Sachverhalt Seit einigen Jahren erfreut sich das viertägige Leipziger

Juristenfakultät
Prof. Dr. Stephanie Schiedermair
Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und
Öffentliches Recht
Hausarbeit in der Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht
Sommersemester 2015
Sachverhalt
Seit einigen Jahren erfreut sich das viertägige Leipziger Stadtfest steigender Beliebtheit
– allerdings nicht nur unter den vergnügungswilligen Festbesuchern sondern auch unter
Ganoven und Kriminellen, die sich die Arglosigkeit anderer Festbesucher zunutze machen wollen. Die Anzahl der Taschendiebstähle und Gewaltdelikte während des viertägigen Festes ist in exorbitanter Weise gestiegen, sodass die Polizeibeamten im Dauereinsatz sind, um vermeintlichen Langfingern und Schlägern das Handwerk zu legen.
Nach genauer Analyse der Kriminalitätsstatistiken der letzten Stadtfeste, beschließt der
Leipziger Polizeipräsident (P), dass man dem kriminellen Treiben entschiedener entgegen treten müsse. Der bisherige massive Einsatz von zu Fuß patrouillierenden Polizeibeamten auf dem Fest reiche offenbar nicht aus, Straftaten flächendeckend zu verhindern, bzw. die Täter zu stellen. Finanzielle Gründe und Personalmangel stehen einer
zahlenmäßigen Aufstockung der Polizeibeamten, die während des Stadtfestes im Einsatz
sind, entgegen. Zwei Tage vor Beginn des Stadtfestes lässt P daher über das Festgelände
verteilt 15 offen sichtbare Videokameras installieren, mit denen die Besucherströme auf
dem Stadtfest während der Öffnungszeiten des Fests von morgens 9 Uhr bis nachts um
ca. 2 Uhr überwacht werden. In Betrieb genommen werden sollen die Kameras erst am
Morgen des ersten Festtages am 20.06.2015. Die Kameras können um 360° geschwenkt
und flexibel geneigt werden. Darüber hinaus verfügen sie über eine ausgeprägte Zoomfunktion, sowie über eine Aufhellfunktion, um auch in der Nacht gute Aufnahmen zu ermöglichen. Manuell gesteuert werden die Kameras von der Leipziger Polizeiinspektion
aus, wo die Bilder auf eine Monitorwand mit 15 Bildschirmen übertragen werden. Es
existiert auch ein Großbildschirm, auf dem man auswählen kann, welches Kamerabild
man großformatig anzeigen lassen möchte. An der Monitorwand in der Polizeiinspektion beobachten geschulte Polizeibeamte das Geschehen auf dem Festgelände. Erkennen
die Beamten auf den Bildschirmen, dass die Begehung einer Straftat droht, verständigen
sie ihre Kollegen vor Ort, damit diese gefahrenabwehrende Maßnahmen ergreifen können. Aufzeichnungen der Aufnahmen finden nicht statt. Zwei Tage vor Festbeginn schaltet die Polizeidirektion Leipzig eine Anzeige in der Sächsischen Zeitung, in der sie auf die
Videoüberwachung während des Stadtfestes hinweist. Auch im Festprogramm, welches
an den zahlreichen Ständen ausliegt, findet sich ein expliziter Hinweis, dass auf dem
Festgelände Videokameras installiert sind.
Die hauptberufliche Schaustellerin Zora Zuckerwatte (Z), betreibt seit jeher ein Fahrgeschäft mit Autoscootern auf dem Leipziger Stadtfest. Während des Aufbaus ihres Fahrgeschäfts am 18.06.2015 beobachtet Z, wie zwei Polizeibeamte neben dem Autoscooter
an einer Straßenlaterne in ca. vier Metern Höhe eine Videokamera befestigen. Die Kamera ist so installiert, dass vom Autoscooter selbst keine Aufnahmen möglich sind, aber der
komplette öffentliche Straßen- und Promenadenbereich um den Autoscooter erfasst
wird. Auf Nachfrage erklären ihr die Polizeibeamten, dass die Videoüberwachung insbesondere der Abschreckung und insgesamt der Verhinderung von Straftaten dienen soll.
Die Vorstellung, dass sie die kommenden Tage und womöglich auch während der Stadtfeste der kommenden Jahre unter permanenter Polizeibeobachtung steht, löst bei Z große Empörung aus.
