Sterben Medizinerinnen früher als andere Frauen?

Fachbeitrag
Sterben Medizinerinnen früher
als andere Frauen?
Bettina v. Volkmann, Dr. Monika Sieverding, Berlin
„Ärztinnen sterben deutlich früher"
[6, 19] war das Fazit einer Untersu­
chung von 1978, in der das Sterbe­
alter der Ärztinnen und Ärzte der
Ärztekammern Hessen und Berlin
zwischen 1964 und 1976 ausge­
wertet wurde. Es fiel die Häufung
jüngerer Sterbealter der Ärztinnen
sowohl im Vergleich zu Ärzten als
auch im Vergleich zu der w e i b l i ­
chen Gesamtbevölkerung 1 auf. Die
Ursache hierfür w u r d e vornehmlich
in der „Doppelbelastung (der Ärz­
tin) durch Beruf und Haushalt" und
der „Zerrissenheit" zwischen diesen
Aufgabenbereichen vermutet [19].
Die hier vorliegende Untersuchung
hatte das Ziel, die weitere Entwick­
lung des Sterbealters von Ärztinnen
seit 1976 zu überprüfen. Dabei
zeigte sich, daß weniger die Alters­
verteilung der verstorbenen, als
vielmehr die der lebenden Ärztin­
nen ungewöhnlich ist. Da die abso­
lute Zahl von Frauen im ärztlichen
Beruf erst nach dem 2. Weltkrieg
deutlich zunahm [11, 19], sind älte­
re und alte Ärztinnen in der Ge­
samtgruppe der Ärztinnen unterre­
präsentiert, ein Phänomen, das z u m
Zeitpunkt der Erhebung von Falck
und Thiels noch deutlicher ausge­
prägt war als heute. Der stark von
dem der Bundesbevölkerung abwei­
chende Altersaufbau der Ärztinnen
läßt jedenfalls den direkten Ver­
gleich der unstandardisierten Häu­
figkeitsverteilung des Sterbealters
mit den Daten der w e i b l i c h e n
Durchschnittsbevölkerung nicht zu.
Die Abschätzung des Einflusses der
spezifischen Altersaufbauten auf die
Häufigkeitsverteilung des Sterbeal­
ters w u r d e durch Berechnung der
zu erwartenden Häufigkeitsvertei­
lung des Sterbealters von Ärztinnen
und Ärzten unter Voraussetzung
normaler Sterblichkeit ermöglicht.
Von dieser zu erwartenden Häufig­
keitsverteilung w e i c h t die tatsächli­
che Häufigkeitsverteilung nur unwe­
sentlich ab, weshalb die These einer
früheren Sterblichkeit von Ärztinnen
zurückgewiesen w i r d .
Vor gut 13 Jahren erschien in der
„ M e d i z i n i s c h e n Klinik" das Ergebnis
einer Untersuchung des Sterbealters
von Ärztinnen und Ärzten der Ärz­
tekammern Hessen und Berlin z w i ­
schen 1964 ­ 1976 [6]. Dabei w u r ­
den aus den regelmäßig in den Mit­
teilungsblättern der Ärztekammern
[2, 3] erscheinenden Traueranzei­
gen durchschnittliche geschlechts­
und kammerspezifische Sterbealter
berechnet und deren Häufigkeits­
verteilung, in Fünfjahresgruppen ge­
ordnet, graphisch dargestellt 2 .
Sämtliche Berechnungen z u m Ster­
bealter w u r d e n mit Daten der Ge­
samtbevölkerung [17] verglichen.
Bei dem Vergleich des Sterbealters
der Ärztinnen und Ärzte mit dem
Sterbealter der w e i b l i c h e n und
männlichen Normalbevölkerung fiel
bei den verstorbenen Ärztinnen,
nicht aber bei den Ärzten, eine rela­
tive Häufung jüngerer Sterbealter
auf. Das durchschnittliche Sterbeal­
ter der Ärztinnen lag in beiden
Kammern weit unter dem der Ge­
samtbevölkerung 3 .
