. Er vermisste den Kontakt zur Pfarrei, empfand sich eher als „Mädchen für alles“ im Pfarrhaus. Nach einem Jahr ging es von der Großstadt nach Pleinfeld, „das war eine ganz andere Welt, da hatte ich gleich Kontakt zu den Leuten“. Bobras weiß noch gut, dass er im Rahmen des Förderprogramms regelmäßig zu Ausbildungseinheiten ins Priesterseminar nach Eichstätt fuhr. Zwei Jahre verbrachte er in Pleinfeld, dann übernahm er die Leitung der Pfarrei Morsbach. 2005 wechselte er nach Mörnsheim und entschied sich fürs Bleiben: 2008 wurde er als Eichstätter Diözesanpriester inkardiniert. Bereut habe er seinen Entschluss nie, versichert Bobras, der seit Jahren zu den Stützen der bayerischen Klerus-Fußballmannschaft gehört: „Man sieht, dass man gebraucht wird.“ gg Foto: Ringhut nach Afrika. Heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Thema Joseph Alangattukaran N ach 13 Jahren hat er längst Wurzeln geschlagen im Bistum Eichstätt. Pater Joseph will bleiben, solange sein Orden, die „Little Flower Congregation“ aus dem indischen Kerala, keine neue Aufgabe für ihn vorsieht. „Wir sind Missionare“, meint er, „wir müssen immer bereit sein“. Nach verschiedenen Stationen in seinem Heimatland hatte sich Pater Joseph 2002 bewusst für einen Einsatz in Europa gemeldet. Ende 2002 kam er nach Eichstätt, wohnte zuerst im Priesterseminar, dann eine Zeit lang im Eichstätter Kapuzinerkloster. Er ging zum Sprachkkurs, Pater machte den deutschen Führerschein, Joseph wurde mit einem Dienstauto ausgeAlangatstattet, „und dann wurden wir in die tukaran Pfarreien geschickt“. Zunächst ging es ein halbes Jahr nach Aurach, dann in die Neumarkter Pfarrei St. Johannes. Pater Joseph erinnert sich noch gut, wie ihn Pfarrer Norbert Winner damals mit auf den Mariahilfberg nahm und er auf seinen neuen Wirkungsort hinabblickte. Nach zwei Jahren konnte Pater Joseph 2004 im Kreis von fünf weiteren indischen Priestern des Förderprogramms ein Zertifikat entgegennehmen. 2004 wurde er Kaplan in Beilngries und blieb acht Jahre, ehe er 2012 Pfarradministrator in Pfahldorf wurde. gg Foto: Gess Nr. 50 · 13. Dezember 2015
© Copyright 2025 ExpyDoc