Link3 - Dirk Grinzoff Dr. med. Ulrich Keller

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G A N Z H E I T L I C H E
B E H A N D L U N G S K O N Z E P T E
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Gefährlicher Untermieter:
Helicobacter pylori
Dirk Grinzoff
Dr. med. Ulrich Keller
Er lebt im sauren Milieu unseres Magens, nistet sich dort ein und
bereitet das Terrain vor für eventuell folgenschwere Magen- und
Zwölffingerdarmgeschwüre, ja sogar für Tumore. Die Rede ist vom
Krankheitserreger Helicobacter pylori (HP). Die Infektionen, die
HP auslöst, gehören zu den häufigsten des Menschen. Seine Diagnosemöglichkeiten sind vielfältig, genauso wie die Therapieansätze. Ein
Porträt eines gefährlichen Untermieters und die Möglichkeiten der
Gastroenterologie im Kampf gegen den unliebsamen Keim.
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Spätestens seit Robert Koch, der 1876 erstmals
den Erreger des Milzbrandes, 1882 den Erreger
der Tuberkulose und 1884 den Erreger der
Cholera entdeckte, wissen wir, dass Mikroorganismen die spezifische Ursache
laut offiziellen
für Infektionskrankheiten sind.
Angaben des UmweltDoch solche Beispiele muss
Medizinischen-Informan gar nicht in vergangenen
mationsdienstes sind
Jahrhunderten suchen: 2005
etwa 35 % der deutschen erhielten die Australier J. Robin
Bevölkerung mit HP
Warren und Barry Marshall den
infiziert – und wissen es Nobelpreis für Medizin für die
vielleicht gar nicht.
Entdeckung des Krankheitserregers Helicobacter pylori, einem
Bakterium, das maßgeblich für die Entstehung
von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren,
ja sogar von Tumoren im Magen verantwortlich ist.
Der schlummernde Keim im Magen
Warrens und Marshalls Nobelpreis gingen die
Beobachtung und eine langjährige Forschungsarbeit voraus. 1972 fiel dem Pathologen
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. . .
Warren erstmals unter dem Mikroskop auf,
dass in der Umgebung einer Entzündung der
Magenschleimhaut ein Keim nachweisbar war.
Er suchte fachliche Unterstützung bei dem
Kliniker Barry Marshall. Durch gemeinsame
Studien konnten die beiden 1982 erstmals
beweisen, dass nicht unsere Magensäure,
sondern Helicobacter pylori Magengeschwüre
verursacht. Damit widerlegten die Forscher
ein bis zu diesem Zeitpunkt unumstößliches,
medizinisches Dogma. Wie überlebt der Keim
eigentlich im sauren Milieu unseres Magens?
Helicobacter pylori ist ein Stäbchenbakterium
und spiralig gekrümmt. Mit seinen Geißeln
ist es extrem beweglich. Der Keim nistet sich
unter dem die Magenschleimhaut bedeckenden Magenschleim ein – einer Schicht, die die
Schleimhaut eigentlich vor dem zerstörenden
Einfluss unserer Magensäure schützt. Genau
diese protektive Barriere gegen mögliche
Milieufeinde nutzt auch der Keim. Helicobacter
pylori gestaltet sich seine Umgebung aber auch
selbst aktiv verträglicher: Es spaltet Harnstoff
Eine Infektion bekommt
man nur durch eine
Kombination von Medika-
Der schädigende Einfluss
mit Hilfe des Enzyms Urease in
menten, die die Bildung
Ammoniak und Kohlendioxid
Seinen krankheitsauslösenden
von Magensäure hemmen
und macht damit sein unmittelEinfluss erzielt der Keim durch
(Protonenpumpeninhibares Milieu weniger sauer. Dr.
seine Stoffwechselprodukte:
bitoren = PPI) und mit
Ulrich Keller und Dirk Grinzoff,
Zytotoxine töten die Mageneinem oder mehreren
Gastroenterologen in Koblenz:
schleimhautzellen und Enzyme
Antibiotika in den Griff.
„Das Enzym Urease, das bei Vorschwächen die körpereigene Imhandensein einer HP-Infektion in
munabwehr. Dirk Grinzoff: „Man
einer höheren Konzentration auftritt, hilft uns
weiß inzwischen, dass HP nicht nur für Magenbei der Diagnose. Wir können im so genannund Zwölffingerdarmgeschwüre verantwortlich
ten Helicobacter-Urease-Test den Nachweis für
ist, sondern auch karzinogene Wirkung zeigt.
den Keim erbringen. Hierzu müssen wir beim
Deshalb ist es wichtig, diesen Erreger rechtzeitig
Patienten eine Magenspiegelung durchführen
zu erkennen und konsequent zu bekämpfen.“
und Gewebeproben entnehmen. Dieses VorgeDas belegen auch alarmierende Zahlen: Laut
hen ist in der Erstdiagnostik von Oberbauchoffiziellen Angaben des Umwelt-Medizibeschwerden unverzichtbar und allgemeingülnischen-Informationsdienstes sind etwa 35 %
tiger Standard mit nur wenigen Ausnahmen.