„Medizinerinnen sterben deutlich
früher" als Frauen insgesamt und als
ihre männlichen Kollegen, interpretier­
ten Falck und Thiels die Ergebnisse [6,
19]. Zwar verwiesen die Autorinnen
auf den Einfluß, den der Altersaufbau
der Ärzteschaft auf die Verteilung des
Sterbealters hat, überprüften diesen je­
doch nicht. Stattdessen argumentierten
sie, daß „das Auseinanderklaffen des
Sterbealters der Ärztinnen und der Le­
benserwartung der Frauen der bundes­
deutschen Gesamtbevölkerung nicht
ausschließlich mit statistischen Män­
geln erklärt werden" könne [6, S.
1142]. „ D i e Doppelbelastung durch
Beruf und Haushalt und die Zerrissen­
heit zwischen zwei Aufgabenberei­
chen stellen (...) offensichtlich eine
Überlastung dar" [6]. Gestützt wurde
diese Begründung durch die Tatsache,
daß 88 % der erwerbstätigen Ärztin­
nen mehr als 40 h pro W o c h e arbeiten
und gleichzeitig 79 % der verheirate­
ten Ärztinnen zudem im Haus lebende
Kinder zu versorgen haben [11]. Da­
her, so Falck und Thiels, „kann man
kaum vermuten, daß ausreichend Er­
holung gewährleistet ist" [6].
Die These von der Kurzlebigkeit der
Ärztin wurde in der Folge vielerorts
verbreitet [5, 9, 16, 22] und auch heu­
te noch argumentativ eingesetzt [12].
In einem Lehrbuch für Medizinstudie­
rende [22] wurde beispielsweise unter
Bezugnahme auf die Veröffentlichung
von Falck und Thiels der Beruf der
Ärztin als unter Umständen „lebensbe­
drohlicher Streß" beschrieben.
Eine Aktualisierung der mittlerweile 15
Jahre zurückliegenden Berechnungen
von Thiels sowie eine erneute Suche
nach möglichen Ursachen erscheint
auch deshalb erforderlich, weil sich
zwischenzeitlich die Rolle der Frau
E n t s p r e c h e n d des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m e s b e z i e h e n sich d i e A n g a b e n z u r „ G e s a m t b e v ö l k e r u n g " b z w . „ B u n d e s b e v ö l k e r u n g " i m f o l g e n d e n auf d i e
B e v ö l k e r u n g der alten B u n d e s l ä n d e r .
D i e S t i c h p r o b e der Berliner Ä r z t e k a m m e r u m f a ß t e 131 v e r s t o r b e n e Ä r z t i n n e n u n d 7 1 0 v e r s t o r b e n e Ä r z t e . Im Bereich der Ä r z t e k a m m e r Hessen verstar­
b e n i m selben Z e i t r a u m 1 2 8 Ä r z t i n n e n u n d 1 2 1 1 Ä r z t e .
Ä r z t i n n e n Hessen 5 8 , 9 Jahre; Ä r z t i n n e n Berlin 6 1 , 5 Jahre. Ä r z t e Hessen 67,1 Jahre; Ä r z t e B e r l i n 6 5 , 9 Jahre.
42
p s y c h o m e d 6, 4 2 ­ 4 6 (1994)
Berliner Ärztinnen 77-89
Berliner Arzte 7 7 - 8 9
20 H
1
» 10
6
6-
u
LffiBL
25-29 35-39 45-49 55-59 65-69 75-7985-8990
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­8990
Sterbealter in Jahren
Sterbealter in Jahren
— Frauen BRD 7 7 - 9 0
— Männer BRD 7 7 ­ 9 0
• Berliner Ärztinnen
• Berliner Ärzte
Hessische Ärzte 7 7 - 9 0
Hessische Ärztinnen 7 7 - 9 0
rT
« 10
3 -
2-
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­8990
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­8990
Sterbealter in Jahren
Sterbealter in Jahren
Frauen BRD 7 7 ­ 9 0
Männer BRD 7 7 ­ 9 0
Hessische Ärztinnen
Hessische Ärzte
Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung des Sterbealters der Ärztekammern Berlin und Hessen
1977 ­ 1990 12, 31 im Vergleich mit der Häufigkeitsverteilung des Sterbealters der Bundesbe­
völkerung 1977 ­ 1990 [17]. Berliner Ärztinnen n = 217; Berliner Ärzte n = 654; hessische
Ärztinnen n = 245; hessische Ärzte n = 1445.
