Lärmsanierung: „Leise(r) ist das Ziel!“

Lärmsanierung
Lärmsanierung: „Leise(r) ist das Ziel!“
Modellprojekt zur Erprobung des MVI-Konzepts zur nachhaltigen gesetzlichen Lärmsanierung
Margit Bonacker, Hamburg, Eckhart Heinrichs, Berlin, Dominik Kupfer, Freiburg, Christian Popp, Hamburg,
Udo Weese, Stuttgart
Zusammenfassung Bis heute werden Lärmbelastungen im Verkehrsbereich
in der Regel separat ermittelt und beurteilt. Diese Vorgehensweise stößt
bei Betroffenen immer häufiger auf deutliche Kritik. Dies war Anlass für
das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg ein
Modellprojekt zu initiieren. Im Rahmen dieses Projekts wurde erprobt, wie
Gesamtlärmbelastungen bestimmt und wie die Kosten für notwendige
Lärmminderungsmaßnahmen verursachungsgerecht verteilt werden können. Zunächst wurden flächendeckend die Belastungen aus allen Verkehrslärmquellen berechnet, um auf dieser Grundlage sog. „Lärmsanierungsgebiete“ zu identifizieren. Für diese Gebiete wurden unter Beteiligung der
Öffentlichkeit Lärmminderungsmaßnahmen erarbeitet und in ihrer Wirkung
beurteilt. Die so entstandenen Maßnahmenbündel wurden den Projektbeteiligten vorgestellt, sodass diese im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens über die umzusetzenden und zu finanzierenden Maßnahmen gemeinsam entscheiden konnten.
Noise reduction: „Quiet (er) is the goal!“ – Model
project for testing the MVI-concept of sustainable
statutory noise abatement
Summary To date, noise pollution in the transport sector will be determined
and assessed separately. This approach is more and more often sharply
criticized by those who are affected. This was the reason for the Ministry
of Transport and Infrastructure of Baden-Wuerttemberg to initiate a pilot
project. Within this project has been tested, how the total noise exposure
can be determined, and how the cost of the necessary noise mitigation
measures can be distributed to the institutions responsible for the noise
sources. First, the total loads were entirely determined from all traffic noise
sources to identify on its basis so-called “noise abatement areas”. For
these areas – supported through the participation of the public – noise
reduction measures were drawn up and assessed in their effect. The resulting package of measures was introduced to the project partners, so that
they could decide in consensus – as part of a negotiating process – about
the implementation and financing of the actions.
V
erkehrslärm ist ein äußerst drängendes Problem für Städte
und Gemeinden. Viele Wohnlagen leiden unter hohen Verkehrslärmbelastungen, was sich zunehmend negativ auf das
Wohlbefinden der Menschen, aber auch auf Grundstückspreise
und Mieten auswirkt.
Neubauprojekte von Straßen und Schienenwegen werden immer seltener. Das bedeutet, dass der Verkehr im Wesentlichen
auf dem heute bestehenden Straßen- und Schienennetz fließen
muss. Für diese bestehenden Verkehrswege gibt es aber nach wie
vor keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf Lärmschutz
(Lärmsanierung).
2002 haben die EU-Umgebungslärmrichtlinie [1] und 2005
deren bundesgesetzliche Umsetzung in deutsches Recht (§§ 47a
bis 47f BImSchG [2] Bewegung in den Lärmschutz entlang des
bestehenden Verkehrsnetzes gebracht. Klar ist dadurch zwar,
wann und wer Lärmkarten zur Beschreibung der Belastung
durch Umgebungslärm zu fertigen hat. Unzureichend geregelt
ist aber, unter welchen Voraussetzungen die Maßnahmen eines
Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November
Juni
auf diesen Karten basierenden Lärmaktionsplans von den zuständigen Stellen umzusetzen sind.
Diese unbefriedigende Lage nahm das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg (MVI) 2013 zum Anlass, ein innovatives Konzept zur nachhaltigen Verbesserung des
gesetzlichen Schutzes vor Verkehrslärm [3] mit folgenden Eckpunkten vorzulegen:
1. Betroffene erhalten einen Anspruch auf Lärmsanierung durch
eine verbindliche gesetzliche Regelung der Lärmsanierung an
Straßen und Schienenwegen.
