CKD-MBD: Was tun, wenn die Evidenz fehlt?

ÜBERSICHTSARTIKEL
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Swiss Expert Meeting in Nephrology zu Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder
«CKD-MBD: Was tun,
wenn die Evidenz fehlt?»
Andreas H. Bock a , Andreas W. Jehle b , Andreas Fischer c , Stefan Farese d , Andreas D. Kistler e , Georg Meffert f ,
Carlo Schönholzer g , Rebekka Müller h , David Spirk h , Patrice Ambühl i
Abteilung Nephrologie, Kantonsspital Aarau; b Klinik für Transplantationsimmunologie und Nephrologie, Universitätsspital Basel; c Abteilung Nephrologie,
Luzerner Kantonsspital, Luzern, Sursee, Wolhusen; d Abteilung Nephrologie, Bürgerspital Solothurn; e Abteilung Nephrologie, Kantonsspital Frauenfeld;
f
Abteilung Nephrologie, Hirslanden Kliniken, Bern; g Servizio di Nefrologia, Ospedale Regionale di Lugano; h Medizinische Abteilung, Sanofi-Aventis (Schweiz)
AG, Vernier; i Institut für Nephrologie, Stadtspital Waid, Zürich
a
Einleitung
Die Autoren dieses Artikels trafen sich am 23. Januar
2014 in Bern zum ersten Swiss Expert Meeting in Ne­
phrology (SEMINER) mit dem Titel «CKD-MBD: Was
tun, wenn die Evidenz fehlt?». Das SEMINER bezweckte
den Austausch über Themen aus dem Gebiet der CKDMBD (Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder), für die mangels Evidenz keine Empfehlungen in
nephrologischen Guidelines vorliegen. Jeder Autor
hatte vor dem SEMINER eine Frage von hoher praktischer Relevanz zur Bearbeitung erhalten und eine
kurze Präsentation darüber vorbereitet. Die Präsentationen wurden als Impulsvorträge gehalten und
dienten als Diskussionsbasis. Nachfolgend ist die Meinung der Autoren zu den acht behandelten, von Guidelines nicht erfassten, Themenkreisen dargestellt.
Frage 1: Geben Sie CKD-4-Patienten (Tab. 1) mit hochnormalen oder leicht erhöhten Phosphatwerten eine
Diätempfehlung?
Andreas H. Bock
Hintergrund
Fazit
In der Literatur finden sich klare Hinweise für einen
Die Autoren ziehen bei CKD-4-Patienten mit hoch-
Zusammenhang zwischen Serumphosphatwerten und
normalen Phosphatwerten eine Beratung zur phos-
(kardiovaskulärer) Mortalität bei CKD [1, 2]. Allerdings
phatlimitierten Ernährung in Betracht, wenn der
stammen die meisten Daten lediglich von Kohorten-
PTH-Wert – nach Korrektur eines eventuellen Vit-
studien, so dass Beweise für einen kausalen Zusammen-
amin-D-Mangels – über dem zwei- bis dreifachen des
hang fehlen. Daher stellt sich die Frage, ob ein klinischer
Normbereichs liegt. Dabei ist die Gefahr der Malnutri-
Nutzen von Massnahmen zur Senkung des Phosphat-
tion bei zu stark phosphatreduzierter Diät besonders
spiegels erwartet werden kann. Die Experten diskutier-
zu beachten. Wichtig für die Beratung ist daher vor al-
ten die Relevanz des Serumphosphatwerts als Marker
lem die «Qualität» der Phosphatquellen. Insbesondere
für CKD-MBD und beurteilten Parathormon (PTH) und
«minderwertige» Phosphate, z.B. Stabilisatoren (Na-
Fibroblasten-Wachstumsfaktor 23 (FGF23) als möglicher-
triumphosphat) in Tiefkühl- und Fertigprodukten sind
weise bessere, weil sensitivere Marker. Sie deuten bereits
zu meiden. Auf eine generelle Empfehlung für eine
in frühen CKD-Stadien auf einen gestörten Mineral-
frühzeitige Phosphatbindertherapie mit phosphat-
haushalt hin, während verschiedene Regulationsme-
limitierter Ernährung legten sich die Autoren ange-
chanismen den Serumphosphatspiegel noch weit bis
sichts des Fehlens prospektiver, kontrollierter Studien
ins CKD-Stadium 4 im Normalbereich halten können.
mit harten Endpunkten nicht fest.