weiter verändert hat [14, 18] und ge­
sundheitsrelevante Aspekte w e i b l i c h e r
Erwerbstätigkeit in den letzten Jahren
eingehend untersucht w u r d e n [7, 8,
10, 13, 15, 20].
Darstellung der
Untersuchung
Zunächst w u r d e die Berechnung der
Häufigkeitsverteilung des Sterbealters
nach der methodischen Vorgehenswei­
se von Thiels [19] für den Zeitraum
1977 ­ 1990 wiederholt. Die Stichpro­
be der Berliner Ärztekammer umfaßte
217 verstorbene Ärztinnen und 654
p s y c h o m e d 6, 4 2 ­ 4 6 ( 1 9 9 4 )
verstorbene Ärzte. Im Bereich der Ärz­
tekammer Hessen verstarben im selben
Zeitraum 245 Ärztinnen und 1445
Ärzte.
W i e die Ergebnisse (Abb. 1) veran­
schaulichen, w e i c h e n die Darstellun­
gen der Häufigkeitsverteilung des Ster­
bealters in dem neueren Zeitraum we­
der für die Ärztinnen noch für die Ärz­
te derart auffällig w i e in der Vorunter­
suchung [19] von denen der Gesamt­
bevölkerung ab.
Die Suche nach den Ursachen der
damaligen Diskrepanz in den Häu­
figkeitsverteilungen des Sterbealters
(vor allem der Ärztinnen), b z w . der
nun zu beobachtenden Angleichung
an die Daten der Bundesbevölkerung
in dem jüngeren Untersuchungszeit­
raum schloß neben einem möglichen
W a n d e l der damals als verursachend
angesehenen Lebens­ und Arbeitsbe­
dingungen der Ärztinnen auch eine
Überprüfung der Aussagekraft des ver­
wendeten Verfahrens ein.
Die Häufigkeitsverteilung des Sterbeal­
ters ergibt sich aus der prozentualen
altersspezifischen Sterblichkeit und der
altersspezifischen Zusammensetzung
einer Gruppe Lebender, d.h. ihrem Al­
tersaufbau. W e i c h e n z w e i Stichproben
in der Häufigkeitsverteilung ihrer Ster­
bealter voneinander ab, so unterschei­
den sie sich ebenfalls entweder a) hin­
sichtlich ihrer altersspezifischen Sterb­
lichkeit, b) in der Zusammensetzung
ihres Altersaufbaus oder c) in beidem.
U m mittels Häufigkeitsverteilung des
Sterbealters oder durchschnittlichem
Sterbealter eine Aussage über die Le­
benserwartung machen zu können,
müssen daher die Altersaufbauten bei­
der Stichproben identisch sein oder es
muß eine Altersstandardisierung vorge­
n o m m e n werden.
Bevor also aus der abweichenden Dar­
stellung der Häufigkeitsverteilung des
Sterbealters der Ärztinnen Schlüsse auf
ihre individuelle Sterblichkeit oder Le­
benserwartung gezogen werden kön­
nen, muß überprüft werden, ob die Al­
tersaufbauten mit denjenigen der Ge­
samtbevölkerung vergleichbar sind.
Der Altersaufbau der
Ärzteschaft
Es ist davon auszugehen, daß der Al­
tersaufbau der Ärztinnen von dem der
Frauen insgesamt (siehe Abb. 2a, 2b)
abweicht, da zu Beginn des Jahrhun­
derts nur wenige Frauen z u m M e d i z i n ­
studium zugelassen w u r d e n . 1909 im­
matrikulierten sich in Deutschland le­
diglich 86 Studentinnen an der medizi­
nischen Fakultät, 1933 studierten be­
reits 5.000 Frauen M e d i z i n , 1989 wa­
ren es knapp 4 0 . 0 0 0 [11, 17].