2. Die Überprüfung lärmbelasteter Gebiete auf ihren Sanierungsbedarf erfolgt unter Berücksichtigung des von allen Straßen und Schienenwegen ausgehenden Gesamtverkehrslärms.
3. Die Ermittlung der Dringlichkeit einer Sanierung bestimmt
sich anhand der LärmKennZiffer (LKZ)1) [4], die sich in Abhängigkeit von der Gesamtlärmbelastung und der Anzahl der davon
Betroffenen ergibt.
4. Gebiete mit einer hohen Lärmbetroffenheit (sog. Lärmsanierungsgebiete) werden identifiziert und in einem förmlichen
Rechtsakt ausgewiesen.
5. Für die Lärmsanierungsgebiete wird ermittelt, welche Lärmquelle welchen prozentualen Anteil an der Gesamtbelastung
hat. Auf diesen Anteilen basiert die verursachungsgerechte Zuweisung der anfallenden Lärmminderungskosten für das Lärmsanierungsgebiet.
6. Alle Baulastträger, die zur Belastung im Lärmsanierungsgebiet
beitragen, werden zur Kooperation und zur anteiligen Mitfinanzierung der Maßnahmen verpflichtet [5].
Dieses Konzept wurde in der Modellregion Eislingen – Salach –
Süßen in den vergangenen beiden Jahren erfolgreich erprobt
und vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur BadenWürttemberg (MVI) sowie den Kommunen Eislingen/Fils,
Salach sowie Süßen finanziert. Das Landratsamt Göppingen und
das Regierungspräsidium Stuttgart haben das Modellprojekt intensiv unterstützt.
Schritte zur Lärmsanierung in der Modellregion
Zunächst wurde die Geräuschbelastung in den Modellgemeinden analysiert, um anschließend die Bereiche zu identifizieren, in denen Maßnahmen der Lärmsanierung erforderlich
sind (Lärmsanierungsgebiete). Für diese Flächen wurden
unter Beteiligung der Öffentlichkeit Lärmminderungsmaßnahmen entwickelt, deren Wirkung auf das Lärmsanierungsgebiet
prognostiziert wurde (Wirkungsanalyse).
Mit diesen Informationen setzten sich alle für die Lärmquellen verantwortlichen Baulastträger und Straßenverkehrsbehörden (die DB Netz AG konnte sich nicht zu einer Kooperation
entschließen) an einen Tisch, um gemeinsam darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen umzusetzen und auch zu finan-
1)
LKZ = mit mehr als 55 dB(A) nachts belastete Einwohner, multipliziert mit dem
Betrag der Überschreitung eines Nachtwertes von 55 dB(A).
247
Lärmsanierung
Bild 1 Lärmbelastung während der Nacht (22 bis 6 Uhr) (Prognose-Nullfall).
Bild 2 LärmKennZiffer-Karte für die Nacht (22 bis 6 Uhr) (Prognose-Nullfall).
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Bild 4 Internetseite www.leiser-ist-das-ziel.de.
te erarbeitet. Diese Lärmkarte stellt unterschieden nach Farbstufen flächendeckend dar, wie laut es wo ist. Bild 1 zeigt die
Lärmbelastung während der Nacht (22 bis 6 Uhr). Dabei wurde
die Verkehrssituation nach Fertigstellung der B 466 „Ortsumfahrung Süßen“ als Prognose-Nullfall zugrunde gelegt.
Schritt 2: Identifizierung der Sanierungsgebiete
Bild 3 Lärmsanierungsgebiet „Süßen“.
zieren sind („Verhandlungsverfahren“). Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in der „Lärmsanierungsvereinbarung“
fixiert.
Die Arbeiten am Modellprojekt umfassten acht Schritte.
Schritt 1: Analyse der bestehenden Situation
Unter Berücksichtigung aller Verkehrslärmquellen, die auf die
Modellregion einwirken, wurde eine flächendeckende Lärmkar-
Um festzustellen, wo der stärkste Handlungsbedarf besteht,
sind die Lärmpegel mit der Zahl der betroffenen Einwohner
kombiniert worden. Die Darstellung der Ergebnisse dieses Arbeitsschritts erfolgt in Bild 2 in Form von einem Hektar großen
Rastern. Für jedes Raster ist die sog. LKZ angegeben. Sie ergibt
sich aus der Anzahl der Einwohner, multipliziert mit dem Betrag
der Überschreitung eines nächtlichen Lärmpegels von 55 dB(A).
