Ohne Priester keine Pfarrei? begleitet von einer grossen Anzahl engagierter Jugendlicher und Erwachsener, die in einer kaum überschaubaren Zahl von grösseren und kleineren Gruppen das Leben in einer Pfarrei und in einem Quartier bereichern», erläutert Sacchi und erwähnt auch die vielen Gemeinschaften, Veranstaltungen, Aktionen und sonstigen Angebote, welche aus diesem reichen Mitwirken hervorgehen. «Und da soll eine Pfarrei einfach geschlossen werden?», fragt Sacchi. Vielleicht müsse vieles in einem Pastoralraum neu durchdacht, neu initiiert, organisiert, zusammengelegt oder weggelassen werden, aber sicher nicht geschlossen. Sacchi: «Da erhoffe ich mir von einem Erzbischof und Nuntius doch zukunftsweisendere, verständnisvollere und ermutigendere Gedanken und Taten.» Stichwort Pastoralraum respektive Seelsorgeraum: Es ist in der Schweiz seit einigen Jahren Praxis, mit der Bildung solcher Räume den dazugehörenden Pfarreien die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Jüngstes Beispiel in der Region ist der Pastoralraum Muri im Freiamt, der am 24. Januar in Kraft tritt und sechs selbstständige Pfarreien umfasst. KIRCHE Erzbischof Gullickson, neuer Nuntius in Bern, schlägt vor, priesterlose Pfarreien zu schliessen. Dekanate in der Zentralschweiz erklären, dass das nicht so einfach geht. Und sie schildern ihre Situation. ANDREAS FAESSLER Thomas Gullickson heisst der 65-jährige Erzbischof aus South Dakota, der seit Oktober 2015 als Botschafter den Vatikan in Bern vertritt. Mit einer Twitter-Nachricht liess Gullickson die Schweizer Kirchenwelt besonders aufhorchen: Pfarreien ohne Priester sollen «einfach geschlossen» werden. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» bestätigte Gullickson dieses Erwägen und meinte lapidar, in seinem Heimatbistum Sioux Falls habe man die Zahl der Pfarreien wegen Priestermangels von 150 auf 80 reduziert. «Warum soll man in der Schweiz zuwarten mit dem Auflösen von Pfarreien, wenn ohnehin kein Priester gefunden werden kann?», stellte Gullickson im besagten Interview die Frage. Müssen nun viele Gläubige befürchten, dass ihr Gotteshaus funktionslos oder zur Filialkirche herabgestuft wird? «Nur im absoluten Notfall» Mit viel Emotionen verbunden David Blunschi, Dekan in Nidwalden, hält von diesem Ansinnen nichts. Blunschi: «Ich gehe davon aus, dass der Nuntius seine Aussage spontan und ohne grosses Hintergrundwissen gemacht hat.» Auch Daniel Krieg, Dekan in Uri, ist dieser Meinung: «Er scheint die Strukturen in der Schweiz noch nicht sehr gut zu kennen. In unserer dualen Organisation von Kirche und Staatskirche braucht es für solche Schritte die Zustimmung aller.» Und Massnahmen dieser Art seien immer mit sehr viel Emotionen verbunden. Im Dekanat Uri ist man bestrebt, in jeder Pfarrei am Wochenende Eucharistie zu feiern. «Das ist im Moment auch möglich, da wir personell noch recht gut abgedeckt sind, auch mit Priestern», führt Daniel Krieg aus. Obschon nicht jede Urner Pfarrei einen eigenen Priester habe, so seien da noch fünf ältere Priester sowie drei Diakone und drei Pastoralassistentinnen, welche die Aufgaben der Pfarreien vor Ort erfüllen würden. «Wo es an Personal fehlt, prüft man das Gottesdienstangebot und passt es dement- Gewissen Ginge es nach dem neuen Nuntius, sollten priesterlose Pfarreien geschlossen werden – in den betroffenen Kirchen würde es sehr ruhig. Bild Pius Koller sprechend an, indem man es beispielsweise reduziert», so Krieg. Ähnlich ist die Situation im Kanton Obwalden. «Auch wir haben derzeit keinen Priestermangel, weil wir noch eine gewisse Anzahl älterer Priester haben, die in den Pfarreien Dienst tun», sagt Dekan Bernhard Willi. Das Problem sei eher, dass die Personaldecke im Bereich der kirchlichen Berufe generell sehr dünn sei, was künftig eine wachsende Herausforderung für die Personalverantwortlichen in den Bistümern bedeute. Nidwalden erfreut sich diesbezüglich bislang ebenfalls einer zufriedenstellenden Situation, da die Pfarreien gemäss