Aus dem Tagebuch eines Neimaschineles

Aus dem Tagebuch eines Neimaschineles*
Tag 0: Montag, 16.11.2015
Pünktlich wie eine Rolex treffen sich die neun im Café beim Check-in 2, acht bekannte
Gesichter und mit Hildegards Partner Wörni ein neues. Emil wartet mit einer Hiobsbotschaft
auf: den Moussi-Grill gäbe es nicht mehr. Tönt fast schlimmer als wenn es keinen Schnee
hätte. Die Reise verläuft ruhig in den gleichen Flugzeugen wie die Schweizer Cracks – auch
ein Dario Cologna fliegt Holzklasse. Schnee und Schneeluft in Ivalo – mit zwei Sprüngen aus
dem warmen Spätherbst mitten in den Winter.
Gott sei Dank, den Moussi-Grill gibt es immer noch. Ein verfrühter Aprilscherz von Bidi und
Vogel. Jungs, Ihr habt Emil richtig flach aufs Kreuz gelegt! Stefan, der das Beweisfoto bald
einmal als Montage identifiziert, freut sich auf einen Moussi-Burger mit allem Drum und Dran.
Tag 1: Dienstag, 17.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ski wachsen, 10.15 Uhr Start. Zwei können nicht so lange warten
und drehen davor schon ein Extrarunde. Dass sie trotzdem nicht weit kommen, ist dem
falschen Griff in die Wachkiste geschuldet. Spitz!
Wunderbar das erste Gleiten auf dem Schnee nach Lanila, zum Rentierzaun und schliesslich
bis Kilopää und zurück. Die Kilometerfresser machen noch Extraschleifen. Geht das die
ganze Woche so? Nachtrag: Mit der Zeit wurden die Sonderschleifen geringfügig kürzer.
17.00 Uhr Saunatermin: drei Finnen, fünf Japaner und zwei Unterländer in der kleinen
Kabine. Gut dass die Asiaten etwas graziler gebaut sind als unsereins. Ein Sprachenwirr und
viel Gelächter. Es stimmt schon: Bad English ist die Weltsprache von heute.
Tag 2: Mittwoch, 18.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ski wachsen, 10.00 Uhr gemeinsamer Start mit allen. Natürlich
trennt sich bei der ersten Zusatzschleife die Elite vom Rest des Feldes. Schon toll wie Walter
und Bruno im Schlepptau von Hildegard davon ziehen. Einmal mehr aber zeigt sich, dass die
Wunder der Natur sich nur den Gemächlichen offenbaren. Zwei kleine Schneehaufen mit
zwei schwarzen Perlen oben kreuzen die Loipe – lagopus lagopus in der Fachsprache, also
richtige Schneehühner, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen.
Abendessen, voller Speisesaal. Plötzlich steht in der Tür eine Diva im Einteiler, den Zipp
offen bis unter den Bauchnabel. Hand aufs Herz, im Renndress auf der Loipe macht
Olympiasieger Legkov eine deutlich bessere Figur.
Tag 3: Donnerstag, 19.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ski wachsen, 10.00 Uhr gemeinsamer Start mit allen. Das Ziel ist
Kakslauttanen. Obwohl in mehreren Untergruppen bzw. alleine gelaufen wird, sitzen alle fast
gleichzeitig im Restaurant am Tisch. Rätselhaft sind die roten Köpfe von Bruno und Emil:
Wie sehr haben sie sich gegenseitig geplagt?
Zurück ein ähnliches Bild – Solos und Grupettos. Als Unterländer sagt man sich irgendwann:
Sollen sie doch, am Abend sind sie zwar weiter gelaufen, aber nicht wirklich zufriedener.
Ausserdem wird ihnen das abendliche Bier auch nicht besser schmecken, und vom besser
jassen ganz zu schweigen.
Nach dem Abendessen das gleiche Bild: Einträchtig gemeinsam in die Bierstube, alle
mindestens ein Bier und Rückkehr in Gruppen. Um welche Zeit die letzten beiden nach
einem Umweg über den besagten Moussi-Grill heimkehren, kann nicht eruiert werden. Hat
Emil schlussendlich seine Wettschulden beglichen?
Tag 4: Freitag, 20.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ruhetag für alle ausser für zwei – „restless legs“ nennt man diese
Krankheit auf Englisch. Oder ist es einfach so, dass man ab einem bestimmten Alter immer
im Training bleiben muss?
Die anderen vergnügen sich bei Shopping, einem gediegenen Mittagessen und ein paar
Drinks in der Husky-Bar. Einer aus dem – selbstdeklariert! - schönsten Dorf Liechtenstein
erlebt den Nachmittag allerdings ungewollt im Bett. Er hat wohl den 120 Kilometern der
letzten drei Tage Tribut zollen müssen.