Aus Sicht der Lärmwirkungsforschung sollten diese Werte unterschritten werden, um Gesundheitsgefährdungen durch Lärm zu
vermeiden.
Bild 2 ist so zu lesen, dass überall dort, wo ein Raster mit Farbe
belegt ist, mindestens ein Mensch lebt, der einem Nachtpegel
Bild 5 Handlungsansätze für die Stadt Süßen.
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Juli
249
Lärmsanierung
Tabelle 1 Insbesondere
betrachtete Lärmminderungsmaßnahmen.
Bessere Fahrbahnbeläge
(Sanierung schadhafter Asphaltdecken)
Bessere Fahrbahnbeläge
(Pflasterüberzüge)
Besserer Verkehrsfluss
(bei 50 km/h)
Besserer Verkehrsfluss
(bei 30 km/h)
Niedrigere Geschwindigkeit
(Tempo 30 statt 50 auf Pflaster)
Niedrigere Geschwindigkeit
(Tempo 30 statt 50 auf Asphalt)
Weniger Verkehr
(Reduzierung der Verkehrsmenge um 20 %)
Weniger Lkw
(Lkw-Anteil von 10 % auf 5 % bei 50 km/h)
Weniger Lkw
(Lkw-Anteil von 10 % auf 5 % bei 30 km/h)
Größere Abstände
zwischen Straße und Haus (15 statt 12 m)
Tabelle 2 Veränderung der LKZ nach
Umsetzung der Maßnahmen
Tabelle 3 Veränderung der LKZ nach
Umsetzung der Maßnahmen.
Sanierungsgebiet
~ 2 bis 4 dB(A)
~ 4 bis 6 dB(A)
~2 bis 3 dB(A)
~ 1 bis 2 dB(A)
~ 3 bis 5 dB(A)
~ 2 bis 3 dB(A)
~ 1 dB(A)
~ 1 dB(A)
~ 1 bis 2 dB(A)
~ 1 dB(A)
Aufsummierte LKZStraße,Night > 55 dB(A)
Prognose-Nullfall
in E*dB(A)
Eislingen/Fils 2 186
Salach
  407
Süßen
  586
Sanierungsgebiet
Prognose-Planfall
in E*dB(A)
882
 79
 39
Veränderung in %
-60
-81
-93
Aufsummierte LKZStraße,Night > 55 dB(A)
Veränderung Prognose-Planfall gegenüber Prognose-Nullfall
Fahrbahnsanierung in % Tempo 30 in % Straßenraumgestaltung in %
Eislingen/Fils -31
-34
-11
Salach
-57
-60
-41
Süßen*
-61
-46
-19
* In Süßen wurden zudem Lichtsignalanlagen koordiniert, was zu einer Veränderung von -30 % führte.
von über 55 dB(A) ausgesetzt ist. Auf der Basis dieser Darstellung
wurden die Bereiche, in denen nahezu flächendeckend farbige
Raster gefunden wurden, als Lärmsanierungsgebiet ausgewiesen. Auch planerische Aspekte (etwa zusammenhängende Straßenzüge und Baugebiete) wurden bei der Abgrenzung berücksichtigt. Bild 3 zeigt (als Vergrößerung von Bild 2) das Sanierungsgebiet in Süßen.
Schritt 3: Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Menschen in der Modellregion wurden auf der Grundlage
der in den ersten beiden Schritten durchgeführten Analysen
über die Lärmbelastungen im Modellgebiet in einer öffentlichen
Veranstaltung sowie über die gesondert für das Modellprojekt
eingerichtete Internetseite www.leiser-ist-das-ziel.de (Bild 4)
informiert. Die Nutzer wurden gebeten, darüber Auskunft zu geben, durch welche Quellen sie sich belästigt fühlen. Zudem sollten sie konkrete Vorschläge dazu machen, wie man die Lärmbelastungen aus ihrer Sicht verringern könnte.
Die Anregungen der Öffentlichkeit wurden aufgenommen
und in die Überlegungen zur nachfolgenden Lärmminderungsplanung einbezogen. Insgesamt sind 175 Hinweise eingegangen.
