Grundlagen der Rückversicherung

Beilage 3
Luzern, 27.1.2016
Grundlagen der Rückversicherung
1.
Der Zweck der Rückversicherung
Für ein bestimmtes Versicherungsjahr nimmt eine Versicherungsgesellschaft eine fixe, im voraus bestimmte Prämie ein und finanziert dann die Schäden, die im Versicherungsjahr auftreten. Wenn für
einen Schaden, der im Versicherungsjahr aufgetreten ist, Zahlungen in späteren Jahren fällig werden
(z.B. Renten), dann müssen dafür am Ende des Versicherungsjahres genügende Rückstellungen
gebildet werden.
Die Schadenlast für ein Versicherungsjahr besteht also aus dem gesamten Aufwand für die Schadenfälle, die im Jahr aufgetreten sind, d.h. aus den geleisteten Zahlungen und aus den Rückstellungen. Da der Aufwand für die Schäden zu Anfang des Versicherungsjahres nicht bekannt ist, können
sich folgende Situationen ergeben:

Der Aufwand ist tiefer als die eingenommenen Prämien: Dann fliesst der entstehende Gewinn
in das Eigenkapital.

Der Aufwand ist höher als die eingenommen Prämien: Dann muss die entstehende Deckungslücke durch eine Entnahme aus dem Eigenkapital ausgeglichen werden.
Ein Problem besteht dann, wenn das Eigenkapital nicht ausreicht, um eine Deckungslücke auszugleichen. Das kann verschiedene Ursachen haben:

Es treten einzelne, sehr grosse Schäden ein. Das ist vor allem dann eine Bedrohung, wenn
bei der Versicherungsdeckung keine Obergrenze besteht.

