Einsatz für ein besseres Leben

In Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei, leiden viele Kinder unter dem politischen, sozialen und wirtschaftlichen Überlebenskampf. Dankbar sind sie für die Unterstützung von Ruth Ebener. Die gebürtige Struthüttenerin hat sich zum Ziel gesetzt, das Leid der
Kinder ein wenig zu lindern.
Fotos: privat (2) / roh (1)
Einsatz für ein besseres Leben
S T R U T H Ü T T E N / U L A N B AT O R Ruth Ebener kümmert sich seit 20 Jahren um bedürftige Kinder
„Die Pflegefamilien sollen
heimatlosen Kindern das
geben, worauf jedes Kind
ein Recht hat.“
roh t „Es gibt vieles, das einen entmutigen könnte: Enttäuschte Erwartungen,
nichterfüllte Wünsche, Kinder, die nicht so
geraten, wie man sie sich wünscht, schwierige politische Umstände, jede Menge Probleme, die nicht lösbar erscheinen.“ Die
gebürtige Struthüttenerin Ruth Ebener
weiß, wovon sie spricht. In Struthütten, Anfang der 80er Jahre, zur Kindergartenzeit,
war es für sie noch beschaulich. Aber die
Dorfidylle reichte dem „Strörer Mädchen“
dann irgendwann nicht mehr aus. Seit 20
Jahren lebt und arbeitet sie nun in der
Mongolei.
Ruth Ebener beschloss seinerzeit, die
Mitarbeiterschule der freien christlichen
Jugendgemeinschaft in Lüdenscheid zu
besuchen. Außeneinsätze auf den Philippinen und in China waren die Folge. Die dort
getätigten Erfahrungen ließen sie nicht
mehr los. Mit dem festen Willen, mit Kindern in schwierigen Verhältnissen zu arbeiten, beschloss sie dann im August 1988,
wenige Monate nach ihrem Schulabschluss, nach China zu gehen. Ihr Vorhaben war natürlich auch mit einigen Hürden
verbunden.
Um ihre Perspektive zu verbessern, beschloss sie zunächst, Chinesisch zu lernen.
Zwei Jahre befasste sie sich intensiv mit
der Sprache an der Universität von Fuxin –
und das, obwohl ihr der damalige Rektor
des Neunkirchener Gymnasiums wegen
einer angeblichen Sprachschwäche noch
davon abgeraten hatte, das Abitur zu machen. Heute beherrscht Ruth Ebener vier
Sprachen: Deutsch, Englisch, Chinesisch,
Mongolisch. Und sie kann „Strörer Platt“,
zumindest verstehen.
Obwohl sie seinerzeit „nur“ die mittlere
Reife in Neunkirchen erlangt hatte, durfte
sie zwei Jahre als Professorin an der Universität von Harbin Deutsch unterrichten.
Doch ihrem beruflichen Ziel war sie damit
noch nicht näher gekommen. Ende August
Nicht immer sind die Kinder in der Mongolei so fröhlich wie dieses kleine Mädchen.
1992 flog Ruth Ebener dann zusammen mit
ihrer amerikanischen Freundin Molly
nach Ulan Bator. In der Hauptstadt der
Mongolei leben mehr als eine Million Menschen. Das Land selbst ist viereinhalb mal
so groß wie Deutschland und hat weniger
als drei Millionen Einwohner. Dort arbeitete die Struthüttenerin als Englischlehrerin an der Universität.
Der kleine Anand ist eines von vielen mongolischen Kindern, die sich über die Unterstützung von Ruth Ebener aus Struthütten freuen. Dankbar zeigte er sich jetzt beim gemeinsamen Deutschlandbesuch.
Unter dem politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Überlebenskampf leiden
auch heute noch vorrangig die Kinder.
Viele von ihnen versuchen der Armut und
den Misshandlungen zu entkommen, indem sie weglaufen und probieren, auf der
Straße Geld für sich und ihre Familien zu
verdienen. Andere sind einfach von ihren
Eltern ausgesetzt worden – von Eltern, die
in furchtbaren Verhältnissen leben, von Eltern, die alle Hoffnung verloren haben. So
war es nicht verwunderlich, dass auch bei
Ruth Ebener und ihrer Freundin Molly die
Kinder an die Tür klopften und bettelten.
Die Deutsche und die Amerikanerin nahmen sich ihrer an. Weitere Kinder lasen sie
von der Straße auf. Das war sozusagen die
Geburtsstunde ihrer Kinderhilfe in der
Mongolei.
Um die Arbeit ausweiten zu können,
war allerdings finanzielle Hilfe erforderlich. Im Jahr 1994 wurde deshalb die Hilfsorganisation Alpha-Omega gegründet, deren vordringliches Ziel es auch heute noch
ist, armen und benachteiligten Kindern
und deren Familien in Notsituationen und
bei der Erziehung zu helfen. Zudem werden sie in allen Lebensfragen beraten.
Insgesamt 18 Mitarbeiter, darunter
Ruth Ebener, kümmern sich um insgesamt
40 Kinder, von denen sechs behindert sind.
Die Kinder leben in Pflegefamilien. „Die
Pflegefamilien sollen heimatlosen Kindern
das geben, worauf jedes Kind ein Recht
hat: eine Familie, in der es sich geliebt, angenommen und geborgen fühlt“, sagt Ruth
Ebener.
So erzählt sie beispielsweise von zwei
Brüdern, die einen Mord in ihrer Wohnung
beobachten mussten. Es sei eine fast unendliche Geschichte, das Erlebte psychologisch aufzuarbeiten, weiß Ruth Ebener. In
einem anderen Fall hätten die Nachbarn
eines kleinen Mädchens bei den Behörden
darauf gedrängt, dass das Mädchen in
Pflege komme. Warum? Die Mutter des
Mädchens, erklärt die Struthüttenerin,
habe mit einem Schamanen aus einer anderen Provinz bereits den Kaufpreis für ihr
eigenes Kind vereinbart. Sie habe das Kind
kurzerhand als „Schamanenlehrling“ verhökern wollen.
In den ersten Jahren sei es für AlphaOmega noch relativ einfach gewesen, Kinder in Pflegefamilien unterzubringen.
Mittlerweile aber gebe es die behördliche
Auflage, Kinder, die noch ein Elternteil haben, zurück in ihre Familien zu schicken.
Doch bevor ein Kind entlassen werde,
stelle Alpha-Omega Nachforschungen an
und erledige Hausbesuche, um in Erfahrung zu bringen, in welche Verhältnisse
die Kinder dann wieder entlassen werden
sollen. Die Eindrücke seien oft schockierend gewesen: „Ich habe bisher noch keinen Fall erlebt, bei dem ich eines der Kinder mit ruhigem Gewissen zurück nach
Hause schicken konnte“, sagt sie. Andererseits könne sich der Verein den staatlichen
Auflagen eben nur begrenzt widersetzen.
Schließlich könnten die Behörden die Arbeit der Organisation im Extremfall ganz
verbieten. Aber die fest in ihrem Glauben
verwurzelte Struthüttenerin lässt sich
nicht entmutigen: „Wir haben immer wieder Hilfe erfahren, auch bei Engpässen.“