Die Verteilung der Hinweise auf die verschiedenen Lärmquellen
ergab sich wie folgt:
250
·
·
·
·
Straße 70 %,
Schiene 16 %,
Gewerbe 4 %,
Sonstige Quellen 10 %.
Schritt 4: Maßnahmenfindung
Auf der Basis der Grundlagen und Hinweise der Arbeitsschritte
1 bis 3 wurden Maßnahmen entwickelt, um die höchsten Belastungen an den Straßen abzubauen. Bild 5 zeigt exemplarisch
für das Modellgebiet die beschlossenen Handlungsansätze für
die Stadt Süßen.
Diese erarbeiteten Maßnahmen hatten insbesondere die in
Tabelle 1 zusammengefassten Lärmminderungsmaßnahmen
im Blick.
Durch die konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit
aller verantwortlichen Stellen konnten auch bereits vorhandene
Planungen und Unterlagen zur Raumordnung, zum Klimaschutz, zum Verkehr sowie städtebauliche Konzepte in die Lärmminderungsplanung einbezogen werden. So war es möglich, die
lärmmindernden Maßnahmen als Bausteine einer integrierten
Planung zu erarbeiten.
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Bild 6 Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation.
Tabelle 4 KostenNutzen-Verhältnis
der Maßnahmen im
Straßenverkehr.
Sanierungsgebiet
Eislingen/Fils
Salach
Süßen
Kosten pro verringertem (Einwohner x Dezibel)
(LKZStraße, Night > 55 dB(A))
alle Maßnahmen* Fahrbahnsanierung* Tempo 30
  1 341 e
  3 304 e
  6 402 e
10 296 e
  5 828 e
  9 622 e
1 948 e
5 654 e
2 888 e
8 392 e
3 045 e
8 841 e
Straßenraum­
gestaltung
Lichtsignal­
koordination
 41 e
  1 559 e
  –
333 e
  8 072 e
 40 e
17 938 e
341 e
* der obere Kostenwert gilt bei einer Fahrbahndeckensanierung und untere bei grundhafter Fahrbahnerneuerung
Schritt 5: Wirkungsanalyse
Die Wirkungen der Maßnahmen zeigen Karten, die die Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation, d. h. der Verkehrssituation nach Fertigstellung der B 466 Ortsumfahrung Süßen
(Prognose-Nullfall) darstellen (Bilder 6 und 7).
Ergänzend wurde errechnet, wie sich die LKZ im jeweiligen
Lärmsanierungsgebiet durch die Maßnahmen verändert. Betrachtet man nur den Straßenverkehr, so verringert sich die LKZ
(in den Bereichen mit Pegeln über 55 dB(A)) in Eislingen um
60 %, in Salach um gut 80 % und in Süßen um mehr als 90 %
(siehe Tabelle 2).
Schritt 6: Kosten-Nutzen-Analyse
Für das Verhandlungsverfahren wurden die voraussichtlichen
Kosten für jede Maßnahme grob abgeschätzt und ihre Wirksamkeit bewertet (Tabelle 3). Zu beachten ist dabei, dass die Sum-
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Juli
me der getrennt abgeschätzten Reduktionen höher ist, als die
Gesamtreduktion durch die gemeinsame Betrachtung aller eingesetzten Maßnahmen (Tabelle 2).
Für die Darstellung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses werden
die verringerten LKZ-Werte zu den geschätzten Grobkosten ins
Verhältnis gesetzt. Tabelle 4 gibt das Kosten-Nutzen-Verhältnis
der Maßnahmen im Straßenverkehr anhand der geschätzten
Grobkosten und Verringerung der LKZ exklusive der Kosten für
den Rückbau der B10alt wieder.
Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis haben die Maßnahmen
zur Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, da diese
Maßnahmen vergleichsweise kostengünstig sind (Beschilderung) und in Straßenabschnitten mit sehr hohen Lärmbetroffenheiten angewendet werden. Die Kosten für Tempo 30 in
Salach beinhalten auch bauliche Begleitmaßnahmen zur Vermeidung von Verkehrsverlagerungen. Dementsprechend ist das
251
Lärmsanierung
Mit den Erkenntnissen der Arbeitsschritte 1 bis 6 wurde das
Verhandlungsverfahren durchgeführt. Hier saßen die Vertreter
aller Straßenbaulastträger sowie der zuständigen Straßenverkehrsbehörden und des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur zusammen. Sie ließen sich Maßnahme für Maßnahme
von den Gutachtern unter verkehrsplanerischen (LK Argus),
rechtlichen (W2K) und akustischen (LÄRMKONTOR) Gesichtspunkten erläutern, um anschließend über deren Aufnahme in
das Lärmsanierungsprogramm zu entscheiden.