U m den Einfluß des abweichenden Al­
tersaufbaus der Ärztinnen auf die be­
obachtete Auffälligkeit der Häufigkeits­
verteilung ihrer Sterbealter abschätzen
zu können, w u r d e versucht, Daten
über die Altersstruktur der Ärzte und
Ärztinnen zu erhalten. Leider w u r d e
43
die Dokumentation der Altersstruktur
der Ärzteschaft bis auf wenige Jahrgän­
ge nur äußerst lückenhaft geführt. Im­
merhin gelang die Darstellung eines
differenzierten Altersaufbaus (nicht
gröber als in Fünfjahresgruppen geglie­
dert) der BÄK für die Jahre 1961,
1968, 1972 [4] und der Ärztekammer
Hessen für die Jahre 1 9 6 1 , 1 9 6 8 , 1 989
(siehe exemplarisch Abb. 2b).
Die Gegenüberstellung der ge­
schlechtsspezifischen Altersaufbauten
Bundesbevölkerung/Ärzteschaft (Abb.
2a und b) illustriert die enormen Un­
terschiede, welche bei den Ärztinnen
noch ausgeprägter sind als bei den
Ärzten. Zwar hat auch die Zahl der
Ärzte in den letzten Jahrzehnten über­
proportional zugenommen; gerade die
älteren Jahrgänge der Ärzte waren aber
schon immer besser besetzt. Da der
Zustrom der Neuapprobierten anhält,
ist der Altersaufbau der Ärzteschaft
heute dem der Gesamtbevölkerung
wesentlich ähnlicher als noch vor 30
Jahren.
Vergleich der zu erwarten­
den mit der tatsächlichen
Häufigkeitsverteilung des
Sterbealters
Da die Altersstruktur der Ärztinnen
und ­ wenn auch weniger ausgeprägt
­ der Ärzte nicht mit der Altersstruktur
der Gesamtbevölkerung vergleichbar
ist, ist eine Altersstandardisierung not­
wendig, um die Sterblichkeit beider
Gruppen überhaupt vergleichen zu
können. Die Berechnung standardi­
sierter Sterbeziffern 4 von Ärztinnen
und Ärzten ist aufgrund des unzurei­
chend existierenden Datenmaterials
nicht möglich. O b die damals gefun­
dene Häufigkeitsverteilung des Sterbe­
alters vornehmlich durch den stark dif­
ferierenden Altersaufbau bedingt ist,
oder ob die Verschiebung darüber hin­
aus durch ein tatsächliches A b w e i c h e n
16
1986-89
14
16-
12
1966-75
gi<H
14-
3
8
"t
<Ü
12-
•o
10
5? 6
4
2
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­
Alter in Jahren
Frauen
25­:29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­79 85­89 90
Alter in Jahren
1986-89
1966-75
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­8
Alter in Jahren
25­ 29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­7985­
Männer
Alter in Jahren
Abbildung 2a: Altersstruktur der Männer und Frauen der Bundesrepublik [17], über mehrere
Jahre gemittelt.
der Sterblichkeit verursacht wurde, soll
durch folgende Methode abgeschätzt
werden:
Unter Zugrundelegung der ge­
schlechts­ und altersspezifischen Ster­
bequotienten der Gesamtbevölkerung
des jeweiligen Jahres [17] w i r d mittels
M u l t i p l i k a t i o n des entsprechenden Al­
tersaufbaus der Ärztinnen und Ärzte
die zu erwartende Häufigkeitsvertei­
lung der Sterbealter der Ärzte und Ärz­
tinnen in Hessen berechnet 5 .
