Schönheit, die provoziert

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KULTUR
FEUNP1-1
Freitag, 18. März 2016
Schönheit, die provoziert
Bei uns im Netz
Stiftung Denkmalschutz
fördert 380 Projekte
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz will in diesem Jahr bundesweit mindestens 380 Projekte finanziell unterstützen. Die genaue Höhe
der Fördermittel könne aber noch
nicht beziffert werden, erklärte Stiftungsvorstand Wolfgang Illert bei
der Vorstellung der neu restaurierten
Berliner Niederlassung im NicolaiHaus. Es werde jedoch mit ähnlich
hohen Zuwendungen wie in den vergangenen Jahren gerechnet. Diese
beliefen sich jeweils auf rund 15 Millionen Euro. Im Freistaat Bayern ist
unter anderem Schloss Schwarzenberg, im fränkischen Scheinfeld gelegen, auf dieser Liste.
Elf Kirchen in den Dekanaten Coburg und Michelau
zeigen ab Mai Kreuzinstallationen von Ludger
Hinse. Sie sollen zum
Licht hinführen.
Von Maja Engelhardt
Coburg – Er möchte mit seinen Arbeiten provozieren, die Leute zum
Nachdenken und Auseinandersetzen
anregen. Und er möchte sich in Coburg einbringen und freut sich darauf. „Ich bin auf Coburg gespannt“,
verrät der in Recklinghausen lebende
Künstler Ludger Hinse bei der Pressekonferenz im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Heiligkreuz, bei der er
sein Lichtkreuzprojekt „Spuren aus
Licht“ vorstellt.
Vom 14. Mai bis zum 24. Juli werden in elf Kirchen der Dekanate Coburg und Michelau verschiedene
Kreuzinstallationen zu besichtigen
sein. Aus unterschiedlichen Materialen wie Cortenstahl, Glas, aber auch
viel aus Plexiglas. „Plexiglas ist
leicht, und die Objekte müssen ja
aufhängbar und beweglich sein“, erläutert Hinse. Er versuche immer,
den Kirchenraum mit seinen Arbeiten zu verändern, „und der Raum
verändert meine Arbeiten.“ Die angesprochene Provokation liegt für
ihn in der Schönheit der Kreuze, „in
unserer Kultur sind Kreuze nicht
schön. Sie sind dunkel, braun, hässlich. Meine Kreuze sollen zum Licht
hinführen.“
Die Anregung, sich mit dem
christlichen Symbol auseinanderzusetzen, erhielt er in Chile, wo er erlebte, dass sich Frauen mit einfachen
Holzkreuzen vor den Angriffen des
Militärs schützten. „Seitdem hat
mich das Thema nicht mehr los gelassen.“ Derzeit hängen seine Kreuze
in Würzburger Kirchen, von wo aus
sie direkt nach Coburg und Umgebung transportiert werden.
Für Dekan Andreas Kleefeld ist das
Projekt, das in den Gotteshäusern
entlang des Lutherweges Richtung
Süden installiert wird, ein Angebot,
das Zeichen des christlichen Glaubens im wahrsten Sinne des Wortes
Leipziger Buchmesse:
der Preisträger 2016
Lichtkreuze aus Stahl, Glas und Plexiglas sind im Rahmen der Aktion „Spuren aus Licht“ ab 15. Mai in elf Kirchen der Region zu sehen.
ins Licht zu rücken: „Man kann sich
hier mit dem Kernsymbol der Reformation persönlich auseinandersetzen.“
In unserer
Kultur sind
Kreuze nicht
schön.
Ludger Hinse
Dieter Stößlein, theologischer Referent der Lutherdekade und Mitglied der Projektgruppe, die einein-
Warten auf den
Sensationsfund
Kairo – Die Hinweise auf einen Sen- der Nofretete hinter der Nordwand
sationsfund im ägyptischen Tal der befinden könnte.