Das Verhandlungsverfahren konnte in seinem Kern an nur
einem Tag durchgeführt werden. Die Detailprüfungen nahmen
dann zwar noch einige Wochen in Anspruch, änderten aber
nichts am Ergebnis des Verhandlungstags.
Schritt 8: Lärmsanierungsvereinbarung
Bild 7 Pegelabnahmen gegenüber der Ausgangssituation (Süßen).
Kosten-Nutzen-Verhältnis der Tempo-30-Maßnahmen in Salach
schlechter als in Eislingen/Fils oder Süßen.
Fahrbahnsanierungen sind zwar sehr wirksam, aber auch
teuer. Sie empfehlen sich daher besonders dann, wenn bereits
Schäden an der Fahrbahndecke vorliegen und Straßenerhaltungsmaßnahmen notwendig sind.
Die Effizienz von Maßnahmen der Straßenraumgestaltung ist
abhängig von den örtlichen Gegebenheiten. Die Lärmminderung ist hoch, wenn die Fahrbahn um einen Fahrstreifen reduziert wird und niedrig, wenn Umbauten weniger der Lärmminderung als der Stadtgestaltung und Förderung des Fuß- und Radverkehrs dienen.
Die monetäre Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen
wurde durch eine Analyse zur Veränderung der Immobilienwerte untersucht. Ausgehend von der Anzahl der belasteten Einwohner, kann auf die Höhe der belasteten Wohnfläche geschlossen werden, wenn von 42 m2 Wohnfläche pro Einwohner ausgegangen wird. Wird je m2 Wohnfläche ein mittlerer Immobilienkaufpreis von 2 500 € angesetzt und davon ausgegangen, dass
jede Erhöhung der Belastung von einem Dezibel über LDEN >
50 dB(A)2) einen Wertverlust von 1 % ergibt, dann führt allein
die Lärmbelastung durch Straßenverkehr (ohne Schienenverkehr) im Prognose-Nullfall zu einem Immobilienwertverlust in
Eislingen/Fils von 62 Mio. €, in Salach von 23 Mio. € und in
Süßen von 27 Mio. € (Tabelle 5). Der Prognose-Planfall mit seinen Lärmminderungsmaßnahmen reduziert die lärmbedingten
Wertverluste um 8 bis 19%.
Schritt 7: Verhandlungsverfahren
252
Sanierungsgebiet
Fazit
Die flächenhafte Betrachtung der Lärmsituation unter Einbeziehung aller Verkehrslärmquellen von Straße und Schiene
hat sich (trotz des fehlenden Engagements der DB Netz AG) bewährt.
Durch den interkommunalen Ansatz mit drei Modellgemeinden konnten die Planungen zur Raumordnung, zum Klimaschutz, zum Verkehr und zum Städtebau mit denen zur Lärmminderung zusammengeführt und überörtliche Auswirkungen
der vorgeschlagenen Maßnahmen frühzeitig abgestimmt werden. Die Lärmsanierungsvereinbarung setzt den Rahmen für die
nun anstehende Phase der Durchführung der vereinbarten
Lärmminderungsmaßnahmen.
Das in der Modellregion erfolgreich erprobte Lärmsanierungskonzept greift die Intentionen der Umgebungslärmrichtlinie
zur Lärmminderungsplanung auf und verfolgt einen Lärmquellen übergreifenden Ansatz. Die Festlegung von Lärmsanierungsgebieten sowie deren Priorisierung anhand der Sanierungsdringlichkeit werden dazu führen, dass die Haushaltsmittel, die
für die Durchführung der Lärmsanierung zur Verfügung stehen,
2)
Gegenstand des Verhandlungsverfahrens waren ausschließlich die Straßen unterschiedlicher Baulastträger. Die DB Netz AG
sah sich nicht in der Lage, dem Modellprojekt näherzutreten,
weshalb die Bahntrasse im Verhandlungsverfahren nicht behandelt werden konnte.