Diese Darstellungen (Abb. 3) zeigen
exemplarisch, w i e die relative Vertei­
lung des Sterbealters der Ärzte und
Ärztinnen hätte aussehen müssen, wä­
re ihre altersspezifische Sterblichkeit
der der Gesamtbevölkerung vergleich­
bar gewesen. Bei dem Vergleich der
zu erwartenden Häufigkeitsverteilung
des Sterbealters mit der tatsächlichen
Häufigkeitsverteilung des Sterbealters
zeigt sich eine recht gute Übereinstim­
mung. Es w i r d deutlich, daß die Häu­
Die Sterbeziffer gibt die Verstorbenen pro definierter Anzahl Lebender (in der Regel pro 1.000 oder pro 10.000) gleichen Alters und Geschlechts an.
Da durch Definition der Ausgangsmenge eine Standardisierung erfolgte, sind unterschiedlich große und unterschiedlich strukturierte Stichproben an­
hand ihrer Sterbeziffern direkt vergleichbar.
Diese Operation wurde entsprechend der vorhandenen Altersaufbauten für die Ärztekammer Hessen der Jahre 1968, 1989 sowie für den Gesamtbe­
reich der Bundesärztekammer der Jahre 1 961 und 1968 durchgeführt. In der vorliegenden Veröffentlichung sollen exemplarisch die Berechnungen auf
der Grundlage des Altersaufbaus Hessen 1 968 vorgelegt werden. Die Ergebnisse der übrigen Berechnungen sind vergleichbar.
44
psychomed 6, 42­46 (1994)
Fachbeitrag
1989
1968
1961
26 -A
24-
25-29 35-39 45-49 55-5960
2 5 - 2 9 3 5 - 3 9 4 5 - 4 9 5 5 - 5 9 6 5 - 6 9 7 5 - 7 9 8 5 - 8 9 90
A l t e r in J a h r e n
Alter in J a h r e n
CK-
2 5 - 2 9 3 5 - 3 9 4 5 - 4 9 5 5 - 5 9 6 5 - 6 9 7 5 - 7 9 8 5 - 8 9 90
A l t e r in J a h r e n
Ärztinnen
1989
1968
1961
10 -
4-
i
25-29 35-39 45-49 55-5960
Alter in J a h r e n
2 5 - 2 9 3 5 - 3 9 4 5 - 4 9 5 5 - 5 9 6 5 - 6 9 7 5 - 7 9 85A l t e r in J a h r e n
25-29 35-39 45-49 55-59 65-69 75-79 85-8990
A l t e r in J a h r e n
Arzte
Abbildung 2b Altersstruktur der Ärztekammer Hessen. 1961: Ärzte n = 6345, Ärztinnen n = 1355; 1968: Ärzte n = 7257, Ärztinnen n = 1833;
1989: Ärzte n = 20113, Ärztinnen n = 9121. Der schwarze Balken illustriert die Verschiebung einer gleichbleibenden Teilgruppe im Laufe der
Zeit, der Altersaufbau 1961 faßt die über 60jährigen zusammen. Der Altersaufbau 1989 wurde 1991 nachträglich erstellt. Quelle: Ärztekammer
Hessen.
fung jüngerer Sterbealter, besonders
der Ärztinnen, durch die Überreprä­
sentation der jüngeren Altersgruppen
in ihrem spezifischen Altersaufbau er­
klärt werden kann. Der geringe Um­
fang der Stichproben, sowie die nicht
exakt übereinstimmenden Erhebungs­
zeiträume 6 erlauben keine Interpre­
tation der geringfügigen A b w e i c h u n ­
gen. U n g e w ö h n l i c h im ersten Erhe­
bungszeitraum (1964 ­ 1976) ist dem­
nach nicht die Altersverteilung der Ver­
storbenen, sondern die Altersverteilung
der Gesamtgruppe der Ärztinnen.
Daß die Häufigkeitsverteilung des Ster­
bealters der Ärztinnen im zweiten Er­
hebungszeitraum (1977 ­ 1990) auch
ohne Altersstandardisierung unauffälli­
ger erscheint, ist durch die zunehmen­
de Angleichung des Altersaufbaus an
den der Frauen insgesamt bedingt.
