Lärmsanierung Lärmsanierung: „Leise(r) ist das Ziel!“ Modellprojekt zur Erprobung des MVI-Konzepts zur nachhaltigen gesetzlichen Lärmsanierung Margit Bonacker, Hamburg, Eckhart Heinrichs, Berlin, Dominik Kupfer, Freiburg, Christian Popp, Hamburg, Udo Weese, Stuttgart Zusammenfassung Bis heute werden Lärmbelastungen im Verkehrsbereich in der Regel separat ermittelt und beurteilt. Diese Vorgehensweise stößt bei Betroffenen immer häufiger auf deutliche Kritik. Dies war Anlass für das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg ein Modellprojekt zu initiieren. Im Rahmen dieses Projekts wurde erprobt, wie Gesamtlärmbelastungen bestimmt und wie die Kosten für notwendige Lärmminderungsmaßnahmen verursachungsgerecht verteilt werden können. Zunächst wurden flächendeckend die Belastungen aus allen Verkehrslärmquellen berechnet, um auf dieser Grundlage sog. „Lärmsanierungsgebiete“ zu identifizieren. Für diese Gebiete wurden unter Beteiligung der Öffentlichkeit Lärmminderungsmaßnahmen erarbeitet und in ihrer Wirkung beurteilt. Die so entstandenen Maßnahmenbündel wurden den Projektbeteiligten vorgestellt, sodass diese im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens über die umzusetzenden und zu finanzierenden Maßnahmen gemeinsam entscheiden konnten. Noise reduction: „Quiet (er) is the goal!“ – Model project for testing the MVI-concept of sustainable statutory noise abatement Summary To date, noise pollution in the transport sector will be determined and assessed separately. This approach is more and more often sharply criticized by those who are affected. This was the reason for the Ministry of Transport and Infrastructure of Baden-Wuerttemberg to initiate a pilot project. Within this project has been tested, how the total noise exposure can be determined, and how the cost of the necessary noise mitigation measures can be distributed to the institutions responsible for the noise sources. First, the total loads were entirely determined from all traffic noise sources to identify on its basis so-called “noise abatement areas”. For these areas – supported through the participation of the public – noise reduction measures were drawn up and assessed in their effect. The resulting package of measures was introduced to the project partners, so that they could decide in consensus – as part of a negotiating process – about the implementation and financing of the actions. V erkehrslärm ist ein äußerst drängendes Problem für Städte und Gemeinden. Viele Wohnlagen leiden unter hohen Verkehrslärmbelastungen, was sich zunehmend negativ auf das Wohlbefinden der Menschen, aber auch auf Grundstückspreise und Mieten auswirkt. Neubauprojekte von Straßen und Schienenwegen werden immer seltener. Das bedeutet, dass der Verkehr im Wesentlichen auf dem heute bestehenden Straßen- und Schienennetz fließen muss. Für diese bestehenden Verkehrswege gibt es aber nach wie vor keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf Lärmschutz (Lärmsanierung). 2002 haben die EU-Umgebungslärmrichtlinie [1] und 2005 deren bundesgesetzliche Umsetzung in deutsches Recht (§§ 47a bis 47f BImSchG [2] Bewegung in den Lärmschutz entlang des bestehenden Verkehrsnetzes gebracht. Klar ist dadurch zwar, wann und wer Lärmkarten zur Beschreibung der Belastung durch Umgebungslärm zu fertigen hat. Unzureichend geregelt ist aber, unter welchen Voraussetzungen die Maßnahmen eines Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November Juni auf diesen Karten basierenden Lärmaktionsplans von den zuständigen Stellen umzusetzen sind. Diese unbefriedigende Lage nahm das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg (MVI) 2013 zum Anlass, ein innovatives Konzept zur nachhaltigen Verbesserung des gesetzlichen Schutzes vor Verkehrslärm [3] mit folgenden Eckpunkten vorzulegen: 1. Betroffene erhalten einen Anspruch auf Lärmsanierung durch eine verbindliche gesetzliche Regelung der Lärmsanierung an Straßen und Schienenwegen. 