Es tritt eine unvorhergesehene Häufung von mittelgrossen Schäden ein, die in der Summe
nicht mehr tragbar sind.
Die Rückversicherung dient einer Versicherungsgesellschaft dazu, sich gegen genau diese Entwicklungen abzusichern. Hierzu existieren verschiedene Formen von Rückversicherungsprodukten, die
nachfolgend kurz erläutert werden.
2.
Formen von Rückversicherungprodukten
2.1. Quota Share (Abk. Q/S; Dt. Quotenrückversicherung; Fr. Quote-part)
Eine Quota Share (oft auch nur Quote genannt) ist eine Form eines
proportionalen Rückversicherungsproduktes: Von jedem einzelnen
Schaden, der unter den Vertrag fällt, zahlt der Rückversicherer einen
festgesetzten Prozentsatz, der Erstversicherer den Rest. Die Quota
Share schützt besonders gut gegen unübliche Häufungen von Schäden, die einzeln nicht übermässig teuer sind.
Beispiel: Quote = 60%; Schaden 1 = 100 000 CHF  Rückversicherer
bezahlt 60 000 CHF; Schaden 2 = 300 000 CHF  Rückversicherer
bezahlt 180 000 CHF.
Kosten getragen durch
Erstversicherung
Rückversicherung
Eine Quota Share wird oft da eingesetzt, wo das Eigenkapital einer
Erstversicherung nicht ausreicht, um das Risiko eines bestimmten
Portefeuilles zu tragen: Der Erstversicherer gibt einen Anteil des Risikos
und der Prämie an den Rückversicherer ab. Oft schützen Privatversicherer mit einer Quota Share ihr Portefeuille in der Motorfahrzeugversicherung.
2.2. Excess of Loss (Abk. X/L; Dt. Schadenexzedent; Fr. Excédent de sinistres):
Es wird eine fixe Limite festgelegt. Von jedem einzelnen Schaden, der
unter den Vertrag fällt, bezahlt der Rückversicherer jenen Teil, der über
dieser Limite liegt, den so genannten Exzedenten. Wenn der Schaden
kleiner ist als die Limite, dann bezahlt der Rückversicherer nichts. Der
Erstversicherer bezahlt für jeden Schaden also höchstens die festgelegte Limite.
Beispiel: Limite = 400 000 CHF; Schaden 1 = 300 000 CHF  Rückversicherer bezahlt nichts; Schaden 2 = 900 000 CHF  Rückversicherer bezahlt 500 000 CHF.
Kosten getragen durch
Erstversicherung
Rückversicherung
Der X/L wird oft da eingesetzt, wo die Einzelschäden in der Regel vom
Erstversicherer problemlos getragen werden können, wo aber seltene
und ausserordentlich hohe Schäden diesen in Schwierigkeiten bringen
können.
Erstversicherer schützen oft ihr Lebensversicherungsportefeuille gegen
sehr grosse Einzelschäden, wenn z.B. Spitzensportler oder erfolgreiche
Künstler verunglücken. Eine andere klassische Anwendung sind Deckungen für grosse Naturkatastrophen.
2.3. Stop Loss (Abk. S/L; Dt. Summenexzedent; Fr. Excédent de pertes):
Eine weitere Form eines nicht-proportionalen Rückversicherungsproduktes ist der so genannte Stop Loss: Es werden alle unter einen Vertrag fallenden Schäden zusammengezählt. Der Rückversicherer zahlt
jenen Teil dieser Jahresschadensumme, welcher über einer festgelegten, fixen Limite liegt. Der Erstversicherer bezahlt also insgesamt pro
Jahr höchstens die Limite.
Beispiel: Limite = 20 Mio. CHF, Jahresschadensumme = 27 Mio. CHF
 der Rückversicherer bezahlt 7 Mio. CHF, der Erstversicherer die
verbleibenden 20 Mio. CHF. Wenn das Prämienvolumen 12 Mio. CHF
beträgt, dann hat der Erstversicherer die Gewissheit, dass er höchstens 8 Mio. CHF seines Eigenkapitals einsetzen muss.
Kosten getragen durch
Der Stop Loss wird oft als zusätzliches Sicherheitselement nach andeErstversicherung
ren Rückversicherungsprodukten (Q/S oder X/L) eingesetzt, für den Fall
Rückversicherung
einer ausserordentlich schädlichen Kombination verschiedener Entwicklungen, die durch die anderen Rückversicherungsprodukte nicht
genügend abgesichert werden können.
Diese Form von Rückversicherung ist vor allem für kleine Erstversicherer überlebenswichtig. Der Hurrikan Andrew im Jahr 1992 verursachte versicherte Schäden von über 7 Mia. USD. Einige Erstversicherer haben diesen Sturm nicht überstanden, weil sie nicht hinreichend rückversichert waren.
3.
Die Situation bei der Suva
Die BUV und die NBUV sind insgesamt jeweils hinreichend gross und hinreichend gut kapitalisiert,
um auch ausserordentlich ungünstige Schadenverläufe decken zu können. Dies gilt jedoch nicht auf
der Stufe der einzelnen Klassen der BUV und Risikogemeinschaften der NBUV. Hier können grosse
Unfallereignisse mit mehreren Mio. Franken Schadensumme oder markante Häufungen schwerer
Berufskrankheiten (ein Asbest-Mesotheliom kostet im Schnitt 600 000 CHF) ohne weiteres dazu
führen, dass die Prämien empfindlich erhöht werden müssen, um die Klasse oder Risikogemeinschaft - wie vom Gesetz gefordert - im finanziellen Gleichgewicht zu halten.
Die Anwendung von Rückversicherungsprodukten wie oben beschrieben auf der Stufe der Klassen
und Risikogemeinschaften kann selbigen daher einen Schutz vor Prämienerhöhungen aufgrund von
ausserordentlichen Schadenverläufen bieten. Hierbei ist es nicht notwendig, auf einen externen
Rückversicherer zurückzugreifen, denn die BUV und die NBUV sind insgesamt finanziell hinreichend
stark, um diese Risiken tragen zu können.
Es geht also de facto um einen zielgerichteten, wohldefinierten und risikogerecht tarifierten Risikoausgleich zwischen den Klassen der BUV resp. den Risikogemeinschaften der NBUV. Langfristig
bezahlen alle Risikogemeinschaften ihre Schäden selbst, wie dies das Gesetz verlangt.
4.
Andere Anwendungen von Rückversicherung
Der primäre Zweck der beschriebenen Rückversicherungprodukte ist der Schutz des Erstversicherers vor ausserordentlich ungünstigen Schadenverläufen. Daneben wird Rückversicherung in der
Privatassekuranz teilweise auch noch für weitere Zwecke verwendet:

Reduktion von regulatorischen Eigenkapitalanforderungen,

Reduktion der Kapitalkosten,

Freisetzung von Eigenkapital für neue Geschäftsfelder,

Optimierung der Bonität für die Aufnahme von Fremdkapital,

Steueroptimierung.
Alle diese Zweckbestimmungen sind auf die Suva nicht anwendbar und spielen daher keine Rolle.