Prävention von Expansivem Problemverhalten Dr. Julia Plück Diplompsychologin, Psychologische Psychotherapeutin Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters & Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie am Klinikum der Universität zu Köln www.akip.de Prävention von expansivem Problemverhalten 1. Definition und Verlauf aggressiven Problemverhaltens 2. Ursachen aggressiven Verhaltens – Schutz- und Risikofaktoren erkennen 3. Prävention bei aggressivem Problemverhalten – Ansatzpunkte pädagogischer Handlungsmöglichkeiten – Wert und Nachhaltigkeit von Präventionsprogrammen Gewaltprävention_0511 - 3 Expansives Problemverhalten oppositionell – aggressiv – impulsiv – hyperaktiv –unaufmerksam Weit verbreitet (ca. 5-10%) Häufigster Vorstellungsanlass in klinischen und Beratungseinrichtungen (50-60%) Weitgehend stabil Beeinträchtigungen in vielfältigen Bereichen Beziehungen zu Eltern, Erzieherinnen, anderen Erwachsenen, Gleichaltrigen und Geschwistern Psychosoziale Anpassung im Kindergarten Psychosoziale Anpassung in Familie und Freizeitaktivitäten Schwierige Behandlung bei starker Ausprägung / Chronifizierung (z.B. THOP) © J. Plück Gewaltprävention_0511 - 4 AufmerksamkeitsDefizit- / HyperaktivitätsStörungen Kardinalsymptome • Unaufmerksamkeit - Ablenkbarkeit - Dauerkonzentration • Impulsivität - kognitiv - motivational - emotional • Hyperaktivität - motorisch(e Impulsiviät) Gewaltprävention_0511 - 5 ADHS - Ursachenmodell + Stressor + Veranlagung Schutzfaktoren Risikofaktoren • Erziehungsstil Biologische Ursachen Primär Beispiele Defizite in • Hohe Reizdichte (Kita) • Soziale Orientierung in einer größeren Gruppe (Kita, Schule) • Basis der Aufmerksamkeitsfokussierung • Unterdrückung von Reaktionen auf irrelevante Reize • • • • Soziales Umfeld • Struktur im Umfeld • Elterliches ADHS • Schulleistungen • Selbstbild Höhere kognitive • … Anforderungen (Schule) oft entscheidend für Misserfolgserfahrungen Ausmaß und Folgeprobleme … Gewaltprävention_0511 - 6 Begleitsymptome / Komorbidität 30 - 50 % oppositionelle Verhaltensstörung/ dissoziale Verhaltensstörung 20 - 30 % Lernstörungen / Teilleistungsschwächen 20 % Angststörungen 15 % Depressive Störungen 10 - 20 % Tic - Störungen Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. Gewaltprävention_0511 - 7 Oppositionelle Verhaltensstörungen Ursachenmodell Veranlagung + Veranlagung nachweisbar • Geringe Reaktion auf • Strafreize • Gefühlsregulation • erschwert • • Empathiemangel • • Impulskontrolldefizit • Geringe Ausdauer • • … • Stressor Schutzfaktoren + Risikofaktoren • Inkonsistente Erziehung Eingliederung in Kita • mangelnde (elterliche) Steuerung oder Schule • Ungünstige Lernmodelle Gewalterfahrung Misserfolgserfahrung • Sozioökonomische Faktoren • Mangel emotionaler Wärme Ablehnung durch prosoziale Gleichaltrige • Defizit sozialer Fertigkeiten • … Langeweile oft entscheidend für Entstehung … und Aufrechterhaltung Gewaltprävention_0511 - 8 Häufigkeit aggressiven Problemverhaltens • Je nach Definition tritt aggressiv-oppositionelles Problemverhalten bei 2 – 23 % aller Kinder auf (Lahey et al., 2000) • Stark ausgeprägtes aggressiv- dissoziales Problemverhalten tritt bei 2% aller Kinder auf (Lahey et al., 1999) • Jungen sind 2 bis 4 mal häufiger betroffen als Mädchen (Lehmkuhl et al., 1998) • Keine Geschlechterunterschiede (Petermann & Petermann, 2008) • Bei 3-6 Jährigen tritt oppositionelles Problemverhalten 2 bis 3 mal häufiger auf als bei jüngeren bzw. älteren Kindern (Kuschel et al., 2004) Gewaltprävention_0511 - 9 Entwicklung von aggressiv-dissozialem Verhalten unauffällig Zurückweisung durch Gleichaltrige Oppositionellaggressives Verhalten Inkonsistente Erziehung mangelnde Aufsicht mangelnde Wärme Hyperkinetische Störung Bindung an deviante Gleichaltrige unauffällig Delinquenz Schulische Misserfolge Teilleistungsschwäche Frühe Kindheit unauffällig "Spätstarter" Mittlere Kindheit Adoleszenz Döpfner et al., 2002 modifiziert nach Patterson et al. 1989 Gewaltprävention_0511 - 10 Entwicklungsverläufe