Ebenso w i r d verständlich, daß die
Häufigkeitsverteilung des Sterbealters
der Ärzte, deren Altersaufbau bereits
vor 20 Jahren dem der Männer insge­
samt ähnlicher war, schon damals
nicht so auffällige A b w e i c h u n g e n zeig­
te.
Diskussion
Der Vergleich der zu erwartenden mit
der tatsächlichen Häufigkeitsverteilung
des Sterbealters der Ärztinnen und
Während die Altersaufbauten und damit die zu erwartende Häufigkeitsverteilung des Sterbealters nur für einzelne Jahre existieren, wurde die tatsächli­
che Häufigkeitsverteilung über einen Zeitraum von 1 2 Jahren erhoben, was wegen des geringen Umfangs der Stichprobe auch notwendig ist.
psychomed 6, 42­46 (1994)
45
Fachbeitrag
[6] Falck, I. & Thiels, C. (1979). Das Sterbe­
alter der Ärzte in Berlin­West und Hessen
von 1964 ­ 1976. Med. Kl in. 74, 1140 ­
1143.
24-
|7| Hoffmann, L.W. (1989). Effects of mater­
nal employment in the two­parent family.
Am. Psychol. 44, 283 ­ 292.
161412
[8] Holahan, C. & Gilbert, L. (1979). Conflict
between major life roles: W o m e n and men
in dual career couples. Human Rel. 32, 451
­467.
f 10
fem
n
25-29 35-39 4 5 - 4 9 55-59 6 5 - 6 9 7 5 - 7 9 >85
25­29 35­39 45­49 55­59 65­69 75­79 >85
Sterbealter in Jahren
Sterbealter in Jahren
Zu erwartende Hv
I I Zu erwartende Hv. d. Sta.
[10] Kessler, R.C. & McRae, J. (1982). The
effect of wives' employment on the mental
health of marrieel men and w o m e n . A m Soc.
Rev. 47, 216 ­ 227.
Sta.
Ärzte Hessen 1968
Ärztinnen Hessen 1968
Tatsächliche Hv. d. Sta
— Tatsächliche Hv. d. Sta.
Ärztinnen Hessen 6 4 ­ 7 6
Ärzte Hessen 6 4 ­ 7 6
|11] Koller, S. (1970). Zahl, Struktur und
Nachwuchsbedarf der Ärzte. Ärzteanalyse
aufgrund der Volkszählung 1961. Ergänzt
auf den Stand von 1967. Bundesministerium
für Jugend, Familie und Gesundheit, Bonn.
Abbildung 3 Vergleich tatsächlicher Häufigkeitsverteilung des Sterbealters (Ärzte n = 1211,
Ärztinnen n = 128) [191 mit zu erwartender Häufigkeitsverteilung des Sterbealters bei voraus­
gesetzter „Normalsterblichkeit". Berechnet aus dem Altersaufbau der Ärzteschaft Hessen 1968
und der altersspezifischen Sterblichkeit der Bundesbevölkerung [17].
Ärzte unter E i n b e z i e h u n g ihrer spezifi­
Dr. M o n i k a Sieverding
[12] Kreikenbaum, /C.(1992). Leserbrief in
Ärztin 6.
[13] Lorber, J. (1984). W o m e n physicians:
Careers, Status, and power. N e w York: Tavi­
stock publications.
schen Altersstruktur ergab, daß die
Bettina v. V o l k m a n n
t a t s ä c h l i c h e H ä u f i g k e i t s v e r t e i l u n g des
Freie U n i v e r s i t ä t B e r l i n
Sterbealters der Ä r z t i n n e n keineswegs
Institut für M e d i z i n i s c h e Psychologie
auf eine erhöhte Sterblichkeit hinweist,
Habelschwerdter Allee 45
s o n d e r n d e m P r o d u k t ihres A l t e r s a u f ­
14195 Berlin
s a m t b e v ö l k e r u n g v e r g l e i c h b a r e n Sterb­
lichkeit entspricht.