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Tabelle 1: Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung (Chronic Kidney
Disease, CKD). Nach KDOQI Clinical Practice Guidelines for Chronic Kidney Disease.
und oft noch beim Hausarzt in Behandlung ist. Könnte
der Hausarzt deshalb den Kalzium-Phosphat-Haushalt
managen? Die Experten beurteilten die klinischen
Stadium
Glomeruläre Filtrationsrate
GFR (ml/min/1,73 m2)
Beschreibung
1
≥90 und Albuminurie
Nierenschädigung
2
60–89
Leichte Niereninsuffizienz
3
30–59
Mittelschwere Niereninsuffizienz
4
15–29
Schwere Niereninsuffizienz
reich und verlangen Erfahrung bei der Therapiesteue-
5
<15 (oder Dialyse)
Terminale Niereninsuffizienz
rung, die bei CKD-4/5 spezielle Kontrollen benötigt.
Zusammenhänge zwischen Kalzium-Phosphat-Haushalt und assoziierter Morbidität bei CKD-4/5-Patienten
jedoch als hochkomplex. Die eingesetzten Medikamente wie zum Beispiel Kalzitriol sind nebenwirkungs-
Dies ist für Hausärzte ohne spezifische Erfahrung
schwierig, zumal aktuelle Guidelines (KDIGO 2012 Clini­
cal Practice Guideline for the Evaluation and Manage­
Frage 2: Welches sind die Indikationen und Konsequenzen einer 1,25-OH-Vitamin-D3 -Messung?
ment of CKD) nur wenig Orientierungshilfe liefern.
Fazit
Die Autoren sind sich einig, dass die Therapie des Kal-
Hintergrund
zium-Phosphat-Haushalts bei CKD-4/5 Patienten durch
1,25-OH-Vitamin D3 (Kalzitriol) ist die hormonell aktive
den Nephrologen oder zumindest in enger Zusammen-
Form des Vitamin D, deren Konzentration im Rahmen
arbeit mit diesem erfolgen sollte.
einer CKD bereits relativ früh erniedrigt ist. Eine der
am häufigsten verordneten Therapien der CKD-MBD
besteht in einer Substitution von 1,25-OH-Vitamin D3.
Frage 4: Welches sind die Indikationen für kalzium-
Insofern schiene es logisch, die Messung von 1,25-OH-
freie versus kalziumhaltige Phosphatbinder?
Vitamin D3 zur Frühdiagnose einer CKD-MBD und als
therapeutische Entscheidungshilfe beizuziehen. Gegen
Hintergrund
die routinemässige Messung von 1,25-OH-Vitamin D3
Die Beweise für den klinischen Nutzen (bezüglich Mor-
spricht allerdings, dass dieses (anders als das oft be-
bidität und Mortalität) einer Phosphatbinder-gestütz-
stimmte 25-OH-Vitamin D3) nur in sehr geringer Kon-
ten Senkung des Serumphosphats bei nicht dialyse-
zentration vorliegt, die Halbwertszeit sehr kurz und die
bedürftigen CKD-Patienten sind lückenhaft. Erst zwei
Messung nicht standardisiert ist, so dass die Werte
Studien von Russo et al. [3] und Di Iorio et al. [4] sind
stark schwanken und «Normalwerte» für CKD-Patien-
bisher für diese Patientenpopulation veröffentlicht.
ten nicht existieren. Die Autoren diskutierten den Nut-
Bei Dialysepatienten gibt es mehrere Studien, welche
zen einer möglichen 1,25-OH-Vitamin D3-Messung bei
die Wirkung von kalziumhaltigen im Vergleich zu kal-
CKD- und Dialyse-Patienten anhand von Fallbeispielen
ziumfreien Phosphatbindern auf die Mortalität unter-
und kamen zum Schluss, dass in keinem der bespro-
suchten. Diese Studien hatten fast ausschliesslich
chenen Fälle eine 1,25-OH-Vitamin-D3-Messung die
den kalziumfreien, polymerbasierten Phosphatbinder
praktische Therapieentscheidung beeinflussen würde.
Sevelamer zum Gegenstand. Die erste Outcome-Studie
Fazit
Reduktion der Mortalität im Sevelamer-Arm, die nach
von Block et al. zeigte eine grenzwertig signifikante
Übereinstimmend mit der KDIGO (Kidney Disease Im­
multivariater Adjustierung signifikant war (p = 0,016)
proving Global Outcome) CKD­MBD Guideline von 2009
[5]. Die grösste Outcome-Studie von Suki et al. konnte
empfehlen die Autoren, 1,25-OH-Vitamin D3 höchstens
keine signifikante Senkung der Mortalität in dem
in speziellen Ausnahmefällen zu messen.