Über einen möglichen Fund der
Könige verdichten sich. Neue Radarbilder sollen bislang unentdeckte Nofretete, deren weltberühmte Büste
Kammern im Grab von
Hunderttausende Besucher auf der Berliner MuPharao Tutanchamun zeigen. „Wir haben zwei zuseumsinsel anzieht, wollsätzliche Räume hinter
te Damati nicht spekulieren. Bei den Räumen
der Grabkammer“, sagte
könnte es sich aber durchAntikenminister
Mamduch Damati am Donaus um Grabkammern
nerstag in Kairo. Auch sei
von Verwandten Tutanchamuns handeln. Reeves
entweder
metallisches
erklärt seine Theorie zum
oder organisches Material
Sarkophag der Nofretete
hinter den Wänden zu erkennen. Die Aufnahmen Tutanchamun
allerdings auch mit dem
seien allerdings noch
verwandtschaftlichen
nicht völlig eindeutig, es werde wei- Verhältnis zu Tutanchamun: Nofretere Messungen geben. Damati tete war dessen Stiefmutter und – in
sprach von einer möglichen „Entde- Reeves Theorie – gleichzeitig seine
ckung des Jahrhunderts“.
Vorgängerin als Pharaonin.
Der britische Archäologe Nicholas
Auf den jetzt gezeigten RadarbilReeves war im August mit der Theo- dern des japanischen Experten Hirorie weiterer Kammern im Tutancha- katsu Watanabe sollen farbliche Unmun-Grab an die Öffentlichkeit ge- terschiede die Hohlräume und das
treten. Sein Aufsatz über Linien- unbekannte Material zeigen. Die
strukturen in zwei Wänden der 1922 Aufnahmen von Ende November alentdeckten Grabkammer des Kind- lerdings ließen nicht erkennen, wie
königs (um 1330 v. Chr.) hatte für groß die Räume tatsächlich sind.
Aufsehen gesorgt. Reeves erkannte in Auch über die Ursprünge der organiihnen vermauerte Durchgänge. Er schen oder metallischen Strukturen
vermutete sogar, dass sich das Grab wollte Damati nicht spekulieren.
Müllberge und Madenzucht
im Neuen Museum
Nürnberg – Eine Madenzuchtanlage
für die eigene Küche, Müll und was
daraus entstehen kann oder Möbel,
die durch Sonnenlicht hergestellt
werden: Das Neue Museum in Nürnberg beschäftigt sich in seiner neuen
Ausstellung „WEtransFORM“ mit
der Zerstörung der Welt durch den
Menschen – und Möglichkeiten, wie
dies verhindert werden kann. „Die
Schau soll zum Umdenken und zum
Handeln anregen“, sagt Museumschefin Eva Kraus. Auch ein Kreislaufsystem aus Fischen und Tomaten
wird gezeigt oder ein großer DatenSatellit. 30 Ausstellungsstücke wie
Installationen, Filme, Bücher und
Zeitungsausschnitte thematisieren
Umweltverschmutzung und Endlichkeit natürlicher Ressourcen.
halb Jahre lang plante und organisierte, sieht noch weitere positive Aspekte: „Das Kunstprojekt verbindet
auch Menschen, Gemeinden und
Orte. Sie begegnen sich.“ Die Vernissage findet am Samstag, 15. Mai um
19 Uhr in Anwesenheit des Künstlers
in der Coburger Heiligkreuz-Kirche
statt.
Sie gibt allerdings nicht nur den
Startschuss zum Kreuzpilgern, sondern auch für gut 50 Veranstaltungen im zehnwöchigen Zeitraum der
Aktion. So gelang es dem Pfarrer der
Bad Rodacher St.-Johannis-Kirche,
Christian Rosenzweig, den Komponisten und Klangkünstler Ralf Hoyer
für ein „Sternengeflüster“ zu gewin-
nen. Dessen elektroakustischen
Kompositionen werden im loop
(Endlosschleife) täglich zu hören
sein. Verschiedene Fahrten, bei Tag
und bei Nacht, geführte Wanderungen und Radtouren von Kreuz zu
Kreuz, mal mit Einkehr und Brotzeit,
mal mit Gottesdiensten oder Konzerten, bilden weitere Höhepunkte des
vielfältigen Programms. Um einen
Überblick zu bieten, hat die Lutherdekade Dekanat Coburg sowohl einen Flyer mit allen Veranstaltungen
als auch einen „Pilgerbegleiter“ herausgegeben. Er beinhaltet eine Karte, die die teilnehmenden Kirchen
zeigt, auch kurze Informationen
über die Gotteshäuser sowie eine
Schwarz-Weiß-Abbildung der darin
befindlichen Lichtkreuze.
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www.spuren-aus-licht.de.