D i e B e r e c h n u n g des d u r c h s c h n i t t l i ­
[16] Sieverding, M. (1990). Psychologische
Barrieren in der beruflichen Entwicklung von
Frauen: Das Beispiel der Medizinerinnen.
Stuttgart: Enke.
c h e n S t e r b e a l t e r s ( w i e sie v o n Falck
u n d Thiels d u r c h g e f ü h r t w u r d e ) ist o h ­
ne v o r h e r i g e A l t e r s s t a n d a r d i s i e r u n g
kein sinnvolles mathematisches Ver­
[17] Statistisches Bundesamt (1970 ­ 1992).
Statistisches Jahrbuch für die BRD. Stuttgart
und Mainz: Kohlhammer.
fahren u n d w u r d e daher für d e n j ü n g e ­
ren Z e i t r a u m n i c h t w i e d e r h o l t . A u f ­
g r u n d der geringen G e s a m t z a h l Ver­
[18] Statistisches Bundesamt (1987). Frauen
in Familie, Beruf und Gesellschaft. Stuttgart
und M a i n z : Kohlhammer.
s t o r b e n e r i n n e r h a l b e i n e s Jahres w a r
e i n e B e r e c h n u n g s t a n d a r d i s i e r t e r Ster­
beziffern nicht m ö g l i c h . Der Einfluß
Literatur
konnte jedoch mit dem vorhandenen
Datenmaterial exemplarisch gezeigt
werden.
Es b e s t e h t d a h e r k e i n A n h a l t f ü r e i n e
geringere Lebenserwartung von Ärztin­
nen. D i e Ergebnisse w e r d e n d u r c h ei­
n e n e u e S t u d i e aus d e r S c h w e i z b e ­
stätigt [1, 2 1 ] . D o r t z e i g t e d i e B e r e c h ­
nung von Überlebenskurven Schwei­
z e r Ä r z t i n n e n , d a ß d i e s e s o g a r e i n e et­
was längere Lebenserwartung haben
als S c h w e i z e r F r a u e n i n s g e s a m t .
46
[14] Have­Herz, R. (1988). Wandel und
Kontinuität der Familie in der Bundesrepu­
blik Deutschland. Stuttgart: Enke.
[15] Repetti, R.L., Matthews, K.A. & Wald­
ron, I. (1989). Employment and women's
health: Effects of paid employment on w o ­
men's mental and physical health. A m Psy­
chol. 44, 1 3 9 4 ­ 1401.
baus u n d einer, der w e i b l i c h e n Ge­
des a b w e i c h e n d e n A l t e r s a u f b a u s
[9] Hylla, B. (1982). Vergleich der Sterbesta­
tistiken von Zahnärzten, Ärzten und Normal­
population (im Zeitraum 1965 bis 1977).
Diss. med. Berlin.
[1] Ackermann­Liebrich, U. & Wiek, SM.
(1991). Survival of female doctors in Swit­
zerland. Brit. Med. J. 302, 959.
[2] Ärztekammer Hessen (Hrsg.) (1977 ­
1990). Hess. Ärztebl.
[3] Berliner Ärztekammer (Hrsg.
1990). Die Berliner Ärztekammer.
(1977
[4] Bundesärztekammer (Hrsg.) (19??). Tätig­
keitsberichte. Köln: Deutscher Ärzteverlag.
[5] Falck, I. (1978). Die Ärztin in Deutsch­
land. Ärztin 8, 5 ­ 6.
[19] Thiels, C. (1978). Das unterschiedliche
Sterbealter von Ärztinnen und Ärzten in W.­
Berlin und Hessen von 1964 ­ 1976. Diss.
med., Berlin.
[20] Waldron, I. (1980). Employment and
women's health: An analysis of causal relati­
onships. Int. J. Health Serv. 10, 435 ­ 4 5 4 .
[21] Wiek, SM. (im Druck). Überleben­
schancen Schweizer Ärztinnen. Unveröffent­
lichte Diss. med., Basel.
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