Gesamtkollektiv nachweisen [6]. Neuere Arbeiten von
Di Iorio et al., die bei CKD-Patienten [4] und bei Dialysepatienten [7] eine Outcome-Verbesserung durch
Frage 3: Wer soll den Kalzium-Phosphat-Haushalt bei
kalziumfreie Phosphatbinder nahelegen, sind eben-
CKD-4/5 managen?
falls nicht konklusiv: In [4] wurde keine «intention-totreat»-Analyse durchgeführt und in [7] war der Effekt
Hintergrund
potentiell durch bessere Phosphatkontrolle und nicht
Die für die kardiovaskuläre Mortalität mitverantwort-
durch die «Kalziumfreiheit» des Phosphatbinders er-
lichen Verkalkungsprozesse in Gefässmedia, Herzklap-
klärbar.
pen und anderen Geweben beginnen bereits im Prä-
Des Weiteren berücksichtigt keine der oben genannten
dialysestadium, wenn der Patient klinisch unauffällig
Studien den potentiellen Kalzium-Influx in den ersten
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Stunden der Dialyse, der durch das – normokalzämi-
kann sich bei eingeschränkter Nierenfunktion aber in
sche – Dialysat bei hypokalzämischen Patienten ver-
Organen und Geweben anreichern und zu Enzephalopa-
ursacht wird. Dies könnte potentiell einen günstigen
thie, Osteomalazie und mikrozytärer Anämie führen.
Effekt von kalziumfreien Phosphatbindern vermin-
Die K/DOQI- und KDIGO-Guidelines raten deswegen
dern. Es könnte hier sinnvoll sein, die Dialysat-Kalzi-
übereinstimmend von der Langzeitanwendung von
umkonzentration anzupassen, obwohl die Grundlage
aluminiumhaltigen Phosphatbindern ab. Schwere Alu-
für eine solche Empfehlung fehlt, da der Kalzium-
miniumintoxikationen wurden in der Vergangenheit
Influx schwer zu messen ist und auch schützend gegen
vor allem nach Kontamination des Dialysates mit Alu-
Blutdruckabfälle wirkt.
minium beschrieben. Unter normalen Bedingungen
Ferner unterscheiden die Studien nicht zwischen «Cal-
führt die Absorption von Aluminium nicht oder nur
cifiers» und «Non-Calcifiers» (Ausprägung der Verkal-
selten zu einem toxischen Serumlevel von >1,5 µM/l;
kung der Arterien zu Beginn der Dialyse), obwohl dies
das kann bei Kindern oder bei gleichzeitiger Ein-
ein für das Überleben höchst relevanter Faktor sein
nahme von zitrathaltigen Medikamenten jedoch anders
könnte. Eine Identifikation der «Calcifiers» durch eine
sein. Argumente für den Einsatz aluminiumhaltiger
seitliche Abdomen-Leeraufnahme ist möglich. In einer
Phosphatbinder sind gute, Adhärenz-fördernde Ver-
Studie erhöhte Sevelamer die Konzentration des Kalzi-
träglichkeit, gute Wirksamkeit und der niedrige Preis.
fizierungsinhibitors Fetuin A [8], was ein Grund für
Allerdings bleibt die Frage nach einem «sicheren» Alu-
eine geringere Progression der Kalzifizierung sein
miniumlevel kontrovers. Hutchinson konnte keine
könnte. In einer aktualisierten Metaanalyse von Jamal
«sichere» Aluminiumdosis empfehlen [10]. Zu berück-
und Kollegen [9], die elf randomisierte Studien bei
sichtigen ist auch, dass die bei Aluminiumintoxikation
CKD- und Dialyse-Patienten zusammenfasst, war die
eingesetzte Rescuetherapie mit einem Chelatbildner
kalziumfreie Phosphatbindertherapie bei ähnlicher
nebenwirkungsbelastet ist.
Phosphatsenkung mit einem knapp signifikanten Überlebensvorteil von 22% und einer geringeren Koronararterien-Kalzifizierung assoziiert. Auch wenn diese
Metaanalyse auf einen möglichen Vorteil von kalziumfreien Phosphatbindern hinweist, wurden Studien
ohne einen Vorteil für kalziumfreie Phosphatbinder
möglicherweise nicht publiziert und weitere Studien
sind notwendig.