2. Die Überprüfung lärmbelasteter Gebiete auf ihren Sanierungsbedarf erfolgt unter Berücksichtigung des von allen Straßen und Schienenwegen ausgehenden Gesamtverkehrslärms. 3. Die Ermittlung der Dringlichkeit einer Sanierung bestimmt sich anhand der LärmKennZiffer (LKZ)1) [4], die sich in Abhängigkeit von der Gesamtlärmbelastung und der Anzahl der davon Betroffenen ergibt. 4. Gebiete mit einer hohen Lärmbetroffenheit (sog. Lärmsanierungsgebiete) werden identifiziert und in einem förmlichen Rechtsakt ausgewiesen. 5. Für die Lärmsanierungsgebiete wird ermittelt, welche Lärmquelle welchen prozentualen Anteil an der Gesamtbelastung hat. Auf diesen Anteilen basiert die verursachungsgerechte Zuweisung der anfallenden Lärmminderungskosten für das Lärmsanierungsgebiet. 6. Alle Baulastträger, die zur Belastung im Lärmsanierungsgebiet beitragen, werden zur Kooperation und zur anteiligen Mitfinanzierung der Maßnahmen verpflichtet [5]. Dieses Konzept wurde in der Modellregion Eislingen – Salach – Süßen in den vergangenen beiden Jahren erfolgreich erprobt und vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur BadenWürttemberg (MVI) sowie den Kommunen Eislingen/Fils, Salach sowie Süßen finanziert. Das Landratsamt Göppingen und das Regierungspräsidium Stuttgart haben das Modellprojekt intensiv unterstützt. Schritte zur Lärmsanierung in der Modellregion Zunächst wurde die Geräuschbelastung in den Modellgemeinden analysiert, um anschließend die Bereiche zu identifizieren, in denen Maßnahmen der Lärmsanierung erforderlich sind (Lärmsanierungsgebiete). Für diese Flächen wurden unter Beteiligung der Öffentlichkeit Lärmminderungsmaßnahmen entwickelt, deren Wirkung auf das Lärmsanierungsgebiet prognostiziert wurde (Wirkungsanalyse). Mit diesen Informationen setzten sich alle für die Lärmquellen verantwortlichen Baulastträger und Straßenverkehrsbehörden (die DB Netz AG konnte sich nicht zu einer Kooperation entschließen) an einen Tisch, um gemeinsam darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen umzusetzen und auch zu finan- 1) LKZ = mit mehr als 55 dB(A) nachts belastete Einwohner, multipliziert mit dem Betrag der Überschreitung eines Nachtwertes von 55 dB(A). 247 Lärmsanierung Bild 1 Lärmbelastung während der Nacht (22 bis 6 Uhr) (Prognose-Nullfall). Bild 2 LärmKennZiffer-Karte für die Nacht (22 bis 6 Uhr) (Prognose-Nullfall). 248 Lärmbekämpfung Lärmbekämpfung Bd. 10 Bd. (2015) 10 (2015) Nr. 6 - Nr. November 6 - Juli Lärmsanierung Bild 4 Internetseite www.leiser-ist-das-ziel.de. te erarbeitet. Diese Lärmkarte stellt unterschieden nach Farbstufen flächendeckend dar, wie laut es wo ist. Bild 1 zeigt die Lärmbelastung während der Nacht (22 bis 6 Uhr). Dabei wurde die Verkehrssituation nach Fertigstellung der B 466 „Ortsumfahrung Süßen“ als Prognose-Nullfall zugrunde gelegt. Schritt 2: Identifizierung der Sanierungsgebiete Bild 3 Lärmsanierungsgebiet „Süßen“. zieren sind („Verhandlungsverfahren“). Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in der „Lärmsanierungsvereinbarung“ fixiert. Die Arbeiten am Modellprojekt umfassten acht Schritte. Schritt 1: Analyse der bestehenden Situation Unter Berücksichtigung aller Verkehrslärmquellen, die auf die Modellregion einwirken, wurde eine flächendeckende Lärmkar- Um festzustellen, wo der stärkste Handlungsbedarf besteht, sind die Lärmpegel mit der Zahl der betroffenen Einwohner kombiniert worden. Die Darstellung der Ergebnisse dieses Arbeitsschritts erfolgt in Bild 2 in Form von einem Hektar großen Rastern. Für jedes Raster ist die sog. LKZ angegeben. Sie ergibt sich aus der Anzahl der Einwohner, multipliziert mit dem Betrag der Überschreitung eines nächtlichen Lärmpegels von 55 dB(A). Aus Sicht der Lärmwirkungsforschung sollten diese Werte unterschritten werden, um Gesundheitsgefährdungen durch Lärm zu vermeiden. Bild 2 ist so zu lesen, dass überall dort, wo ein Raster mit Farbe belegt ist, mindestens ein Mensch lebt, der einem Nachtpegel Bild 5 Handlungsansätze für die Stadt Süßen. Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November Juli 249 Lärmsanierung Tabelle 1 Insbesondere betrachtete Lärmminderungsmaßnahmen. Bessere Fahrbahnbeläge (Sanierung schadhafter Asphaltdecken) Bessere Fahrbahnbeläge (Pflasterüberzüge) Besserer Verkehrsfluss (bei 50 km/h) Besserer Verkehrsfluss (bei 30 km/h) Niedrigere Geschwindigkeit (Tempo 30 statt 50 auf Pflaster) Niedrigere Geschwindigkeit (Tempo 30 statt 50 auf Asphalt) Weniger Verkehr (Reduzierung der Verkehrsmenge um 20 %) Weniger Lkw (Lkw-Anteil von 10 % auf 5 % bei 50 km/h) Weniger Lkw (Lkw-Anteil von 10 % auf 5 % bei 30 km/h) Größere Abstände zwischen Straße und Haus (15 statt 12 m) Tabelle 2 Veränderung der LKZ nach Umsetzung der Maßnahmen Tabelle 3 Veränderung der LKZ nach Umsetzung der Maßnahmen. Sanierungsgebiet ~ 2 bis 4 dB(A) ~ 4 bis 6 dB(A) ~2 bis 3 dB(A) ~ 1 bis 2 dB(A) ~ 3 bis 5 dB(A) ~ 2 bis 3 dB(A) ~ 1 dB(A) ~ 1 dB(A) ~ 1 bis 2 dB(A) ~ 1 dB(A) Aufsummierte LKZStraße,Night > 55 dB(A) Prognose-Nullfall in E*dB(A) Eislingen/Fils 2 186 Salach 407 Süßen 586 Sanierungsgebiet Prognose-Planfall in E*dB(A) 882 79 39 Veränderung in % -60 -81 -93 Aufsummierte LKZStraße,Night > 55 dB(A) Veränderung Prognose-Planfall gegenüber Prognose-Nullfall Fahrbahnsanierung in % Tempo 30 in % Straßenraumgestaltung in % Eislingen/Fils -31 -34 -11 Salach -57 -60 -41 Süßen* -61 -46 -19 * In Süßen wurden zudem Lichtsignalanlagen koordiniert, was zu einer Veränderung von -30 % führte. von über 55 dB(A) ausgesetzt ist. Auf der Basis dieser Darstellung wurden die Bereiche, in denen nahezu flächendeckend farbige Raster gefunden wurden, als Lärmsanierungsgebiet ausgewiesen. Auch planerische Aspekte (etwa zusammenhängende Straßenzüge und Baugebiete) wurden bei der Abgrenzung berücksichtigt. Bild 3 zeigt (als Vergrößerung von Bild 2) das Sanierungsgebiet in Süßen. Schritt 3: Öffentlichkeitsbeteiligung Die Menschen in der Modellregion wurden auf der Grundlage der in den ersten beiden Schritten durchgeführten Analysen über die Lärmbelastungen im Modellgebiet in einer öffentlichen Veranstaltung sowie über die gesondert für das Modellprojekt eingerichtete Internetseite www.leiser-ist-das-ziel.de (Bild 4) informiert. Die Nutzer wurden gebeten, darüber Auskunft zu geben, durch welche Quellen sie sich belästigt fühlen. Zudem sollten sie konkrete Vorschläge dazu machen, wie man die Lärmbelastungen aus ihrer Sicht verringern könnte. Die Anregungen der Öffentlichkeit wurden aufgenommen und in die Überlegungen zur nachfolgenden Lärmminderungsplanung einbezogen. Insgesamt