Noch am selben Tag wendet sie sich mit einem Schreiben an P und verlangt das Unterlassen der Videoüberwachung während des Stadtfestes. Darin äußert Z die Befürchtung,
dass die Kamera auch normale Festbesucher und Autoscooterliebhaber abschrecken
könnte und sie deshalb wohl mit Umsatzeinbußen zu rechnen habe. Zs Meinung nach
gebe es für die Videoüberwachung auch keine gesetzliche Grundlage, da das Versammlungsgesetz Aufnahmen von Personen nur dann zulasse, wenn von ihnen eine erhebliche
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, was bei ihr ja wohl nicht der
Fall sei. Auch der Sinn einer solchen Videoüberwachung sei für sie nicht erkennbar,
schließlich sei es wohl utopisch zu glauben, dass solche Maßnahmen das Kriminalitätsproblem lösen und nicht nur räumlich verlagern.
P meldet sich daraufhin telefonisch bei Z und erklärt ihr, dass er zwar der Meinung sei,
dass sie wohl angesichts der großen Bedeutung des allgemeinen Sicherheitsempfindens
und der Tatsache, dass sie hier nicht im Privatbereich sondern im öffentlichen Straßenraum gefilmt werde, die Einschränkungen in Kauf nehmen müsse. Zudem sei er sich
auch überaus sicher, dass die Videoüberwachung auf eine verfassungskonforme Gesetzesgrundlage gestützt werden könne. Da er aber so kurz vor dem Fest nicht auf Ärger
aus sei, bemühe er sich darum, dass die sie betreffende Kamera nicht in Betrieb genommen werde. Außerdem glaube er, dass auch die Kamera als solche – ohne eingeschaltet
zu sein – potentielle Straftäter abschrecke und demnach auch im ausgeschalteten Modus
ihrer Zweckbestimmung dienlich sei. Schließlich macht P der Z deutlich, dass sie sich mit
dieser Auskunft zufrieden geben müsse und er nichts weiter für sie tun könne.
Der Z reichen die vagen Bekundungen des P aber nicht aus. Immerhin lasse sich die Kamera ja jederzeit per Knopfdruck anschalten. Daher könne sie nicht sichergehen, dass
sie nicht doch gefilmt werde. Daher beschließt Z gegen den Einsatz der Kamera auf dem
Leipziger Stadtfest 2015 nun gerichtlich vorzugehen. Sie möchte erreichen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Festgeländes am Marktplatz während des Stadtfestes
2015 durch die neben dem Autoscooter installierte Videokamera unterlassen wird. Für
Z steht allerdings fest, dass sie – sollte ihr Anliegen keinen Erfolg haben – trotzdem den
Autoscooterstand auf dem Stadtfest unterhalten wird und die Überwachung zähneknirschend in Kauf nimmt – da sie insbesondere aus finanziellen Gründen nicht auf das
Stadtfest verzichten kann. Z wendet sich nun an das Verwaltungsgericht Leipzig.
Hat ihr Anliegen Erfolg?
Inhaltliche Bearbeitungsvermerke:
Erstellen Sie ein umfassendes Gutachten und gehen Sie auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Fragestellungen – notfalls hilfsgutachterlich – ein.
Bearbeitungszeitpunkt ist der 19.06.2015
Es ist außerdem davon auszugehen, dass Z durch die Videoüberwachung tatsächlich geringfügige Umsatzeinbußen zu erwarten hätte, die sich aus der Abschreckungswirkung
der Kamera ergeben.
Datenschutzrechtliche Regelungen sind nicht zu prüfen.
Formale Bearbeitungshinweise:
Umfang:
max. 25 Seiten (ausgenommen Sachverhalt, Gliederung und Literatur/Abkürzungsverzeichnis)
Layout:
Textteil: Schriftgröße 12 in den Schriftarten Times New Roman oder
Arial, normale Laufweite; Zeilenabstand mindestens 16 Punkt;
Fußnoten: Schriftgröße 10, einfacher Zeilenabstand;
Abstand Seitenränder (mind.): links: 2,5; rechts: 6 cm, unten und oben
2 cm.
Bitte verwenden Sie ein Deckblatt, auf dem Sie erkennbar machen, für
welches Semester die Hausarbeit gelten soll.
Abgabetermin: Die Abgabe der Hausarbeit muss spätestens bis zum 21.09.2015
(Ausschlussfrist!) erfolgen.
Die Abgabe der schriftlichen Arbeit ist am Lehrstuhl von Frau Prof. Dr.
Schiedermair bis zum 21.09.2015 um 12:00 Uhr oder per Post mit
Poststempel vom 21.09.2015 möglich.
Rückgabe und Besprechung erfolgen am 27.10.2015 in der Übung.
Viel Erfolg!