Fazit
Die Experten raten zu einer restriktiven Verschreibung
aluminiumhaltiger Phosphatbinder. Werden sie verwendet, so müssen Knochenstoffwechsel und Blutspiegel überwacht werden, und die Patienten sind wiederholt über die Interaktion mit Zitrat zu informieren.
Wegen dieser Probleme werden aluminiumhaltige
Phosphatbinder nur noch von einem Teil der Autoren
Fazit
verschrieben.
Aufgrund der wenig konklusiven Daten verweisen die
Experten für die Wahl des Phosphatbinders auf die
Guidelines von K/DOQI (The National Kidney Foundation Kidney Disease Outcomes Quality Initiative) und
KDIGO, die nahelegen, bei Hyperkalzämie, vaskulären
Verkalkungen, adynamer Knochenkrankheit oder tiefem PTH die Dosis kalziumhaltiger Phosphatbinder zu
limitieren. Die Autoren würden kalziumfreie Phosphatbinder häufiger einsetzen, wenn sie nicht erheblich teurer wären.
Frage 6: Was ist die Rolle des Magnesiumhaushalts?
Hintergrund
Verschiedene Studien in Mensch und Tier sprechen für
einen protektiven Effekt einer hohen Serummagnesiumkonzentration vor Gefässverkalkungen. Beobachtende Kohortenstudien suggerieren zudem eine Verringerung der kardiovaskulären und Gesamtmortalität
bei CKD- und auch Dialyse-Patienten (siehe Review [11]).
Es gibt aber keine randomisierten kontrollierten Stu-
Frage 5: Gibt es noch Platz für aluminiumhaltige
dien über den Einfluss des Magnesiumspiegels auf
Phosphatbinder?
harte klinische Endpunkte. Wo der optimale Serumma-
Hintergrund
ist daher unklar, ebenso die optimale Verabreichungs-
gnesiumspiegel beim Dialyse-Patienten liegen sollte,
Aluminiumhaltige Phosphatbinder wurden aufgrund
form. Neben der oralen Magnesiumgabe bietet sich bei
ihrer hohen Effizienz früher sehr häufig verwendet, bis
Dialyse-Patienten eine Zufuhr über das Dialysat an.
ihr toxisches Potential erkannt wurde. Aluminium wird
Dabei sollten Dialysat-Magnesiumkonzentrationen von
im Magen-Darm-Trakt in geringem Masse absorbiert,
0,5–0,75 mmol/l verwendet werden.
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Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Andreas Bock
Chefarzt Nephrologie
Kantonsspital Aarau
Tellstrasse
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Fazit
das PTH dadurch nicht ausreichend kontrolliert werden
Aktuell sind keine Empfehlungen zum optimalen Ma-
kann, ist Kalzitriol unter enger Kontrolle des Serum-
gnesiumspiegel möglich. Die Fragestellung muss in
kalziums (möglichst des ionisierten Kalziums) einzu-
klinischen Studien geprüft werden.
setzen. Falls die Kalziumwerte ansteigen, kann ein
Wechsel von einem kalziumhaltigen auf einen kalzi-
CH-5001 Aarau
andreas.bock[at]ksa.ch
Frage 7: Welches sind die Indikationen für den selektiven Einsatz von Cinacalcet, VDR-Aktivatoren und
deren Kombination?
umfreien Phosphatbinder oder ein Wechsel von Kalzitriol auf Parikalzitol erfolgen. Als gleichwertige Alternative oder bei persistierend erhöhtem PTH kann bei
Dialysepatienten Cinacalcet angewendet werden.