aggressiven Verhaltens Aggressives Verhalten „early starter“ „late onset“ Frühe Kindheit Jugend (nach Hartup, 1995) Gewaltprävention_0511 - 11 Präventionspogramme im Überblick NAME QUELLE Papilio Beta Institut gGmbH (Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement) u.a. in Kooperation mit Prof. Dr. Petermann Universität Bremen, Prof, Dr. Scheithauer (Universität Berlin) EFFEKT PEP Triple P EntwicklungsFörderung in Familien Eltern- und KinderTraining Prävention für Expansives Problemverhalten (Positive Parenting Program) Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg, Institut für Psychologie /Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Friedrich Lösel Verschiedene Interventionsebenen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln/ Projektleitung: Prof. Dr. Manfred Döpfner Entwicklung: Prof. Dr. Sanders, Uni Queensland/Australien (1999), Import nach Deutschland: Prof. Dr. Hahlweg, Uni Braunschweig, Durchführung: PAG Institut für Psychologie AG, Münster KOMPONENTEN Erzieherfortbildung Kinderkurs Elternkurs PEP Elternprogramm PEP Erzieherprogramm z.B. Elterngruppen (level 4) DURCHFÜHRUNG Gruppentraining mit Erzieher/innen Gruppentraining mit 6 - 10 Kindern Gruppentraining 615 Eltern (Teilnehmer) Gruppentraining mit Eltern von bis zu 5 Kindern Gruppentraining mit Erziehern/innen von bis zu 5 Kindern Elterngruppe mit bis zu 10 Eltern UMFANG Papilio wird in den Kita Alltag integriert. Die Instrumente werden i.d.Regel jeweils wöchentlich bzw. nach Bedarf genutzt 15 Sitzungen je 45-60 Min., 5 wöchentliche Sitzungen/ 6 Sitzungen EFFEKT Interkulturell/ je 90120 Min., 1-2 Kursleiter/innen 7 -12 Sitzungen im Umfang von 1,5 – 2 Stunden 10 - 11 Sitzungen im Umfang von 1,5 – 2 Stunden 4 öchentliche Sitzungen (jeweils 1- 2 Stunden) zzgl. Anschließender telefonischer Einzelberatung Förderung sozialemotionaler Kompetenzen, Verringerung altersspezifischer Entwicklungsrisiken Förderung sozialer Kompetenzen Verbesserung von Erziehungskompet enz Stärkung der positiven Beziehung zum Kind, Stärkung positiver Eltern/ Kind Interaktion. Reduktion von Verhaltensproblemen beim Kind. Wie Elternprogramm Verbesserung von Erziehungskompetenz ZIELE 2 Kursleiter/innen Stärkung positiver Eltern-Kind Beziehung Stärkung positiver Eltern-Kind Beziehung Gewaltprävention_0511 - 12 Von Prävention bis Therapie Therapie PEP, (Triple P) Triple P, Effekt, Papilio Indizierte Prävention: mit ersten Auffälligkeiten Selektive Prävention: für Risikogruppen Universelle Prävention: für alle Interessierten Gewaltprävention_0511 - 13 Universelle Prävention Good Behavior Game(GBG) Differentielle Therapieeffekte van Lier, P. A. C. et al. (2005). Understanding mechanisms of change in the development of antisocial behavior: The impact of a universal intervention. Journal of Abnormal Child Psychology, 89, 137-146. Gewaltprävention_0511 - 14 Teufelskreis bei ADHS / oppositionellem Verhalten Aufforderung Aufforderung durch durch Erziehungspersonen Erziehungspersonen Wiederholung Wiederholung der der Aufforderung Aufforderung Nein befolgt? befolgt? Nein befolgt? befolgt? Ja Nein Drohung Drohung Nein befolgt? befolgt? Nachgeben Nachgeben Ja Ja Andere Andere Tätigkeit Tätigkeit Andere Andere Tätigkeit Tätigkeit Andere Andere Tätigkeit Tätigkeit Andere Andere Tätigkeit Tätigkeit Nein Hilflosigkeit Hilflosigkeit Nachgeben Nachgeben Andere Andere Tätigkeit Tätigkeit Aggressive Aggressive Reaktion Reaktion Döpfner, Schürmann & Frölich (2002). Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP). (3. Aufl.). Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union Gewaltprävention_0511 - 15 Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten (PEP) PEP-EL: Gruppentraining für Eltern (Kinder 3-6 (10) Jahre) PEP-ER: Gruppentraining für ErzieherInnen (Kinder 3-6 Jahre) 7-12 wöchentliche Sitzungen à 90-120 Min. (max. 6 Kinder werden vertreten) Basierend auf Therapieprogramm THOP Grundprinzipien: ►Stärkung der positiven Eltern- / Erzieher-Kind-Interaktionen ►Identifikation individueller Zielprobleme und Entwicklung individueller Interventionen in der Familie / Kita ►Wirkungsvolle Aufforderungen, positive Verstärkung, negative Konsequenzen zur Verminderung von Problemverhalten Plück, J., Wieczorrek, E., Wolff Metternich, T., & Döpfner, M. (2006). Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten (PEP). Ein Manual für Eltern- und Erziehergruppen. Göttingen: Hogrefe. Gewaltprävention_0511 - 16 © J. Plück G r u n d k o n z e p t Info Stärkung für . . . © Hogrefe 2006 Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten ! • positive Eltern-Kind Interaktion • Eltern selbst • konstruktive Eltern-Erzieher Interaktion Planen & • positive Erzieher-Kind Interaktion • Erzieher selbst Handeln Grundmuster für schwierige Situationen Regeln Wirkungsvolle Aufforderungen Positive Konsequenzen Negative Konsequenzen TEXT Abb.2 S Info t r u k t u r Wie sieht das Programm insgesamt aus ? © Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten Hogrefe 2006 PEP-EL PEP-ER 0 Konstituierende Sitzung 0 Konstituierende Sitzung 1 Das Kind - Freud und Leid 1 Das Kind - Freud und Leid 2 Der Teufelskreis / Gemeinsame Spielzeit 2 Der Teufelskreis / Wertvolle Zeit 3 Energie Sparen & Auftanken 3 Energie Sparen & Auftanken 4 Regeln und wirkungsvolle Aufforderungen 4 Regeln und wirkungsvolle Aufforderungen 5 Positive Konsequenzen 5 Positive Konsequenzen 6 Negative Konsequenzen 6 Negative Konsequenzen A Problemverhalten in der Öffentlichkeit B Ständiger Streit 7 Kontakte aufbauen - Freunde finden C Ausdauerndes Spiel 8 Ausdauerndes Spiel D Hausaufgaben 9 Elternarbeit und Elterngespräche E Zusammenfassung 10 Zusammenfassung TEXT Abb.3 © Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten Hogrefe 2006 Bei Problemverhalten der Schlüssel zum Erfolg: Info vor der Situation: Planen VORBEREITUNG Situation? Regel? Konsequenzen? in der Situation: Handeln Schritt für Schritt! Ziel erreicht? Plan überprüfen! PROTOKOLL PEP-ER 10.5 PEP I • Radomisierte Kontrollgruppenstudie zur Wirksamkeit der Kombination beider Module • Indizierte Stichprobe via Screening Gewaltprävention_0511 - 20 PEP I control PEP intention to treat n=64 1 n= 91 PEP dose n=62 * 0,5 0 mother symptom -0,5 * teacher symptom observer symptom * mother parenting * PEP-dose : Teilnahme ≥ 6 Sitzungen * p≤.05 (α-adjustiert) Gewaltprävention_0511 - 21 PEP II • Eigenkontrollgruppenstudie (Wartezeit vs. Interventionsphase) • Wirksamkeit PEP-EL / PEP-ER Trainings PEP-EL Eltern von Kindern, die Beratungsstellen etc. aktiv Hilfe suchten PEP-ER Erzieherinnen, die bei Kindern in ihrem Arbeitsfeld Bedarf sahen Gewaltprävention_0511 - 22 PEP-EL Netto-Effekte der Veränderung N=210 (d (Intervention) – d (Wartephase)) 0,6 0,4 0,2 0 Externalizing Behavior (CBCL 11/2-5) Total-Score ADHS (FBB-HKS) Symptom-Score ODD (FBB-SSV) Total-Score self efficacy (FSW) Total-Score parenting (VER) Total-Score parental stress (DASS) * * * * -0,2 * -0,4 -0,6 * Effekt statistisch signifikant Gewaltprävention_0511 - 23 PEP-ER Netto-Effekte der Veränderung N=126 (d (Intervention) – d (Wartephase)) 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 Externalisierdes Verhalten (C-TRF 11/2-5) Total-Score ADHS (FBB-HKS) Symptom-Score ODD (FBB-SSV) -0,2 Total-Score Erziehungsverhalten (FZEV) Total-Score Belastung (EREB) -0,4 -0,6 -0,8 -1 Alle Effekt statistisch signifikant Gewaltprävention_0511 - 24 PEP im praktischen Einsatz Köln 2001 - 2003 & 2004 - 2006 Projektzeit in Köln Evaluation in 2 Studien weiterer Einsatz durch die geschulte TrainerInnen? weiterer Einsatz durch die Erzieherinnen? Neukirchen an der Saar seit 2005 als Programm für Brennpunktregionen Freie und Hansestadt Hamburg seit 2008 Teil des Programms des Senats zur Gewaltprävention neben EFFEKT, PAPILIO und Triple P (Einzelsetting) Stadt Paderborn Teil des Programms Modellregion für Erziehung neben EFFEKT und Triple P © J. Plück Gewaltprävention_0511 - 25 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Gewaltprävention_0511 - 26
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