Der Volkswagen Skandal und was Privatanleger daraus lernen

 Der Volkswagen Skandal und was
Privatanleger daraus lernen können
Wenn ich mit Privatanlegern über ihre Depots
spreche, kommt das Gespräch meistens sehr schnell
auf einzelne Lieblings-Aktien, die sie auf jeden Fall
in ihrem Depot halten wollen. Die Argumentation
dafür ist immer die gleiche: "Mit dieser Aktie kann
man nichts falsch machen. Das Unternehmen steht
grundsolide da...". Oft haben die Anleger mit dieser
Einschätzung sogar Recht und doch ist die
Entscheidung, eine einzelne Aktie im Depot zu
halten, falsch. Volkswagen ist (war) auf dem besten Weg, zum größten
Automobilhersteller der Welt zu werden. Der Aktienkurs hatte sich in den letzten 6
Jahren mehr als versechsfacht. Nachdem bekannt wurde, dass Volkswagen mit einer
gezielt eingesetzten Software die Abgaswerte von VW Diesel Fahrzeugen manipuliert,
ist der Kurs der VW Aktie in 3 Tagen um fast 40% eingebrochen. Seit seinem
Höchststand Anfang April 2015 hat die Aktie damit fast 60% ihres Wertes verloren.
Dieses Beispiel zeigt, dass auch mit der eigenen Lieblings-Aktie Unvorhergesehenes
passieren kann, was den Kurs in kürzester Zeit abstürzen lassen kann. Erholung
ungewiss.
Betrugsvorwürfe zählen zu den oft vernachlässigten, sogenannten unsystematischen
Risiken bei der Kapitalanlage. An einem Tag jubelt der Markt noch über ein
Unternehmen, die Analysten empfehlen das Unternehmen als grundsolide und schon
am nächsten Tag bricht der Kurs zusammen, weil plötzlich z.B. Betrugsvorwürfe wie
im Fall Volkswagen bekannt werden.
Betrugsvorwürfe haben an sich solide Unternehmen schon des Öfteren in massive
Schwierigkeiten gebracht. Prominentestes Beispiel dürfte wohl der US Energiekonzern
Enron sein. Einst einer der größten Konzerne der USA, musste Enron 2001 nach
Bilanzfälschungen Insolvenz anmelden. Noch kurz vor der Insolvenz bescheinigten die
Wohlstand, Werte & Gedanken # 28 | September 2015 | Volkswagen | Autor: Markus Marquardt führenden Ratingagenturen Standard & Poor´s und Moody´s Enron noch eine
"vorzügliche Bonität".
Bei Siemens erinnern wir uns an den Bestechungsskandal in den frühen 2000er
Jahren.
Der Finanzdienstleister MLP wurde Ende der Neunziger vom Manager Magazin
mehrfach als beste deutsche Aktie des Jahres ausgezeichnet. Der Kurs stieg in den
folgenden Jahren rasant an. Im Juli 2002 wurden dann wegen des Verdachts auf
Bilanzfälschung durch die Staatsanwaltschaft Firmenräume durchsucht. Der Kurs fiel
im Folgenden um über 80% ohne sich je wieder zu erholen. Ich selbst war zu diesem
Zeitpunkt im erweiterten Führungskreis bei MLP tätig und kannte das Unternehmen
sehr gut. An Bilanzmanipulationen hätte ich in meinen schlechtesten Träumen nicht
gedacht!
Andere Beispiele für unsystematische Risiken:

ein Skandal um verunreinigte Lebensmittel eines Lebensmittelkonzerns

massive Fehlentscheidungen des Managements (bei fast allen Großbanken
vorgekommen, wodurch die Finanzkrise entstand)

Auswirkungen politischer Entscheidungen auf einzelne Branchen, z.B. die
Auswirkungen der Energiewende auf Versorger (RWE Kurseinbruch seit 2008
ca. 90%; Eon Kurseinbruch seit 2008 ca. 85%)
Unsystematische Risiken können für einzelne Aktien und Aktien der gleichen Branche
existenzbedrohend werden. Sie können nicht vorhergesehen und kalkuliert werden!
Die einzige Möglichkeit, ihnen aus dem Weg zu gehen, ist breit zu streuen. Breit zu
streuen bedeutet in erster Linie keine Einzelaktien im Portfolio zu halten! Ein breit
gestreutes Portfolio legt weltweit in allen verfügbaren Märkten in möglichst vielen
verschiedenen Aktien an.
Wohlstand, Werte & Gedanken # 28 | September 2015 | Volkswagen | Autor: Markus Marquardt Die Portfolios, die ich für meine Mandanten betreue, beinhalten in kostengünstigen
Spezialfonds ca. 10.000 einzelne Aktien, analog der Weltmarktkapitalisierung über
den gesamten Globus gestreut. Das Schicksal eines einzelnen Unternehmens wird
dadurch bedeutungslos.
Da dies der größte Fehler ist, den die meisten Privatanleger machen, möchte ich mich
nochmals wiederholen:
Einzelaktien haben in privaten Depots nichts verloren!
Wer die letzten Ausgaben dieses Newsletters aufmerksam gelesen hat, stellt fest, dass
ich dieses Thema nicht zum ersten Mal aufgreife. Die Brisanz des Themas und der
Skandal um Volkswagen haben mich bewogen, unsystematische Risiken nochmals an
einem aktuellen Beispiel zu erklären.
Wohlstand, Werte & Gedanken # 28 | September 2015 | Volkswagen | Autor: Markus Marquardt