sind 175 Hinweise eingegangen. Die Verteilung der Hinweise auf die verschiedenen Lärmquellen ergab sich wie folgt: 250 · · · · Straße 70 %, Schiene 16 %, Gewerbe 4 %, Sonstige Quellen 10 %. Schritt 4: Maßnahmenfindung Auf der Basis der Grundlagen und Hinweise der Arbeitsschritte 1 bis 3 wurden Maßnahmen entwickelt, um die höchsten Belastungen an den Straßen abzubauen. Bild 5 zeigt exemplarisch für das Modellgebiet die beschlossenen Handlungsansätze für die Stadt Süßen. Diese erarbeiteten Maßnahmen hatten insbesondere die in Tabelle 1 zusammengefassten Lärmminderungsmaßnahmen im Blick. Durch die konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit aller verantwortlichen Stellen konnten auch bereits vorhandene Planungen und Unterlagen zur Raumordnung, zum Klimaschutz, zum Verkehr sowie städtebauliche Konzepte in die Lärmminderungsplanung einbezogen werden. So war es möglich, die lärmmindernden Maßnahmen als Bausteine einer integrierten Planung zu erarbeiten. Lärmbekämpfung Lärmbekämpfung Bd. 10 Bd. (2015) 10 (2015) Nr. 6 - Nr. November 6 - Juli Lärmsanierung Bild 6 Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation. Tabelle 4 KostenNutzen-Verhältnis der Maßnahmen im Straßenverkehr. Sanierungsgebiet Eislingen/Fils Salach Süßen Kosten pro verringertem (Einwohner x Dezibel) (LKZStraße, Night > 55 dB(A)) alle Maßnahmen* Fahrbahnsanierung* Tempo 30 1 341 e 3 304 e 6 402 e 10 296 e 5 828 e 9 622 e 1 948 e 5 654 e 2 888 e 8 392 e 3 045 e 8 841 e Straßenraum gestaltung Lichtsignal koordination 41 e 1 559 e – 333 e 8 072 e 40 e 17 938 e 341 e * der obere Kostenwert gilt bei einer Fahrbahndeckensanierung und untere bei grundhafter Fahrbahnerneuerung Schritt 5: Wirkungsanalyse Die Wirkungen der Maßnahmen zeigen Karten, die die Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation, d. h. der Verkehrssituation nach Fertigstellung der B 466 Ortsumfahrung Süßen (Prognose-Nullfall) darstellen (Bilder 6 und 7). Ergänzend wurde errechnet, wie sich die LKZ im jeweiligen Lärmsanierungsgebiet durch die Maßnahmen verändert. Betrachtet man nur den Straßenverkehr, so verringert sich die LKZ (in den Bereichen mit Pegeln über 55 dB(A)) in Eislingen um 60 %, in Salach um gut 80 % und in Süßen um mehr als 90 % (siehe Tabelle 2). Schritt 6: Kosten-Nutzen-Analyse Für das Verhandlungsverfahren wurden die voraussichtlichen Kosten für jede Maßnahme grob abgeschätzt und ihre Wirksamkeit bewertet (Tabelle 3). Zu beachten ist dabei, dass die Sum- Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November Juli me der getrennt abgeschätzten Reduktionen höher ist, als die Gesamtreduktion durch die gemeinsame Betrachtung aller eingesetzten Maßnahmen (Tabelle 2). Für die Darstellung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses werden die verringerten LKZ-Werte zu den geschätzten Grobkosten ins Verhältnis gesetzt. Tabelle 4 gibt das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Maßnahmen im Straßenverkehr anhand der geschätzten Grobkosten und Verringerung der LKZ exklusive der Kosten für den Rückbau der B10alt wieder. Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis haben die Maßnahmen zur Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, da diese Maßnahmen vergleichsweise kostengünstig sind (Beschilderung) und in Straßenabschnitten mit sehr hohen Lärmbetroffenheiten angewendet werden. Die Kosten für Tempo 30 in Salach beinhalten auch bauliche Begleitmaßnahmen zur Vermeidung von Verkehrsverlagerungen. Dementsprechend ist das 251 Lärmsanierung Mit den Erkenntnissen der Arbeitsschritte 1 bis 6 wurde das Verhandlungsverfahren durchgeführt. Hier saßen die Vertreter aller Straßenbaulastträger sowie der zuständigen Straßenverkehrsbehörden und des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur zusammen. Sie ließen sich Maßnahme für Maßnahme von den Gutachtern unter verkehrsplanerischen (LK Argus), rechtlichen (W2K) und akustischen (LÄRMKONTOR) Gesichtspunkten erläutern, um anschließend über deren Aufnahme in das Lärmsanierungsprogramm zu entscheiden. Das Verhandlungsverfahren konnte in seinem Kern an nur einem Tag durchgeführt werden. Die Detailprüfungen nahmen dann zwar noch einige Wochen in Anspruch, änderten aber nichts am Ergebnis des Verhandlungstags. Schritt 8: Lärmsanierungsvereinbarung Bild 7 Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation (Süßen). Kosten-Nutzen-Verhältnis der Tempo-30-Maßnahmen in Salach schlechter als in Eislingen/Fils oder Süßen. Fahrbahnsanierungen sind zwar sehr wirksam, aber auch teuer. Sie empfehlen sich daher besonders dann, wenn bereits Schäden an der Fahrbahndecke vorliegen und Straßenerhaltungsmaßnahmen notwendig sind. Die Effizienz von Maßnahmen der Straßenraumgestaltung ist abhängig von den örtlichen Gegebenheiten. Die Lärmminderung ist hoch, wenn die Fahrbahn um einen Fahrstreifen reduziert wird und niedrig, wenn Umbauten weniger der Lärmminderung als der Stadtgestaltung und Förderung des Fuß- und Radverkehrs dienen. Die monetäre Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen wurde durch eine Analyse zur Veränderung der Immobilienwerte untersucht. Ausgehend von der Anzahl der belasteten Einwohner, kann auf die Höhe der belasteten Wohnfläche geschlossen werden, wenn von 42 m2 Wohnfläche pro Einwohner ausgegangen wird. Wird je m2 Wohnfläche ein mittlerer Immobilienkaufpreis von 2 500 € angesetzt und davon ausgegangen, dass jede Erhöhung der Belastung von einem Dezibel über LDEN > 50 dB(A)2) einen Wertverlust von 1 % ergibt, dann führt allein die Lärmbelastung durch Straßenverkehr (ohne Schienenverkehr) im Prognose-Nullfall zu einem Immobilienwertverlust in Eislingen/Fils von 62 Mio. €, in Salach von 23 Mio. € und in Süßen von 27 Mio. € (Tabelle 5). Der Prognose-Planfall mit seinen Lärmminderungsmaßnahmen reduziert die lärmbedingten Wertverluste um 8 bis 19%. Schritt 7: Verhandlungsverfahren 252 Sanierungsgebiet Fazit Die flächenhafte Betrachtung der Lärmsituation unter Einbeziehung aller Verkehrslärmquellen von Straße und Schiene hat sich (trotz des fehlenden Engagements der DB Netz AG) bewährt. Durch den interkommunalen Ansatz mit drei Modellgemeinden konnten die Planungen zur Raumordnung, zum Klimaschutz, zum Verkehr und zum Städtebau mit denen zur Lärmminderung zusammengeführt und überörtliche Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen frühzeitig abgestimmt werden. Die Lärmsanierungsvereinbarung setzt den Rahmen für die nun anstehende Phase der Durchführung der vereinbarten Lärmminderungsmaßnahmen. Das in der Modellregion erfolgreich erprobte Lärmsanierungskonzept greift die Intentionen der Umgebungslärmrichtlinie zur Lärmminderungsplanung auf und verfolgt einen Lärmquellen übergreifenden Ansatz. Die Festlegung von Lärmsanierungsgebieten sowie deren Priorisierung anhand der Sanierungsdringlichkeit werden dazu führen, dass die Haushaltsmittel, die für die Durchführung der Lärmsanierung zur Verfügung stehen, 2) Gegenstand des Verhandlungsverfahrens waren ausschließlich die Straßen