Hintergrund
Zur Senkung des erhöhten PTH-Spiegels beim sekun-
Frage 8: Soll man die Hypophosphatämie nach Nie-
dären Hyperparathyreoidismus (sHPT) stehen neben
rentransplantation behandeln?
einer Phosphatrestriktion bzw. -elimination durch
Dialyse drei Präparate zur Verfügung, welche die PTH-
Hintergrund
Sekretion hemmen: Der Vitamin-D-Rezeptor-(VDR-)
Mehr als 90% der Nierentransplantationspatienten
Aktivator Kalzitriol (aktives Vitamin D) wird meist
zeigen in der frühen Post-Transplantationsphase eine
primär zur Therapie genutzt, kann aber aufgrund
Hypophosphatämie (Pi <0,6 mmol/l). Eine Substitution
seiner Wirkung auf die intestinalen Vitamin-D-Rezep-
mit «neutralem» Phosphat (z.B. Phoscaps®) in dieser
toren zu erhöhter Kalziumabsorption und Hyper-
akuten Phase führt zu einer verbesserten Säure-/Basen-
kalzämie führen. Der ebenfalls verfügbare VDR-
Homöostase und einem höheren Anteil von ATP- und
Aktivator Paricalcitol zeichnet sich im Vergleich zu
Phosphodiester am muskulären Phosphat [14]. Aller-
Kalzitriol durch eine geringere Stimulation der intesti-
dings ist bei einer Verabreichung von Phosphat auch
nalen Kalziumabsorption aus [12]. Das Kalzimimeti-
darauf zu achten, dass viel Phosphat die Nierentubuli
kum Cinacalcet hemmt direkt die PTH-Sekretion und
schädigen und einen bereits existierenden sHPT exa-
senkt dadurch auch den Serumkalziumspiegel. Cina-
zerbieren kann.
calcet ist nur für die Behandlung von Dialyse-Patienten zugelassen, bei prädialytischen Patienten führt Ci-
Fazit
nacalcet zu Hypokalzämie und Hyperphosphatämie.
Aufgrund der positiven Effekte auf Muskulatur und
Da nur bei wenigen Patienten die PTH-Werte mit
Säure-/Basen-Homöostase empfehlen die Experten,
Monotherapien in den Zielbereich zu bringen sind,
eine Behandlung einer frühen Hypophosphatämie (Pi-
werden die Wirkprinzipien oft kombiniert. Auch in der
Wert <0,6 mmol/l) mit «neutralem» Phosphat per os zu
EVOLVE-(Evaluation Of Cinacalcet Hydrochloride The-
erwägen. Weitere klinische Studien wären hier wün-
rapy to Lower Cardiovascular Events-)Studie wurde im
schenswert. Im Gegensatz dazu sollen bei chronischer
Verum-Arm etwas mehr als die Hälfte der Patienten
Hypophosphatämie in der späten Post-Transplanta-
gleichzeitig mit Cinacalcet und aktivem Vitamin D
tionsphase andere Ursachen, beispielsweise ein tertiä-
behandelt [13].
rer HPT, gesucht und behandelt werden.
Fazit
Rolle der Autoren
Die Autoren empfehlen, den sHPT bei CKD-4/5-Patienten primär mit Normalisierung des Phosphatwertes zu
behandeln (Diät ± Phosphatbinder), da Phosphat ein
wesentlicher Trigger für die PTH-Sekretion ist. Falls
Disclosure statement
Das Wichtigste für die Praxis
Zusammenfassend zeigen die hier wiedergegebenen Diskussionen zu relevanten, aber durch Guidelines nicht abgedeckten Therapieproblemen
aus dem Gebiet der CKD-MBD deutlich den Mangel an gesicherter Evidenz.
Bei den trotzdem unvermeidbaren Therapieentscheidungen ist es daher
besonders wichtig, das Für und Wider zu kennen, die individuelle Patientensituation zu berücksichtigen und die Auswirkungen der Entscheide durch
ein geeignetes Monitoring zu überprüfen.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM
A. Bock, A. Jehle, A. Fischer, St. Farese, A. Kistler, G. Meffert, C. Schönholzer und P. Ambühl präparierten die Diskussionsgrundlagen,
formulierten die Stellungnahmen und redigierten das Manuskript.
D. Spirk und R. Müller (Mitarbeiter von Sanofi-Aventis Schweiz, AG,
Vernier) konzipierten und organisierten das Treffen und unterstützten die Redaktion des Manuskripts, ohne Einfluss auf den Inhalt zu
nehmen.
2015;15(38):8 48–851
Idee und Infrastruktur für diesen Artikel stammen von der Firma
Sanofi, die aber keinerlei Einfluss auf die Diskussion genommen hat.
Der Coautor PA ist Empfänger eines unrestricted educational grant
von Sanofi-Aventis.
Titelbild
© Sebastian Kaulitzki | Dreamstime.com
Literatur
Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie als Anhang
des Online-Artikels unter www.medicalforum.ch.
LITERATUR / RÉFÉRENCES Online-Appendix
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