Dekan David Blunschi vergleichsweise gut besetzt seien. «Wo vor Ort kein Pfarrer wohnt, leitet ein Gemeindeleiter die Pfarrei bezie- hungsweise Kaplanei. Ausserdem ist für jede dieser Pfarreien beziehungsweise Kaplaneien ein Priester als Mitarbeiter involviert, der auch als Pfarradministrator wirkt», erklärt Blunschi. Ein Priester ist nicht alles Aber auch da, wo es weit weniger rosig um die Anzahl Priester bestellt ist, wie beispielsweise im Kanton Zug, würde es kaum in Frage kommen, Pfarreien aufzuheben. Alfredo Sacchi, Domherr und Dekan in Zug, erwähnt in diesem Kontext ebenfalls die zahlreichen weiteren Menschen, die das Pfarreileben tragen. Theologische Fachkräfte sowie Fachkräfte für Religionsunterricht, Sozialarbeit, Sekretariate usw., aber auch Ordensleute. «Sie alle werden wiederum «Diese Seelsorgeräume wachsen von unten her», erklärt der Urner Dekan Daniel Krieg. «Das heisst, die Pfarreiangehörigen und die Kirchgemeinden müssen bereit sein, diesen Raum mit den Seelsorgern darin ideell und finanziell zu tragen.» Im Kanton Uri gibt es derzeit drei solcher Seelsorgeräume, und im Falle der Pfarreien Flüelen und Sisikon pflegt man eine pragmatische Zusammenarbeit. Obwalden hingegen hat nur den Seelsorgeraum Sarnen-KägiswilStalden, weil sich diese drei Pfarreien in derselben politischen Gemeinde befinden und somit eine gemeinsame Kirchgemeinde haben. Im Kanton Luzern existieren aktuell neun Pastoralräume und im Kanton Zug deren drei. Der Zuger Dekan Alfredo Sacchi bringt zusammenfassend auf den Punkt, dass die Schweizer Kirche getragen ist von den staatskirchenrechtlich organisierten Kirchgemeinden, die sich die Aufgabe gestellt haben, das Leben in den Pfarreien so gut wie nur irgend möglich zu unterstützen. «Und die würden nur im absoluten Notfall der Schliessung einer Pfarrei zustimmen», ist er überzeugt. Es zeigt sich: Trotz tendenziell sinkender Anzahl Priester und höherem Organisationsaufwand bezüglich Personal in Pfarreien und Pastoralräumen bleibt die Wahrscheinlichkeit gering, dass man in der Schweiz Pfarreien «einfach schliessen» wird, wie es Nuntius Thomas Gullickson vorschlägt. Hans-Peter Schuler D ie Bischofssynode hat das Gewissen der Menschen als Richtschnur anerkannt. Der Synode ist ein realistischer Blick auf die Lage der Familie gelungen. Das ist in den verschiedenen Kulturen auch vielfältig. Dabei wurden nicht nur Probleme benannt, sondern auch Hoffnung geäussert. In einer neuen, vertrauensvollen Sprache wird den Familien vieles zugetraut MEIN THEMA und ihre alltägliche Spiritualität anerkannt. In Zusammenhang mit Familie wurde erstmals von Berufung gesprochen. Dieser Begriff wurde bisher nur im Zusammenhang mit Priestern und Ordensleuten verwendet. Seelsorge bedeutet, einen Weg mit den Familien mit verschiedensten Modellen zu gehen, die eine christliche Familie gibt es nicht, hat es auch noch nie gegeben. Dieser Weg der Begleitung ist einer Konfrontation mit der «reinen Lehre» vorzuziehen. Die Gemeinde wird zum Ort der Barmherzigkeit und Versöhnung. Dazu kommt der politische Einsatz für Familien, die sich keine Mietwohnungen und Privatschulen mehr leisten können. Jede christliche Gemeinde – also auch die Kirche – ist eine Familie. Der Gehorsam kommt von Hören, vom Dialog. Anstatt den blinden Gehorsam auf leblose Paragrafen zu kultivieren, stiftet der versöhnende Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Richtungen erst den nachhaltigen Frieden. Anstatt den Familien zu sagen, wie sie zu leben haben, wäre es christlicher, ihnen zu ermöglichen, in menschenwürdigen Verhältnissen zu leben. Das Gewissen verpflichtet mich, nicht wegzuschauen, sondern sich einzumischen – bis zum Ungehorsam. Hans-Peter Schuler, Diakon, Sattel SZ Klostergemeinschaft prüft den Wegzug ins Alterszentrum OBWALDEN Dieses Jahr feiern die Benediktinerinnen den 150. Geburtstag des Bergklosters in Melchtal. Für die Zukunft suchen sie ein neues Daheim – weiter unten im Tal. Mägde, wie der Engelberger Historiker Pater Moritz