der deutschen Bevölkerung mit HP infiziert
Es gibt aber auch nicht-invasive Methoden,
– und wissen es vielleicht gar nicht. Denn der
dem Keim auf die Spur zu kommen, die vor
Keim schlummert im Magen, bis er schließlich
allem in der Kontrolle nach einer entspreGeschwüre (Ulcus/Ulcera) verursacht oder – im
chenden Therapie durchgeführt werden. Beischlimmsten Fall - zur Entstehung eines bösarspielhaft hierfür sind der 13C-Atemtest und
tigen Tumors der Magenschleimhaut beiträgt.
der Stuhltest. Beim 13C-Harnstoff-Atemtest
Jährlich gibt es in Deutschland etwa 18.500
trinkt der Patient ein mit 13C-Harnstoff angeFälle von Magenkrebs. Dr. Ulrich Keller: „Bis zu
reicherten Orangensaft und atmet markiertes
90 % der akuten oder chronischen Magen13CO2 als Spaltprodukt wieder aus.“ (Siehe
schleimhautentzündungen, etwa 90 % der
Tabelle 1).
Zwölffingerdarmgeschwüre und der Großteil
aller Magengeschwüre, die nicht durch
Medikamente, vor allem Schmerzmittel, verursacht sind, gehen zu
Tabelle 1: Diagnostikmöglichkeiten
Lasten des Magenbakteriums.
Darüber hinaus sicher auch
Invasiv (Magenspiegelung =
Goldstandard der Erstdiagnostik) mit:
ein Teil der bösartigen
Tumore des Magens,
• Gewebeprobe und Keimnachweis mit Grad der
die Schlussfolgerung
Magenschleimhautentzündung durch Pathologen
unter dem Mikroskop
aber, dass alle
• Gegebenenfalls Kulturelle Anzüchtung (= Gold standard der Spezifität )
Tumore im oberen
• Gegebenfalls Gewebeprobe mit Urease-Schnelltest
Magen-Darm• Gegebenenfalls molekulargenetische Methoden
Trakt durch HP
( keine Routinediagnostik ): Geschlechtstyp des Keims,
verursacht werGenmutationen, die mit Resistenzen gegen ATB verbunden sind.
den, ist falsch. HP
ist nur einer unter
Nicht-invasiv
vielen krebserre• 13C-Harnstoff-Atemtest ( = Goldstandard )
genden Faktoren.
• Stuhl-Antigentest: dem 13C-Atemtest unterlegen, aber
weniger aufwändig. Stuhlprobe kann ohne Kühlung
Man geht aber daverschickt werden.
von aus, dass durch
• IgG-Antikörpernachweis im Stuhl/Urin: schlechtes
Helicobacter pylori
Diagnostikum, für Kontrolle der erfolgreichen
das Krebsrisiko ungefähr
Therapie
um das Fünffache steigt.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher bereits
1994 den Keim zu einem Karzinogen
der Klasse I erklärt.
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. . .
Wie kann man sich schützen?
Übertragen wird HP wahrscheinlich fäkal-oral,
das heißt über Ausscheidung im Stuhl und
Wiederaufnahme durch Wasser und Nahrung.
Dirk Grinzoff: „Eine Infektion
Spätestens seit Robert
bekommt man nur durch eine
Koch, der 1876 erstmals
Kombination von Medikamenten,
den Erreger des Milz-
die die Bildung von Magensäure
brandes, 1882 den Erreger
hemmen (Protonenpumpeninhi-
der Tuberkulose und 1884
bitoren = PPI) und mit einem oder
den Erreger der Cholera
mehreren Antibiotika in den Griff.
entdeckte, wissen wir,
Vor allem die Antibiotika müssen
das Mikroorganismen die
spezifische Ursache für
gut gewählt werden, besitzt HP
Text: Dorothee Holsten, Fachjournalistin
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otika eine natürliche Resistenz oder
Tabelle 2:
hat im Laufe der Jahre eine solche
Therapiemöglichkeiten
Resistenz entwickelt. Außerdem
Prinzipiell: PPI + Antibiotika
variiert die pH-abhängige Wirksamkeit von Antibiotika beträchtlich.“
Ersttherapieschema,
(Siehe Tabelle 2). Die Einnahme
Therapiedauer 7 Tage:
von Antibiotika ist meist mit
• PPI 2 x 1/Tag morgens und abends vor dem Essen
leichten Nebenwirkungen
• Clarithromycin 500 mg 2 x 1/Tag morgens und abends nach dem Essen
• Amoxicillin 1000 mg 2 x 1/Tag morgens und abends nach dem Essen
verbunden. Darüber wird
man in der Regel vom
Bei Penicillinallergie Amoxicillin primär ersetzen durch
behandelnden Arzt aufMetronidazol 500 mg Bei Therapieversagen gegebenenfalls Reserveschemata
geklärt. Dr. Ulrich Keller
( gegebenenfalls nach Resistenzprüfung )
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www. grinzoffundkeller.de
doch gegen eine Reihe von Antibi-
Infektionskrankheiten
sind.
betont die Compliance beim Patienten: „Nur
durch die verlässliche Einnahme über eine
fest vorgeschriebene Dauer können wir den
Magenkeim langfristig in den Griff bekommen.
Hierbei ist wichtig, den PPI vor dem Essen, die
Antibiotika nach dem Essen einzunehmen und
mit der Therapie erst zu beginnen, wenn im
Vorfeld mindestens 14 Tage kein PPI eingenommen wurde und der Patient nicht raucht.“
Und das sollte uns ein gesunder und voll funktionsfähiger Verdauungstrakt wert sein! ●
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