unterschiedlicher Baulastträger. Die DB Netz AG sah sich nicht in der Lage, dem Modellprojekt näherzutreten, weshalb die Bahntrasse im Verhandlungsverfahren nicht behandelt werden konnte. Tabelle 5 Einfluss der Lärmminderung auf die Immobilienwerte. Die Lärmsanierungsvereinbarung beschreibt in ihren Grundzügen die Durchführung und Finanzierung der im Verhandlungsverfahren einvernehmlich abgestimmten Lärmminderungsmaßnahmen. Sie wurde von den Modellgemeinden, dem Landkreis und dem Regierungspräsidium sowie dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur als Träger des Modellprojekts unterzeichnet. Die Kosten in Höhe von 10 bis 15 Mio. €3) werden vom Land, dem Landkreis und den Modellgemeinden getragen. Giering, K.: Vortrag während des Parlamentarischen Abends des ALD in Berlin am 25. November 2010 („Ermittlung des prozentualen Wertverlust (Immobilienwert, Mietmindereinnahmen) pro Jahr pro Haushalt bei einer Pegelzunahme um 1 dB ab ca. 50 bis 55 dB(A) tags“). 3) Je nach Grad der Erneuerungsbedürftigkeit (grundhafte Fahrbahnerneuerung ist deutlich kostenintensiver als reine Deckschichterneuerung). Steigerung des Immobilienwertes (1% je 1 dB(A) Pegelminderung im Bereich über LDEN = 50 dB(A)) Immobilienwertverlust im Prognose-Nullfall Eislingen/Fils 62,0 Mio. € Salach 22,9 Mio. € Süßen 27,4 Mio. € Immobilienwertverlust im Prognose-Planfall 57,0 Mio. € 18,6 Mio. € 24,0 Mio. € Steigerung in % 8 19 12 Lärmbekämpfung Lärmbekämpfung Bd. 10 Bd. (2015) 10 (2015) Nr. 6 - Nr. November 6 - Juli Lärmsanierung © Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf 2015 künftig effizienter und transparenter zu Zwecken des Schutzes vor Verkehrslärm eingesetzt werden können. Die Einbindung der Öffentlichkeit und die starke verfahrensrechtliche Ausrichtung entsprechen den europäischen Anforderungen an ein transparentes Umweltrecht. Das entwickelte Konzept schließt so die Lücken, die im heutigen Rechtsrahmen bestehen [6]. Dipl.-Soz. Margit Bonacker, Geschäftsführerin, konsalt GmbH, Hamburg. Dr. Eckhart Heinrichs, Geschäftsführer, LK Argus GmbH Berlin. Prof. Dr. Dominik Kupfer, W2K Wurster Weiß Kupfer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Freiburg. Dipl.-Ing. Christian Popp, Geschäftsführer, LÄRMKONTOR GmbH, Hamburg Dr. Udo Weese, stv. Leiter des Referats 53 – Lärmschutz und Luftreinhaltung im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg, Stuttgart. Literatur [1] Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm. ABl. EG (2002) Nr. L 182, S. 12-25. [2] Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013. BGBl. I, S. 1274, zul. geänd. durch Art. 76 der Verordnung vom 31. August 2015. BGBl. I, S. 1474. [3] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Flächenhafte Lärmsanierung – der energetische Ansatz. Teil 2: Recht- Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November Juli licher Rahmen – Verhandlungsverfahren vor hoheitlichem Sanierungsverfahren. Lärmbekämpf. 9 (2014) Nr. 5, 217-221. [4] Bönnighausen, G.; Popp, C.: LärmKennZifferMethode – Methode zur Beurteilung lärmbedingter Konfliktpotentiale in der städtebaulichen Planung. Hrsg.: Baubehörde Hamburg 1988. [5] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Flächenhafte Lärmsanierung – der energetische Ansatz. Teil 1: Vorgehensweise. Lärmbekämpf. 9 (2014) Nr. 4, S. 162-165. [6] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Kooperatives Management der Lärmsanierung. Bonn: Kirschbaum Verlag 2014. 253
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