Tag 5: Samstag, 21.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ski wachsen, Start in Untergruppen. Emil widmet sich den künftigen
„Birkebeinern“. Saubere Technik, langsam laufen, konsequent abstossen, lange auf dem Ski
bleiben, und, und, und. Schau ma’ mal, ob wir morgen schon Unterschiede zu vorgestern
ausmachen können.
Nachmittag FIS-Rennen – 10 Kilometer Skating:
Fazit 1: Im Rennanzug sehen die Herren noch imposanter aus als in zivil. Zu den Damen
enthalten wir uns politisch korrekt jeglichen Kommentars.
Fazit 2: Im Gegensatz zu Handys funktionieren kiloschwere Kameras auch bei zweistelligen
Minusgraden. Und wenn der Finger am Auslöser zum richtigen Zeitpunkt drückt, entstehen
auch bei diffusem Licht Bilder zum neidisch werden. Nähere Auskünfte erteilt Wörni.
Fazit 3: Das Gerücht könnte stimmen, dass die Dynamik des Laufens weniger von der
Leibesfülle im Hüft- und Bauchbereich als von der richtig verteilten Muskelmasse abhängt.
Fazit 4: Wir haben noch einiges Verbesserungspotential entdeckt und müssen daher wohl
oder übel auch nächstes Jahr wieder ins Trainingslager in Saariselkä einrücken.
Tag 6: Sonntag, 22.11.2015
Aufstehen, Frühstücken, Ski wachsen, weniger kalt als erwartet – ein wunderschöner Tag.
Richtung Renntierzaun blauer Himmel, tief stehenden Mittagsonne, rauhreifweisse Bäume,
die lange Schatten werfen. Was ist schöner: Lappland oder die Karibik?
Ein dreifaches Hoch den ho(c)hen Wachsküsten. Man merkt es vor allem, wenn es abwärts
geht. Wo die von Emil gepflegten Fischer einfach dahin gleiten, verlangen die Rossignols,
Kahrus, Peltonen und erste recht die Müllers nach kräftigen Stockstössen. Das gilt trotz der
Einschränkung, dass das Durchschnittsgewicht der Unterländer Fischerläufer erheblich
höher ist.
Heute fördert der Tagesrückblick beim abendlichen Bier die längst vermuteten geheimen
Rennen zu Tage (siehe rote Köpfe am Tag 3). Erstaunlich wie unterschiedlich das Erleben
der gleichen Abstände sein kann – je nachdem ob man voraus oder hinten nach läuft.
Tag 7: Montag, 23.11.2015
Aufstehen, - 14° vor dem Fenster, Frühstücken, Ski wachsen, klare Vorgabe: 12.15 Uhr Beiz
in Lanila. Jeder soll die Startzeit und Streckenlänge so einrichten, dass er/sie pünktlich
einläuft. Es ist bitterkalt: -24° im Kältesee Lanila. Kein Wunder also, dass die ersten bereits
eine halbe Stunde in der warmen Beiz sitzen. In Kilopää und Kakslauttanen sei es noch
deutlich kälter, berichtet die Hälfte der Gruppe, die sich bis dorthin vorwagen. Stefans
weisser Eisbart ist der starre Beweis am lebendigen Objekt.
Ein spektakulärer Langlauftag mit Stimmungen für Kalenderbilder: blauer Himmel, weisse
Weite, jeder Baum und Strauch eine glitzernde Skulptur. Nach Sonnenaufgang rot
schimmernde Hügel und scheinbar brennende Tannenspitzen. Da muss auch ein
wärmeliebender Karibikfreund zugeben: Bei solchem Winterwetter ist Lappland eine echte
Alternative – aber nicht für (zweibeinige) Faultiere. Die würden glatt erfrieren.
Tag 7+1: Dienstag, 24.11.2015
Aufstehen, Frühstück, Ski nicht wachsen, Skisäcke und Koffer packen, bereit machen zum
Rückflug. Wettersturz und Sturm sind angesagt. Wie macht er es nur, der Hoch Emil?
Wählte bereits im Frühjahr die eine Novemberwoche mit den perfekten Bedingungen!
Vielleicht hängt es daran, dass man in Bezug auf den Umgang mit seinen Schützlingen das
Rating von „bedingt charmant“ auf „grossmehrheitlich charmant“ anheben könnte. Gell,
Cousin Walti?
* ... der Läufer mit dem schnellsten Schritt. Ein Unterländer.