Tabelle 5 Einfluss
der Lärmminderung
auf die Immobilienwerte.
Die Lärmsanierungsvereinbarung beschreibt in ihren Grundzügen die Durchführung und Finanzierung der im Verhandlungsverfahren einvernehmlich abgestimmten Lärmminderungsmaßnahmen. Sie wurde von den Modellgemeinden, dem
Landkreis und dem Regierungspräsidium sowie dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur als Träger des Modellprojekts
unterzeichnet. Die Kosten in Höhe von 10 bis 15 Mio. €3) werden
vom Land, dem Landkreis und den Modellgemeinden getragen.
Giering, K.: Vortrag während des Parlamentarischen Abends des ALD in Berlin am
25. November 2010 („Ermittlung des prozentualen Wertverlust (Immobilienwert,
Mietmindereinnahmen) pro Jahr pro Haushalt bei einer Pegelzunahme um 1 dB ab ca.
50 bis 55 dB(A) tags“).
3)
Je nach Grad der Erneuerungsbedürftigkeit (grundhafte Fahrbahnerneuerung ist
deutlich kostenintensiver als reine Deckschichterneuerung).
Steigerung des Immobilienwertes
(1% je 1 dB(A) Pegelminderung im Bereich über LDEN = 50 dB(A))
Immobilienwertverlust
im Prognose-Nullfall
Eislingen/Fils 62,0 Mio. €
Salach
22,9 Mio. €
Süßen
27,4 Mio. €
Immobilienwertverlust
im Prognose-Planfall
57,0 Mio. €
18,6 Mio. €
24,0 Mio. €
Steigerung in %
 8
19
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Lärmbekämpfung
Lärmbekämpfung
Bd. 10 Bd.
(2015)
10 (2015)
Nr. 6 - Nr.
November
6 - Juli
Lärmsanierung
© Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf 2015
künftig effizienter und transparenter zu Zwecken des Schutzes
vor Verkehrslärm eingesetzt werden können.
Die Einbindung der Öffentlichkeit und die starke verfahrensrechtliche Ausrichtung entsprechen den europäischen Anforderungen an ein transparentes Umweltrecht. Das entwickelte Konzept schließt so die Lücken, die im heutigen Rechtsrahmen bestehen [6].
Dipl.-Soz. Margit Bonacker, Geschäftsführerin, konsalt GmbH,
Hamburg.
Dr. Eckhart Heinrichs, Geschäftsführer, LK Argus GmbH Berlin.
Prof. Dr. Dominik Kupfer, W2K Wurster Weiß Kupfer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Freiburg.
Dipl.-Ing. Christian Popp, Geschäftsführer, LÄRMKONTOR
GmbH, Hamburg
Dr. Udo Weese, stv. Leiter des Referats 53 – Lärmschutz und
Luftreinhaltung im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur
Baden-Württemberg, Stuttgart.
Literatur
[1] Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm. ABl. EG (2002) Nr. L 182,
S. 12-25.
[2] Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013. BGBl. I, S. 1274,
zul. geänd. durch Art. 76 der Verordnung vom 31. August
2015. BGBl. I, S. 1474.
[3] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Flächenhafte Lärmsanierung – der energetische Ansatz. Teil 2: Recht-
Lärmbekämpfung Bd. 10 (2015) Nr. 6 - November
Juli
licher Rahmen – Verhandlungsverfahren vor hoheitlichem Sanierungsverfahren. Lärmbekämpf. 9 (2014) Nr. 5, 217-221.
[4] Bönnighausen, G.; Popp, C.: LärmKennZifferMethode –
Methode zur Beurteilung lärmbedingter Konfliktpotentiale in der
städtebaulichen Planung. Hrsg.: Baubehörde Hamburg 1988.
[5] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Flächenhafte Lärmsanierung – der energetische Ansatz. Teil 1: Vorgehensweise. Lärmbekämpf. 9 (2014) Nr. 4, S. 162-165.
[6] Hornfischer, F.; Kupfer, D.; Popp, C.; Weese, U.: Kooperatives Management der Lärmsanierung. Bonn: Kirschbaum Verlag 2014.
253