Teilnehmende Kirchen
Bad Rodach: Johanniskirche
Meeder: St. Laurentiuskirche
Neustadt bei Coburg: St. Georg
Coburg: St. Matthäus, Heiligkreuzkirche
Niederfüllbach: Ev. Kirche
Scherneck: Ev. Kirche
Watzendorf: Marienkirche
Schottenstein: Pankratiuskirche
Gleußen: Evangelische Kirche
Lahm: Schlosskirche
Rückert, der Tod und der Fußball
Wolfgang Weyers hat die
Lebensspuren des Dichters
erkundet. In der Coburger
Ehrenburg stellte er seine
Biografie über den
„großen Zauberer“ vor.
Von Cornelia Stegner
Coburg – Mit einem so großem Interesse hatten die Organisatoren gar
nicht gerechnet. Kurz vor Beginn
müssen noch Stühle gerückt und
Sitzplätze organisiert werden. Der
Coburger Literaturkreis und die Landesbibliothek hatten eingeladen,
sich mit Dr. Wolfgang Weyers auf die
Lebensspuren Friedrich Rückerts zu
begeben, die der Autor, Dozent, Mediziner und ehemalige Sportreporter
in einer opulenten Biografie mit dem
Titel „Der große Zauberer“ zusammengestellt hat.
„Mit Coburg hatte ich nichts am
Hut“, erklärt der Autor seine Beweggründe zur Auseinandersetzung mit
Friedrich Rückert, vielmehr habe den
Kölner ein kleines Heft mit Gedichten auf den heute im Vergleich zu anderen deutschen Dichtern des 19.
Jahrhunderts mehr oder weniger in
Vergessenheit geratenen Rückert
neugierig gemacht.
„Und wenn der Freund dich
kränkt, verzeih’s ihm und versteh: Es
ist ihm selbst nicht wohl, sonst tät er
dir nicht weh“, die Zeilen wirft Weyers mit dem Beamer an die Wand, rezitiert sie und gibt zu: „Das hat mir
gefallen!“. Humorvoll weist der ehemalige Sportreporter auch auf einen
von ihm kurzerhand zum FußballBonmot umgemünzten Rückert-Vers
hin: „Wenn ihr Euch helfen wollt,
müsst ihr einander helfen, zusammengestellt, wird Eins und Eins zu
Elfen“.
Vor 150 Jahren verstarb der Orientalist und Lyriker Friedrich Rückert
in Neuses bei Coburg, und es ist
ebenfalls der Tod, der an diesen
Abend im Andromedasaal von
Schloss Ehrenburg den Ton angeben
wird. Rückert, der zeitlebens über alles Gesehene und Gefühlte reflektierte und der Nachwelt rund 20 000 Gedichte hinterlassen hat, regte viele
Komponisten zur Vertonung seiner
Lyrik an. So liegt es nahe, dass zu diesem Anlass die bekannteste musikalische Annäherung an Rückert zu Gehör kommt: die „Kindertodtenlieder“ von Gustav Mahler.
Abgrund der Trauer
„Nun will die Sonn‘ so hell aufgehn, als sei kein Unglück die Nacht
geschehn!“ – es sind zunächst Veronika Patterer (Gesang) und Diana
Zohrabyan (Klavier), beides Musikerinnen am Landestheater, die die Zuhörer an diesem Abend quasi aus
dem Stand abholen in den tiefen Abgrund, der sich für Friedrich Rückert
nach dem Tod seiner beiden Kinder
Luise und Ernst aufgetan hatte.
Mit den „Kindertotenliedern“
setzt sich auch Autor Wolfgang Weyers im ersten Teil seiner Lesung ausführlich auseinander – ein Kontrast-
Dozent, Mediziner, ehemaliger Sportreporter und Rückert-Biograf: Dr. Wolfgang Weyers.
Foto: Stegner
programm zur heiteren Vorstellungsrunde. Weyers beschreibt, wie Friedrich Rückert den langen und schweren Abschied von seinen geliebten
Kindern bewältigt, indem er seine
Gefühlswelt und Beobachtungen in
lyrische Form bringt. Diese Umsetzung von Klage in Kunst sei, so Weyers, in solchem Ausmaß einzigartig
in der Weltliteratur. Die Stadieneinteilung der Trauerprozesses in der
modernen Psychologie: Friedrich
Rückert hat sie in seinen „Kindertodtenliedern“ bereits manifestiert und
ging, wie Wolfgang Weyers betont,
gestärkt aus seiner schwersten Lebenskrise hervor.