Jäger über die Melchtaler Klostergeschichte schreibt. Zu Beginn widmeten sich die Schwestern der Anbetung. Ab 1875 sammelten sie auf Bettelreisen Geld für den Bau von Kloster und Kirche. Und schon kurz darauf unterrichteten die Schwestern an der Dorfschule Melchtal – 1897 gründeten sie ein eigenes Lehrerinnenseminar. Schule – wenn möglich auch für Mädchen – ausgebaut würden.» Auch über die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien hätte sie sich gefreut, nur sei dies ohne bauliche Veränderungen praktisch unmöglich, so die Priorin. «Wenn wir jünger wären, würden wir es wohl probieren. Bevor wir – wohl bald nach dem Jubiläumsjahr – als ganze Gemeinschaft wegziehen, werden wir diese Option prüfen.» Das Kloster Melchtal ist in Feierlaune: «Wir danken Gott und auch den vielen Menschen, die wir hier im Kloster Melchtal und auf den Wegen, die Gott uns führt, treffen, getroffen haben und noch treffen werden», schreibt Schwester Daniela Bieri, Priorin des Klosters. Mit einer eigenen Festzeitung lädt sie die Bevölkerung zu diversen Anlässen im Jubiläumsjahr «150 Jahre Kloster Melchtal St. Niklaus von Flüe» ein (Informationen unter www.kloster-melchtal.ch). Höhepunkt des Klosters war 1966 Zu weit weg von Arzt und Spital Damit begann eine für Mädchen einzigartige Geschichte im Kanton Obwalden. 1929 entstand das Töchterinstitut mit dem Internat. Neben der Sekundarschule boten die Klosterfrauen auch Haushaltungs-, Handels- und Bürokurse an. 1958 wurde im eben erneuerten Institut zusätzlich eine Bäuerinnenschule eröffnet. Seinen Höhepunkt erreichte das Für die Zukunft der noch 15 Schwestern in Melchtal zeichnet sich eine Lösung ab. «Wir hegen Hoffnungen, dass wir in ein Alterszentrum für Klosterfrauen ins Tal ziehen könnten», sagt Schwester Daniela. «Wir möchten weiterhin unsere Aufgaben erfüllen und unsere Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Aber nicht mehr in diesem grossen Kloster mit beschwerlichen Wegen zu Ärzten und ins Spital.» Aktuell gibt es das Projekt benediktinisches Zentrum. Geleitet wird es von Hanspeter Kiser, Präsident der Stiftung der Altersresidenz am Schärme in Sarnen. Kiser betont: «Mit meiner Tätigkeit ‹am Schärme› hat das nichts zu tun. Wir prüfen, ob es möglich wäre, dass überalterte Klostergemeinschaften miteinander in eine Art Alterszentrum umziehen könnten.» Noch sei dies aber eine Vision. Laut Kiser soll eine Stiftung Träger werden, die noch dieses Jahr zu diesem Zweck gegründet werden soll. Noch 15 Schwestern im Kloster Mit 73 Jahren ist Schwester Daniela die Jüngste – ihre vierzehn Mitschwestern haben ein Durchschnittsalter von 85 Jahren, sechs sind über 90. «Dank unseren fest strukturierten Tagesrhythmen mit dem Wechsel zwischen Beten und Arbeiten erfreuen sich viele von uns auch im Alter einer guten Gesundheit», sagt die Priorin. 1866 gründete der Geistliche Balthasar Estermann das Kloster Melchtal als Gemeinschaft für arme «Wir möchten weiterhin unsere Aufgaben erfüllen.» Die Benediktinerinnen im Kloster Melchtal haben ein Durchschnittsalter von 85 Jahren. Bild Romano Cuonz S C H W E ST E R DA N I E LA Kloster 1966: Damals arbeiteten in Kloster, Schule und in auswärtigen Kinderheimen und Niederlassungen insgesamt 121 Schwestern – so viele wie noch nie. Die Wende trat dann in den 1990er-Jahren ein, als sich immer mehr Kantone für die Bildung starkmachten und ex- terne Internate weniger gefragt waren. Schweren Herzens gaben die Schwestern ihre Schule in Melchtal 1998 auf. Vier Jahre später schloss das Internat. Deren Räume übernahm die Stiftung Juvenat Flüeli 2014. «Vorerst freut es uns sehr, dass das Internat und die Schulgebäude als sozialpädagogischer Ausbildungsplatz für männliche Jugendliche genutzt werden», sagt die langjährige Lehrerin und Klosterkünstlerin Schwester Chantal Hug. Die Priorin fügt bei: «Am schönsten wäre es, wenn in ferner Zukunft auch unsere restlichen Klostergebäude wieder zu einer ROMANO CUONZ
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