„Können Sie noch?“, fragt Wolfgang Weyers nicht ohne Grund sein
Publikum. Im zweiten Teil des
langen Rückert-Abends führt der
Autor die Beschäftigung Rückerts mit
seiner eigenen Endlichkeit vor, den
er grundsätzlich als glücklichen,
wenn auch „emotional nicht ganz
stabilen“ Menschen beschreibt, der
zuweilen auch gegen Depressionen
anschreiben musste. In seinen letzten Lebensjahren lebte der Dichter
und Orientalist zurückgezogen und
beschäftigte sich mit der „Unendlichkeit im Kleinen“, wie es Weyers
ausdrückt.
Friedrich Rückert sei zufrieden gewesen mit seiner schöpferischem Leben und auch wenn er selbst nicht
immer dem eigenen Anspruch habe
gerecht werden können, so habe er
sich doch als sinnvollen Teil einen
übergeordneten Ganzen wahrgenommen, bevor er am 31. Januar
1866 auf dem Gut Neuses starb. Mit
einem von Gustav Mahler vertonten,
von Veronika Patterer und Diana
Zohrabyan beeindruckend interpretierten „Ich bin der Welt abhanden
gekommen“ endet nach zweieinhalb
Stunden ein langer Rückert-Abend
voller Lyrik und den ebenso kurzweilig-verständlichen wie einfühlsamen
Gedanken des Autors Wolfgang Weyers.
Um Guntram Vesper war es zuletzt
ruhig geworden. Sechs Jahre lang arbeitete der Autor, einst Mitwirkender
der Gruppe 47, an einem großen Roman über seine sächsische Geburtsstadt Frohburg. Dann legte der
74-Jährige das mehr als 1000 Seiten
starke „Frohburg“ vor. „Ausufernd“
sei das Werk geworden, schreibt er
darin selbst. Es hat ihm nun den
Preis der Leipziger Buchmesse 2016
eingebracht. „Frohburg“ ist vieles:
Eine Autobiografie Vespers,
ein tiefer Blick
in das Deutschland der Weimarer
Republik, der Nazizeit,
der
deutsch-deutschen Teilung.
Der Schöffling
Verlag nennt es Guntram Vesper
ein
„Geschichts- und Geschichtenpanorama, wie wir schon lange keines hatten“. Tatsächlich reiht Vesper in
„Frohburg“ eine sorgsam recherchierte Geschichte an die nächste.
Eine Würdigung des Werkes und die
weiteren Preisträger finden sich „Bei
uns im Netz“.
E-Book-Diskussion,
neuester Stand
Wer Benedict Wells lesen will, muss
ein echtes gedrucktes Buch kaufen.
Der junge Erfolgsautor („Becks letzter Sommer“, „Vom Ende der Einsamkeit“) lehnt
es ab, dass seine
Romane als EBook
verlegt
werden. Er liebe das gedruckte Buch, den
Geruch
des
Papiers,
alte
Buchhandlungen. Im Moment sieht es Benedict Wells
aber eher so
aus, als müsse sich der Schriftsteller
nicht so große Sorgen machen. Die
Euphorie um das E-Book hat sich
etwas gelegt. Mit der E-Book-Entwicklung in den USA, wo die digitalen Bücher schnell 25 Prozent und
mehr am Umsatz eroberten, konnte
der deutschsprachige Buchmarkt
ohnehin nie mithalten. Die Buchhandels- und Verlagsexperten führen verschiedene Gründe dafür an,
die bei uns online zu lesen sind.
Aktuelle Scheiben
fürs Heimkino
Pixars neues Schmankerl „Alles steht
Kopf“ mit Kurzfilmen als Extras, der
Disney-Klassiker „Bambi“ digital
überarbeitet, die berührende Dokumentation „The Look of Silence“, die
gefeierte Serie „iZombie“ und eine
ganze Menge mehr gibt es an neuen
Silber- und Blaulingen fürs Heimkino zu vermelden. Unsere Zeitung
listet online die wichtigsten auf.
Zu den Artikeln
www.np-coburg.de/feuilleton